Liebe Marlena
Ich habe ein schönes Zitat von Nietzsche gefunden. Habe ich Dir das schon
mal vorgelesen? Na ja, niedergeschriebenerweise...
"Vorausgesetzt, dass die Wahrheit ein Weib ist -, wie? ist der Verdacht
nicht gegründet, dass alle Philosophen, sofern sie Dogmatiker waren, sich
schlecht auf Weiber verstanden? Dass der schauerliche Ernst, die linkische
Zudringlichkeit, mit der sie bisher auf die Wahrheit zuzugehen pflegten,
ungeschickte und unschickliche Mittel waren, um gerade ein Frauenzimmer
für sich einzunehmen?"
Ist ein bisschen lang als Zitat zum Gebrauch. Aber man kann es beim ersten
Satz belassen: vorausgesetzt, dass die Wahrheit ein Weib ist ... das allein
klingt geheimnisvoll und weckt Neugier!
Es gibt zu diesem Zitat vielleicht zwei Dinge zu sagen:
1. Lächerlich, dass Nietzsche so was sagt, gerade er, der ewige Junggeselle,
der in einem Frauenhaushalt aufgewachsen ist, von seinen Frauen wenn
nicht terrorisiert, so doch wenigstens schwer bevormundet. Hat er denn
nicht jahrelang eine Frau gesucht und schliesslich keine gefunden? Hat er
nicht mehrere Heiratsanträge gemacht? Ich glaube nicht, dass ihm diese
Tatsache bewusst war, als er diesen Satz zu Papier gebracht hat. Er findet
sich überigens in der Vorrede zu "Jenseits von Gut und Böse", dem Vorspiel
einer Philosophie der Zukunft, wie der Autor dieses Werk stolz nennt.
2. Gar nicht so dumm, der Satz, sondern eben auch niezscheanisch
intelligent. Allerdings könnte er heute leicht in die Räder einer grausamen
Gender-Diskussion geraten. Ist denn die Wahrheit eine Sache der Männer,
die im Satz die Subjekte darstellen? Die Weiber sind die Objekte?
Darf man sowas heute noch sagen? Schon das Wort Weib ist eher anrüchig.
Aber dass man Frauen nur auf spielerische und verspielte Weise zu schöner
Erscheinung bringen kann, das glaube ich sehr, das gilt ja wohl auch
umgekehrt von uns spröden Männern. Die Liebe, oder wie immer man
dieses Transaktionsgeschäft psychischer und physischer Energien nennen
will, die Liebe also ist doch wahrlich ein Spiel. Es gibt dafür einen
Spieleinsatz, es gibt vielleicht Würfel oder Karten oder Spielgeld, es gibt
Spielzüge und Spielstrategien, und es gibt wohl auch einige Regeln,
grossgeschriebene und kleingeschriebene.
...
Dienstag, 30. November 2010
Weihrauch
Ämne: Weihrauch.. :-)
Soeben habe ich Anna zum Zug gebracht, Destination Göteborg. ...
*
Ach, einen Religionskrieg möchtest du zwischen uns entfachen??? Und nächtelang diskutieren? Na ja, auf das spätere könnte ich mich vielleicht doch einlassen. ;-)
Eigentlich glaube ich dass wir uns auf diesem Gebiet ziemlich ähnlich sind. Wir kennen es und kümmern uns nicht sonderlich darum. D.h., was wir nicht daran akzeptieren, lassen wir einfach beiseite. Von dem übrigen lassen wir unsere Seele bereichern.
Und Kult gehört dazu. Es liegt ein wenig Magie darin. Sogar heutzutage, wenn ich Moslims auf die Knie fallen sehe, beneide ich sie ein wenig um diesen Augenblick. Und es ist wie du sagst, die katholische Kirche schenkt vor allem Geborgenheit. Du fühlst dich irgendwie eingebettet in warmer Fürsorge. Ich glaube das ist was die meisten Menschen in Religion suchen.
Und du bist ein praktizierender Darwinist und noch dazu Moslim, wenn ich mich nicht falsch erinnere. ;-) Du hast wirklich Humor.
Aber ich werde wohl an meinem Katholizismus festhalten müssen. - „du bist eine Messe Wert“ – aber wie du weisst bin ich kein Katholik auf den die Kirche stolz sein kann. Ich bin nicht katholisch verheiratet, meine Tochter ist in der schwedischen, lutheranischen Kirche getauft, obwohl sie „aus Versehen“ ihre erste Kommunion in der uralten Klosterruine von Aya Napa (auf Cypern) empfangen hat. Das war 1999. Habe ich dir mal davon erzählt? Wenn nicht, sag es mir. Übrigens fragte mich neulich eine Kollegin ob wir nicht zusammen mal in die katholische Kirche gehen könnten jetzt in der Adventszeit.. und ich mache es gern. Ab und zu habe ich mich danach gesehnt wieder einmal zum Gottesdienst zu gehen. Das tat ich in jungen Jahren nicht immer mit Freude. Und besonders der Weihrauch war etwas Schreckliches, weil mir davon fast schlecht wurde. Meistens ging man ja auf fastendem Magen hin und wenn man dann diesen komischen Geruch einatmen musste..
Da wir schon bei Weihrauch sind, du meinst also, dass ich Weihrauchtabletten nur vom Arzt verschrieben einnehmen soll??? Aber weisst du, ich befinde mich in einer Situation wo ich wirklich alles probieren möchte und ich bin nicht sicher, ob es diese Mirakelpillen bei uns auch gibt. Kannst du mir schreiben, welche Bestandteile sie enthalten? Oder könnstest du mir ein paar zur Probe schicken? Ich wäre dir ewig dankbar dafür.
Nun muss ich schliessen und mich an den Arbeitsplatz begeben.
Schreib mir bald wieder. Jetzt am Wochenende wenn ich Anna nicht hier habe, brauche ich ein wenig Harroin.
Mit einem lieben Gruss wünsche ich dir einen schönen Tag
Marlena
Sonntag, 28. November 2010
Sonntagsgruss zu Advent
Lass mich Dir ein kurzes Mail schreiben. Ich habe deine lieben Worte der letzten Tage immer noch im Ohr. Und das ist es, was mich dazu drängt.
Es ist Sonntag Morgen und ich sitze im Büro und höre italienische Opern, so dass die Fachliteratur auf den Regalen ins Vibrieren gerät. Und dabei habe ich eine grosse Tasse Kaffee, einen Milchkaffee, nein eigentlich ein Capuccino (schreibt sich das so). Und an der Wand hängt immer noch Deine etwas altmodische Karte von Sorrento, die wirklich an die mondäne Welt der Vorkriegszeit erinnert. Es erstaunt mich noch heute, wie Du, liebe Marlena, aus all diesen vielen Badeorten, die es rund ums Mittelmeer gibt, gerade auf dieses Sorrent kommst. Es zeigt mir einfach, wie klassisch und solide Du denkst. Das gefällt mir sehr.
Aber eigentlich wollte ich Dir etwas Kleines von gestern Abend erzählen. Ich habe in unserer Stube angefangen, einige der Bücher zu rezensieren, die ich kürzlich auf der Bibliothek geholt habe. Das ist eine feine Tätigkeit. Du kannst in den Büchern schnuppern, kannst Dich anregen oder abstossen lassen, blätterst geniesserisch herum und fühlst dich wie der liebe Gott, der dann seinen Entscheid für Himmel oder Hölle geben kann. Nein, natürlich bin ich nicht so streng. Ich glaube, es gibt heute viele Arten von Lesern. Und es gibt viele Arten von Bücher. So ist nicht mehr ganz eindeutig, was gut und was schlecht ist. Ein Büchlein mit Witzen ist ja nun nicht gerade das, was man klassischerweise als "gutes Jugendbuch" bezeichnet hat. Doch dieses Büchlein, in der Autokolonne wegen Stau vor dem Gotthardtunnel aus dem Sack geklaubt, kann Gold wert sein. Ich wähle gerne Bücher für Jugendlichen zur Zeit: über Internet, über Malen und Zeichnen, Lern- und Übungshilfen für die Schule, Kunst, Biographien. Die Romane mag ich nicht so besonders, die dauern mir zu lange. Ich lese sie zwar nicht ganz, aber mehr oder weniger sollte man sich schon darin auskennen, wenn man sie kritisieren will. Im Moment habe ich einen neuen Roman von Gaarder namens "Maya". Der ist leider etwas dick. Du siehst, Marlena, wie ich oberflächlich schon denke. Und während ich also in meinen Büchern blätterte und mit einem Auge das Fernsehprogramm verfolgte, hat S auf dem grossen Tisch Adventkränze geflochten. Zwei für uns, einen für Onkelchen. Sie sind sehr schön geworden, und sie bringen etwas Stimmung in die Stube.
Im späteren Abendprogramm bin ich dann schliesslich auf eine TV-Sendung über die Abba gestossen. Ich meine, Du kennst die Musik der ABBAs sicherlich. Sie ist reinster Ohrenschmalz, dh einlullend, süsslich, heute noch mehr als damals. Damals war sie noch irgendwie neu dazu. Und sie zeigten viele Interviews mit den 4 Sängern. Ich war zwar nur mit einem Auge und einem Ohr dabei, aber sie waren ziemlich aufmerksam. Das war ja doch alles Schwedisch, und sowas liess mich aufhorchen. Eigentlich sind sie sympatische Leute. Die Frida, die Norwegerin, scheint heute in der Schweiz zu leben. Die Blonde war irgendwie der Blickfang der Gruppe mit ihrem schönen goldenen Haar. Manchmal hatten sie grässliche Kleider an, wirklich unverzeihlich. Aber sie waren ja doch sehr erfolgreich. Der grösste Export Schwedens seit die Million Menschen im 19. Jahrhundert nach Amerika ausgewandert waren.
Aber was ich Dir wirklich erzählen wollte, war nur eine kurze Sequenz im Film. Es gab da eine Luftaufnahme von Stockholm. Ich konnte jenen Teil erkennen, den Du mir auf einem Foto geschickt hattest. Und ich hatte den Eindruck einer wunderschönen Stadt am Wasser. Und ich erinnerte mich des weiteren Bildes, wo die Nebel aus dem Wasser aufsteigen. Ach, ich kann nicht sagen, dass mir dies alles bekannt vorgekommen wäre. Aber es mutete mich doch sehr heimatlich an. Und ich glaube wirklich, dass ich das mal sehen möchte.
Ich will Dir jetzt aber nicht einen Besuch ankündigen und Dich damit beunruhigen, Marlena. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ihr dort oben in einer wunderschönen Stadt lebt. Und daneben gab es einige Luftaufnahmen über unendlich weite Wälder, so dass man geradezu wehmütig werden konnte.
Das wollte ich Dir sagen. Und ich fühlte Dir am Abend sehr nahe. Und es ist immer noch so, dass ich Dich fürs Leben gerne kennenlernen würde. Persönlich, face to face, kiss to kiss sozusagen.
Wie Du vor zwei Tagen formuliert hast, ist es mir ins Herz gegangen. Du hast geschrieben, wie Anna dich beobachtet, wenn Du enttäuscht vom PC kommst. Ach, das hat mich berührt und hat mir wieder gezeigt, wie exzellent Du schreibst. Du bist nicht nur eine gute Schreiberin, sondern auch eine perfekte Psychologin.
Ich wünsche Dir einen friedvollen Sonntag und ich umarme Dich herzlich
..
Samstag, 27. November 2010
Wo bist Du ???
Ämne: Wo bist Du ???
Datum: den 30 november
Liebe Marlena
Du bist sehr still geworden zur Zeit. Wie geht es Dir? Hat Dich der Direktor so sehr in Beschlag genommen? Ach, ich bin sicher, es hat einen ganz alltäglichen, profanen Grund. Oder etwa nicht?
Hier bei uns geht alles seinen Lauf. Das Regenwetter will schon gar nicht mehr aufhören. A. lernt, soviel sie kann, für ihre Abiturprüfungen. B. leidet an einem Weisheitszahn und sieht ganz krank aus. S. rennt im Haus herum und versucht alle zufrieden zu stellen. Und ich, na ja, ich hocke im Büro hinter Papierbergen, die ich nur in glücklichen Momenten völlig überblicke.
