Sonntag, 31. Januar 2016

18/2 - Re: Skagen


Ämne: RE: Skagen
Datum: den 18 februari 2004 14:58


Liebe Malou
Ich verstehe das nicht ganz? Ist denn Skagen ein Maler, und was hat er mit den Worpswedern zu tun? Du schickst mich daran, das herauszufinden? Aber ich habe im Moment keine Ferien !!!

Zur Zeit bin ich ziemlich mit Arbeit überhäuft und komme kaum dazu, unter dieser Beige hervor den Himmel zu sehen. Aber er ist auch nicht wirklich zu sehen, denn eine trübe Wolkenschicht hängt über der Landschaft.

W. hat mir ein Mail geschickt. Er sei krank, und seine Gedanken klingen auch wirklich ziemlich delirös. Er hat gelacht über den Begriff ‚delirös’. Er ist hübsch, nicht wahr? Stammt aus der Psychiatrie und meint eine Art von pathologischem Geisteszustand, der eintreten kann unter anderem dann, wenn man lange Zeit zuviel getrunken hat. Dann ist es eben ein Alkohol-Delir. Aber es gibt auch Fieber-Delirs und ähnlich elysische Traumzustände.

Aber nächste Woche haben wir Ferien und ich hoffe, dass es etwas ruhiger und etwas sonniger wird. Das wäre uns wirklich zu gönnen. Ich glaube, während der ersten Woche werden hier auch Fasnachten stattfinden. Und die folgende Woche wird es dann in Basel sein. Aber Du weißt, dass Fasnachten nicht in mein Ressort fallen. Das ist was für junge und alkoholfeste Menschen. Ich ziehe mich dabei lieber auf ruhigere Gefilde zurück. Kürzlich hatte ich ein Foto gesehen vom Carneval in Venedig. Man sah darauf ein paar von diesen hübschen Masken, die aber von einer Unmenge an Touristen beinahe erdrückt wurden. Das Verhältnis war irre und völlig falsch. Hier in L ist es weniger schlimm. Alle feiern Karneval und ich sitze im Büro und schau ab und zu aus dem Fenster. Das macht 10'000 : 1. Ist doch ein gutes, geradezu königliches Verhältnis, nicht wahr?

Aber im Moment bin ich ein wenig knapp an Energie. Das merke ich vor allem an der Tatsache, dass ich meine NZZ Wochenendausgabe nicht genügend lesen kann. Ich lege jede Menge Artikel und Berichte zur Seite in der Hoffnung, sie dann später lesen zu können. Aber eine Woche später kommt schon wieder die nächste Ausgabe, und ich habe die letzte noch nicht gelesen. Es ist wie wenn man mit Kleinkrediten Kleinkredite finanziert. Man verschuldet sich zusehends, und zwar bei einer Kreditfirma namens ‚Zeit’.

Ich beneide Dich immer noch um Deine freien Tage. Ich würde in einer solchen Situation am liebsten herumreisen, in abgelegenen Landgasthöfen Kaffee mit Schnaps trinken und durch weite, verschneite Jurawiesen wandern. Ich glaube, dieser Wunsch kommt aus einer Erinnerung an die Militärzeit. Wenn man lange Zeit in der Nässe und Kälte draussen gestanden oder marschiert hat, dann ist ein Landgasthof mit einem Kaffee-Plus ein elysisches Geschenk, und die ganze muffige Wärme der ärmlichen Wirtschaft erscheint romantisch und gemütlich. Der Jura ist aber eine schöne Landschaft. Charakteristisch dafür sind die milden Hügel, die weiten Wiesen mit den Gruppen und Einzelexemplaren von Tannen. Dazu kommen die eher niedrigen, aber breiten Steinhäuser und die Pferde, die man zumindest im Schweizer Jura oft sieht.

Ich glaube, ich muss demnächst einen Ausflug in den Jura machen.

Ich wünsche Dir eine gute Zeit.
Mit lieben Gs und Ks
...

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Subject: Kunterbunt.. unter grauem Himmel..
Date: Wed, 18 Feb 2004 22:56:05 +0100


Lieber ...,
Skagen ist ein Ort in Dänemark. Es liegt am Meer und hat ein ganz besonderes nordisches Licht. Deswegen hat es auch viele Maler angezogen, die dort eine Künstlerkolonie gebildet haben. Der wohl bekannteste von ihnen ist Peter Kröyer, von dem ich dir vor langer Zeit mal geschrieben habe, weil ich damals ein Buch gelesen habe über seine schöne Frau Marie, die auch Künstlerin war.
Die "Skagenmaler" sind also ein Begriff für uns hier im Norden. Ich schicke dir ein Bild mit, wo sie sich selbst abgebildet haben.



Du brauchst nicht neidisch zu sein auf meine Freiheit. Nur noch zwei Tage - dann ist das ganze vorüber. Es wundert mich immer wie schnell die Zeit vergeht, wenn man frei ist. Eben vielleicht, weil man hofft dass die Tage richtig lang sein sollen.
Auch heute war ein grauer Tag und ich habe nur das Haus verlassen um einzukaufen. Hier sah es schon aus wie bei einer Kirchenmaus und ich musste mit Lebensmitteln nachfüllen.

Gestern abend habe ich "Les 400 coups" von Truffaut gesehen. Ein bisschen lustig, dass man diesen Film gerade jetzt zeigt, denn vorige Woche habe ich meine Schüler die ersten zehn Minuten dieses Films sehen lassen. Ich hatte mir diese 10 Minuten vor langer Zeit einmal als Kostprobe auf Video aufgenommen. Es passte gut zu unserem Text über die Geschichte des Films, wo gerade dieser Film als einer der wichtigsten der französischen "nouvelle vague" bezeichnet wurde.

Hoffentlich geht es deinem W bald wieder gut. So musst du wohl diese Woche auf seine Gesellschaft verzichten. Ich bin auch nicht so besonders begeistert von solchen Festen, wie die Fasnacht. 1:10.000 klingt gut. Aber ich denke es gibt mehrere, die dieselbe Einstellung haben wie du. Nur dass sich eben auch die irgendwo hinter ihren Gardinen verstecken. Hast du übrigens nun Gardinen in deinem Büro?

Ich weiss, dass du viel zu tun hast jetzt. Ich kenne schon ein wenig deinen Jahresrythmus und ich glaube um diese Zeit bist du immer ziemlich mit Arbeit überhäuft. Du bist lieb, dass du dir trotzdem Zeit nimmst mir meine tägliche Ration zu senden. "On devient responsable de ce qu'on apprivoise". :-)

Ich habe heute von einem sehr karismatischem Imam gehört, der zukünftig an einer katholischen Universität in den USA unterrichten wird. Taric Ramadan heisst er und er ist in der Schweiz aufgewachsen. Es gab einen Artikel über ihn vor kurzem in "Le Nouvel Observateur". Hast du je von dem Mann gehört?

Der Artikel über Rilke und seine zwei "Lieben" war ganz gut, aber doch auch etwas komisch. Ich weiss nicht ob es die Sprache war.. Aber die erste Passage war recht interessant. Ich dachte, vielleicht ist es auch so mit meinem Mausfreund. Korrespondenzen, die sich überlappen.. Im VL ist das ja durchaus möglich.
Siehst du, was mich gewundert hat ist, dass man auf dem Buch, das die zwei Freundinnen von Rilke, Clara und Paula schildert, das bekannte Bild von Kröyer sieht, wo er seine Frau Marie und ihre Künstlerfreundin abgebildet hat.



K hat gerade angerufen und mir mitgeteilt, falls ich es noch nicht wüsste, dass ich nun nur noch zwei Tage frei habe.. während er seine freie Woche ungraviert vor sich hat. Er ist ein richtiger Sadist, der es liebt solche Botschaften zu überbringen. Aber ich gönne es ihm, dass er eine zeitlang schöne faule Tage in seinem Heim geniessen kann. Wahrscheinlich wird er dann auch sein kleines Treibhaus einweihen. Nicht Mohrrüben, aber Tagetes wird er züchten. Du weisst, dass Rosen besonders schön blühen, wenn man Tagetes in ihrer unmittelbaren Nähe pflanzt. Sie bekämpfen die für die Rosen schädlichen Nematoden. Oder so ähnlich... ;-)))
"Il faut cultiver notre jardin"! Vielleicht hat er Recht, der alte Voltaire.
Weisst du, dass Voltaire auch Poet war? Hier ein paar Zeilen aus einem seiner Gedichte:

"On meurt deux fois, je le vois bien:
Cesser d'aimer et d'être aimable,
C'est une mort insupportable;
Cesser de vivre, ce n'est rien."

Was denkst du über das Bild mit den Skagenmalern? Impressionistisch, oder?

Ich grüsse dich lieb und wünsche dir einen angenehmen Tag,
H+K,
Malou

Samstag, 30. Januar 2016

17/2 - Heller Tag



Ämne: Heller Tag ...
Datum: den 17 februari 2004 08:51



Liebe Malou

Der Artikel an Dich über Rilke, oder vielleicht über eine Ausstellung über Rilke hat den Titel „Als Rilke sich in Paula und Clara verliebte“ und stammte aus der Zeit 34/2003 und stammt von Rolf Vollmann. Leider weiss ich nicht mehr, wo ich ihn gefunden habe. Nur die erste Seite wurde bei mir ausgedruckt. Und als ich sie gelesen habe, bedauerte ich, dass mir der Rest fehlt. Der Artikel liegt in einem Deiner Boxes. Ich glaube jene Box mit der Nr. 137 in der Adresse. Bestimmt wirst Du ihn finden. Er handelt über eine Ausstellung in Bremen und erinnert an die Worpsweder Künstlerkolonie.

Gestern hatten wir unser Club Essen. Eigentlich war es der Besuch einer Zeitungsdruckerei mit anschliessendem Essen. Wir gingen nur zum Essen hin, weil S vorher mit dem Auto unterwegs war. So konnte ich abends noch ein Nickerchen nehmen, bevor ich losfuhr. Das Essen war nicht schlecht, aber auch nicht erstklassig. Wir erwischten einen schwachen Tisch. Mein Gegenüber redete während des ganzen Essens drauflos und spuckte mir in den Teller. Das mag ich nicht besonders. S machte derweil Networking, wie man sagen könnte, d.h. sie geht hier- und dorthin und plaudert mit den Leuten.
Wir sind dann aber nicht zu spät wieder heimgekehrt. Das ist gut, während der Woche. Wir waren ungefähr 22.45h zuhause, konnten noch ein Tee trinken und sind dann ins Bett gestiegen.

In ein paar Wochen ist Zeit für mein Vortrag an der Reihe. Ich muss wohl noch einige Bilder hinauskippen, weil die ganze Geschichte zu lang wird. Ich glaube, die Leute können in so kurzer Zeit nicht so viele Bilder unkommentiert anschauen. Ich werde sehen. Auf jeden Fall tut mir jedes Bild leid, das ich nicht zeigen kann. Aber, wie man oft sagt: weniger ist mehr! Ich will die gesetzten Herren auch nicht überfordern. Nächste Woche ist Ferienzeit, da habe ich die Gelegenheit, meine Unterlagen zu überarbeiten.

Heute ist der Himmel ein wenig bedeckt. Ich hoffe, es wird nicht zu trübe. Eigentlich wollte ich über Mittag wieder einen Spaziergang machen. Das ist wirklich gut für den Körper. Aber das tue ich nur, wenn das Wetter entsprechend ist. Bei Regen werde ich nicht auf einen solchen Gedanken kommen, obwohl es eigentlich ganz hübsch sein kann, bei Regen zu wandern. Gestern war ich die Grünhagstrasse hinaus gegangen. Dort wohnte mein Vetter, der Philosoph. Er ist vor zwei Jahren plötzlich gestorben, und zwar einen richtig gemütlichen Philosophentod: er ist nachts im Bett ruhig eingeschlafen. Kein Unfall, kein Abenteuer, Bloss im Schlaf hat er sich verabschiedet, respektive eben nicht verabschiedet. Ich hatte nicht lange vorher eine Zeichnung für ihn gemacht, gerahmt und geschenkt. Er hatte Freude daran und mir einen langen Brief darauf geschrieben. Aber ich weiss nicht, was mit seinen Dingen geschehen ist. Ist auch nicht so wichtig.

Heute habe ich zwei Termine. Ich muss mich noch ein wenig vorbereiten. Ich wünsche Dir einen schönen Ferientag. Was wirst Du machen? Um Karotten zu sähen im Glashaus ist es wohl noch ein bisschen früh.
Mit einem schönen Gruss
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Subject: RE: Heller Tag .....
Date: Tue, 17 Feb 2004 13:28:53 +0100


Lieber ... ,
In meiner Box liegt wirklich nichts. Vielleicht kommt es davon, dass ich sie auf exclusive eingestellt habe. Dann nimmt sie nur post von bekannten Adressen an. Aber es macht nichts, denn ich habe den Artikel im Internet gefunden. Wenn ich zu google.com gehe und den Titel des Artikels dort hinschreibe, kommt der Artikel auf. Es reichen eigentlich ein paar Stichworte.


Ich habe einen Teil dieses Vormittags in Museen verbracht - nicht richtige Museen, denn die liegen etwas zu weit weg. Aber hier im Internet. Und ich habe mir die Bilder in dem Bremer Museum angesehen, die von den Künstlern stammen, die über die Rilke geschrieben haben. Etwas erstaunt mich ein wenig. Schau dir mal die Bilder hier unten an.

Zwei sind von den Skagenmalern und das dritte ziert das Buch über die Künstlerinnen Clara und Paula. Was hatten diese beiden Künstlerkolonien miteinander zu tun? Du wirst es sicher herausfinden.