So gibt es zur Zeit gar nichts besonders Interessantes zu berichten. Ausser vielleicht die Fliege, die momentan in meinem Büro herumdüst und mir mächtig auf den Wecker geht (das ist ein Slang Ausdruck und meint, sie gehe mir auf die Nerven). Sie ist wirklich ohne Hemmungen und setzt sich hier und dorthin. Ich wünschte, ich hätte einen Revolver in der Nähe!
Bald kommt die Adventzeit, die Du so herbeisehnst, weil sie etwas Licht in die dunkeln Nächte bringen wird. Ja, Du hast recht. Hier leuchten schon die Sterne über den Strassen. Es ist 7h morgens und noch stockdunkel. Aber die Sterne leuchten, und auf den nassen Strassen gibt es einen hübschen Widerschein. Diese Reflexionen, das ist das, was man beim Malen anfangs nicht sieht. Man sieht als Anfänger nicht, wie sich alles überall fein reflektiert, so dass es einen echten farbigen Kosmos, und nicht bloss ein additives Gefüge abgibt. Ich habe lange gebraucht, bis ich das wirklich bemerkt habe. Und wenn man das nicht sieht, dann wirken die Bilder so naiv und nichtssagend. Und man weiss als Amateur gar nicht, woran das liegt.
Und jetzt muss ich hinter meine Arbeit. Es liegt viel herum. Und ich muss schauen, dass ich es bis Mittag schaffen. Nachmittags bin ich in L, im kleinen Städtchen im Jura. Dort habe ich, nach langer Zeit, wieder einmal eine Anmeldung.
Ich hoffe, dass ich bald wieder etwas von Dir höre, meine Liebe. Sonst muss ich Interpol auf die Suche schicken.
Ich wünsche Dir eine gute Zeit. Und ich küsse Dich mit Liebe.
...
Freitag, 26. November 2010
fiori belli
Ämne: fiori belli
Datum: den 28 november
Meine liebste Allerliebste
Nein, ich habe nur gedacht, Du siehst mich als oberflächlichen Dandy, weil Du denkst, ich mache viele Flirts und Liebschaften im und ausserhalb des Netzes. Wenn Du wüsstest, wie scheu ich eigentlich bin, wie steif ich den Frauen gegenüberstehe, wie sich mein Gesicht versteinert, wenn sie mich anschauen. Ach, Du würdest niemals so denken, meine Liebste. ;--)))
Heute bin ich rasch in die Bibliothek gegangen, um ein paar Rezensions-Exemplare mit Heim zu nehmen. Und jetzt habe ich zwei Kisten Bücher, die ich im nächsten Monat kritisieren oder loben sollte. Wenn also meine Mails ein bisschen kürzer werden, liebe Marlena, gib nicht den Frauen, sondern gib den Büchern die Schuld. Es sind 42 Bücher, zweiundvierzig, das braucht alles seine Zeit. Erst muss man sie lesen, und dann sollte man noch etwas Sinnvolles darüber schreiben. Ja, es ist ein bisschen viel. Aber es ist auch gut, sich von der Arbeit mit so was abzulenken.
Im übrigen war ich heute morgens um 8h beim Arzt. Er musste mir bei nüchterem Magen eine Blutprobe nehmen. Du siehst, der Kreis der königlichen Leibärzte dreht sich weiter bis in die Wochentage hinein. Es ist wirklich schlimm im Moment. Doch ich fühle mich nicht allzu krank. Nur, wie gesagt, manchmal habe ich wenig Energie. Es reicht kaum mehr auf den Tisch, um mit leerem Whisky-Glas zu tanzen ;--) Aber das wird schon wieder werden.
Jetzt ist schon 2000h und ich muss heim, um noch ein Nachtessen zu kriegen.
Ach, und die Fotos habe ich immer noch nicht gesucht. Ich habe nur ein altes Abonnement gefunden, mit einem Foto von mir, etwa 10 Jahre alt. Dh. vor 10 Jahren aufgenommen. Ich sah sehr smart aus, kann ich Dir verraten. Ich schicke es mal. Aber Du möchtest gerne was Aktuelles. Ich weiss schon. Hab ein wenig Geduld, Marlena. Ach, ich weiss, Du bist ein so guter und geduldiger Mensch. Man kann Dich wirklich nur umarmen.
Mit lieben Grüssen
Donnerstag, 25. November 2010
Re: Bald Advent..
Ämne: Re: Ja, der Advent des Advents
Datum: den 27 november
Liebe Marlena
Nein, niemals langweilst Du mich. Du schreibst so plastisch, mit einer feinen Ironie! Und aus einer femininen Position. So wie ich es nie könnte. Ich bewundere es. Ich höre und sehe, wie gescheit Du bist. (Du kennst das Wort "gescheit", nicht wahr?) Es ist wirklich ein Vergnügen, Dir zuzuhören. Auch wenn Du über Deine Arbeit und Deinen Direktor sprichst.
Aber dass Du einfach so geschriebene Mails in den Abwässern des Internet verschwinden lässt, das kann ich weniger gut verstehen. Ist mir zwar anfangs auch ein oder zwei Mal passiert. Aber seither gebe ich ziemlich acht!
*
Ja, wie ein König in der Runde seiner Leibärzte. Diese Fantasie hatte ich auch einen Moment lang, bevor die Gäste ankamen. Und ich habe mir gedacht, sie beobachteten mich jetzt sehr genau, wieviel ich esse und wieviel - vor allem - ich trinke.
Der Abend war eigentlich ganz gut. Wir hatten ja ein kleines Ungleichgewicht. Es waren 4 Männer und nur 2 Frauen. Und vor dem Essen hatte mich S. gefragt, wie sie die Gäste denn platzieren sollte. Mehr im Spass als wirklich ernsthaft hatte ich gesagt, wir setzten die beiden Frauen neben mich, und die Männer oben neben S. Und so hat sie es dann auch getan. Ach, ich war der Hahn im Korb. A. ..weiss viel über Filme. Das ist ihr Job. Sie hat tatsächlich auch sehr viel gesprochen. Und O. ist Japanerin und sehr künstlerisch begabt. Ich war also wirklich verwöhnt an meinem Platz. Mein Problem war, dass ich auf dem rechten Ohr noch nicht so gut höre. Es ist noch verstopft. Und weil O. rechts von mir sass, und weil sie ausserdem noch nicht so gut deutsch spricht, hatte ich etwas Mühe, sie zu verstehen. Ich hätte gerne mit ihr etwas geflirtet. Aber es war echt hart, weil ich ein bisschen um den Brei herumreden musste, weil ich sie manchmal nur ungefähr verstanden hatte. Ach, ich kam mir ein bisschen vor wie ein alter, schwerhöriger Mann. Nichts isoliert ja so sehr wie Schwerhörigkeit. Blindheit ist nur halb so schlimm. So habe ich den Abend eisern durchgekämpft und versucht, mich als Mundschenk geschäftig zu machen. Der Flirt war ein sehr mageres Gewächs, um das Kind beim Namen zu nennen. Und A. und P. waren sehr unkompliziert und haben zum Schluss noch mitgeholfen, die Gläser und handgemalten Teller zu waschen, die man ja nicht einfach in die Maschine stellen sollte. So dauerte der Abend doch noch bis 2300h, obwohl wir schon um 1800h angefangen hatten.
*
Ach Marlena, ich glaube, es wäre schön, Dich mal an unserem Tisch zu haben. Oder EUCH müsste ich doch eigentlich besser sagen. Ja, und dann kommt wieder die Römergeschichte hoch. Du hast jetzt die Hoffnung völlig aufgegeben. Nun ja, es ist auch ziemlich kompliziert geworden. Oder immer schon gewesen? Ich weiss schon gar nicht mehr, wie ich darüber reden soll. Vielleicht doch besser schweigen?
*
Ich war den ganzen Tag unterwegs und deshalb jetzt ein bisschen in Eile. Ich hoffe, Du hast einen schönen Abend. Und mein Schatz, Du solltest mich nicht für zu sehr oberflächlich und dandyhaft nehmen. Das bin ich nämlich nicht.
Ich küsse Dich
..
Danke Dir für das hübsche Bild. Es ist schön arrangiert und zeigt die Stimmung gut. Man möchte am liebsten bei Dir zuhause sein.
Datum: den 27 november
Liebe Marlena
Nein, niemals langweilst Du mich. Du schreibst so plastisch, mit einer feinen Ironie! Und aus einer femininen Position. So wie ich es nie könnte. Ich bewundere es. Ich höre und sehe, wie gescheit Du bist. (Du kennst das Wort "gescheit", nicht wahr?) Es ist wirklich ein Vergnügen, Dir zuzuhören. Auch wenn Du über Deine Arbeit und Deinen Direktor sprichst.
Aber dass Du einfach so geschriebene Mails in den Abwässern des Internet verschwinden lässt, das kann ich weniger gut verstehen. Ist mir zwar anfangs auch ein oder zwei Mal passiert. Aber seither gebe ich ziemlich acht!
*
Ja, wie ein König in der Runde seiner Leibärzte. Diese Fantasie hatte ich auch einen Moment lang, bevor die Gäste ankamen. Und ich habe mir gedacht, sie beobachteten mich jetzt sehr genau, wieviel ich esse und wieviel - vor allem - ich trinke.
Der Abend war eigentlich ganz gut. Wir hatten ja ein kleines Ungleichgewicht. Es waren 4 Männer und nur 2 Frauen. Und vor dem Essen hatte mich S. gefragt, wie sie die Gäste denn platzieren sollte. Mehr im Spass als wirklich ernsthaft hatte ich gesagt, wir setzten die beiden Frauen neben mich, und die Männer oben neben S. Und so hat sie es dann auch getan. Ach, ich war der Hahn im Korb. A. ..weiss viel über Filme. Das ist ihr Job. Sie hat tatsächlich auch sehr viel gesprochen. Und O. ist Japanerin und sehr künstlerisch begabt. Ich war also wirklich verwöhnt an meinem Platz. Mein Problem war, dass ich auf dem rechten Ohr noch nicht so gut höre. Es ist noch verstopft. Und weil O. rechts von mir sass, und weil sie ausserdem noch nicht so gut deutsch spricht, hatte ich etwas Mühe, sie zu verstehen. Ich hätte gerne mit ihr etwas geflirtet. Aber es war echt hart, weil ich ein bisschen um den Brei herumreden musste, weil ich sie manchmal nur ungefähr verstanden hatte. Ach, ich kam mir ein bisschen vor wie ein alter, schwerhöriger Mann. Nichts isoliert ja so sehr wie Schwerhörigkeit. Blindheit ist nur halb so schlimm. So habe ich den Abend eisern durchgekämpft und versucht, mich als Mundschenk geschäftig zu machen. Der Flirt war ein sehr mageres Gewächs, um das Kind beim Namen zu nennen. Und A. und P. waren sehr unkompliziert und haben zum Schluss noch mitgeholfen, die Gläser und handgemalten Teller zu waschen, die man ja nicht einfach in die Maschine stellen sollte. So dauerte der Abend doch noch bis 2300h, obwohl wir schon um 1800h angefangen hatten.
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Ach Marlena, ich glaube, es wäre schön, Dich mal an unserem Tisch zu haben. Oder EUCH müsste ich doch eigentlich besser sagen. Ja, und dann kommt wieder die Römergeschichte hoch. Du hast jetzt die Hoffnung völlig aufgegeben. Nun ja, es ist auch ziemlich kompliziert geworden. Oder immer schon gewesen? Ich weiss schon gar nicht mehr, wie ich darüber reden soll. Vielleicht doch besser schweigen?
*
Ich war den ganzen Tag unterwegs und deshalb jetzt ein bisschen in Eile. Ich hoffe, Du hast einen schönen Abend. Und mein Schatz, Du solltest mich nicht für zu sehr oberflächlich und dandyhaft nehmen. Das bin ich nämlich nicht.
Ich küsse Dich
..
Danke Dir für das hübsche Bild. Es ist schön arrangiert und zeigt die Stimmung gut. Man möchte am liebsten bei Dir zuhause sein.
Mittwoch, 24. November 2010
Bald Advent
Ämne: An der Spüle..
Datum: den 26 november
Lieber ..,
Ach das Glück steht wirklich nicht auf meiner Seite im Moment. Ich hatte dir ein Mail geschrieben und nun ist es verschwunden und ich muss von vorne anfangen.
Ja, chéri, mit dem Artikel hast du mich fast erschlagen obwohl mir der Titel "Bildung als Stellvertreterin Gottes" (und einiges mehr) sehr gut gefällt. Wir werden sicher mal darauf zurückkommen.
Und heute Abend hast du, wie einst die Könige, die ganze ärztliche Expertise an deinen Hof gerufen um dich beraten zu lassen. Es freut mich, dass du in guten Händen bist. Sicher verbringst du einen wunderschönen Abend in dieser netten Gesellschaft. Und verliebt bist du auch. Das war eine kleine Überraschung aber die Welt ist voll davon.
*
Hier ist nun wirklich die allerdunkelste Zeit des Jahres und ich warte schon sehr auf 1. Advent, wenn alle Schweden leuchtende Sterne in ihre Fenster hängen und überall Adventsleuchter aufstellen. Auch die typischen Weihnachtsblumen dürfen nicht fehlen. Die schönen Amaryllis von denen man nie weiss wieviel Blüten sie tragen werden, die stark duftenden Hyazinthen und vor allem die s.g. Weinachtssterne (siehe Bild). Und natürlich hängt eine "gute Hausfrau" auch Weihnachtsgardinen in alle Fenster. Vielleicht kommst du mal bei Ikea vorbei. Dort kannst du bestimmt sehen wie das aussieht. Später dann kommt noch das Luciafest am 13. Dezember, das hier von allen sehr gross gefeiert wird und vorher auch noch das Nobelfest um das uns so viele beneiden :-) Vielleicht schaust du es dir auch ein wenig an? Es wäre schön etwas mit dir zusammen zu tun. Sonst bleibt uns ja immer noch die Spüle ;-)
Nein, ich habe noch keine neue Spülmaschine. Kann mich nicht entschliessen ob ich soll reparieren lassen oder sofort neu kaufen. Ausserdem ist nun auch unser Ventilator kaputt, d.h. er geht noch aber er gibt einen Laut von sich wie eine Bohrmaschine beim Zahnarzt und wenn ich nachts mal aufwache dann kann ich kaum wieder einschlafen.
Morgen habe ich ein langes "Entwicklungsgespräch" mit dem neuen Direktor. Sowas müssen wir alle der Reihe nach durchmachen Er hat natürlich keine Ahnung von Sprachunterricht. Möglicherweise war er mal ein unbegabter Schüler und so weiss er dass Sprachlehrer alles falsch machen weil er nichts gelernt hat. Er hat in letzter Zeit Ideen geäussert die uns alle ein bisschen den Atem verschlagen. Nun wir sind ein abgehärtetes Geschlecht und leider auch ein sehr gefügiges und wie gewöhnlich werden wir versuchen alle Dummheiten bestens zu verwirklichen bis dann plötzlich wieder das Gegenteil gilt. Und alles das darf ich natürlich nicht sagen. Ich habe ein ganzes Kompendium mit Fragen die ich beantworten muss.
Ach Schatz, das langweilt dich sicher. Aber es ist schön dass ich mit jemanden darüber sprechen kann.
Ich glaube ihr sitzt jetzt zu Tisch und ich weiss eigentlich nicht ob ich heute zusehen will.. :-)
Du hast mir wieder ein so schönes liebes Mail geschrieben und so legst du immer wieder neue Holzscheiter ins Feuer. Du scheinst ein so glücklicher Mensch zu sein. Hast eigentlich nie Sorgen und vielleicht ist es der Verdienst von S., die dir ein so angenehmes Leben macht. Und nun träumst du wieder von Rom. Du wirst es sicher machen (und sicher nicht allein) aber ich werde noch eine Zeit warten müssen bevor ich den Traum meines Lebens verwirklichen kann.
Ich grüsse dich lieb. Und wie immer.. aber das sag ich dir heute nicht weil du sicher gerade am flirten bist..
Bye, love
Marlena
Datum: den 26 november
Lieber ..,
Ach das Glück steht wirklich nicht auf meiner Seite im Moment. Ich hatte dir ein Mail geschrieben und nun ist es verschwunden und ich muss von vorne anfangen.
Ja, chéri, mit dem Artikel hast du mich fast erschlagen obwohl mir der Titel "Bildung als Stellvertreterin Gottes" (und einiges mehr) sehr gut gefällt. Wir werden sicher mal darauf zurückkommen.
Und heute Abend hast du, wie einst die Könige, die ganze ärztliche Expertise an deinen Hof gerufen um dich beraten zu lassen. Es freut mich, dass du in guten Händen bist. Sicher verbringst du einen wunderschönen Abend in dieser netten Gesellschaft. Und verliebt bist du auch. Das war eine kleine Überraschung aber die Welt ist voll davon.
*
Hier ist nun wirklich die allerdunkelste Zeit des Jahres und ich warte schon sehr auf 1. Advent, wenn alle Schweden leuchtende Sterne in ihre Fenster hängen und überall Adventsleuchter aufstellen. Auch die typischen Weihnachtsblumen dürfen nicht fehlen. Die schönen Amaryllis von denen man nie weiss wieviel Blüten sie tragen werden, die stark duftenden Hyazinthen und vor allem die s.g. Weinachtssterne (siehe Bild). Und natürlich hängt eine "gute Hausfrau" auch Weihnachtsgardinen in alle Fenster. Vielleicht kommst du mal bei Ikea vorbei. Dort kannst du bestimmt sehen wie das aussieht. Später dann kommt noch das Luciafest am 13. Dezember, das hier von allen sehr gross gefeiert wird und vorher auch noch das Nobelfest um das uns so viele beneiden :-) Vielleicht schaust du es dir auch ein wenig an? Es wäre schön etwas mit dir zusammen zu tun. Sonst bleibt uns ja immer noch die Spüle ;-)
Nein, ich habe noch keine neue Spülmaschine. Kann mich nicht entschliessen ob ich soll reparieren lassen oder sofort neu kaufen. Ausserdem ist nun auch unser Ventilator kaputt, d.h. er geht noch aber er gibt einen Laut von sich wie eine Bohrmaschine beim Zahnarzt und wenn ich nachts mal aufwache dann kann ich kaum wieder einschlafen.
Morgen habe ich ein langes "Entwicklungsgespräch" mit dem neuen Direktor. Sowas müssen wir alle der Reihe nach durchmachen Er hat natürlich keine Ahnung von Sprachunterricht. Möglicherweise war er mal ein unbegabter Schüler und so weiss er dass Sprachlehrer alles falsch machen weil er nichts gelernt hat. Er hat in letzter Zeit Ideen geäussert die uns alle ein bisschen den Atem verschlagen. Nun wir sind ein abgehärtetes Geschlecht und leider auch ein sehr gefügiges und wie gewöhnlich werden wir versuchen alle Dummheiten bestens zu verwirklichen bis dann plötzlich wieder das Gegenteil gilt. Und alles das darf ich natürlich nicht sagen. Ich habe ein ganzes Kompendium mit Fragen die ich beantworten muss.
Ach Schatz, das langweilt dich sicher. Aber es ist schön dass ich mit jemanden darüber sprechen kann.
Ich glaube ihr sitzt jetzt zu Tisch und ich weiss eigentlich nicht ob ich heute zusehen will.. :-)
Du hast mir wieder ein so schönes liebes Mail geschrieben und so legst du immer wieder neue Holzscheiter ins Feuer. Du scheinst ein so glücklicher Mensch zu sein. Hast eigentlich nie Sorgen und vielleicht ist es der Verdienst von S., die dir ein so angenehmes Leben macht. Und nun träumst du wieder von Rom. Du wirst es sicher machen (und sicher nicht allein) aber ich werde noch eine Zeit warten müssen bevor ich den Traum meines Lebens verwirklichen kann.
Ich grüsse dich lieb. Und wie immer.. aber das sag ich dir heute nicht weil du sicher gerade am flirten bist..
Bye, love
Marlena
Dienstag, 23. November 2010
NZZ - lesenswert
Ämne: Bildung??
Datum: den 25 november
Liebe Marlena
Heute ist mein NZZ Tag. Draussen ist es kühl und ein wenig nebelig. Und hier im Büro lasse ich meine Callas singen, trinke einen Kaffee und lese mich durch die Neue Zürcher Zeitung, die, wie Du sagtest, voller Inserate sei. Das ist sie tatsächlich. Aber es hat auch eine Menge ausgezeichneter Artikel. Und die sind wirklich lesenswert. Eigentlich habe ich nicht genug Zeit, alles zu lesen, was ich lesen möchte. Oft reisse ich noch Seiten heraus und bewahre sie da und dort auf. Du kannst Dir vorstellen, dass das mit der Zeit eher unübersichtlich wird. Überall, an den unmöglichsten Orten, liegen diese Zeitungsseiten herum und wollen gelesen sein. Es ist ein wenig ein Kampf gegen die Sintflut.
Doch heute Morgen gab es zwei Artikel über die Bildung. Das muss uns doch interessieren. Dietrich Schwanitz schreibt über "Bildung als Stellvertreterin Gottes", ein schon fast reisserischer Titel. Er Prof. für englische Literatur in Hamburg und hat kürzlich ein Buch herausgegeben mit dem Titel "Bildung. Was man wissen muss". Er versucht darin, die zentralen Wissensbestände darzulegen aus Geschichte, Kunst, Literatur, Philosophie. Er hat eine spezielle Fähigkeit zur Übersicht, und es ist für einen europäischen Menschen ein sehr instruktives Buch. Es ist geradezu eine Repetition des Abitur.
Hier nun will er Bildung begründen. Er versteht sie als Kompensation, in deutscher Variante als Innerlichkeit gegen Kommunikation, Authentizität gegen Oberflächlichkeit und Kultur gegen Zivilisation.
Eine besondere Bedeutung gibt er - na ja, als Literaturwissenschafter - dem Roman als literarische Gattung. Der Roman ist die öffentliche Form intimer Kommunikation. Er ist die Schule der Empathie und eine Einführung in die Liebe. Gleichzeitig ist der Roman als literarische Form aber auch eine Modell der Sinnbildung in einem weiten Sinne, bis hinüber zur Geschichtsphilosophie. Der Roman zeigt - im Bildungsroman - anhand des Weges der Irrtümer das Entstehen der Identität als sinnvolle Form.
Heute ist Bildung eine Kompensation der Folgen der Arbeitsteilung und eine Kompensation der Individualisierung. Sie erlaubt wieder eine Verständigung zwischen den Teilsystemen und bietet dem Individuum ein erweitertes Stilrepertoire. Bildung ist also heute besonders wichtig für die soziale Integration.
Und Bildung ist an Schrift gebunden. Schrift kompensiert Abwesenheit und kondensiert Sinn. Schrift hat eine eigene Gesetzlichkeit als Konzentration auf das Thema, als logischer Aufbau, als Kohärenz. So werden Texte zu Sinnwelten.
Bildung und Schrift erlauben Sinnverstehen. Das ist anders als die heutige Tendenz zum multimedialen operativen und prozeduralen Verständnis der Welt.
Wichtig sind heute Filterprogramme, um aus der Sintflut die relevanten Erkenntnisse machen zu können. Und wichtig ist Verlernen. Denn Wissen veraltet schnell, aktuelles Wissen besonders schnell. Wissen soll dem Überraschungs-Management und der Schock-Absorption dienen.
*
PUUUUH, Marlena, jetzt habe ich Dich erschlagen. Hol Dir einen Kaffe und fasse dich wieder. Ich durchschaue das auch noch nicht alles in den vielen Verästelungen. Aber eins weiss ich: Bildung soll heute die Geistesgegenwart schärfen. Und ich glaube, die Jungen haben das schon begriffen. Deshalb mögen sie kein Latein und keine Geschichte. Das ist alles noch das alte Vorratswissen, das wir noch lernen mussten.
*
Ich schreibe Dir mehr, wenn ich es besser begriffen habe. Jetzt kommt die Sonne hervor. Wir haben heute Besuch. ...
Montag, 22. November 2010
Mystikerin?