Ich habe mir einen schönen ruhigen Morgen gemacht. Habe auch Mut zu mir genommen (das braucht es immer in diesen Fällen) und habe die Versicherungsgesellschaft und dann auch die Handwerker angerufen, die in der Küche noch etwas tun müssen.
Dann kam ein Programm mit Dr. Phil, der bekannte Psychologe. Diesmal ging es um die Angst der Männer zum Arzt zu gehen bevor sie nicht todkrank sind. Es war sehr interessant, wie immer. Man sollte sich wohl ab und zu kontrollieren lassen. Besonders, wenn man spürt, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Es war ein sehr grauer Morgen mit etwas Schnee-Regen, aber jetzt scheint sich der Himmel aufzuklären. Vielleicht sollte ich mir ein Beispiel an dir nehmen und auch einen Spaziergang machen (will nicht). Doch ich glaube sowas kann man zu einer Gewohnheit machen, sodass man es zuguterletzt sogar schön findet. Als ich die Katzen hier in der Nähe zu betreuen hatte, musste ich mehrmals am Tag einen kleinen Spaziergang dorthin machen. Das habe ich nachher fast vermisst.

Und was machst du heute? Ich meine ausser arbeiten? Hast du Zeit ein wenig zu plaudern.. hier via Mail?
Ich sende dir das nun ab und hoffe dass du dazu kommst deine Mailbox zu öffnen.
Mit lieben Grüssen
Malou

Freitag, 29. Januar 2016

16/2 - Blauer Himmel und Einladung




Ämne: Blauer Himmel..
Datum: den 16 februari 2004 12:49


Liebster Mausfreund,
Da bin ich wieder.. fühle mich ein wenig wie ein Dornröschen, das gerade aus dem Schlaf erweckt worden ist. Aber von einem Prinzen ist keine Spur zu sehen.. :-(
Um neun Uhr bin ich aufgewacht. Fast hatte ich ein wenig schlechtes Gewissen. Sag warum hat man das so oft? Wir sind voll von Vorstellungen, wie das Leben sein soll und den alten Vorstellungen nach ist doch alles was schön ist meist verboten. Ich versuche mich abzuprogrammieren. Du weisst sicher, dass es sogar Kurse gibt, die dazu da sind. Heutzutage kann man mit allem Geschäfte machen.

Jedenfalls hat sich der Himmel nun aufgeklärt und die Sonne leuchtet schräg zum Fenster herein. Ich sitze direkt vor dem Fenster und betrachte die schöne grosse Birke. In Gedanken sehe ich schon ihr erstes zartes Grün. Vielleicht ist sogar jetzt die schönste Zeit. Die Zeit der Hoffnung, die Vorahnung von all dem was kommen wird.

Gestern Abend, als ich Anna hierher brachte, war es schon ganz dunkel und die Strassen glänzten Feucht im Scheinwerferlicht. Sicher war es gefährlich glatt und ich bin langsam gefahren.

Wir haben Ks Geburtstag still in der Familie gefeiert. Ich glaube er war ganz zufrieden damit, denn schon in der Woche hatten seine Freunde und Arbeitskollegen ein Fest für ihn gegeben. Anna machte einen lustigen Kommentar darüber, dass wir uns nun fast vertragen, K und ich. Armes Kind! Man kann Kindern nichts vormachen.. vielleicht kann man im Nachhinein erklären.. Aber ich weiss nicht.
So nun werde ich mich wohl langsam auf den Weg machen. Ein paar Besorgungen, wie ein Staublappen, ein hoher Blumentopf, ein Schneidebrett..(?) Du siehst, wirklich lebensnotwendige Dinge ohne die man nicht auskommen kann. ;-)

Ich denke es muss ein schönes Fest gewesen sein bei dir zu Hause. 8 Personen ist gerade richtig und ergibt meistens eine schöne Konversation, wobei alle dabei sein können. Ach, ich beneide dich ein bisschen um solche schöne Abende.

Ich schicke dir ein wenig Sonne, falls sie dir fehlen sollte und wünsche dir weiterhin einen schönen angenehmen Tag,
Mit lieben Grüssen und einem süssen K,
Malou

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Ämne: Re: Blauer Himmel....
Datum: den 16 februari 2004 16:21

Liebe Malou
Ach Du bist beneidenswert mit Deinen Sportferien. Wie denn hast Du sie verdient und ich nicht? Na ja, nächste Woche werden wir auch hier Ferien haben. Aber natürlich sind das bloss Schulferien, und bei uns wird im Prinzip weitergearbeitet. Aber es geht dann nicht so wild zu und her.
Heute ist wunderschönes, blaues Wetter. Ich war über Mittag eine halbe Stunde draussen und habe einen Spaziergang gemacht. Das tue ich eher aus Pflichtgefühl denn wirklich aus angeborener Lust. Ich mache es, weil es gesund sein soll.
Und - lustig - jedes Mal, wenn ich über Mittag hinaus gehe kommt mir ein Bild aus dem Wallis in den Sinn. Wir waren damals jeweils kurz nach ein Uhr mit der Eisenbahn wieder nach Brig gefahren. Und regelmässig sah man dann das Architektenpaar Wenger mit ihren Hündchen in der Gliserebene spazieren. Das Architekturbüro Wenger war ein erfolgreiches Unternehmen und bekannt für ihre originellen Bauten. Damals war ich erstaunt, wie solch originelle Leute so was gewöhnliches wie einen Mittagsspaziergang machen können.

Kurz und gut: geschieht Dir recht, dass Du um 9 Uhr mit etwas Schuldgefühlen aufwachst. Es ist ja auch zu faul und träge, so lange zu schlafen, noch dazu an einem echten Montag Morgen mit diesem wunderbaren Sonnenschein.

Unsere Einladung am Samstag war ganz angenehm. S. war zwar verspätet, weil offenbar am Nachmittag der Gärtner ihr die Zeit geraubt hatte (!) Und so war alles nur halbwegs bereit, als der Arzt und Altkommunist mit seiner Filmkritikerin schon läuteten. Sie waren in bester Laune. Seine Frau war eben von Berlin zurückgekehrt und ein koreanischer Film hatte irgend einen Preis erreicht. Offen und ehrlich habe ich P. erklärt, dass es einfach ganz unmöglich und geradezu unanständig sei, so pünktlich zu einer Abendeinladung zu erscheinen. Damit hatte ich S den Rücken gedeckt, um ihr einen freien Fluchtweg ins Schlafzimmer zu ermöglichen, damit sie sich noch umziehen könne. Ich war hingegen den ganzen Abend in demselben Tenue, wie schon tagsüber. Aber das macht nichts. Das Essen hat wunderbar geschmeckt. Ich hatte die Aufgabe, ein riesiges Lammgigot aufzuschneiden. Dabei muss man bekanntlich immer sehr Sorge tragen, dass das ganze Ding nicht plötzlich ins Gleiten gerät, durchstartet und durch die halbe Stube fliegt. Ich meine, es wäre noch nicht das Ende der Welt, aber eine solch akrobatische Demonstration schaut nicht sonderlich hygienisch aus. Und ist für ein Gigot auch unpassend. Bei einer gebratenen Gans könnte man ein Auge zudrücken, wenn sie ins Fliegen gerät. Aber bei einem Gigot, nein! Also habe ich mich mit einer riesigen Gabel abgesichert und das riesige Stück sozusagen auf dem Brett festgenagelt.
Wir haben den ganzen langen Abend über Gott und die Welt diskutiert. Der schon 14 Jahre alte Bordeaux, den ich serviert habe, war in Ordnung. Und als Apero hatte ich noch eine Flasche Johannisberg aus dem Wallis gefunden. War zwar knapp, aber gut. Und so haben wir die Tafel erst weit nach Mitternacht wieder aufgehoben, zu einer Stunde, als man über den Melodien im Kopf schon zu raten begann, ob das noch die Nachtigall … oder schon die Lärche.

Und Ihr habt Euren Geburtstag gehabt? Welche Musik habt Ihr dazu gespielt? Ich versuche mir stets vorzustellen, wie das sei, zu einem tüchtigen Kartoffelpuffer das Klavierkonzert No. 2 in A major von Liszt  (...)  zu hören.  Und streng genommen dürfte man mit dem Dessert erst nach den ersten paar Takten des ‚Allegro animato’ beginnen, um die hohe hohe Ordnung zu wahren, und um das Himbeereis in der besten, sahnigen Konsistenz zu erwischen. Und den Kaffee dann bei einem kleinen Menuett oder so, nicht wahr?

Ich stelle mir das alles sehr schick und gediegen vor. Und wenn es so vornehm hergeht, bekomme ich oft den Hustenreiz. Bei jener samstäglichen Geburtstagsfeier, die wir vor einer Woche hatten, gab es nach einem Schluck Champagne auch ein kleines Kammerkonzert. Und plötzlich hatte ich diesen Hustenreiz. Ich sass in der ersten Reihe, nur zwei Sitze neben dem Geburtstagskind. Da kann ein Konzert verdammt lange dauern. Irgendwie gelang es mir, zwar mit Mühe und Anstrengung - aber es gelang, mich auf irgend etwas ausserhalb dieses teuflischen Hustenreizes zu konzentrieren. Einer der Violinenspieler machte komische Miene zum schönen Spiel, und ich musste ein Lachen unterdrücken und erinnerte mich, wie ich mal ein solches Kammerorchester nach einem Konzert aus der Erinnerung gezeichnet hatte. Es war ein bisschen cartoonartig. Der Flötist, Musiklehrer unserer Kinder, dem B. die Zeichnung postwendend zugespielt hatte, war ganz begeistert.

Jetzt muss ich mich sputen. Wir haben heute Abend noch einen Termin.
Ich wünsche Dir einen schönen Tag, Faulenzerin Du!
Mit schönen Gs und Ks
...

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Ämne: 137@...
Datum: den 16 februari 2004 16:23

Malou
ich habe Dir letzte Woche ein Mail geschickt über Rilke. Es ging wahrscheinlich an die andere Adresse. Hast Du das gefunden. Ich hatte es nicht gelesen, weil aus meinem Drucker nur die 1. Seite kam. Ist es interessant. Kannst Du mir auch eine Kopie davon zukommen lassen?
Gruss
...

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Ämne: Dunkle Nacht..
Datum: den 17 februari 2004 00:34

Lieber ...,

"Kurz und gut: geschieht Dir recht, dass Du um 9 Uhr mit etwas Schuldgefühlen aufwachst"

Ja doch, aber wenn ich um neun Uhr nicht nur aufgewacht sondern auch aufgestanden wäre.. hätte ich wahrscheinlich nur "etwas" Schuldgefühle gehabt. Doch ich habe mich umgedreht und weitergeschlafen bis um 10 Uhr.. Schlimm! Ich weiss. Komme mir vor wie ein Teenager. :-)

Ich bin heute Abend wieder nach Hause gefahren. Es war sehr dunkel aber die Strassen kamen mir trockener vor als gestern und so brauchte ich kaum 1½ Stunden für die Fahrt. Und hier bin ich ziemlich müde angelangt. Das in Geschäften herumlaufen macht mich müder als sonst was. Aber ich habe mehrere kleine Dinge gefunden, die sich gut machen in Annas kleinem Zimmer und die ihr Leben etwas bequemer machen. Sie hat es wirklich schön. Leider hat sie jetzt keine Ferien sondern ist ganztags beschäftigt, sonst wäre ich vielleicht noch einen Tag geblieben.

Anna hat immer so gute Ideen wenn sie ein Geschenk kauft für jemanden und diesmal wollte sie, dass das Geschenk für K auch für mich eine Überraschung sein sollte. Ich war sehr neugierig. Und weisst du was sie ihm gekauft hatte? Ein kleines Minigewächshaus (oder Treibhaus?) in dem er seine Pflanzen aufziehen kann. Ein schöneres Geschenk hätte ich mir kaum vorstellen können. :-) Er schien auch ganz glücklich darüber.

Ich lese im Moment ein interessantes Buch. Es ist von T.H's Sohn geschrieben. Ich glaube ich hatte dir schon mal geschrieben über ein Fernsehprogram, das dieser junge Mann zusammen mit einem Freund gemacht hat und das viel Aufsehen erregte.. vor zwei Jahren glaube ich. Sie sind immer noch erfolgreich mit ihren Fernsehprogrammen, aber jetzt haben die beiden jungen Männer ein Buch geschrieben über ihre Jugendzeit. Es hat sehr gute Rezensionen bekommen in den grossen Tageszeitungen. Für mich ist es natürlich auch interessant weil ich das Milieu genau kenne, in dem F aufgewachsen ist. Die kleine Stadt, die Schule und dann natürlich alle diese kleinen Dinge, die typisch waren für die 80iger Jahre in Schweden und die nun schon so veraltet und weit entfernt erscheinen. Aber was ich dir eigentlich gern zeigen würde ist die Art, wie das Buch geschrieben ist. Fast ein bisschen wie Seiten aus einem Tagebuch. Man muss es nicht in einem Zusammenhang lesen sondern ab und zu eine Praline davon in den Mund stecken. Doch ich muss zugeben, dass es nicht leicht ist, sich auf nur eine zu begrenzen. Ich denke diese Form würde sich ausgezeichnet eignen für eine Jugendschilderung aus dem Wallis. Der Titel: "Zwei Nusscrème und eine Moviebox" mit dem Untertitel: "Schwindelnde Verallgemeinerungen aus unseren Jugendjahren im DDR-Schweden" sagen schon etwas über das Buch.