Bist du eine Mystikerin, Marlena? Als Rilke-Liebhaberin musst du das haben, diese Nähe zur Jenseitigkeit, zum Überirdischen, zum Platonischen. Das hat auch was Lebensfremdes an sich. Fühlst du dich als eine Frau des praktischen Lebens oder als eine, die sich zum Mystischen hingezogen fühlt? Auf dem Foto, das du mir per e-mail gesendet hast, schaust du auf eine gewisse weise in die Ferne, ins nirgend wohin, was durchaus mystisch wirkt, ein bisschen weltverloren, muss ich sagen. Und dabei kommt mir in den Sinn, dass ein Freund und Kunstkenner über meine ersten Bilder gesagt hat, sie hätten etwas Mystisches an sich. Manchmal habe ich den Eindruck, ich sei nicht von dieser Welt. Und dabei bin ich nicht einmal so unpraktisch. Ich finde, ich wäre an sich ein guter Handwerker geworden, wenn das mein Lebensweg gewesen wäre. In meiner Jugend habe ich viel gebastelt und gehämmert und genagelt, alles praktische Dinge. Und die Idee, Architekt zu werden, ist zumindest zu 50% ein durchaus praktisches Vorhaben, denn ein Haus muss solide und stabil gebaut sein, sonst sollte man es lieber vergessen. Und man baut es aus soliden und kompakten Steinen meist, oder vielleicht aus Beton. Das ist doch praktisch und materiell, wie es praktischer und materieller nicht sein könnte!
Dieses Wochenende haben wir Besuch. Ein Paar kommt aus dem Tessin, aus dem Süden der Schweiz. Vielleicht habe ich nicht sehr viel Zeit, an „meinem Tagebuch" zu „arbeiten". Aber ich freue mich, von dir zu hören. Und ich bin zuversichtlich, dass du mich mit deiner Erkältung nicht anstecken wirst.
Mit einem lieben Gruss
...
Dieses Wochenende haben wir Besuch. Ein Paar kommt aus dem Tessin, aus dem Süden der Schweiz. Vielleicht habe ich nicht sehr viel Zeit, an „meinem Tagebuch" zu „arbeiten". Aber ich freue mich, von dir zu hören. Und ich bin zuversichtlich, dass du mich mit deiner Erkältung nicht anstecken wirst.
Mit einem lieben Gruss
...
Sonntag, 21. November 2010
Novembertage
Ämne: Re: Novembertage
Datum: den 24 november
Liebe Marlena
Ja, Du beobachtest meine Gedankengänge sehr genau. Und Du hast viel Intuition, Dir Deine Hypothesen zu bilden. ...
*
Ach, weißt Du Marlena, manchmal bist Du so rätselhaft und auf eine fast unheimliche Art undurchschaubar. Deshalb meine Frage vielleicht. Nun ja, es sind die Schwierigkeiten, die mit einer Mausfreundschft einhergehen. Man kann sich nirgends abstützen, nur auf Texten. Es gibt keine Geste die man sieht, keinen Tonfall, den man als Unterstützung nehmen könne. Es sind nur diese Zeichen auf dem Papier, die da sind. Und man denkt, es braucht nicht viel, und sie könnten auch anders sein. Ja, eine Mausfreundschaft hat auch etwas Merkwürdiges. Aber das haben wir ja schon oft festgestellt.
*
Langsam bekomme ich wieder Lust, mich über Rom zu informieren. Meine Mutter hat mir auch noch ein Büchlein zum Geburtstag geschenkt, als sie hörte, ich wolle nächsten Sommer nach Rom. Ich glaube, sie denken alle, ich würde auswandern. Auswandern for good, vielleicht? Du kannst Dir vorstellen, dass meine Mutter, in Italien geboren, von Rom und Italien sehr viel hält. Für sie ist es das Urlaubsland par excellence. Wir haben in unseren Familienferien jeweils in Florenz bei Bekannten von ihr gewohnt, in einer schönen und herrschaftlichen Wohnung. Das Essen war immer fantastisch. Ein Hausmädchen hat serviert. Der Hausherr sass irgendwie in der Nähe und hat mit meiner Mutter in italienisch diskutiert. Und wir Kinder haben die hohen Wände entlang geschaut und gestaunt. Und die Betten waren riesengross. Und es war wunderbar kühl in dieser Wohnung, während die Sonne über Mittag auf das Strassenplfaster niederbrannte. Und während der Siesta waren die Strassen absolut menschenleer.
*
Datum: den 24 november
Liebe Marlena
Ja, Du beobachtest meine Gedankengänge sehr genau. Und Du hast viel Intuition, Dir Deine Hypothesen zu bilden. ...
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Ach, weißt Du Marlena, manchmal bist Du so rätselhaft und auf eine fast unheimliche Art undurchschaubar. Deshalb meine Frage vielleicht. Nun ja, es sind die Schwierigkeiten, die mit einer Mausfreundschft einhergehen. Man kann sich nirgends abstützen, nur auf Texten. Es gibt keine Geste die man sieht, keinen Tonfall, den man als Unterstützung nehmen könne. Es sind nur diese Zeichen auf dem Papier, die da sind. Und man denkt, es braucht nicht viel, und sie könnten auch anders sein. Ja, eine Mausfreundschaft hat auch etwas Merkwürdiges. Aber das haben wir ja schon oft festgestellt.
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Langsam bekomme ich wieder Lust, mich über Rom zu informieren. Meine Mutter hat mir auch noch ein Büchlein zum Geburtstag geschenkt, als sie hörte, ich wolle nächsten Sommer nach Rom. Ich glaube, sie denken alle, ich würde auswandern. Auswandern for good, vielleicht? Du kannst Dir vorstellen, dass meine Mutter, in Italien geboren, von Rom und Italien sehr viel hält. Für sie ist es das Urlaubsland par excellence. Wir haben in unseren Familienferien jeweils in Florenz bei Bekannten von ihr gewohnt, in einer schönen und herrschaftlichen Wohnung. Das Essen war immer fantastisch. Ein Hausmädchen hat serviert. Der Hausherr sass irgendwie in der Nähe und hat mit meiner Mutter in italienisch diskutiert. Und wir Kinder haben die hohen Wände entlang geschaut und gestaunt. Und die Betten waren riesengross. Und es war wunderbar kühl in dieser Wohnung, während die Sonne über Mittag auf das Strassenplfaster niederbrannte. Und während der Siesta waren die Strassen absolut menschenleer.
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Samstag, 20. November 2010
das eigene Glück schmieden
Ämne: Re: rainy days
Datum: den 23 november
Liebe Marlena
Noch immer ist es hier trüb und regnerisch. Und zudem kühl, aber doch nicht so kalt, dass es frieren würde. Jetzt, um 0700h ist es noch dunkel. Und vor meinem Fenster hängt seit Neuem ein grosser, leuchtender Weihnachtsstern. Gestern müssen sie diese Dinger aufgehängt haben. Sie brauchen dazu diese schweren Fahrzeuge mit der schwebenden Platform. Und dann hängen sie den Himmel voller Sterne, damit die Geschäfte besser gehen. Ist sicherlich in Schweden so wie in der Schweiz. Man hat statistisch festgestellt, dass diese Weihnachtsbeleuchtung die Menschen dazu bringt, mehr zu konsumieren. Es ist, wie es eben heute ist, alles ein bisschen künstlich und elektrisch und plastisch.
*
Ach, die Wörter Elend und miserabel braucht man hier auch. Aber man will sie doch nicht im Mund einer schönen Frau hören. Das Elend ist wirklich ein unsägliches Leid, eine hoffnungslose Situation. Ach, ich kann es einfach nicht hören aus Deinen Mails. Das Elend ist doch auch etwas, das nicht vorbei geht, dass immer und eben hoffnungslos herrscht. Ach Marlena, ich weiss nicht genau, wir brauchen das Wort nur für allerschlimmste und weite Disasters. Aber doch nicht für uns selbst. Man sagt vielleicht, "das Eldend" in Afrika und meint den Hunger, oder die Aidsepidemie, oder Ebola. Das "Elend" der Strassenkinder in Südamerika. Das "Elend" der Landbevölkerung im zaristischen Russland. Man sagt, in der Schweiz gäbe es kein "Elend" mehr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich in meinem Zusammenhang von Elend sprechen würde. Elend ist sozusagen unheilbar und menschenunwürdig.
Und wie Du denn Deinen Zustand oder Deine Situation nennen solltest, das weiss ich auch nicht. Ich weiss bloss, es soll nicht Elend sein. Es kommt ja eben darauf an, was Du damit meinst.
*
So sollte man doch eher vom Glück reden und von den Chancen, die man hat. Man muss das Glück vielleicht herbeireden. Gerade gestern habe ich mit B. eine kleine Diskussion gehabt. Sie kam nach hause und fühlte sich sehr unzufrieden, obwohl sie die Hausaufgaben für die kommende Prüfung bereits gemacht hatte. Und ich wollte diese Unzufriedenheit gar nicht richtig anhören, sondern meinte, man sollte immer eine Position finden, deren Summe schliesslich positiv ist. Man muss sich selbst manipulieren. Das Leben ist nicht einfach glücklich oder unglücklich an sich. Auch zum glücklichen Leben gehören eine Menge Unglück. Aber man soll das nicht so anschauen. Man soll auf einer letzten Ebene ein positives Schlussresultat haben. Und das haben die Menschen auch. Hör Dir an, wie die alten Leute vom Krieg reden. Auch diese allerschlimmste Zeit scheint ihnen doch alles in allem viel Glück gebracht zu haben. Es ist geradezu paradox, wie sie den Krieg verwenden können, das eigene Glück zu schmieden. So scheint der Hintergrund des Unglücks, sagen wir sogar des Elendes, besonders geeignet, davor sein eigenes Glück zu sehen. Ja, ich weiss, Marlena, ist alles leicht gesagt. Und es sind viele Worte. Und das Leben ist wiederum ganz anders. Ach, das weiss ich doch!
*
Sei wieder froh Marlena, sei meine Marlena, die stark ist und die so sehr die positiven Seiten des Lebens sehen und geniessen kann. Schau auf das Schöne, Marlena, denn das macht Dich wirklich schön.
Ich küsse dich froh, meine Liebste.
...
OK
Ämne:ok
Datum: den 22 november
Liebe Marlena
ja Vorfreude ist wahre Freude und Angst vor Elend ist das wahre Elend. Und oft sind die späteren Freuden und Leiden ja gar nicht so gross, wie ihre grossen Vorbrüder.
Ich bin sicher, dass Du so elegant bügelst, auf Stand- und Spielbein, wie Du siehst. So habe ich mir Dich auf jeden Fall immer vorgestellt. Nein, nicht so, sondern eleganter.
Ich streiche Dir übers Haar
Kuss
...
Datum: den 22 november
Liebe Marlena
ja Vorfreude ist wahre Freude und Angst vor Elend ist das wahre Elend. Und oft sind die späteren Freuden und Leiden ja gar nicht so gross, wie ihre grossen Vorbrüder.
Ich bin sicher, dass Du so elegant bügelst, auf Stand- und Spielbein, wie Du siehst. So habe ich mir Dich auf jeden Fall immer vorgestellt. Nein, nicht so, sondern eleganter.
Ich streiche Dir übers Haar
Kuss
...
Zukunft und Vergangenheit
"... Dann jeweils bleibt mir der Atem weg und ich weiss nicht mehr, was ich denken soll."
Ämne: Ich werde es schaffen..
Datum: den 22 november
Liebster Mausfreund,
Denke nicht, chéri! Streich mir nur lieb über das Haar und sag: Sei nicht traurig, alles geht vorüber.. Das ist was du tun kannst. Und du tust es ja auch. Schreibst mir deine schönen Mails die mich den Alltag vergessen lassen. Mir ist schon in den Sinn gekommen dass ich vielleicht nicht die richtigen Valeure der Wörter "Elend" und "miserabel" kenne. Bei uns sind das alltägliche Wörter, die jeder ab und zu verwendet. Gib mir ein paar andere.. :-)
Natürlich bist du ein Künstler. Das weiss ich doch! Ich meine nur dass es schade ist, dass es nicht auch alle anderen wissen. Und doch liebe ich es, dieses kleine Geheimnis zu haben. Zu wissen wie und wer du bist. Das macht mich stolz und reich.