*
Du sagst, dass du mir etwas über Rilke geschickt hast aber ich habe nachgeschaut in 137@.... und da liegt nichts. Schade. Was war es genau?
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Ich habe mich gut amüsiert über deine Heldentaten am Serviertisch.. Klug von S. das Tranchieren einem Experten zu überlassen.. ;-))
Was den Filmfestival in Berlin betrifft so ist wohl auch ein schwedischer Film dort ausgezeichnet worden. Aber nicht derjenige, der für einen Oscar nominiert worden ist.

Es ist schon wieder spät und ich verabschiede mich
mit einem lieben Gutenachtgruss und K.
Malou

14/2 - Samstags.. auf dem Flohmarkt


Ämne: samstags um vier bei kaffee und kuchen
Datum: den 14 februari 2004 16:59


Liebe Malou

Heute haben wir hier wunderbares Wetter. Man denkt, es sei schon Fasnacht, obwohl wie ich mich gut erinnern kann, Fasnacht in den letzten Jahren deutlich kühler gewesen war. Ich bleibe dabei, an Samstagen auch zu arbeiten. Das geniesse ich richtig. Heute morgen hatte ich einen Termin mit einem Jüngling. Er will eine Ausbildung machen und hat ziemliche Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache. Na ja, wir werden ihm eine kleine Förderung verschreiben. Ich glaube, er hat viel guten Willen und kann noch einige Fortschritte machen. Es war ziemlich gemütlich. Wir haben zusammen einen Kaffee getrunken und über seine Schulzeit geredet.  ...

Und eben bin ich von Basel heimgekehrt. Ich war in einer Buchhandlung, um mich nach neuen sozialwissenschaftlichen Büchern umzusehen. Und da habe ich zufällig den Flohmarkt auf dem Platz neben der Universität entdeckt. Und natürlich habe ich eine Runde gemacht, aber nichts gekauft, Ehrenwort! Manchmal juckt es einen in den Fingern, aber heute hatte ich keine Mühe. Es gibt viel Ramsch, und es ist erstaunlich, was die Leute alles kaufen. ich glaube, neben der Dutzendware, die man in Kaufhäusern findet, haben diese alten, verrosteten und halb zerbrochenen Dinge die goldene Aura der Trouvaille. Man fühlt sich nobilitiert durch das Gefühl, der einzige auf dieser Welt zu sein, der dieses ulkige Ding besitzt. Und das hat schon was an sich. Man ist wirklich der Einzige, wenngleich manchmal bloss der einzig Dumme. Aber es ist ja auch eine nette Freizeitbeschäftigung. Habe ich Dir erzählt, dass ich vor nicht zu langer Zeit so eine Kanne aus Zinn (Walliserkanne) und einen dazu passenden Becher gekauft habe. In den Deckel ist eingraviert ‚Zum 40. Arbeitsjubiläum Deine Arbeitskollegen’. Das amusiert mich und ich freue mich auf die Gelegenheit, mit dieser Kanne und der Gravierung ein Spielchen zu treiben. Nun ja, um 40 Jahre zu erreichen, muss man ja beinahe gleich nach der Schule in einen Betrieb eingetreten zu sein. Und so was habe ich niemals in meinem Leben geschafft. Aber im Moment steht die Kanne unbenützt auf meinem Büchergestellt, und in den Becher habe ich eine tüchtige Menge Farbstifte gestellt. Das sieht gut aus.

Und dabei sollte ich noch einen Brief schreiben für die Freundin, deren Mann gestorben ist. Das ist im Moment nicht leicht. Ich muss schauen, wann ich dazu in richtiger Stimmung bin. Heute Abend haben wir Gäste, und ich sollte nicht zu spät heimkehren. Es gab mal diese komische Situation, als ich gleich mit den Gästen gemeinsam heimkam und an der Türe stand. Aber ich glaube, das war während der Woche. Das sollte ich eigentlich heute vermeiden. Die Gäste sind jene, die wir mal zusammen in Beaumes getroffen haben. Eines der Ehepaare besass damals ein schönes Landhaus im Burgund. Und das andere Paar sind ein Arzt und eine Filmkritikerin. Und das dritte Paar sind ein Bankdirektor und seine Frau, die sehr hübsch ist und aus Panama stammt. Ich hoffe, wir werden einen unterhaltsamen Abend haben.

Ich wünsche Dir ebenso ein gutes Wochenende
mit lieben G+K
...

Donnerstag, 28. Januar 2016

13/2 - Freitags um 8


Ämne: Freitags um 8
Datum: den 13 februari 2004 08:49


Liebe Malou
Hast Du bemerkt, dass heute Freitag ist? Es ist in der Tat wieder mal Wochenende. Wir haben zwar heute Morgen noch eine Direktionssitzung, die immer wieder Unerwartetes bringen kann. Aber im Übrigen ist die Woche so gut wie gelaufen. Und, zweite Überraschung heute: die Amsel auf dem Dach des Nachbars hat heute vor 7 Uhr schon ein Morgenlied gesungen. Es war noch nicht aus voller Brust, noch etwas leise und vorsichtig. Aber sie hat ihre Übungen aufgenommen. Und ich denke, sie wird jetzt jeden Morgen lauter und überzeugter werden. Ich frage mich, ob es dieselbe Amsel ist wie letztes Jahr? Eigentlich gehe ich schon davon aus, dass Amseln ziemlich sesshaft sind. Je älter ich werde, desto mehr fange ich an, Amseln zu schätzen. Früher waren mir Vögel einfach Vögel. Aber heute muss ich sie bewundern, wie schön sie singen. Und wenn die Sommerregen kommen, sind sie auch da auf dem Rasen und suchen sich die fetten Regenwürmer aus.

Gestern war unser Weekly. Weil A. das Auto benötigt hat, bin ich mit der Eisenbahn hinauf gefahren. Es sind nur 2 Stationen und braucht kaum 10 Minuten. Und es ist gar nicht schlecht, abends noch ein paar Schritte an der frischen Luft zu machen. Kannst Du Dich erinnern, dass die Menschen früher noch Abendspaziergänge gemacht haben? Ach, das waren noch Zeiten. Ich glaube, heute ist das mehr oder weniger aus der Mode gekommen. Ich kann mich daran erinnern, wie man Klassenlehrer am Gymnasium manchmal mit seiner Frau in Visp aufgetaucht ist. Wir hatten einen grossen Garten, und im Sommer hat sich viel dort abgespielt. Ich bin oft mit meinen Lateinwörtern im Garten auf und abgegangen, um sie zu memorieren. Offiziell gab es die Weisung von der Schule, dass Schüler abends nach 18.00h oder vielleicht 19.00h - ich weiss es nicht mehr - dass man sie auf der Strasse nicht mehr antreffen soll. Ich fand eine solche Einmischung der Schule ins private Leben immer unerhört. Aber wir Visper waren dem auch nicht ausgesetzt. Denn in Visp bestand praktisch keine Chance, dass dich ein Lehrer abends beim Besuch eines Restaurants oder in der Nähe der Kunsteisbahn antreffen würde. Es war einfach ausgeschlossen, deshalb scherten wir uns nicht um diese Vorschrift. Aber eben, dann gab es diese gelegentlichen Momente, wo der Lehrer, Arm in Arm mit seiner Frau, wohl zufällig an unserem Garten vorbei spaziert war und natürlich interessiert herein schaute. Man war dabei als Schüler immer etwas befangen. Einerseits kannte man den Lehrer gut, andererseits hatte man ja eine Distanz zu Erwachsenen und wechselte, ausser einem Gruss, kaum ein Wort mit ihnen. Der Lehrer hatte mir einmal erzählt, wie sehr seine Frau das Porzellan, das meine Mutter bemalte, zu schätzen wusste. Er hatte mich sogar eingeladen, es bei ihm zuhause mal anzuschauen. Aber auf diese Einladung war ich nie eingetreten. Ich glaube, er hatte ein bisschen Erbarmen, dass meine Mutter früh gestorben war und wollte ein bisschen Zuneigung zeigen. Aber damals, in jenen alten Zeiten, war man als Schüler nicht so sehr empfänglich für solche Dinge.

Na ja, es sind mir einfach die Abendspaziergänge der Menschen in Erinnerung gestiegen zu jenen Zeiten, als es noch kein Fernsehen gab. Die Zeit war wirklich anders. Und die beste Unterhaltung war, neben dem Sport, das Geschriebene.

Ach, ich muss schon wieder los. Sonst komme ich zu spät an die Sitzung. Wenn ich Dich nicht mehr sehe, wünsche ich Dir ein schönes Wochenende und eine rauschende Geburtstagsfeier.
Mit gs und ks
...

12/2 - Donnerstags


Ämne: Donnerstags
Datum: den 12 februari 2004 09:13


Liebe Malou
Ja genau, so ungefähr habe ich es gemeint mit den verschiedenen Welten, von denen die eine nicht versteht, was die andere meint. Um Rilke zu verstehen, oder vielleicht besser zu erahnen, muss man in einer ähnlich mystischen Welt sein. Das gelingt auf Anhieb vielleicht einem Sufi, aber nicht jedem gewöhnlichen Alltagsmenschen, wie wir es sind. Es braucht dafür vor allem Zeit und eine Art von Gelassenheit, den Dingen ihr Eigenleben zu lassen. Wer aber gerade im Stress ist, versteht das alles nicht. Ist es nicht merkwürdig, dass es Zeiten gibt, in denen wir uns selbst nicht mehr verstehen?

Deine Kandidaten für die Pension regen Dich zu Gedanken an, die kaum mehr Illusionen zulassen. Wahrscheinlich haben sich viele Menschen auch früher sehr auf ihre Pension gefreut. Aber Du hast recht, es sind mehr geworden, die diese dritte Lebensphase sehnlichst erwarten. Allerdings hat man in den letzten Dezennien auch gelernt, mit dem 3. Alter mehr zu machen als bloss Enkel zu hüten (obwohl Kinder-hüten wahrscheinlich seinen Reiz hat). In Deutschland, so habe ich gehört, sind es sehr viele Lehrpersonen, die nicht bis zum Pensionsalter arbeiten, sondern aus irgendwelchen medizinischen Gründen vorher ausscheiden.

Gestern haben wir die Nachricht bekommen von einem guten Freund, der mit 61 Jahren gestorben ist. Ich hatte ihn noch als Student kennengelernt. Wir haben zusammen mit anderen Studenten in einer grossen Firma in der Buchhaltung gearbeitet. Es war wunderbar. Ich behaupte heute, die Firma habe uns praktisch Stipendien fürs Studium bezahlt. Wir waren völlig frei und mussten Arbeiten machen, deren Zeitaufwand man eigentlich nicht kontrollieren konnte. Ich erinnere mich daran, dass ich mit einem Kollegen zusammen in allen Büros die Möbel nummerieren musste. Wir hatten kleine Kleber, die wir an diskreter Stelle an die Büros kleben sollten. So haben wir diese ganze, grosse Firma durchgekämmt, von den Chefs bis zu den kleinen Bürogummis. Das war hochinteressant. Bei den Chefs haben uns elegante Sekretärinnen mitgeteilt, wann ihr Chef abwesend sei und wann wir wieder kommen sollten. Oft waren diese Frauen ganz joviale Menschen und haben mit uns geplaudert, einen Kaffee offeriert und womöglich noch irgendwelche Süssigkeiten in der unteren Schublade gefunden. Man konnte bemerken, dass sie die Fäden in Händen hielten, und die Chefs dahinter vielleicht manchmal wirklich nur kleine puppets-on-the-strings waren. Es gab grössere Büros, wo mehrere Personen gemeinsam arbeiteten. Für mich als Psychologie-Student war erstaunlich, wie unterschiedlich einem die Atmosphären entgegenschlugen. In manchen Büros war es gemütlich, lustig, unkompliziert. In anderen Büros war es karg, kühl und die Leute verbargen sich hinter irgendwelchen Pflichten. Es war eine wunderbare Arbeit und die Zeit verging im Fluge. Schliesslich mussten wir auch in Zürich von gewissen Orten zu anderen Reisen, Adressen suchen und so fort. N. war auch in diesem Büro. Er war eine der älteren und studierte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (jene düsteren Schule, der ich vor nicht zu langer Zeit entronnen war) Agraringenieur. Er war von uns allen der fleissigste. Einige spielten die meiste Zeit Karten, während ich las. Aber N. arbeitete an jenen grossen Bögen voller Zahlen aus der Buchhaltung, die wir zu kontrollieren hatten. Er war sehr korrekt. Später, als S schon in der Schweiz war, hatten wir immer wieder Kontakt. Ns Freundin war in Ausbildung als Pianistin, und in regelmässigen Zyklen organisierten die beiden damals gemütliche Hauskonzerte. Es gab irgendwelche Häppchen mit Wein und wunderschöne Musik. Und dazu lernte man neue Leute kennen. Alles war sehr entspannt, vielleicht E ausgenommen, die ihre Stücke möglichst perfekt zu spielen versuchte. Als wir von Zürich wegzogen, wurden die Kontakte spärlicher. Man lud sich vielleicht einmal pro Jahr ein. Wir hatten Kinder, zwei Töchter. N. und E hatten Kinder, zwei Töchter. N. arbeitete damals in Zürich in der Stadtplanung. Später ging er für ein paar Jahre mit seiner Familie nach Ecuador in die Entwicklungshilfe. Als A mit dem Gedanken spielte, ein Austauschjahr in Ecuador zu machen, suchten wir wieder Kontakt. Sie erzählten uns damals viel von der Zeit in Ecuador, und immer noch haben wir heute einige Fotobände zuhause, die wir ihnen zurückgeben wollten. Ach, es ist traurig, wie die Zeit dahingeht und wie man sich der verpassten Gelegenheiten bewusst wird.