So, jetzt aber genug mit Lob sonst wirst du zu eingebildet. ;-)
Aber natürlich werde ich deinen Brief noch ein paar mal durchlesen und geniessen. Und das schöne Bügelbild werde ich mir so aufhängen dass ich es immer beim Bügeln sehen kann und ich werde mich dabei so energisch und glücklich fühlen wie die Frau auf dem Bild.
Anna hat es auch sehr gefallen und sie hat sich gewundert wie du so gut wissen kannst wie ich aussehe. Zum Glück hat sie dabei gelacht. ;-)
*
Gestern Abend kam ich absolut nicht in diese Mailbox und so konnte ich mir vorstellen dass dort ein schönes Mail auf mich wartete. Und als ich sie dann heute Morgen leer fand habe ich nur festgestellt dass Vorfreude eigentlich auch Freude ist und dass Angst vor "Elend" auch schon ein bisschen Elend ist. So leben wir eben ständig in Gedanken an die Zukunft und Erinnerungen an die Vergangenheit.
*
Gibst du mir auch einen Schluck von deinem Espresso? Oder komme ich schon zu spät? Schreib mir ein paar Zeilen, Schatz, wenn du dazu kommt.. auch wenn du nicht dazu kommst. Ich sehnsuche deine Worte..
In Maladi
Marlena
Ämne: Ich werde es schaffen..
Datum: den 22 november
Liebster Mausfreund,
Denke nicht, chéri! Streich mir nur lieb über das Haar und sag: Sei nicht traurig, alles geht vorüber.. Das ist was du tun kannst. Und du tust es ja auch. Schreibst mir deine schönen Mails die mich den Alltag vergessen lassen. Mir ist schon in den Sinn gekommen dass ich vielleicht nicht die richtigen Valeure der Wörter "Elend" und "miserabel" kenne. Bei uns sind das alltägliche Wörter, die jeder ab und zu verwendet. Gib mir ein paar andere.. :-)
Natürlich bist du ein Künstler. Das weiss ich doch! Ich meine nur dass es schade ist, dass es nicht auch alle anderen wissen. Und doch liebe ich es, dieses kleine Geheimnis zu haben. Zu wissen wie und wer du bist. Das macht mich stolz und reich.
So, jetzt aber genug mit Lob sonst wirst du zu eingebildet. ;-)
Aber natürlich werde ich deinen Brief noch ein paar mal durchlesen und geniessen. Und das schöne Bügelbild werde ich mir so aufhängen dass ich es immer beim Bügeln sehen kann und ich werde mich dabei so energisch und glücklich fühlen wie die Frau auf dem Bild.
Anna hat es auch sehr gefallen und sie hat sich gewundert wie du so gut wissen kannst wie ich aussehe. Zum Glück hat sie dabei gelacht. ;-)
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Gestern Abend kam ich absolut nicht in diese Mailbox und so konnte ich mir vorstellen dass dort ein schönes Mail auf mich wartete. Und als ich sie dann heute Morgen leer fand habe ich nur festgestellt dass Vorfreude eigentlich auch Freude ist und dass Angst vor "Elend" auch schon ein bisschen Elend ist. So leben wir eben ständig in Gedanken an die Zukunft und Erinnerungen an die Vergangenheit.
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Gibst du mir auch einen Schluck von deinem Espresso? Oder komme ich schon zu spät? Schreib mir ein paar Zeilen, Schatz, wenn du dazu kommt.. auch wenn du nicht dazu kommst. Ich sehnsuche deine Worte..
In Maladi
Marlena
Re: gloomy tuesday
Ämne: Re: gloomy tuesday
Datum: den 22 november
Liebe Marlena
PS: präscriptum - leider konnte ich dieses kurze Ding gestern nicht mehr absenden. Ich musste dringend nach Hause. So bekommst Du es erst heute. Aber immerhin hattest Du gestern ja meinen Brief, der eigentlich für ein Jahr hinhalten sollte ;--)
*
Jetzt hast Du meine Post endlich bekommen. Das hat jetzt genau eine Woche gedauert, wenn ich mich richtig erinnere. Schön, dass Du den Brief magst. Nun, es ist jedes Jahr eine kleine Zangengeburt, bis wir das Ding haben. Bei diesem war jetzt A. ziemlich beteiligt. Sonst schreibe ich mehr oder weniger allein. Aber alle wollen ihn lesen, bevor ich ihn verschicke. Sie wollen nicht, dass etwas geschrieben ist, das sie in ein schiefes Licht stellen könnte. Deshalb habe ich hier mein ganzes Haus voller Korrekteusen.
*
An mir ist kein Künstler verloren gegangen, ich bin ein Künstler ,--).
Ach, ich hätte sicherlich nicht die Kraft und die Sturheit, ein Künstler zu sein. Sie brauchen sehr viel Überzeugung und Geradlinigkeit, um konsequent einen Weg zu gehen, auch wenn diesen Weg sonst kein Mensch versteht. Ich glaube nicht, dass ich das schaffen könnte. Aber die angenehmen Seiten des Künstlertums würde ich natürlich gerne übernehmen. Es sind der freie Lebenswandel, die Freiheiten, die man sich nehmen kann, die gewisse Bewunderung, die man von den Bürgern bekommt, die Musen, die man pflegen darf und so weiter und so fort. Wäre doch alles grausam schön.
*
Und nun versuche ich, ein Lebenskünstler zu sein. Und das ist ja wirklich die höchste Kunst, die es gibt. Und ein bisschen glaube ich, das auch erreicht zu haben. Und wie ich sehe, schaffst Du das auch. Ausser in jenen tristen Momenten, wo Du Deine Situation das grosse Elend nennst. Dann jeweils bleibt mir der Atem weg und ich weiss nicht mehr, was ich denken soll.
*
Ich muss jetzt rasch heim. Es ist schon 2000h Uhr und ich habe noch nichts gegessen.
Ich wünsche Dir einen schönen Abend meine liebste Marlena
gloomy Tuesday
Ämne: gloomy tuesday
Datum: den 21 november
Lieber ...,
Ich habe soeben deinen schönen langen Jahresbrief gelesen. Das ist aber kein Brief. Es ist ein Stück Literatur und in einer so gehobenen Sprache (oder bilde ich mir das nur ein, weil ich Ausländerin bin?) das ich manches zweimal lesen musste bevor ich es verstehen konnte. Und auch unser lieber Rilke ist dabei, ein Beweis dass du dich schon vor Marlena mit ihm beschäftigt hast ;-) Auch A. schreibt ein ganz wunderbares Deutsch. Ich kriege wahre Komplexe wenn ich so was lese und traue mich kaum mehr zu schreiben. ;-)
Dein Bügelbild ist Klasse. So schön, dass ich es mir einramen werde und an die Wand hängen. Die Frau muss sich sehr darüber gefreut haben. Ach, Schatz, an dir ist ein Künstler verloren gegangen.
Danke auch für die schöne Karte, von der du mir erzählt hast.
Hier ist es ganz grau. Draussen sowohl wie in mir und ich muss gleich zu einer Konferenz. Sende dir nur schnell diesen Gruss und komme später wieder, wenn möglich.
Bleib mir treu ;-)
Marlena
Nur kurz
Ämne: "Sometimes I feel so empty ... "
Datum: den 20 november
Lieber ...,
Ich wollte dir doch ein richtiges Mail schreiben aber heute hatte ich so viel zu tun dass ich nicht mehr dazu kam. Ich habe jetzt ein paar Stunden lang Tests korrigiert und mein Kopf ist ziemlich müde. :-)
Aber es kommen sicher bald bessere Zeiten. Das möchte ich jedenfalls glauben.
So sende ich dir hier nur etwas Süsses zu deinem Frühstückstee (warum eigentlich nicht mehr Kaffee?)und wünsche dir einen angenehmen Tag. Ich bin sicher schon zu Mittag wieder bei dir (in meinen Gedanken immer).
Lass es dir gut gehn, chéri.
Love
Marlena
Datum: den 20 november
Lieber ...,
Ich wollte dir doch ein richtiges Mail schreiben aber heute hatte ich so viel zu tun dass ich nicht mehr dazu kam. Ich habe jetzt ein paar Stunden lang Tests korrigiert und mein Kopf ist ziemlich müde. :-)
Aber es kommen sicher bald bessere Zeiten. Das möchte ich jedenfalls glauben.
So sende ich dir hier nur etwas Süsses zu deinem Frühstückstee (warum eigentlich nicht mehr Kaffee?)und wünsche dir einen angenehmen Tag. Ich bin sicher schon zu Mittag wieder bei dir (in meinen Gedanken immer).
Lass es dir gut gehn, chéri.
Love
Marlena
Schrecklicher Montag
Ämne: Schrecklicher Montag..
Lieber ...,
Ich habe soeben deinen wunderschönen Brief gefunden. Ach, wie lieb du bist. Machst mir damit wieder ein wenig Mut in diesem Elend hier.
Und abgewaschen hast du mit mir zusammen. Das finde ich so rührend. Bei mir geht ja auch alles viel besser wenn ich dabei an dich denke.
Und dieses wunderbare Essen beim Onkel. Ich gönne es dir mein Schatz und wenn du es so schön erzählst dann habe ich fast den Eindruck ich hätte es ein wenig miterlebt. So machst du mir diese grauen Tage erträglicher bis sie wieder vorbei sind.
Es freut mich dass du mit deiner Arbeit vorankommst. K meint immer bei solchen schreiben soll man nicht zu untertänig (nachgiebig?) sein und nicht zu gefühlvoll schreiben. Korrekt und kühl imponiert meistens mehr. Nun er ist ja auch stahlblau ;-) Aber du weisst es am besten wie man jemanden mit Worten für sich gewinnen kann. Darin bist du doch ein Meister. Ich hoffe, dass es dir gelingen wird auch diesmal dein Ziel zu erreichen.
So, ich schick das nun mal schnell ab und vielleicht bekommst du es noch bevor du nach Hause gehst. Werde dir noch ein wenig schreiben, später heute.
Mit meinen allerliebsten Gedanken
Marlena
PS Hast du gemerkt dass ich nun etwas fliessender schreibe? Von dir gelernt, chéri. :-)
Freitag, 19. November 2010
gloomy Monday
20 November
Liebe Marlena
Na ja, ich bin eigentlich nicht so unter Stress. Den meisten Stress verursache ich mir selber. Ich habe am Wochenende immer noch an meinem Bericht gearbeitet. Du denkst vielleicht, das sei ein 100 Seiten Ding. Ist es aber nicht. Es sind blosse 10 Seiten, ungefähr. Aber ich muss der Regierung und den Parlamentariern beweisen, dass wir hier zuviel Arbeit und zuwenig Mitarbeiter haben. Und diese Diskussion ist eben heikel, weil unsere Konsequenzen sehr teuer sind. Und sie sind auch deshalb ziemlich schwierig, weil man die psychologische Arbeit so schlecht quantifizieren kann. So möchte ich eben einen Bericht schreiben, der gleich alle auf den ersten Anhieb überzeugt. Und ein solch hoher Anspruch ist ein wenig stressig.
So ungefähr schaue ich meinen Stress an. Und Du hilfst mir schon dabei. Deine Mails lösen mir meine Verkrampfung und lassen mich noch ein paar andere hübsche Dinge denken. Ach, das ist mehr Unterstützung, als Du glaubst. Es ist wie eine feine Massage der Hirnwindungen. Ganz exzellent.
So habe ich eben übers Wochenende gearbeitet, als ob ich wie K den amerikanischen Wahlkampf berüchsichtigen müsste. Und heute denke ich, ich hätte eine brauchbare Form des Berichtes. Er ist vielleicht noch nicht in allen Teilen sehr perfekt. Aber die Form stimmt. Mit meinem ersten Entwurf war ich damit sehr unzufrieden.
*
Genug über Arbeit. Schön, dass bei Euch bald Weihnachten beginnt. Bei uns haben wir auch am 6. Dezember St. Nikolaus. Aber dann ist es mehr oder weniger still bis Weihnachten. Die Schulen klagen jeweils, dass alle Kinder aus dem Häuschen seien. Aber sonst ist nichts Spezielles los. Natürlich gibt es Hausfrauen, die Süssigkeiten backen. Es gibt dieses Durcheinander in den Läden und Kaufhäusern, weil alle ihre Geschenke einkaufen. Und alle warten ein wenig auf Schnee. Aber es ist nicht mehr wie früher. Früher war die Adventzeit wirklich noch stimmungsvoll. Und die paar wenigen Lichter und Bäume, die man sehen konnte, haben einen das Herz erwärmt. Heute sieht man in jedem Schaufenster einen Weihnachtsbaum und es ist alles ziemlich oberflächlich geworden und die Kinder wünschen sich auf ihren endlos langen Wunschlisten Elektronik und Barbys und Plastik-Zeug. Nun ja, vielleicht hat es sich vor allem geändert, weil wir selbst älter geworden sind.
Gestern abend waren wir wieder bei Onkelchen. S hat Fisch gebacken, den feinen rosa Salm. Er war sehr geschmackvoll. Aussen etwas knusprig und innen noch feucht saftig. Prima. Das mag er am liebsten. Das erinnert ihn an alte Zeiten. Scheinbar hat seine Frau früher immer Salm bestellt, wenn sie zusammen im Bahnhofbuffet Zürich gegessen haben. Er hat das schon zwei oder dreimal erzählt. Und dazu gab es Reis und etwa drei Sorten Gemüse. Und er hat einen feinen Mont sur Rolle spendiert, einen Weisswein vom Genfersee, vom La Côte, wie wir sagen. Das ist das Seeufer nach Lutry, Richtung Genf. Das hat alles sehr gut geschmeckt. Und zum Dessert gab es dann noch einen Irish Coffee und ein Japonais mit kleinen Fruchtstücklein. Wenn es kühl ist mag er einen Irish Coffee, und ich mag ihn auch. Er bringt das Blut wieder in Bewegung, wenn man nach dem Essen etwas faul und schläfrig werden sollte.
Aber es war eigentlich was anderes, was ich Dir erzählen wollte. Nach dem Essen, so hat sich die Gewohnheit herausgebildet, ging ich in die Küche, um das Geschirr zu waschen. Na ja, weil S alles kocht, muss ich ja auch was dazutun. Und so wasche ich und räume die Küche auf, mehr oder weniger, wie das Männer manchmal sehr halbherzig tun. Und als ich so vor mich hin gewaschen habe, kam mir Deine Situation in den Sinn, als Du kürzlich Geschirr waschen musstest. Deiner Maschine zuliebe. Und so war ich nicht allein in der Küche. Und alles ging ganz schnell und munter. Und ich fühlte, welch lieber Mensch Du bist. Du bist wirklich ein sehr exquisiter Mensch. Du hast eine Unmenge Geduld. Du hast soooviel Einfühlungsvermögen. Soviel Freundlichkeit und guten Willen. Ich war ganz voll von Gedanken an Dich. Ach, es ist wirklich wunderbar, eine Frau wie Dich zu kennen. Und ich dachte, dass sicherlich manche Deiner Sorgen bloss zustande kommen, weil Du so lieb bist. Siehst Du meine Liebe, so habe ich vor mich hinträumend Geschirr gewaschen und getrocknet und dazu noch aufgeräumt, ohne auch nur einen einzigen Teller fallen zu lassen. Ist doch fantastisch, nicht??
*
Kommt mir in den Sinn, dass ich Dir ein paar Fotos schicken soll. Ach, Marlena, ich will nicht kneifen. Aber ich habe noch keine gesucht. Es wird ziemlich zeitaufwendig werden, ein paar Fotos zu suchen. Und auf jenen, die noch in der Nähe herumliegen, bin ich überhaupt nicht zu sehen. ...
*
So wollte ich Dir jetzt eine schöne Woche wünschen. Aber dann denkst Du gleich, ich würde bis Samstag nicht mehr schreiben. Also wünsch ich Dir einen wunderschönen, wenngleich vielleicht verregneten Montag. Der Montag ist ja doch immer der schwierigste Tag der Woche, nicht wahr? Und wenn wir ihn hinter uns haben, ist alles nur noch halb so schlimm. So wünsche ich Dir einen leichten und fröhlichen Montag.
Mit lieben Küssen
...
Auch beim Geschirrspülen...
den 14 november
..kann man woanders sein in Gedanken. Und während man seine unproduktiven Gedanken denkt sieht man gleichzeitig das Resultat seiner Hände.. und fühlt sich ganz zufrieden dabei. :-)
Ach weisst du ..., unsere Spülmaschine ist kaputt und so musste ich alles wieder herausnehmen und wie anno dazumal abwaschen. Ich hatte fast vergessen wie schön man dabei filosofieren kann. Man kann natürlich auch an seinen Schatz denken.:-)
Und nachher habe ich dann die Gläser so richtig schön poliert (von dir inspiriert) und nun glänzen sie so, dass ich sofort eines dir entgegenheben möchte und mit dir anstossen.
Sag, was hast du denn mit unserer Champagnerflasche gemacht? Schon ausgetrunken? Wie gern würde ich nun den Hörer abnehmen und deine Telefonnummer schlagen. Aber es ist nicht gut deine Stimme zu hören denn sie ist Maladi-erzeugend.
Ich muss mich ein wenig beeilen denn um halb vier habe ich wieder eine Konferenz.
Ach, du Schelm, ich dachte wirklich du bist immer mit dem Hahn aufgestanden und nun verrätst du mir deinen Trick ;-)
Aber du darfst mir ruhig auch ein kleines Mittags-, Nachmittags- und Abendmail senden. Nichts ist verboten. ;-) Meinen Fanclub habe ich auf dich reduziert. Ist das schlimm? Ich nehme an dass deiner gigantisch geworden ist seitdem du mich kennst.. ;-))
Sicher schreibe ich dir noch ein paar Abendzeilen.. nur weil ich es so gern tue. Versuche dich mit deinem PC zu versöhnen. Vielleicht sollten wir ihn doch einmal zusammen einweihen.. was meinst du? Unter dem Motto: einmal ist keinmal..
Ach wie gern ich dich wieder umarmen möchte.. und ein wenig mit dir scherzen und lachen..
Bye, chéri
Marlena
Endlich wieder..
Ämne: Endlich wieder bei dir.. :-)
Datum: den 19 november
Lieber ...,
Vielleicht hast du auf ein Mail von mir gewartet. Ich wollte dir doch viel früher schreiben, aber immer ist etwas dazwischen gekommen. Und heute hat K dauernd hier am PC gearbeitet. Die Wahlen in Amerika geben ihm viel zu tun .Er muss seine Site immer toppaktuell halten.
---
Sag .., du glaubst doch nicht im Ernst dass es mich kümmert wenn du so über unseren König sprichst. Er macht eine sehr gute Arbeit für sein Land und mit den Jahren ist er viel "besser" geworden. Er ist wirklich sehr beliebt und geschätzt von allen die ihn ein wenig kennen. Vor allem weil er sehr arbeitsam und auch sympathisch und humoristisch ist, was man ja nicht immer merkt wenn er sich in der Öffentlichkeit zeigt. Ich möchte nicht ein so unfreies Leben haben wie er. Denk dir nur, keinen einzigen Schritt machen zu können ohne dass es jemand bemerkt. Könntest du so leben ? ;-)
*
Ja, du hast schon recht. Wegen dieser Kantine kannst du mich beneiden. Nicht gerade wegen dem Essen, denn das könntest du dir sicher in einem nahbelegenen Restaurant genauso gut besorgen, aber eben wegen diesem gemütlichen Beisammensein in einer herrlichen offenen Atmosphäre.
*
Gerade wurde ich unterbrochen von unserem Nachbarn (dem Biologen). Sie backen schon für den Weihnachtsbasar des Roten Kreuzes, der immer Anfang Dezember stattfindet, und nun brauchte er ein bisschen mehr Mehl. :-) Kannst du das auch, Schatz? Backen meine ich?
Weißt du, ich kann mir kaum vorstellen, dass in 2 Wochen schon Advent ist. Man könnte sagen dann beginnt bei uns eigentlich schon Weihnachten und es dauert bis zum 13. Januar. Ich glaube nirgends auf der Welt feiert man es so sehr wie hier. Ich werde dir später mehr davon erzählen damit deine Lust Schweden zu sehen noch grösser wird. :-)
*
Vielleicht kommt morgen die Post von dir. Ich freue mich schon sehr darauf.
*
Ach, dieses "Turmfräulein" hat wirklich keine Ahnung von unseren §§§§§ und Vorschriften. Vielleicht sollte man sie belehren und ihr ein wenig "gutes Benehmen" beibringen ;-)
Ich wünsche dir einen schönen Tag. Arbeite nicht zu viel, chéri.
Ich sehne mich schon nach deinem nächsten Mail.
Liebe Grüsse
Marlena
Donnerstag, 18. November 2010
Herbstlich
den 28 oktober 2003 15:18
Re: herbstlich
Liebe Marlena
Vielleicht liegt es an dem schönen sonnigen Oktobertag, dass ich Dir auch gleich ein weiteres Mail schicke. Ich schöpfe hier aus dem Vollen.
*
Seit den letzten, kalten Nächten sind die meisten Blätter hier gefallen. Die grosse Kastanie, die gegenüber meinem Fenster am Rande des Strassencafés steht, ist rotbraun, eigentlich rostigbraun geworden. So sehen auch Nussbäume aus, denke ich. Und vorne, die drei Kugelbäume, die mir im Sommer die Sicht auf die Eiskaffees und die schönen Tortenstücke verbauen, sind praktisch durchsichtig geworden. Es geht wirklich schnell jetzt. Und es ist im Grunde genommen schön, dass sich die Natur immer wieder wandelt. Wir hatten einen Amerikaner aus Florida im Kurs von NY, und er hat erzählt, wie sie dort unten ständig nur Sommer haben. Ach wie langweilig, ständig diese Wärme, ständig Sonnencrème einreiben, ständig Badehosen mit sich führen. Nein, wie erfrischend ist es doch, ab und zu kalte Hände zu kriegen, oder aber auf einer vereisten Strasse auf den Hintern zu fallen. Die Kalifornier haben während des ganzen Jahres nie die Chance, auch nur einmal auf den Hintern zu fallen. Wie öde! Vielleicht versuchen sie es mit Schmierseife auf dem Küchenboden? Das könnte ein guter Ersatz sein. Und auf dem Küchenboden richtig runter zu plumsen, das hat was an sich. Ein steinerner Küchenboden ist härter als Eis. Das macht bestimmt einen Hintern so blau wie das Tote Meer.
*
Ich habe Lust, in dieser schönen Landschaft zu wandern. Vielleicht mache ich heute abend einen kleinen Lauf über Land. Das würde mir echt guttun. Man sollte sich mehr bewegen. Am liebsten hätte ich einen Hund, mit dem ich zweimal im Tag an die frische Luft müsste. Jeder Arzt gibt zu, dass ein Hund für die Gesundheit das beste sei. So ein Hund hält uns in Bewegung. Ich sehe, wie W. mit seinem Baby lebt. Das Baby ist allerdings schon bald so gross wie eine kleine Kuh. Er ist enorm gewachsen. Aber er ist immer noch mehr oder weniger ein Flegel. Doch von gutem Charakter, das sieht man schnell. Und er geht regelmässig spazieren. Das behält ihn fit.
*
Hoffentlich hast Du einen schönen Tag in der Hauptstadt. Natürlich ist es auch ganz einfach schön, Zeit zu haben, um zu flanieren und sich die Dinge anzugucken. Das ist vielleicht das Schönste dran.