Heute ist hier bewölkt - um das Wetter Bulletin nicht zu vergessen - , nicht zu kalt, eher trüb, ein richtiger Donnerstag Morgen, von dem man noch nicht genau weiss, was er bringen wird.

Ich wünsche Dir einen schönen Tag.
G&K
Rud

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Ämne: RE: donnerstags... gegen 14.oo Uhr
Datum: den 12 februari 2004 15:12


Lieber  ...,
Heute fallen meine Nachmittagsstunden aus und ich hatte also Zeit mit ein paar Kollegen gemütlich in der Kantine essen zu gehen. Zwar immer noch in der Schülerkantine, aber wir hatten einen grossen runden Tisch für uns selbst und die meisten Schüler hatten wohl auch schon die Mittagspause hinter sich gelegt.
Ich glaube gerade das würde ich am meisten vermissen, diese durchaus unterhaltsamen Treffen mit gebildeten Menschen aus verschiedenen Bereichen. Man plaudert locker, man lacht viel und man sieht wie alle sich freuen. Ein Gesprächsthem heute war u.a.: Wie eine Sprache unsere Gedankenwelt beeinflusst. Ungefähr in Richtung: wer mehrere Sprachen spricht hat mehrere Seelen. Einer der jungen Männer stammt aus einer Einwandererfamilie, die nach dem zweiten Weltkrieg nach Schweden auswanderten. Er ist zwar in Schweden geboren, aber seine Eltern sprechen Deutsch zu Hause. Ich denke vielleicht ist es so, dass er mit der deutschen Sprache sofort irgendwie in die Welt der Eltern eintritt, während sein Schwedisch in unserer schwedischen Gegenwart verankert ist. Es war ein interessantes Gespräch und ich habe dabei gedacht, dass auch ich eine andere Person für dich sein würde, wenn ich dir in meiner Muttersprache schreiben würde. Gerade die Bildsprache, die wir verwenden, zeigt eigentlich unseren Charakter und wenn ich dir schreibe merke ich, dass ich oft nicht die entsprechenden Redensarten auf deutsch kenne. Manchmal suche ich dann danach in meinen dicken Büchern und muss vielleicht feststellen, dass es sie garnicht gibt. Und so versuche ich eben mit den Wörtern die ich kenne etwas ähnliches auszudrücken, wobei ich dann öfters den Eindruck habe, dir ein falsch exponiertes Bild zu senden. Ha.. lachst du nun? Natürlich ist es auch ein bisschen meine Absicht, dass du glauben sollst ich wäre interessanter wenn .. Als Psychologe hast du das längst durchschaut. ;-)

Jetzt werde ich mich gleich auf den Weg machen nach X. Ich muss ein Geburtstagsgeschenk für K kaufen. Anna kommt morgen endlich wieder einmal nach Hause, eben auch um ihrem Vater zu gratulieren. Wir werden ihn nun am Wochenende feiern. Wir haben keine Gäste eingeladen, aber man kann nie wissen. Manchmal tauchen die Leute ganz einfach auf. So werde ich jedenfalls versuchen die grösste Unordnung im Haus zu beseitigen und auch ein wenig backen. Aber das letztere wohl erst zusammen mit Anna. Sie tut sowas sehr gern.

Ja, es ist traurig, wenn ein Mensch so früh stirbt. 61 ist wirklich kein Alter. Und plötzlich werden wir wieder erinnert an unsere Vergänglichkeit. Ich habe schon allzu viele von meinen Freunden und Bekannten auf der anderen Seite. Wenn ich nicht Anna hätte, würde ich mich wohl kaum ängstigen. Aber ihretwegen möchte ich so lange wie möglich leben um für sie da zu sein.

Du hast recht. Das dritte Alter ist nicht was er früher war. Viele Leute können nun erst recht ihre alten Träume verwirklichen. Reisen, sich die Welt anschaun, lesen.. Aber alles ist auch davon abhängig wie gesund du bist. Ich habe einen Traum, den ich noch nicht verwirklicht habe: Rom.
Und dann natürlich möchte ich Wien wiedersehen und auch Paris, diese sonnige schöne Stadt, die ich mit Jugend und Romantik verknüpfe. Aber weisst du, in Schweden ist die Altersrente normal 65% von deinem früheren Einkommen. Damit erobert man keine Welt. :-)

Ja, ..., ich glaube auch, dass wir einander gut verstehen. Und du weisst, dass sich unter dieser Schicht von "Maladi" ein ziemlich normaler nüchterner Mensch verbirgt. Wann hast du übrigens vor in die Italobar zu gehen? Aber schon der Gedanke daran macht mich nervös, wie ein junger Teenager vor dem ersten Treffen. Und vielleicht wärest du wieder von meiner nüchternen Art enttäuscht, wie damals.. Aber ich würde es gern mal wieder tun.

So, nun werde ich mich auf den Weg machen. Ich wünsche dir noch einen schönen Rest des Tages,
mit lieben Gs und Ks,
Malou

 (PS Natürlich werde ich mir irgendwo eine Semmel gönnen. Lies hier, was das ist:(http://www.2travelandeat.com/suede/semlor.gateau.a.la.creme.html)

Mmm... wenn du wüsstest, wie gut die schmecken.)

Mittwoch, 27. Januar 2016

11/2 - Mittwochs


                                    Luzern                Foto: Chris


Ämne: mittwochs
Datum: den 11 februari 2004 08:50


Liebe Malou

Ja, die Feststellung, die Du erwähnst, habe ich auch schon gemacht. Wenn man etwas liest, das man vor Jahren geschrieben hat, ist man ganz erstaunt und ein wenig verblüfft, dass der Text von einem selbst stammt. Es ist ganz wunderbar, eine solche Erfahrung zu machen. Und mit den Bildern ist es auch so.
Schwierig ist es, solange man mit den eigenen Produkten verhängt ist, solange sie noch als Teil von einem selbst daher kommen. Dann sind sie der ganzen Kritik ausgesetzt, die man für sich und seinesgleichen hat. Ich habe in diesem Punkt immer behauptet, dass die Zeit heilt. Sie heilt hier ganz besonders. Und man sollte diese Tatsache weiter psychologisch analysieren, weshalb das so ist und wie man diesen Effekt nutzen könnte.
Es gibt ja doch Schriftsteller mit einer Schreibblockade. Sie schaffen es nicht, noch eine weitere Zeile zu schreiben. Hemingway war einer. Aber es gab und gibt noch viele andere. Ich glaube, dass sie mit diesem Phänomen zu tun haben. Und natürlich hat auch das Publikum noch damit zu tun. Die Berühmtheit eines Dichters kann eine schwere Hypothek sein, denn wer unbekannt ist, darf jeden Mist schreiben, hingegen der Bekannte steht sozusagen unter absolutem Erfolgsdruck.

Na ja, die Passage, die ich geschrieben haben soll, die Du zurückschickst, weil Du den Sinn nicht ganz erfasst, diese Passage verstehe ich auch nicht ganz ;--))
Ich wollte damit sagen, dass man für Rilke in sozusagen einer Stimmung eines Sufi sein muss. Er ist so kontemplativ und in allgemeinen Bezügen aufgehoben, dass nicht versteht, wer hart in den Interessenkonflikten des Lebens eingespannt ist. Ich glaube, ich kann ihm nur in sehr kontemplativen Momenten richtig folgen. Und wie Du sagst, er wohnt in einer ziemlich sublimierten Welt, weit enthoben von den praktischen Dingen des Lebens. Das kann wohl nur, wer von allen praktischen Nöten der Existenz erlöst ist. So gibt es eben verschiedene Welten, in denen man Leben kann. Und der Bewohner der einen versteht nur schlecht jenen der anderen Welt. Das ist schon alles.

Es schneit ein bisschen heute. Der Schnee ist aber nass und verkommt auf dem Boden rasch in Matsch und Wasser. Gestern hatten wir einen schönen blauen Himmel. Ich war in Luzern, habe mich im Zug gemütlich in eine Ecke gedrückt und gelesen. Und in der Stadt habe ich mir eine kleine hübsche Konditorei gesucht, um einen Kaffee zu trinken und ein Stück Kuchen zu essen. Es war ziemlich gut. Bestimmt weißt Du, dass Luzern eine grosse Touristenstadt ist. Man hat ein schönes Panorama mit See und Alpen. Und die alten grossen Hotels am Seeufer erzählen alte Geschichten von der noblen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Ich aber bin in der Plüschbank der Konditorei gesessen, habe meine Kirschtorte genossen und dazu ein Buch über Medienpädagogik gelesen. Dann bin ich noch ein bisschen durch die Stadt gegangen, habe mir die Predigerkirche angesehen, diesen Barockbau direkt an der Reuss, und bin dann mit dem Bus weitergefahren nach Kriens, wo unser Kollege wohnt, der uns eingeladen hat. Offenbar hat er sich jetzt teilpensionieren lassen und wollte damit seinen Abschied feiern. Er hat in seiner alten Wohnung selbst ein kleines Essen zubereitet. Doch ich konnte nur bis zum Sekt und Voressen bleiben. Aber es war eine angenehme Geste.

Ja, wenn Du so über deine Ventilation erzählst, kann man leicht neidisch werden. Wir haben keine Einrichtung von solcher grösse. Wir haben bloss in der Küche eine Ventilation. Aber in den anderen Räumen ist das bei uns nicht üblich. Man muss sich damit behelfen, dass man Fenster öffnet. Aber ein Wärmewechsler scheint ein weit raffinierteres System zu sein.

Ich bin ein bisschen faul heute morgen, obwohl ich gestern viel geschlafen habe. Auf dem Rückweg im Zug habe ich so vor mich hingedöst, und ich bin nur aufgewacht, wenn ich selbst einen besonders lauten Schnarcher fahren liess. Es war ein bisschen peinlich im besetzten Zug, aber es war nicht zu ändern.

Ich wünsche Dir einen schönen Tag.
Mit lieben G&K
...
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Ämne: RE: mittwochs...
Datum: den 11 februari 2004 13:06


Lieber ...,
Ja, das mag ich. Wenn du zugibst, dass du deine eigenen Worte nicht verstehst.. ;-))) Aber, weisst du, intuitiv glaube ich sie doch zu verstehen. Du bist eben ein wenig ausgewandert aus diesen höheren Sfären. Vielleicht nimmt dein RL im Moment die Überhand. So ist es zeitweise und man kann nichts dagegen haben. Du bist übrigens der einzige mit dem ich bisher über die Genialität von Rilke sprechen konnte ohne enttäuscht zu werden. Vielleicht ist es unser katholischer Hintergrund.. *s*

*
Ich glaube, du versuchst mich abzuprogrammieren.. verstehst du wie ich das meine? Diese verzehrende (;-))) platonische Liebe, die ich für meinen Mausfreund habe, kann man schwerlich für ein altes Opachen aufbringen, das laut im Zug schnarcht..
oder vielleicht doch???

Ach, ..., lass mich so sagen: ich bin verhext von deinen Mails, von deiner Art die Welt zu betrachten und zu beschreiben. Es ist gut, dass du mir ab und zu klarmachst, dass du ein Mensch bist mit menschlichen Eigenschaften.

Hier strahlt die Sonne zum Fenster herein. Ich habe Lunchpause und bin nach Hause gefahren. Draussen war es heute überraschend kalt. Man merkt es sofort, wenn man vor die Tür tritt, dass die Luft eisig ist.. und dann natürlich auch am Benehmen meines Golfes. Er startet brav wie immer aber er murrt ein bisschen über die Kälte.
Sollte ich mich vielleicht doch eine Weile in die Sonne setzen? Aber es ist wirklich nicht gut für die Haut. Ich sehe es an meiner Nachbarin. Sie ist eine wahre Sonnenanbeterin und verpasst keine Gelegenheit "schön braun zu werden". So sieht ihr Gesicht auch älter aus als meines obwohl sie 15 Jahre jünger ist. Na ja, sie raucht auch. Das kann dazu beitragen.

Wir hatten wieder unsere kleine informelle "Kaffee-konferenz" heute. Das ist immer eine nette Gelegenheit sich gemütlich mit den Kollegen zu unterhalten. A. und G., die beide diesen Herbst ihren Beruf verlassen wollen, geniessen schon die erwartete Freiheit. Fast täglich teilt mir A.  mit "heute habe ich zum letzten mal.." und man sieht dass er glücklich ist darüber. Wenn ich bedenke, wie sehr er früher an diesem Beruf hing und sich darüber freute.. Er hat immer sein Ganzes gegeben. Aber die Schule ist eben in den letzten Jahren etwas geworden, was fast ein jeder gerne hinter sich zurücklassen würde. G. geht ja früher und er zeigt mir immerzu, dass man dabei nicht besonders viel an Einkommen verliert.. er versucht mich zu überreden auch früher zu gehen. Und diejenigen, die noch viele Jahre zu tun haben, beneiden die älteren um ihr Alter..
Ist es nicht schrecklich? Da ist doch irgendetwas nicht in Ordnung.
*
So, nun werde ich mir was zu essen machen..
Ich grüsse dich lieb, mit Hs und Ks wie immer,
Malou

Dienstag, 26. Januar 2016

10/2 - Dienstag


Ämne: Dienstag
Datum: den 10 februari 2004 08:59


Liebe Malou
Braucht es denn in Schweden, um Polizistin zu werden, ein Gymnasium? Das wäre hier keinesfalls so. Und wir haben im Moment in der Schweiz die Diskussion, dass die Universitäten zu billig seien. Jeder kann studieren, sofern er ein Abitur hat. Und ich befürchte, dass sich das in den nächsten Jahren wohl etwas ändern wird.