*
Mit lieben Grüssen
Kochsendungen
*
Ja, Kochsendungen am Fernsehen sind meine Lieblings-Einschlafprogramme. Ich gebe zu, sie sind manchmal nicht ohne Reiz, unterhaltsam und ganz angenehm zum anschauen. Vor allem wenn man ein bisschen hungrig ist, wirken sie belebend auf die Seele. Und man kann wirklich Anregungen bekommen. Manchmal haben sie Tricks, wie man vermeidet, die Finger zu verbrennen, oder wie man den Geschmack von irgend einer verkochten Sauce doch noch auf ein Niveau bringt, dass man sie auch den liebsten Gästen noch vorsetzen kann. Den unbeliebten kann man ohnehin. Und die Sendungen geben den Eindruck, dass die Küche eigentlich ein wunderbarer Ort der Gerüche, der visuellen Reize und ein Hort des Gesprächs und der Unterhaltung ist. Hier in den deutschen Sendern sind es vor allem Männer, die Kochen. Es sind Profis. Es gibt sogar eine Sendung, da kochen zwei Köche gleichzeitig. Zwei Leute aus dem Publikum kaufen ein. Sie dürfen nur waren bringen, die weniger als 20 Euro kosten. Das ist gemeint für ca. 4 Personen. Und dann muss der Koch in Windeseile mit diesen verschiedenen Dingen (zB. 2 Tomaten, 4 Plätzchen Schweinefleisch, ein paar Pilze, Ananas, Artischocken, Granatapfel) ein Menue zusammenbrauen. Das braucht etwas Fantasie, diese heteroegenen Dinge so zuzubereiten, dass sie zusammen passen. Aber es sieht meist sehr schön und akrobatisch aus, wenn sie Zwiebeln hacken, Eier lufttig schwingen oder Omeletten zur Decke werfen. Und noch besser sieht es aus zum Schluss, denn auf die Dekoration des Tellers legen sie allerhöchsten Wert. Ein solches Gedeck sieht dann aus wie für ein königliches Gala. Doch wenn das alles bereit ist, wenn der Höhepunkt näher rückt, wenn mir das Wasser im Mund zusammenläuft und ich zur Gabel greife, um den ersten Bissen zu nehmen, dann ist die Sendung zu Ende..... Dann ist alles vorbei, und sie filmen den Applaus oder die dicke Moderatorin, die die nächste Sendung ankündigt. Und die Teller mit dem schönen Gericht steht auf dem Tisch und erkaltet. Eine Sünde!
Dann renne ich zum Kühlschrank und hole mir ein Stück Käse zum trockenen Brot.
Diese Sendungen sind sehr hübsch. Aber sie machen - kurz gesagt - unstillbaren Hunger. Und wer schon mag gerne unstillbaren Hunger. Vielleicht umtriebige Katholikinnen, die die Menschheit von ihren Hockern wirft?
Ja, Kochsendungen am Fernsehen sind meine Lieblings-Einschlafprogramme. Ich gebe zu, sie sind manchmal nicht ohne Reiz, unterhaltsam und ganz angenehm zum anschauen. Vor allem wenn man ein bisschen hungrig ist, wirken sie belebend auf die Seele. Und man kann wirklich Anregungen bekommen. Manchmal haben sie Tricks, wie man vermeidet, die Finger zu verbrennen, oder wie man den Geschmack von irgend einer verkochten Sauce doch noch auf ein Niveau bringt, dass man sie auch den liebsten Gästen noch vorsetzen kann. Den unbeliebten kann man ohnehin. Und die Sendungen geben den Eindruck, dass die Küche eigentlich ein wunderbarer Ort der Gerüche, der visuellen Reize und ein Hort des Gesprächs und der Unterhaltung ist. Hier in den deutschen Sendern sind es vor allem Männer, die Kochen. Es sind Profis. Es gibt sogar eine Sendung, da kochen zwei Köche gleichzeitig. Zwei Leute aus dem Publikum kaufen ein. Sie dürfen nur waren bringen, die weniger als 20 Euro kosten. Das ist gemeint für ca. 4 Personen. Und dann muss der Koch in Windeseile mit diesen verschiedenen Dingen (zB. 2 Tomaten, 4 Plätzchen Schweinefleisch, ein paar Pilze, Ananas, Artischocken, Granatapfel) ein Menue zusammenbrauen. Das braucht etwas Fantasie, diese heteroegenen Dinge so zuzubereiten, dass sie zusammen passen. Aber es sieht meist sehr schön und akrobatisch aus, wenn sie Zwiebeln hacken, Eier lufttig schwingen oder Omeletten zur Decke werfen. Und noch besser sieht es aus zum Schluss, denn auf die Dekoration des Tellers legen sie allerhöchsten Wert. Ein solches Gedeck sieht dann aus wie für ein königliches Gala. Doch wenn das alles bereit ist, wenn der Höhepunkt näher rückt, wenn mir das Wasser im Mund zusammenläuft und ich zur Gabel greife, um den ersten Bissen zu nehmen, dann ist die Sendung zu Ende..... Dann ist alles vorbei, und sie filmen den Applaus oder die dicke Moderatorin, die die nächste Sendung ankündigt. Und die Teller mit dem schönen Gericht steht auf dem Tisch und erkaltet. Eine Sünde!
Dann renne ich zum Kühlschrank und hole mir ein Stück Käse zum trockenen Brot.
Diese Sendungen sind sehr hübsch. Aber sie machen - kurz gesagt - unstillbaren Hunger. Und wer schon mag gerne unstillbaren Hunger. Vielleicht umtriebige Katholikinnen, die die Menschheit von ihren Hockern wirft?
Dienstag, 16. November 2010
Bei Tageslicht.. meine "Unvollendete"
Ach, ich habe soeben Deinen Brief nochmals gelesen. Ich kann das gar nicht alles verstehen, weshalb er mich so beeindruckt. Er ist einfach wunderschön und hat so eine Weite. Weite macht mich immer ein bisschen melancholisch. Sowohl die räumliche als auch die zeitliche Weite.
Ja, und dann überlege ich mir, was Du Dir denn von einem Mann wünschst. Einerseits magst Du einen aufgedrehten Typen wie Alois, einen hochtourigen Italienier im Quadrat, oder einen Draufgänger wie jenen Schauspieler, wie heisst er schon, derjenige aus dem Kuckucksnest ..
Und bei mir hast Du auch die Vorstellung (oder vielleicht den Wunsch) gehabt, ich sei ein ruhiger Braunbär am Schreibtisch, der sich bloss jede halbe Stunde zu einer Bewegung entschliesst, und der vielleicht seine wildesten Aktionen vornehmlich in der Fantasie austobt.
Aber eines kann ich Dir vielleicht noch sagen, meine liebe Marlena, in diesem grossen Quiz. Ich glaube, ich bin ruhiger, als man mich aus meinen Briefen und Sätzen und Fantasien vermutet. Vielleicht würdest Du wirklich erschrecken, wie langweilig ich manchmal sein kann.
...
Und ich freue mich auf den Moment, da wir uns im Süden gelegentlich treffen. Und ich werde Dein Porträt malen. Das ist ein Risiko. Damit kann man Menschen oft nur enttäuschen. Denn sie halten sich ohnehin immer noch für viel schöner und sympathischer, als man es auf die Leinwand bringen kann. Meine Porträts sollen nicht wirklich schön sein. Sie sollen die Persönlichkeit zur Darstellung bringen. Und das darf manchmal schon ein wenig karikaturistisch sein. Nicht zu sehr, aber ein wenig.
Doch an Deinem Porträt werde ich ewig malen, so dass Du immer wieder vorbeikommen musst. Es wird meine "Unvollendete" werden und bleiben. Immer werde ich noch dieses oder jenes verbessern wollen, hervorheben oder in den Hintergrund drängen. Und ich freue mich wirklich auf die entspannten Gespräche, die wir haben werden. Ich höre schon Deine wunderbare Kristallstimme durch den Terpentingeruch bis zu mir dringen. Ach, es wird wunderbar werden. Und dann und wann machen wir in meiner rudimentären Küche einen feinen starken Kaffee und knabbern an einem Biskuit. Es könnte alles so schön sein, Marlena.
Und so maladiere ich noch ein wenig vor mich hin.
...
Ja, und dann überlege ich mir, was Du Dir denn von einem Mann wünschst. Einerseits magst Du einen aufgedrehten Typen wie Alois, einen hochtourigen Italienier im Quadrat, oder einen Draufgänger wie jenen Schauspieler, wie heisst er schon, derjenige aus dem Kuckucksnest ..
Und bei mir hast Du auch die Vorstellung (oder vielleicht den Wunsch) gehabt, ich sei ein ruhiger Braunbär am Schreibtisch, der sich bloss jede halbe Stunde zu einer Bewegung entschliesst, und der vielleicht seine wildesten Aktionen vornehmlich in der Fantasie austobt.
Aber eines kann ich Dir vielleicht noch sagen, meine liebe Marlena, in diesem grossen Quiz. Ich glaube, ich bin ruhiger, als man mich aus meinen Briefen und Sätzen und Fantasien vermutet. Vielleicht würdest Du wirklich erschrecken, wie langweilig ich manchmal sein kann.
...
Und ich freue mich auf den Moment, da wir uns im Süden gelegentlich treffen. Und ich werde Dein Porträt malen. Das ist ein Risiko. Damit kann man Menschen oft nur enttäuschen. Denn sie halten sich ohnehin immer noch für viel schöner und sympathischer, als man es auf die Leinwand bringen kann. Meine Porträts sollen nicht wirklich schön sein. Sie sollen die Persönlichkeit zur Darstellung bringen. Und das darf manchmal schon ein wenig karikaturistisch sein. Nicht zu sehr, aber ein wenig.
Doch an Deinem Porträt werde ich ewig malen, so dass Du immer wieder vorbeikommen musst. Es wird meine "Unvollendete" werden und bleiben. Immer werde ich noch dieses oder jenes verbessern wollen, hervorheben oder in den Hintergrund drängen. Und ich freue mich wirklich auf die entspannten Gespräche, die wir haben werden. Ich höre schon Deine wunderbare Kristallstimme durch den Terpentingeruch bis zu mir dringen. Ach, es wird wunderbar werden. Und dann und wann machen wir in meiner rudimentären Küche einen feinen starken Kaffee und knabbern an einem Biskuit. Es könnte alles so schön sein, Marlena.
Und so maladiere ich noch ein wenig vor mich hin.
...
Montag, 15. November 2010
Bei Tageslicht ... über das Porträtieren
Fortsetzung
...
Ich habe einen Schweizer Maler, den ich besonders schätze (Varlin, so der Name des Malers, Künstlername). Er hat viele prominente Leute gemalt wie Dürrenmatt, Frisch, Loetscher und andere. Einerseits kann man aus den Erinnerungen der Porträtierten hören, wie diese Sitzungen abgelaufen sind. Andererseits beschreibt auch Varlin solche Situationen. Er war nebenbei ein exzellenter Schreiber. Und irgend einmal, als ich mich mit diesen Gedanken beschäftigt habe, ist mir aufgegangen, wie die Sitzungen und das Getue Varlins einzig und allein das Ziel hatten, die richtige Distanz und ein Gleichgewicht zwischen den Personen herzustellen. Diese Personen waren ja weltberühmt und reich, und er selbst war höchstens regional ein wenig bekannt und eigentlich ein armer Schlucker. Er ist immer ein bisschen verkannt geblieben. In den Malsitzungen muss nun Varlin sehr unruhig agiert haben, immer wieder neu angefangen, von einer weiteren Seite einen neuen Versuch gemacht haben. Er hat seine berühmten Leute auch umherdirigiert, Dürrenmatt lag schliesslich auf einer losen Matratze im Bett. Und auf einem weiteren Porträt hält er in seiner ganzen Massigkeit ein zartes Hündchen in Armen, so glaube ich mich zu erinnern. Ich denke, mit Dürrenmatt konnte es Varlin besser als mit Frisch. Frischs Porträt ist nur sehr rudimentär, nicht beendet, und ein wenig kühl und hart. Lustlos, so würde ich das nennen. Ich glaube, mit Dürrenmatt fühlte er sich echt verwandt. Und auch umgekehrt, wie Dürrenmatt selber schreibt. Dürrenmatt hat ja selbst auch gemalt, schon seit jungen Jahren. Mit besonderer Liebe hat er ganze Zimmerwände oder WC-Flächen al fresco behandelt.
Habe ich Dir nicht von meinem Varlin geschrieben? Gerade diesen Sommer gab es eine Erinnerungsausstellung in Aarau. Ich habe sie gleich dreimal besucht. ...
*
Ich erzähle zuviel von dieser Malerei. Und dabei ist das doch eine visuelle Angelegenheit. Ich möchte Dir das alles so gerne zeigen. Da würde ich richtig in Begeisterung geraten.
*
...