Ach, so ein Sonnenbad, wie Du es gemacht hast, habe ich auch hinter mir. War letzte Woche, dass ich über Mittag einen Spaziergang im Sonnenschein gemacht habe. Und das nicht, weil ich besonders Lust hatte, sondern eigentlich mehr, weil dies gesundheitsbewusste Menschen immer wieder empfehlen. So bin ich gute ¾ Stunden hinausgewandert bis ans Ende der Häuser, und dann natürlich wieder zurück. Es ist ja nicht übel, man kann sich dabei einiges überlegen. Ich hätte mir ohnehin immer schon ein Stehpult gewünscht. An einem Stehpult kann man nicht nur stehen, sondern geradezu wandern, während man die Gedanken vor sich her wälzt. Na ja, Du kennst ja meine Gewohnheit, wie ein katholischer Monsignore auf und ab zu gehen. Das kommt mir immer so biedermeierlich vor.

Heute morgen war es recht kalt vor dem Haus. Ein Rauhreif lag auf dem Boden und bedeckte unser Auto. Ich glaube, das macht einen klaren Tag. Na ja, vielleicht macht das nicht selbst den Tag, aber es ist immerhin ein Zeichen.

Ich habe Deine Rilke Gedichte immer noch nicht eingehend gelesen. Ich glaube, es braucht dafür etwas mehr Zeit, als ich sie im Moment habe. Es gibt eben verschiedene Welten, in denen wir uns aufhalten. Und merkwürdig dabei ist, dass sich die Menschen, die aus unterschiedlichen Welten daherkommen, und sich zufällig treffen, kaum mehr verstehen. Es ist, als würden sie verschiedene Sprachen sprechen, die sich dicht über ihre verschiedenen Gewohnheiten lagern. Und nicht mal mit Handzeichen können sie sich mehr behelfen. Ja, die Welt ist sehr weit geworden.

Ein bisschen wirkt bei mir noch die nette Unterhaltung vom Samstag nach. Der Anlass im Wasserschloss Bottmingen war gut organisiert. Mir gegenüber sass ein Zürcher mit seiner Frau. Offenbar ist er ein ehemaliger Arbeitskollege des Geburtstagskindes. Sie hatten zusammen in einem Buchverlag gearbeitet. In Zürich gab es unter diesem Namen auch eine Buchhandlung, die sehr schön direkt am Limmatquai gelegenwar und die ich gelegentlich besucht hatte. Sein Name war aber nicht zürcherisch, sondern eher italienisch, oder vielleicht aus dem Tessin. Das zweite Paar trug einen Namen, den ich schnell im Wallis lokalisiert habe. Allerdings waren im 18. Jahrhundert viele Walliser ausgewandert, und von daher kommt es, dass die Namen weit herum im Alpenraum verstreut sind. Seine Familie käme aus dem Simmental, woher die schönen Schweizer Kühe stammen. Und zur linken Hand sass ein Kollege aus unserem Klub, ein Berliner, allerdings aus ehemals jüdischer Familie. Er spricht immer noch Berliner Deutsch, aber seine Frau ist eine Baslerin. Besonders der Zürcher war ein angenehmer Gesprächspartner. Offenbar war er von Beruf Grafiker gewesen und war zuständig für die Gestaltung der Bücher jenes Verlages, sowohl für deren Umbände wie für den Druck. Der Alt-Walliser hingegen, mit eindeutigem Basler Dialekt, kam aus der medizinischen Branche. Seine Frau, die gleich neben mir sass, war aber eine stille ... Person, die nicht viel gesagt hat. So haben wir uns, wie eine Seilgesellschaft in den Bergen, über die drei Gänge durchgeschlagen und sind glücklich beim Dessert, dem schwarzen Kaffee und dem Cognac angekommen. Und zwischendurch kam das Geburtstagskind an unseren Tisch und S. hat ihr die Hälfte ihres Stuhles angeboten, damit sie auch richtig dabei sei.
Solche Anlässe sind eigentlich nett, obwohl ich mich im Vorfeld etwas geärgert hatte, dass der ganze Samstag dadurch in Beschlag genommen werde. Schon ihren 40sten Geburtstag hatte sie so gefeiert. Und als Dank hatte ich ihr nachträglich eine zwei oder drei Seiten lange Beschreibung des damaligen Anlasses gewidmet. Sie hat meine Zeilen dieses Mal erwähnt, offenbar vorher nochmals durchgelesen. Und auch ich hatte mich daran erinnert, habe allerdings mein Papier nicht mehr gefunden. Das Positive daran ist, feststellen zu können, dass Schriftliches doch um die 10 Jahre hinhält. Und es unterstützt das Gedächtnis, kein Zweilfel, wie es Platon damals als Warnung gesagt hatte. Es ist ein Wissen, das wir nicht mehr wissen.

Ich hoffe, dieser Tag geht rasch vorbei. Und ich grüsse Dich mit Gees und Kaas
...

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Ämne: Eigenlob.. u.a.
Datum: den 10 februari 2004 17:21

Lieber ...,
Ja, es braucht ein Gymnasium für alle Ausbildungen. Alle Schüler gehen weiter auf dem Gymnasium, einige zwar auf praktischen Linien aber allzuviele auf den theoretischen. Und auf den theoretischen Linien muss man neben Englisch mindestens noch eine zweite Fremdsprache lernen. Vielleicht verstehst du besser, wie schwierig es ist Sprachlehrer zu sein, wenn nicht nur die besten Schüler weiterstudieren. Und alle, die das Abitur haben, können dann auch auf der Uni weiterstudieren. Du kannst dir ja vorstellen wie sich dann die Hochschulen verändern müssen.
Übrigens hat M (mit dem ich in Prag war) grossen Erfolg an der Uni. Er wurde von den Studenten zu dem besten Lehrer dort ernannt. Ich sollte ihm wohl gratulieren. :-) Anfangs wollte er mich dorthin locken. Er hätte viel weniger zu tun als bei uns am Gymnasium. Statt 550 Unterichtsstunden müsste er nur 25 im Jahr vorbereiten. Dort nennt man es wohl Vorlesungen.
*
Es gibt eine Passage in deinem mail, die ich nicht richtig verstehe:
" Es gibt eben verschiedene Welten, in denen wir uns aufhalten. Und merkwürdig dabei ist, dass sich die Menschen, die aus unterschiedlichen Welten daherkommen, und sich zufällig treffen, kaum mehr verstehen. Es ist, als würden sie verschiedene Sprachen sprechen, die sich dicht über ihre verschiedenen Gewohnheiten lagern. Und nicht mal mit Handzeichen können sie sich mehr behelfen. Ja, die Welt ist sehr weit geworden.
Was genau meinst du damit? Kannst du es konkretisieren?
*
Du musst nicht Rilke lesen, so wie ich ihn lese. Es reicht eigentlich mit einem kurzen Durchlesen um zu sehen, dass dies Rilke ist. Weisst du, ich glaube Rilke weiss was es ist ein Mausleben zu haben. Oder vielleicht ein "Federleben", denn ich denke er hat mit der Feder auf Papier geschrieben. Aber es waren trotzdem VL-kontakte. Man muss dabei ein wenig sein Geschlecht aufgeben. Nur Geist werden. So verstehe ich ihn jedenfalls. Bei dem Kleinstädchen habe ich an L. gedacht. Aber wo ist es nicht so? Alle Tage gleichen einander. Kann man einen, kann man alle. Ich finde man kann sich gut unterhalten, mit Rilke als Unterlage. D.h. wenn man Zeit hat zum fantisieren.
*
Ich bin ein bisschen nachgeblieben heute und habe mich mit ein paar Kollegen unterhalten. Es war nett und abstressend. Es ist schön zu wissen, dass man sein Los mit anderen teilt.

Hier liegt noch Schnee, aber der Himmel ist grau und das Thermometer gefährlich nahe an Null. Die meisten Leute wünschen sich, dass der Schnee auch nächste Woche liegen wird, wenn unsere Region ihre Sportferien hat.

Ja, du hast Recht. Unser Ventilator ist von grossem Interesse für alle hier auf unserer kleinen Strasse. Wir haben ein ganz besonderes Belüftungssystem, wo in jedes Zimmer frische Luft eingeblasen wird und in den Toiletten (Badezimmern) und in der Küche und Waschküche wird die Luft ausgezogen. Und durch die Aus-luft wird die Ein-luft aufgewärmt in einem Wärmewechsler. Ach, vielleicht kennst du das schon. Viele Leute hier sind sehr unzufrieden mit ihrem Küchenventilator und würden den gern mit einem besseren ersetzen. Aber dann müssen sie leider, so wie wir nun gezwungen waren, das ganze Agregat austauschen. Und unser neuer Küchenventilator ist zwar besser als der alte, aber da er an dieses Belüftungssystem angeschlossen ist, kann er nie so effektiv werden, wie einer der frei installiert ist.
Puh! Ich mag nicht solche technische beschreibungen. Hoffe du verstehst mich.
*
Ja, es ist schön, wenn man etwas geschriebenes über ein Fest besitzt. Ich hatte mal zu einem Geburtstag von Kerstin, ein schönes langes Gedicht über sie geschrieben. Halt dir bitte jetzt die Nase zu, aber es war ein wirklich gelungenes Gedicht, was in ein paar Versen alles über ihre Person und ihr Leben sagte. Ich kann sowas. Und wenn ich Jahre später meine Produkte wiederfinde dann gefallen sie mir um möglich noch besser und ich bin ganz erstaunt, dass ich sowas zustande gebracht habe. *s*
*
Ich schick dir das nun ab, damit du es vielleicht noch vor Feierbaend bekommst. Vielleicht hast du sogar Zeit sofort ein paar Zeilen zu schreiben.. aber es ist kein muss.. nur eine kleine Hoffnung.

Wünsche dir noch einen schönen Feierabend,
mit lieben Gs und Ks
Malou

9/2 - Montag abend


Ämne: Montag abend
Datum: den 9 februari 2004 17:10


Liebe Malou
Danke für die Zeilen von Rilke. Ich habe nicht allzu viel Zeit. Und Du hast Recht, man muss sie lesen, wenn man zurücklehnt. Anders machen sie nicht viel Sinn. Sie sind ein bisschen von dieser Welt entfernt.

Und ich staune, wie die Leute Eure Ventilation anschauen. Ihr könntet beinahe Eintritt verlangen. Wie in jenen alten Schlössern Frankreichs, wo sie einem alles zeigen gegen einen kleinen Preis. Nur, damit sie diese sündhaft teueren Gebäude halten und unterhalten können. Weshalb macht ihr nicht ein Muster-Haus? Die Leute kommen und schauen es sich an. Und dann gehen sie heim und bauen ein ähnliches, ein für sie besseres.

Ja, das Fest war ganz nett am Samstag. Es fand in einem schönen Schloss statt, welches von einem Wassergraben umgeben ist. Das Essen war fein, die Leute am Tisch ganz unterhaltsam. Und B. hat eine Nummer ihrer Tanzkünste gegeben. Hat sich ganz gut gemacht zwischen antiken Möbeln... .
Sie macht es wirklich professionell, das kann sogar ich sehen mit wenig Kenntnisse auf diesem Gebiet. Man hat kaum je den Eindruck, eine Bewegung sei ungefähr, beliebig. Alles ist bis ins letzte berechnet und geübt.
Und zum Dessert habe ich mir ein zweites Stück Eiskuchen bestellt. Darauf war eine Marzipan Rose. Als ich wieder kam, hat der ganze Tisch (immerhin 7 Personen) den Atem angehalten, ob ich die Rose wirklich S. geben würde. Aber ich habe das irgendwie geahnt, dass sie so was denken, und ich wusste auch, dass sie keinen Marzipan mag. So habe ich diese Hürde gut genommen.

Als wir bei Onkelchen waren, hat es mehr oder weniger gestürmt. Es war wirklich nass und kalt. Ich habe das warme Essen genossen. Er kam mit nackten Armen herunter, das war das einzige, was mich zum frieren brachte.

Ich wünsche Dir einen schönen Abend, bin ein bisschen in Eile.
Mit lieben Grüssen
...
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Ämne: Var är du?
Datum: den 9 februari 2004 17:25


Lieber ...,
Heute habe ich zum ersten mal dieses Jahr richtig gesonnt. D.h. ich habe mich warm gekleidet (lange pelzgefütterte Mockajacke) und mit einer Decke über die Beine eine Weile hinter dem Haus in die Sonne gesetzt. Man sollte wohl sowas eigentlich nicht tun.. oder wie es heisst.. mit 5 Minuten beginnen. Und dann kam ein Anruf von G. Ein Mädchen und ihre Mutter fragten nach mir. Ich hatte anscheinend ein Elterngespräch verpasst. Aber es ist ja nur ein Katzensprung von hier zur Arbeit.. und mit etwas extra Tempo im Verkehr (gefährlich heute) war ich in 5 Minuten dort.

Ich kannte das Mädchen von früher, denn sie war in denselben Kindergarten wie Anna. Sie stammen aus Bosnien und die Frau tat mir damals immer etwas leid. Sie sah so einsam und hilfesuchend aus. Deshalb habe ich sie immer sehr nett begrüsst und ein paar Worte mit ihr gewechselt. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass ich eines Tages Mentor für ihre kleine M., die nun ein grosses starkes Mädchen ist, sein würde. Es war ein gutes Gespräch und die beiden waren sehr zufrieden, obwohl ich nicht so viel erfreuliches über ihre Studien zu berichten hatte. Aber ich habe mich bemüht etwas Positives daraus zu machen und ich glaube es ist mir gelungen. Das Mädchen hat übrigens fest vor Polizistin zu werden. Ihre Mutter ist mir zum Abschied um den Hals gefallen, weil sie sich so gefreut hat mich wiederzusehen.

Und du mein lieber Mausfreund? Du fällst mir wirklich nicht um den Hals. Du lässt mich darben. Und ich bin nicht nur hungrig auf ein mail von dir.. merke ich gerade. Muss mir schnell etwas zu essen machen.

Kommst du bald?
Mit lieben Grüssen,
Malou

Montag, 25. Januar 2016

8/2 - Rilke - ein Mausleben



Ämne: Du, mein Uneigentum.. :-)
Datum: den 8 februari 2004 21:22


Lieber ..,
Wieder ist ein Weekend vorbei. Bei dir war es sicher anregend und abwechslungsreich. Hier war es still aber doch angenehm und erholsam.
...
Ich habe im Internet nach Gedichten von Rilke gesucht, die ich für G haben wollte. Sie gibt nämlich einen Poesikurs und da meine ich, sollte Rilke nicht fehlen. Und dabei habe ich neue Dinge von Rilke gefunden, die mir sehr gefallen haben. Ich schicke dir diejenigen, die ich besonders mit dir (oder mit uns) verknüpfe. Du musst sie langsam lesen und jede Zeile begründen und du wirst verstehen was ich meine. Ich glaube Rilke hätte gern ein Mausleben gelebt. Er weiss von ihren Gefahren und ihrer Schönheit. Er kennt unser Turmzimmer. Kein Gestern und kein Morgen, nur Gegenwart. Ich habe schon oft gedacht, dass du für mich eine Tür bist zu anderen Welten. Und du bist für mich auch derjenige, dem ich, obwohl ich dir fast täglich schreibe, am öftesten nicht geschrieben habe. Welch lustiger Einfall, es so zu formulieren. Ich liebe Rilke.
Und die Beschreibung des Kleinstädtchen, das nur einen Tag auswendig kann u.s.w. Rilke kennt die schreiende Monotonie eines Kleinstädchens..
Ich habe mich sehr gefreut über diesen Fund. Hoffentlich wird es dir auch gefallen.



Liebesnacht

...denn die Zeit ist eingestürzt.

Die Turmstube ist dunkel.
Aber sie leuchten sich ins Gesicht mit ihrem Lächeln. Sie tasten vor
sich her wie Blinde und finden den Andern wie eine Tür. Fast wie
Kinder, die sich vor der Nacht ängstigen, drängen sie sich in einander
ein. Und doch fürchten sie sich nicht. Da ist nichts, was gegen sie
wäre: kein Gestern, kein Morgen; denn die Zeit ist eingestürzt. Und
sie blühen aus ihren Trümmern.
Er fragt nicht: »Dein Gemahl?«
Sie fragt nicht: »Dein Namen?«
Sie haben sich ja gefunden, um einander ein neues Geschlecht zu sein.
Sie werden sich hundert neue Namen geben und einander alle wieder
abnehmen, leise, wie man einen Ohrring abnimmt.

Aus der Dichtung «Cornet»

  
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Zueignung

O wie doch alles, eh ich es berührte,
so rein und leicht in meinem Anschaun lag.
[...]
Um jeden Gegenstand nach dem ich griff,
war Schein von deinem Scheine,
doch plötzlich ward aus ihm und meiner Hand
ein neues Ding, das bange, fast gemeine
Ding, das besitzen heißt. Und ich erschrak.


O wie doch alles, eh ich es berührte,
so rein und leicht in meinem Anschaun lag.
Und wenn es auch zum Eigentum verführte,
noch war es keins. Noch haftete ihm nicht
mein Handeln an. Mein Mißverstehn. Mein Wollen
es solle etwas sein, was es nicht war.
Noch war es klar
und klärte mein Gesicht.
Noch fiel es nicht, noch kam es nicht ins Rollen,
noch war es nicht das Ding, das widerspricht.
Da stand ich zögernd vor dem wundervollen
Uneigentum.

 Aus: Weihnachten 1914 (ein Fragment)
(1914)
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Kleinstädte

Man muß sie gesehen haben, diese kleinen und ganz kleinen Städte in meiner Heimat. Sie haben einen Tag auswendig gelernt; den schreien sie immerfort wie große graue Papageien in die Sonne hinein. Nah an der Nacht aber werden sie namenlos nachdenklich. Man sieht es den Plätzen an, daß sie sich bemühen, die dunkle Frage zu lösen, die in der Luft liegt.

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"...in der engsten Zahl derer, denen ich am öftesten nicht geschrieben habe..."

Mein lieber Freund,
Sie sind sicher in der engsten Zahl derer, denen ich am öftesten nicht geschrieben habe in all der Zeit, in der ich (von geschäftlichen Briefen und ganz knappen fälligen "Ja" "Nein" oder Dankworten abgesehen) gar keine Korrespondenz fortgesetzt habe, aus dem besten, aus dem endgültigen Grunde: Arbeit...

Brief an Karl von der Heydt, 12. Dezember 1908


6/2 - Weekend


Ämne: Weekend
Datum: den 6 februari 2004 09:16

Liebe Malou

(---)
Na klar sind Deine Mails meine Herztropfen. Und Du weißt, wie herzkranke Leute davon abhängig sind. Und wie bei den Herztropfen ist es auch hier, man bemerkt ihren Wert umso mehr, sobald sie einmal fehlen. Im Moment habe ich einen Rhythmus gefunden, dass sie das erste morgens sind, was ich im Büro lese. Es ist ein guter Tagesanfang. Wenn ich dann gleich selbst ein Mail schreibe, ist es natürlich durch die frühen Morgenstunden geprägt. Ich glaube, abends nach der Arbeit würden sie anders klingen, vielleicht romantischer, vielleicht kontemplativer. Am Morgen ist man irgendwie auf den kommenden Tag gerichtet und die Muskeln sind ein bisschen angespannt, nicht wahr. Deshalb kriegst Du momentan early morning tea. Aber das kann auch wieder ändern. Du weißt vielleicht, dass ich in diesen Dingen gelegentlich einen Wechsel brauche, weil es sonst zu langweilig wird.

Hast Du denn Lohnerhöhung gekriegt nach Deinem Gespräch? Das wäre doch was! Wir hatten mit dem alten Chef auch solche Gespräche. Ich war immer ein wenig gespannt, weil man von vornherein nicht wusste, worüber er sprechen würde. Er hat immer irgend einen Teil der Arbeit herausgegriffen und diskutiert. Es war aber nie allzu persönlich. Ich vertrete die These, dass Politiker im persönlichen Bereich eigentlich scheue Menschen sind. Sie möchten nicht gerne, dass man ihnen zu nahe kommt. Sie sind im öffentlichen Raum laut und jovial, reden mit jedem, geben sich menschenfreundlich und unkompliziert. Aber sie sind - wie die Schauspieler - eben Menschen, die eher Gefühle darstellen, als dass sie sie selber tief empfinden. Na ja, das hat man schon lange gewusst, ist eigentlich nicht neu.

Morgen haben wir eine grosse Einladung. Eine Freundin und Frau eines Club Mitgliedes feiert ihren 50sten. Ihr Mann hat eine Firma und produziert Generica, dh. Medikamente, deren Rezept nicht mehr geschützt sind. Ihre beiden Kinder, zwei Söhne, sind ungefähr im Alter unserer Kinder. (---)
Als die Kinder noch kleiner waren, haben wir uns oft mit ihnen getroffen und gemeinsam etwas unternommen. Sie (eben das heutige Geburtstagskind) war damals eine junge Schönheit und ihr Mann hat ihr stets die teuersten und hübschesten Kleider gekauft. Jetzt sind wir alle ein bisschen älter geworden. Sie hat Buchhändlerin gelernt und kommt aus Zürich. Und manchmal schwelgen wir in den alten Zürcher Zeiten, denn ich kannte damals als Student diese Buchhandlung ziemlich gut. Sie stand an vornehmer Lage am Limmat-Quai in einem hübschen stattlichen Haus.

Und sonntags bei Onkelchen. Ich muss wohl meine Sitzung vom Montag schon heute abend vorbereiten.

Ich wünsche Dir ein gutes Wochenende.
Mit GsundKS
...

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Ämne: Freitagmorgenumneun
Datum: den 6 februari 2004 10:07

Lieber ...,
Wie schön, dich schon früh am Morgen hier zu sehen. Und ich gratuliere dir zu deinen "Geniezügen" und hoffe dass dein Publikum genügend intelligent ist um sie richtig zu schätzen.
Ach, wie schade, dass ich nicht deine Zeichnungen sehen kann. Sowas geht direkt ins Herz und du wirst schon damit dein Publikum für dich gewinnen. In Fotofolder ist doch Platz. Kannst du nicht eine Zeichnung dorthin schicken?

"Du weißt vielleicht, dass ich in diesen Dingen gelegentlich einen Wechsel brauche, weil es sonst zu langweilig wird"

Ja, siehst du, du nennst sogar selbst einen deiner Charakterzüge, der mich eigentlich manchmal etwas ängstlich macht. Wenn ich bedenke, wie viele deiner "Begeisterungen" du schnell hinter dir zurückgelassen hast, so betrachte ich es als ein wahres Wunder, dass du nicht längst deine Herztropfen mit irgendeinem anderen Lebenselixir ersetzt hast. Wenn ich dir wenigstens interessante Dinge aus meinem Leben zu erzählen hätte.. aber du weisst, wie eingeschränkt mein Leben in letzter Zeit geworden ist. Doch du hast mir in einem Mail neulich einen guten Rat gegeben, den ich befolgen werde und an dessen Wirkung ich fest glaube. Du hattest geschrieben:
"Um Energie zu gewinnen, muss man so tun als ob man viel Energie hätte". Das Wechselspiel zwischen Körper und Seele ist ein wahres Mysterium. Wenn man sich zwingt, mechanisch die Mundwinkel hochzuziehen, verbreitet sich ein Glücksgefühl im ganzen Körper. Probier mal und du wirst sehen was ich meine.

Heute leuchtet der Rasen wieder grün und der Himmel ist wolkenfrei. Wenn ich Zeit hätte würde ich jetzt einen langen Spaziergang machen.

K war hier um den neuen Ventilator zu inspektieren. Ich staune immer über die Kleidung dieser Frau. Sie ist so reich, dass sie von den Renten ihres Vermögens gut Leben kann und doch geht sie herum wie die Ärmste der Ärmsten. Na ja, sie hat aufgehört zu arbeiten und hat also kein Einkommen. Deshalb meint sie, dass sie sparen muss. ;-)

Nun muss ich auch an die Arbeit. Ich sende dir einen lieben sonnigen Morgengruss und komme vielleicht später nochmals vorbei.
À bientôt,
Malou
Hast du schon was von dem Passionsdrama gehört, das seit Wochen unsere Medien füllt? Hauptfigur ist der Pastor einer Sekte.

Sonntag, 24. Januar 2016

5/2 - Herztropfen.. :-)


Ämne: RE: domoumneun
Datum: den 5 februari 2004 09:57

Liebe Malou
Wie kommst Du denn darauf? Ich bete genau wie Du jeden Abend zum lieben Gott um das tägliche Mail. Und wenn es nicht ankommt, dann fehlt am Morgen etwas zum Tagesanfang. Die Herztropfen sozusagen fehlen. Und man fühlt sich dann in späteren Stunden immer ein bisschen mehr verwundbar als es wäre, wenn man gestärkt durch diese raffinierten Medizin den Tag beginnen könnte.
Aber ich weiss schon, es gibt Momente, da sind andere Dinge wirklich wichtiger. Das muss man einsehen.

Ich habe Deine Bemerkung über Katzen auch nicht als Kritik gelesen. Ich fand es bloss lustig, welche Differenz bestand in dem, was ich sah und in dem, was hier zu sehen war. Na ja, Du könntest behaupten, das stütze gerade Deine Hypothese. Umso mehr spricht mein Mail-Inhalt mehr für mich als für die Katzen. Das sehe ich ziemlich klar. Deine Präzisierung ist hilfreich: Märzkatzen heissen sie, weil sie im März nach Liebe schreien. Die Jungen sind dann erst im Mai da. Ich habe gedacht, die Jungmannschaft zeige sich schon im März.

Wir hatten leider nie eine Katze. Erst in späteren Jahren, als ich schon lange ausgezogen war, fand ich zu meinem Erstaunen eine Katze in unserer Wohnung herumschleichen. Ich konnte das kaum begreifen. Mein Vater war immer strikte dagegen gewesen. Aber dann, eben in späteren Jahren, durfte dieses Ding ihm schnurrend beim Mittagsschläfchen auf dem Bauch liegen. Ist denn so was zu verstehen?

Ein Bild von Rilke. Schön, dass Du Dich für unseren Dichterheiligen einsetzt. Aber es gibt nicht viele Bilder. Auf jeden Fall gibt es kaum ein gutes, einprägsames Bild von ihm. Kürzlich habe ich irgendwo ein neues gesehen, welches ich bisher noch nie gesehen hatte. Er erschien darauf ziemlich jung. In unserem Schulbuch fand sich ein Bild einer Skulptur Rilkes. Sie war ein bisschen idealisierend abstrahiert. Das hat den Dichter umso mehr in die Ferne gerückt, als er es ohnehin schon war. Aber ich vermisse sein Bild eigentlich nicht so sehr. Auf allen, die ich bisher gesehen habe, erschien er mir ein bisschen zu feminin und zu gay-haft. Na ja, das war er vielleicht auch.

Du rückst politisch langsam nach rechts, Malou, bist Du Dir dessen bewusst? Die Angst gegen Einwanderer ist die Angst der Rechten, der Alten und der Konservativen. Ich gehöre auch langsam dazu. In der Schweiz ist es nicht anders. Wir haben viele bilaterale Abkommen mit der EU. Und wir schützen uns durch eine allmählich eingeführte Personenfreizügigkeit. Viele haben hier Angst, dass unser Land von Griechen, Portugiesen und Türken überschwemmt würde. Na ja, das ist es - ehrlich gesagt - schon heute. Es gibt jede Menge Jugoslawen hier, und sie sind meist ziemlich robuste Menschen. Ich finde auch, dass wir in unser Land, ein attraktiver Lebensraum, den sich viele Menschen wünschen, die best ausgebildeten und fähigsten Leute einreisen lassen sollten, und nicht arme Schlucker, die man zuerst 2 Generationen lang ausbilden muss, bis sie informationsmässig auf unserem Niveau sind. Aber das läuft nicht so, und vielleicht ist es auch nicht so schlimm. Meist sind die Unterprivilegierten die tüchtigsten Menschen. Und Auswanderer haben eine gewisse Stärke in sich, sonst würden sie nicht auswandern. Mit diesen Gedanken versuche ich mich zu beruhigen, wenn im Tram hinten und vorne die Jugoslawen lärmen.

Na ja, der Iran. Sie machen dort drüben wirklich nur langsame Fortschritte. Aber wir dürfen sie auch nicht mit unseren Massstäben messen. Habe ich Dir erzählt, wie unterschiedlich das türkische Fernsehen wirkt, je nachdem, ob man es in Teheran oder hier in Basel sich ansieht. Es ist wirklich eklatant. In Teheran sieht es verwestlicht aus, schon beinahe verkommen mit ihren hübschen Frauen. Und hier in Basel sehen die Sendungen dieser Station so orientalisch und sehr geschlossen aus. Das fällt besonders bei Diskussionen auf. Die Leute sitzen still, fast ohne Bewegung im Körper, für Stunden. Sie sitzen in einer Reihe und sie sind ziemlich dunkel und einheitlich angezogen. Und sie reden in langen Sermonen, ohne Betonung, ohne viel Ausdruck, ohne Akzentuierungen.

Ja, hat mal ein junges Mädchen behauptet damals in Olten, ich hätte einen grossen Junggesellenteil in mir. Und S. findet das manchmal auch. Aber zur Zeit, als unsere Kinder klein waren, haben wir viel gemeinsam gemacht. Ich habe ganze Samstage im Garten gearbeitet, und die ganze Familie war rundum. Ich erinnere mich - lustige Situation - wie wir, A und B und ich, Einfasspapier für die Schule bemalt haben. Ich hatte von irgendwoher eine grosse Rolle Restpapier. Dies legten wir vor dem Haus auf den Steinplatten aus. Sie muss 15 oder 20m lang gewesen sein und vielleicht 1m breit. Diese Papierstrasse haben wir mit hellblauer Fischkleistermasse dünn bestrichen und dann mit dunkelroten Figuren versehen. Wir hatten einen ganzen Waschkübel mit diesem Kleister angemacht. War eine gute Arbeit mit den riesigen Pinseln. Ich erinnere mich, wie die Sonne heiss vom Himmel brannte. Aber das Papier hat dann mindestens 2 Schuljahre hingehalten und hat verdammt gut ausgesehen. Es war ziemlich robust durch den Fischkleister. Einmal habe ich meine Töchter in Ton modelliert. Ich habe die zwei kleinen Porträts heute noch. Sie sind nur faustgross, sehen aber ganz hübsch aus. In jener Zeit war ich viel zuhause. Und an Wochenenden haben wir Spaziergänge gemacht. Als A in der 3. oder 4. Klasse war, gingen wir zusammen Vögel beobachten mit unserem Feldstecher. Sie kannte all die gefiederten Freunde viel besser als ich und hat mir erklärt, welcher Vogel wie heisse.
Aber heute, da die Kinder ausgeflogen sind, sind die zentrifugalen Kräfte wieder stärker geworden. S arbeitet zeitweise. Samstag macht jeder, was er mag. Nur wenn wir eine Einladung haben, müssen wir uns ein bisschen organisieren. Und das geht nicht schlecht so.

Ich muss, es ist schon 9.00h. Ich wünsche Dir einen schönen Tag.
Mit lieben Ges und Kas
...


Ämne: Herztropfen.. :-)
Datum: den 5 februari 2004 18:41


Lieber ...,
Mir fällt ein Stein vom Herzen, wenn ich dein Mail lese. Und dass du immer noch fleissig meine Herztropfen schluckst macht mich besonders froh. Denn siehst du, es spielt keine Rolle wieviel Wundermittel man jemanden schickt, wenn sie der Empfänger unbeachtet liegenlässt - oder vielleicht hinunterschluckt ohne an ihre Wirkung zu glauben.

Ich habe gerade einen  Braten aus dem Ofen genommen und es duftet ganz herrlich im Haus. Sollte es das eigentlich tun mit dem neuen Ventilator? ;-)) Und ich habe das Fleisch diesmal so gut gewürzt, dass es himmlisch schmeckt. Aber, wie man sagt, Hunger ist der beste Koch und ich hatte nur etwas ganz kleines zu Lunch gegessen. Schon eine halbe Stunde später sollte ich zu meinem Lohngespräch mit dem Direktor. Zuerst habe ich ihm gesagt was ich von solchen Gesprächen halte und wir hatten eine kleine Diskussion darüber. Na ja, sowas soll man natürlich nicht tun. Das weiss ich auch. Aber ich sehe mehrere verbal begabte Menschen um mich herum, die schlechte Lehrer sind aber scheinbar ein grosses Ansehen haben (oder hatten?) weil sie so viel Reklame für sich machen. Und dass die Schüler nicht protestieren, beruht darauf, dass diese Lehrer dann sehr gute Noten geben. Na ja, ich kämpfe ein bisschen für die Kategorie Sprachlehrer. Da sieht man deutlich das Resultat und kann nicht so gut mogeln. Verzeih mir, .... Das hier ist sicher langweilig.

Übrigens hatte unser Direktor heute eine kleine Kunstausstellung mit eigen gemalten und gezeichneten Bildern. Es war garnicht schlecht. Einige waren sogar sehr gut gemacht und so ist er ein wenig in meinen Augen gestiegen.

Wie lustig wenn du von der schnurrenden Katze auf dem Bauch deines Vaters erzählst. Ja, sie können die Männer für sich gewinnen, die weiblichen Katzen. Einmal als ich mit meinen Eltern verreist war, musste K währenddessen in Uppsala den Garten und die Katzen betreuen. Er hatte anfangs überhaupt nichts übrig für solche Tiere aber dann beschrieb er alle ihre Vorhaben so, dass man deutlich sehen konnte wie sehr sie ihn interessierten. Glaubst du Katzen machen einen Unterschied zwischen Mann und Frau? Wenn ich zurückdenke, waren es immer die weiblichen, die sich zu meinem Onkel suchten und wie bei deinem Vater auf ihm lagen und schnurrten. Ich würde so gern wieder eine Katze haben, aber unsere Nachbarn hier haben mehrere und es würde sicher zu Schlägereien kommen. Auch wäre es wohl schwer, sie im Sommer in den Norden mitzunehmen. Unser Nachbar dort oben, der Jugendfreund von K, bringt seine jeden Sommer von Stockholm mit hinauf. Und in den hellen Nächten sieht man sie auf unserem Weg zur Landstrasse hinauf sitzen und auf Mäuse lauern. Aber was ich eigentlich sagen wollte: wenn sich die Zeit nähert, wenn die Leute aufbrechen müssen, ist die Katze oft verschwunden und dann beginnt ein nervöses Suchen.

Ich bin schon etwas neugierig auf die Pferde, die der neue Nachbar bei uns will weiden lassen. Es ist gut, dass die grossen Wiesen zur Anwendung kommen, damit sie nicht ganz zuwachsen. (sagt man so?) Aber es ist noch eine lange Zeit bevor es Sommer wird. Allzu lange!!

Auch über K hat man oft gesagt, dass er ein Typ ist der überhaupt nicht eine Familie haben sollte. So hat er es eigentlich gut getroffen, wenn er die ganze Woche als Junggeselle leben kann und nur auf sich selbst angewiesen ist. Aber auch ich bin daran gewöhnt.. und ich bebe ein bisschen vor der Zeit, wenn wir schliesslich zusammenziehen müssen. Du kannst dir ja denken, welche Umstellung das sein wird für beide. Aber vielleicht gewöhnt man sich daran.. ;-)) Villeicht...  Jedenfalls wird es billiger, denn jetzt bezahlen wir doppeltes Wohnen.

Was die Einstellung zu den neuen EU-bügern betrifft, sind es die Sozialdemokraten, die Restriktionen einführen wollen und es gilt jetzt für sie, dass sie eine der bürgerlichen Parteien dafür gewinnen können. Ein bisschen schmunzeln muss ich über deinen Rutsch nach rechts.. du, ein ehemaliger 68-iger.

Dein Töchter haben sicher viel schöne spannende Erinnerungen mit dir. Ich sehe euch vor mir. Ich bezweifle keinen Augenblick, dass du ein guter Vater warst.. und immer noch bist.

Jetzt werde ich noch ein wenig vorbereiten für morgen und mir dann einen gemütlichen Abend machen. Gern würde ich ihn in Gesellschaft eines Mausgeliebten verbringen.

Ich wünsche dir alles Gute für den neuen Tag,
Malou


Samstag, 23. Januar 2016

4/2 - Mittwochs


Ämne: Mittwochs
Datum: den 4 februari 2004 10:31



Liebe Malou
Hey, ich finde kein Mail von Dir heute morgen. Das ist alarmierend. Was ist los? Keine Zeit? Keine Lust? Kein Bock (wie man hier auf der Strasse sagt)? Keine Energie? Keine Fantasie? Kein Thema?

Ich habe mir gestern einen merkwürdigen Tag gemacht. Ich war, früh wie immer, da und habe bis Mittag durchgearbeitet. Dann mein frugales Mal, wie Du zu sagen pflegst, dann ein kurzer Blick in die Zeitung. Und da hat alles sehr müde ausgesehen. Ich habe mir dann meine Papiere, die ich brauche für eine Arbeit zusammengerafft, und bin schon kurz nach 15.00h nach hause gefahren. Dort habe ich mich nach drei Kaffees aufs Sofa geknallt und mal so rund eine Stunde vor mich hingedöst. Und dann habe ich bis 19.00h ziemlich speditiv gearbeitet. Es war wunderbar. Alles lief wie am Schnürchen, weil ich mich irgendwie überlistet habe. Und abends bin ich noch rasch in die Stadt gefahren. Ich brauchte etwas Auslauf. Im Zug habe ich meinen Glauser zu Ende gelesen (oder doch beinahe zu Ende), und dann bin ich vom Hôtel des trois Rois bis zum Barfüsser Platz geschlendert, habe mir ein bisschen die Auslagen und ein bisschen die Leute angeschaut. Es gibt auch an einem Dienstag Abend unendlich viele junge Leute in der Stadt. Sie sitzen in den Restaurants, essen und trinken und haben eine schöne Zeit. Das ist doch ziemlich anders als bei uns damals.

Im Fernsehen habe ich vernommen, dass O.W. Fischer verstorben sei. Kennst Du O.W. Fischer. Er war DER deutsche (oder oesterreichische) Filmstar in unserer Jugend, ein Charmeur, ein Held mit Ironie und ein gutausschauender Typ. So wollten wir Jungens damals alle werden, so wie Owe Fischer, der am Bett seiner Schönheit genau die richtigen Worte in den richtigen Nuancen finden konnte, nicht zu süss, aber auch nicht zu hölzern, immer leicht gebrochen in Ironie. Irgend einmal hatte er in einem Film mit Liselotte Pulver den Schokoladensoldaten gespielt, hat ein bisschen mit schweizerischem Akzent gesprochen. Ach, er war uns ein Modell, obwohl wir das nie zugegeben hätten. So haben wir uns unser Erwachsenenalter etwas vage, aber sehr souverän und mit gekonnter Ironie, vorgestellt. Er hat die Damen noch im Negligee zu nehmen gewusst. Er sah gut aus, und seine Geliebten, die er dezidiert küsste, waren niemals nackt, aber man ahnte, was bestenfalls dahinter sein könnte. Ich meine, wir kannten den besten Fall von bestenfalls noch gar nicht. Aber immerhin. Owe war auch insofern eine Ausnahme, als er den deutschen Typen, die sonst auf dem Bildschirm auftauchten, kaum glich. Er war wirklich gut aussehend, was man sonst von ihnen nicht sagen konnte. Und ich glaube, eine Weile hatte ich sogar gedacht, er wäre Schweizer. Und schliesslich hat er seit den 70er Jahren sein Alter in der Schweiz, im Tessin verbracht. Er wurde im Alter etwas merkwürdig. Ich habe 2 oder 3 Interviews gesehen in den letzten paar Jahren. Er war ein Narzist und wohl ziemlich eigenwillig. Er habe einige Bücher geschrieben, mit philosophischem Einschlag, wie die Moderatorin nicht zu erwähnen vergass. Und er hat, wie er immer wieder gesagt haben soll, seine Frau (eine Schauspielerin ebenfalls) und seine Katze überlebt. Gratulation!

Du siehst, woran ich mich heute ergötze?

Und jetzt sitze ich wieder hier am Fenster über dem Wasserturmplatz und gehe an die Arbeit.
Ich wünsche Dir einen sonnigen Tag.
Mit lieben Kas und Grüs
...


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Ämne: RE: mittwochs
Datum: den 4 februari 2004 13:14


Lieber ...,
Da bin ich wieder. Gestern war ich voll beschäftigt auch nach der Arbeit und dann am Abend zum Umfallen müde. Ich hatte in der vorherigen Nacht nur sehr wenig geschlafen. So bin ich ziemlich früh zu Bett gegangen und wollte dir heute morgen noch schnell schreiben, aber die Zeit war zu kurz.
Also, damit du es weisst, falls ich mich nochmals verspäten sollte:

1) LUST dir zu schreiben habe ich immer, wirklich IMMER und ich hoffe dass es ewig so sein wird.. "until death do us part" (heisst es so?)

2) THEMEN gibt es unendlich viele, da fast alle erlaubt sind.

3) FANTASIE? Eine Menge! Vielleicht nicht immer zum drucken geeignet..

4) ZEIT? Meistens gibt es genug für ein Mail. Du bist das wichtigste und wirst somit prämiiert.

5) ENERGIE? Na ja, das Kapitel kennst du auch schon. Ich muss mich bemühen eine Besserung zu finden.

Ach, mein lieber Mausfreund, es freut mich doch, dass du heute ein mail von mir vermisst hast. Jetzt weiss ich wieder, dass du es schätzt eins zu bekommen.

Mein Kommentar zu deiner Fantasie mit den Katzen war absolut nicht als Kritik gemeint. Ich finde es schön, wenn du deine Fantasie so spielen lässt und ich habe sehr darüber gelacht. Lachen tut gut, sagt man. Obwohl ich fast 15 Jahre lang mit Katzen gelebt habe, musste ich mich erst im Internet erkundigen, wie es sich mit diesem Ausdruck "marskatt" (Märzkatze) verhält. Dort steht, dass die weiblichen Katzen im März nach Liebe jammern. Ja, sie schreien fast und es klingt wie weinende Kinder. So locken sie die Kater an. Und der Erfolg sind dann meistens kleine Kätzchen im Mai. Bei uns war das sicher auch so im März, dieses Geheule in der Nacht hinten im Garten. Aber unsere Katze war sehr liebesbedürftig und bekam oft 2 mal im Jahr junge.. ich glaube sogar dreimal. Du kannst dir vorstellen wie viele süsse kleine Kätzchen ich grossgezogen habe in meiner Jugend, d.h. ein paar Wochen haben wir sie behalten bis man sie verschenken konnte. Und genau wie die Menschen hatten sie verschiedene Persönlichkeitszüge.

Ja, dein Nachmittag gestern muss wunderbar gewesen sein. So perfekt ist das Leben manchmal.. warum eigentlich nur manchmal?

Im Moment scheint die Sonne herein und die Felder sind wieder ganz braun. In der Nacht muss es ordentlich gestürmt haben. Nur im Garten liegt noch eine dünne Schneedecke. +10 grad ist es. Fast eine Vorahnung von Frühling.

Ich erinnere mich schwach an diesen OW Fischer. Ja, er war  ein schöner Mann. Das fand ich schon als junges Mädchen. Aber ich weiss nicht ob ich je einen Film mit ihm gesehen habe.

Jetzt werde ich mir etwas zu essen machen. Bei uns in der Kantine ist ein Wasserrohr zersprungen und so wird sie ein paar Wochen geschlossen sein bis es repariert ist. Wir können auch in der Kantine der Schüler essen gehen, aber es ist nicht dieselbe Atmosphäre. Die Schüler würden sich wundern wenn wir uns so ungehemmt unterhalten würden, wie wir es gewöhnt sind.

In dem Arbeitszimmer der Schwedischlehrer ist eine ganze Wand voll mit Portraits von den grossen Schriftstellern der Welt. Aber Rilke fehlt immer noch. Gibt es eine Karte mit seinem Bild drauf zu haben dort bei euch? Ich meine ohne Rilke geht es doch garnicht.

Nun sende ich dir dies ab, damit du nicht länger warten musst.
Mit lieben Grüssen und SHMK..
Malou

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Ämne: Verdient..
Datum: den 4 februari 2004 23:10


Liebster Mausfreund,
Ich schau noch mal hier rein, obwohl ich ja schon meine tägliche Ration bekommen habe. Ich habe ein paar Stunden Schülerarbeiten korrigiert und jetzt nach vollendeter Arbeit finde ich, dass ich ein kleines Rendez-vous mit dir verdient habe. Und dazu habe ich mir ein Glas kühlen weissen Wein eingeschenkt.

Jetzt ist es unseren Politikern plötzlich aufgegangen, was passieren kann, wenn in einer nahen Zukunft die neuen EU-bürger das Land invadieren können. Man denkt dabei vor allem an Länder wie Polen und die baltischen Staaten. So will man nun neue Regeln einführen, ähnliche wie man sie schon in Österreich und Deutschland hat. Es braucht nicht allzu viel Fantasie um sich vorstellen zu können, wie es ohne solche Massnahmen bald hier aussehen könnte. Und natürlich freuen sich die neuen EU-bürger nicht darüber. Sie fühlen sich sogar gekränkt.
Man vergleicht ab und zu die Situation in einem schwedischen Gefängnis mit der eines Altersheimes. Das Gefängnis ist dabei der reinste Luxus. Es ist schon mehrnmals vorgekommen, dass einer unprovoziert jemanden auf der Strasse niedergeschlagen hat um in den Genuss eines schwedischen Gefängnises zu kommen. Heute wieder schwebt ein Mensch zwischen Leben und Tod nach einem solchen Überfall. Sag, ist unsere Welt noch normal???
Und die Amerikaner sind dabei einen neuen Präsidenten zu wählen. Davon zeigt man auch täglich Bilder hier. Interessiert dich das auch?

Sicher verfolgst du auch mit grossem Interesse die Geschehen im Iran. Warum können sie nicht ganz einfach gegen den Wächterrat revoltieren? Ich denke die Menschen haben schon genug von denen.

Du fährst also abends allein nach Basel um dich ein wenig zu "lüften". Gehst du wirklich dort allein herum oder triffst du dich mit Bekannten? Was macht S während du das tust? Manchmal habe ich stark den Eindruck, dass du Junggeselle bist, .. .

Nun lasse ich dich schlafen.. und ich wünsche dir einen guten Start in den neuen Tag,
mit lieben Gs und Ks,
Malou

3/2 - Gedanken über Katzen und F. Glauser


Ämne: RE: ...
Datum: den 3 februari 2004 09:47



Liebe Malou
Du entdeckst hinter meiner Beobachtung der beiden Katzen meine Gedanken? Ich habe geschmunzelt bei dieser Bemerkung. Allerdings muss ich Dir erzählen, dass ich nicht alles geschrieben habe, was zu sehen war. Auf einmal, als die Katzen eine Weile so teilnahmlos dagesessen haben, ist die eine auf die andere zugegangen. Ich habe gedacht, sie würde nun schnuppern und ihrer Kollegin etwas positive Aufmerksamkeit schenken. Aber die andere hat völlig entnervt reagiert und hat versucht, ihr mit der Tatze eins runterzuwischen.
Kurz und gut, meine Beschreibung war nur zur Hälfte wahr. Der Rest war gänzlich anders. Ich hatte aber keine Zeit mehr, das alles in meine Beschreibung reinzunehmen. So habe ich es eben bei der Romanze bleiben lassen. In Wirklichkeit war es ein handfester Streit um Platzvorteile und um die Frage, wer denn wen in welcher Situation belästigen darf.
So siehst Du, meine Gedanken sind doch etwas komplexer, als Du annehmen willst.
Und dazu habe ich noch eine weitere Unklarheit. Im März kommen doch die jungen Katzen, und nicht die Serenaden? Bin ich falsch informiert über den Nachwuchs? Auf jeden Fall kommen die Jungen nicht gleichzeitig mit de Serenaden, soviel ist klar. Ich selbst habe in meinem Leben nicht oft karisierende Katzen gehört. Sie haben mich immer ein bisschen beunruhigt, denn sie klangen wie jammernde Kinder. Dieses Jammern hatte etwas Unheilvolles in seinem Klang, dachte ich immer. Aber Katzen, die streiten, habe ich sehr wohl gehört. Ich erinnere mich an Ferien in Italien, als die Katzen in der Nacht um den Eingang in die Hotelküche gestritten haben. Ich glaube, es war so, dass ein Teil der Küche im Freien eines Hinterhofes war. Und weil man dort wohl täglich Fische und andere geschmackvolle Frittures gemacht hat, sind die Katzen nachts ihrer Nase gefolgt und haben dort unten einen ordentlichen Krawall veranstaltet. Ich hatte mit meinem Bruder das Zimmer geteilt und wir hatten überlegt, was wir nun denn aus dem 2. oder vielleicht sogar 3. Stock hinunterwerfen könnten, um sie zu vertreiben. Aber, wenn ich mich recht erinnere, gab es in diesem Hotelzimmer überhaupt nichts Entbehrliches, was man so in nützlicher Weise hätte los werden können. Nichts, nicht mal eine zweite Seife war dort!!

Ja, habe ich gewusst, dass F. Glauser eine zeitlang in Liestal gelebt hat. Er kam von der Strafanstalt Witzwil im Kanton Bern hier zu einem Gärtner und beschreibt, wie er gleich am ersten Tag im Regen Himbeeren pflücken musste. Er war in der Tat ein armer und einsamer Typ, war sogar einige Zeit in der Fremdenlegion gewesen, obwohl man ihn früher einmal aus der Schweizer Armee ausgemustert hatte, weil er als Korporal nicht fähig war. Die Biographie, die ich lese, ist ziemlich detailliert und hält sich an all die Briefe, die Glauser geschrieben hat. Und auch in seinen Werken, gibt es Figuren die jenen der Realität nachgebildet sind. Auch solche Passagen zitiert der Autor der Biographie, um das Bild Glausers aus seinen Werken her noch zu beleuchten. Man kann so feststellen, dass gewisse Szenen und Vorgänge, die Glauser in den Romanen beschreibt, ziemlich genau so sich in seinem wirklichen Leben abgespielt hatten.
In seiner Liestaler Zeit beschreibt Glauser die Arbeit, seine gesundheitlichen Probleme und seine sonntäglichen Besuche in Basel. Er hatte dort einige Bekannte durchaus aus guter Gesellschaft, die er sonntags besuchte. Eine Frau muss er dabei geliebt haben: Beatrice Gutekunst. Es war bestimmt eine platonische Sache und es ist nicht klar, ob die Sympathien beidseits lagen. Auf jeden Fall hat Glauser diese Sache in seinen Briefen angedeutet und ein bisschen sentimental darauf hingewiesen, wie ergötzlich eine solche Beziehung sei. Na ja, er war sonst wirklich sehr allein und hat jede Nettigkeit in sich aufgesaugt. In Liestal hat er offenbar auch wieder in der Apotheke unten beim Amtshaus Heroin geklaut. Das war seine Spezialität und bestimmt einer der wichtigsten Gründe für sein ruheloses Leben ausserhalb bürgerlichen Rahmens. Sein Vater war eine hochgestellte Person, war Professor, Schulleiter und irgendwie Konsul in Mannheim. Er hat sich immer wieder um seinen Sohn Sorgen gemacht und gehofft, dass er sich bessern könne. Er hat ihn aber auch den Fürsorgebehörden der Schweiz ausgeliefert, weil er sah, dass ihm die Besserung nicht wirklich gelingen kann.

Aber irgendwie habe ich nicht wirklich Mitleid, mit dem armen Kerl. Ich merke, wie ich mich hinter dem klinischen Blick verschanze und überlege, weshalb Glauser immer wieder in dieselben Situationen gerät. Er war in dieser Hinsicht sehr unbelehrbar, während er doch andererseits feine Wahrnehmungen und Erkenntnisse machen konnte. Er erinnert mich an Hodler (weshalb eigentlich? Hodler war zu seiner Zeit bekannt und bestimmt nicht mehr ganz arm. Na ja, vielleicht waren sie ungefähr Zeitgenossen, und auch Hodler lebte einen guten Teil seines Lebens in der welschen Schweiz) Übrigens war Glauser an vielen Orten in der Schweiz, und wenn ich seine Biographie lese, erinnere ich mich an Städtchen und Dörfchen, wo ich einst gewesen war. Etwa Baumes im Berner Jura, wo wir im Militär oft waren. Dort war Glauser eine zeitlang auf einer Krankenstation. In der kantonalen Psychiatrischen Klinik Herisau war er zuletzt interniert und ist, so glaube ich, auch dort gestorben. Dort hatte ich eines meiner klinischen Praktika absolviert. Und an jene grosse Klinik denke ich heute noch gerne zurück, obwohl sie eine kantonale Insitution war, und diese alten Kliniken oft sehr düster und gefängnisartig wirken. Aber die Klinik Herisau lag ausserhalb des Ortes auf einem grünen Hügel mitten in einer wunderschönen Landschaft. Wir waren mehrere Praktikanten, Mädchen und Burschen, und wir hatten ein schönes Leben. Abends kochten wir gemeinsam Teigwaren und assen dann rund um einen tiefen Clubtisch, der mit tausend Dingen unordentlich und zigeunerhaft übersäht war. Eines Sonntag kam S zu Besuch, statt dass ich zurück nach Zürich fuhr. Ich erinnere mich, wie die Frau am Eingang mir Komplimente machte für meine elegante und hübsche Freundin. Wahrscheinlich hatte sie mich auch eher als Zigeuner angeschaut vorher. Und dann kam uns mein Onkel abholen, mit seinem überaus gepflegten Volvo, und wir hatten ein Wochenende am Bodensee.

Ach Du siehst, die alten Erinnerungen kommen. Ich muss sie abbrechen.
Mit lieben Gs und Ks