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Ich habe einen Schweizer Maler, den ich besonders schätze (Varlin, so der Name des Malers, Künstlername). Er hat viele prominente Leute gemalt wie Dürrenmatt, Frisch, Loetscher und andere. Einerseits kann man aus den Erinnerungen der Porträtierten hören, wie diese Sitzungen abgelaufen sind. Andererseits beschreibt auch Varlin solche Situationen. Er war nebenbei ein exzellenter Schreiber. Und irgend einmal, als ich mich mit diesen Gedanken beschäftigt habe, ist mir aufgegangen, wie die Sitzungen und das Getue Varlins einzig und allein das Ziel hatten, die richtige Distanz und ein Gleichgewicht zwischen den Personen herzustellen. Diese Personen waren ja weltberühmt und reich, und er selbst war höchstens regional ein wenig bekannt und eigentlich ein armer Schlucker. Er ist immer ein bisschen verkannt geblieben. In den Malsitzungen muss nun Varlin sehr unruhig agiert haben, immer wieder neu angefangen, von einer weiteren Seite einen neuen Versuch gemacht haben. Er hat seine berühmten Leute auch umherdirigiert, Dürrenmatt lag schliesslich auf einer losen Matratze im Bett. Und auf einem weiteren Porträt hält er in seiner ganzen Massigkeit ein zartes Hündchen in Armen, so glaube ich mich zu erinnern. Ich denke, mit Dürrenmatt konnte es Varlin besser als mit Frisch. Frischs Porträt ist nur sehr rudimentär, nicht beendet, und ein wenig kühl und hart. Lustlos, so würde ich das nennen. Ich glaube, mit Dürrenmatt fühlte er sich echt verwandt. Und auch umgekehrt, wie Dürrenmatt selber schreibt. Dürrenmatt hat ja selbst auch gemalt, schon seit jungen Jahren. Mit besonderer Liebe hat er ganze Zimmerwände oder WC-Flächen al fresco behandelt.
Habe ich Dir nicht von meinem Varlin geschrieben? Gerade diesen Sommer gab es eine Erinnerungsausstellung in Aarau. Ich habe sie gleich dreimal besucht. ...
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Ich erzähle zuviel von dieser Malerei. Und dabei ist das doch eine visuelle Angelegenheit. Ich möchte Dir das alles so gerne zeigen. Da würde ich richtig in Begeisterung geraten.
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Sonntag, 14. November 2010
Bei Tageslicht
Fortsetzung
Das hat mir auch gut gefallen, wie Du Dich in meinen Fantasien eingenistet hast. Na klar, wir werden später einmal im Süden leben und ab und zu werde ich Dich besuchen, oder umgekehrt. Ich werde Dich natürlich auch porträtieren, unter dem Titel "Die Schöne aus dem Norden". Aber das soll nicht geschehen, wie beim jungen Fräulein, das so schweigsam ist. Es soll eine schöne und lebendige Diskussion sein. Es soll ein vergnügtes Hin und Her geben. Ich will keinesfalls allein referieren. Das mache ich absolut nicht gerne. Ich höre gerade so gerne zu wie Du. Aber ich muss Dich doch warnen. Wenn man jemanden liebt, ist es sehr schwierig, die Person zu malen. Kannst Du Dir das vorstellen? Man ist dann gebunden mit unzähligen Rücksichten und subjektiven Gefühlen, so dass man gar nicht frei und herzhaft die Person wahrnehmen kann. Man will ihr kein Unrecht antun. Alles ist mit süssen Schleiern halb verhüllt. Und das macht keine guten Porträts. Ich habe das lange nicht begriffen. Aber beim Malen ist das grösste Problem die richtige Distanz, oder die richtige Nähe, wie man es nimmt. Man darf der Person nicht zu nahe stehen, durch Gefühle oder andere Bindungen oder Abhängigkeiten, aber man darf natürlich auch nicht zu entfernt sein, sonst fehlt das Interesse und der Eifer. Wenn, dann muss man sich eben in einer Diskussion nähern und in die richtige Position bringen. Man muss sich gut positionieren, in einem psychologischen Sinne.
...
Das hat mir auch gut gefallen, wie Du Dich in meinen Fantasien eingenistet hast. Na klar, wir werden später einmal im Süden leben und ab und zu werde ich Dich besuchen, oder umgekehrt. Ich werde Dich natürlich auch porträtieren, unter dem Titel "Die Schöne aus dem Norden". Aber das soll nicht geschehen, wie beim jungen Fräulein, das so schweigsam ist. Es soll eine schöne und lebendige Diskussion sein. Es soll ein vergnügtes Hin und Her geben. Ich will keinesfalls allein referieren. Das mache ich absolut nicht gerne. Ich höre gerade so gerne zu wie Du. Aber ich muss Dich doch warnen. Wenn man jemanden liebt, ist es sehr schwierig, die Person zu malen. Kannst Du Dir das vorstellen? Man ist dann gebunden mit unzähligen Rücksichten und subjektiven Gefühlen, so dass man gar nicht frei und herzhaft die Person wahrnehmen kann. Man will ihr kein Unrecht antun. Alles ist mit süssen Schleiern halb verhüllt. Und das macht keine guten Porträts. Ich habe das lange nicht begriffen. Aber beim Malen ist das grösste Problem die richtige Distanz, oder die richtige Nähe, wie man es nimmt. Man darf der Person nicht zu nahe stehen, durch Gefühle oder andere Bindungen oder Abhängigkeiten, aber man darf natürlich auch nicht zu entfernt sein, sonst fehlt das Interesse und der Eifer. Wenn, dann muss man sich eben in einer Diskussion nähern und in die richtige Position bringen. Man muss sich gut positionieren, in einem psychologischen Sinne.
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Samstag, 13. November 2010
Re: Nähe ... :-)
Ämne: Bei Tageslicht über die Nacht
Datum: den 10 november 14:25
Meine liebe Marlena
Dein wunderbarer Brief hat mich sehr berührt. Du schreibst so ruhig und überlegt und reif, es ist einfach herrlich. Und es stimmt mich auch ein wenig melancholisch. Die Art, wie Du die Menschen betrachtest und wie Du alte Erinnerungen andeutest und die Zeiten überblickst. Es ist wirklich wunderschön. Du weißt doch sicher, Marlena, dass das eine Kunst ist? Es gibt wenige Leute, die das so können wie Du. Und ich fühle mich geehrt, dass ich es bin, der solch zauberhafte Zeilen bekommen darf. Ich danke Dir wirklich sehr, meine Liebste.
Weißt Du, ich bin auch glücklich, einiges über Deine lieben Bekannten und Verwandten zu hören. Manchmal habe ich den Eindruck, Deine Arbeit und Dein Haushalt überschwemmen Dich förmlich. Und dann erscheinst Du mir so einsam in Deinem Häuschen zusammen mit Anna. Das, obwohl ich sehr gut weiss, dass Du bei Deiner Arbeit ja jede Menge Kontakt hast und dass Du ein offener und sozialer Mensch bist. Darunter können sich Lehrer ja wohl nicht zu sehr beklagen, unter Mangel an Kontakt. Schon eine einzige Unterrichtsstunde ist ein Bombardement von Strokes, nicht wahr? Und dann hast Du die vielen Kolleginnen und Kollegen, in deren Kreis Du eine wichtige Rolle spielst. Das weiss ich alles, und doch erscheinst Du mir manchmal in meiner Vorstellung oft so einsam. Vielleicht ist es so, weil Du - wie Du sagst - Deine innersten Gedanken mit mir teilst?
...
Ämne: Nähe.. :-)
Datum: den 9 november
Lieber ...
Ich danke dir herzlich für deine lieben Mails. Gestern wusste ich so viel was ich dir schreiben wollte und jetzt weiss ich nicht genau wo ich anfangen soll. Ich glaube wirklich dass wir etwas überfordert sind, meine Kollegen und ich. Ich sehe wie sie in kurzer Zeit älter und müder geworden sind und es tut mir leid um sie. Auch ich fühle mich oft am Rand meiner Kräfte. Ich freue mich auf das Wochenende wo ich mich etwas erholen kann.
*
Es war schön bei meiner Schwägerin. Alles war sich ähnlich. Das schöne Haus, ganz im englischen Stil gebaut in einem attraktiven Viertel von Stockholm mit vielen grossen Gärten und nahe zur Natur. Auch die Einrichtung war immer noch so spartanisch wie früher, sehr originell und etwas von Japan inspiriert. Nun ja, er ist Architekt und hat seine Ideen. :-) P-O war alt geworden, aber nur im Aussehen denn als Person war er immer schon ”alt”. Er hat auch früher nicht so richtig an unseren Aktivitäten teilgenommen sondern meistens einen bequemen Lehnstuhl und ein gutes Buch bevorzugt. Ausserdem war er immer allergisch gegen Mücken und ging schon deswegen nicht gern hinaus. Er hat etwas englisches an sich und ich könnte ihn mir gut als Lord auf einem englischen Gut vorstellen. Ein Teil seiner Vorfahren stammen ja auch aus England. B. ist wie immer noch die stille angenehme Person von früher. Doch kann ich sehen dass ihr Kummer Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen hat. Sie hat sich in den letzten Jahren sehr in Hilforganisationen engagiert vielleicht auch ein wenig um zu vergessen.
Sie waren sich sonst ziemlich ähnlich. Man weiss, dass sie immer etwas ganz besonderes zum Dinner anbieten, etwas das sie lange und sorgfältig zubereiten. So lange, dass die Gäste manchmal, unter Vorwand ein wenig frische Luft zu holen, an eine Wurstbude schleichen und um ihren schlimmsten Hunger zu stillen.;-) Nun, dies ist ein Spass den man sich so zwischen Geschwistern und Schwägerinnen erzählt. Meistens fahren wir auch zu ihrem Sommerhaus das in den Schären liegt und übernachten dort. Aber diesmal war das Wetter nicht so gut. Ja, es ist schön ein paar Stunden mit netten Leuten zu verbringen. Leider fehlt uns meistens die Zeit dazu.
*
Ach , wie nett von dir dass du mich wissen lässt wer du bist. Eigentlich habe ich es schon gewusst. Ich kenne deine heimlichen Träume. Vielleicht wirst du sie auch einmal verwirklichen. Wenn du in Rente bist wirst du an einem schönen Ort irgendwo im Süden wohnen, wo die Sonne scheint. Du wirst deine Bilder malen und ab und zu wirst du mich besuchen. Denn ich werde nicht allzu weit von dir wohnen. Du hast einen schönen Traum und ein wenig erinnert er mich an die Geschichte von Kästner. Ich wäre dann gern das "schweigsame Fräulein" das dir zuhören würde während du mein Portrait malst. Ach, chéri, unser Leben ist so voll von schönen Träumen. Und sie sind ein Teil von uns und machen uns glücklich und traurig zugleich, denn wir ahnen dass sie vielleicht nie wirklich werden.
*
Ich habe noch einmal deine Beschreibung von dir durchgelesen. Also zwei ziemlich verschiedene Persönlichkeiten die sich ergänzen und zu einem spannenden ganzen werden. Ich will doch garnicht dass du ein stiller langweiliger Büromensch werden sollst. Als solchen kann ich mir dich überhaupt nicht vorstellen. Ich sehe in dir alle Eigenschaften und Möglichkeiten. Ich bin hungrig nach allem was dich betrifft. Ich möchte ".. bis an deinen Rand dich denken", d.h. dir so nahe kommen wie es nur möglich ist. Und du bist mir nahe, chéri. Meine innersten Gedanken gelten immer dir. Ach, wenn du nun hier wärest, dann brauchte ich keine Worte und du würdest alles verstehen. ...
Marlena
Datum: den 10 november 14:25
Meine liebe Marlena
Dein wunderbarer Brief hat mich sehr berührt. Du schreibst so ruhig und überlegt und reif, es ist einfach herrlich. Und es stimmt mich auch ein wenig melancholisch. Die Art, wie Du die Menschen betrachtest und wie Du alte Erinnerungen andeutest und die Zeiten überblickst. Es ist wirklich wunderschön. Du weißt doch sicher, Marlena, dass das eine Kunst ist? Es gibt wenige Leute, die das so können wie Du. Und ich fühle mich geehrt, dass ich es bin, der solch zauberhafte Zeilen bekommen darf. Ich danke Dir wirklich sehr, meine Liebste.
Weißt Du, ich bin auch glücklich, einiges über Deine lieben Bekannten und Verwandten zu hören. Manchmal habe ich den Eindruck, Deine Arbeit und Dein Haushalt überschwemmen Dich förmlich. Und dann erscheinst Du mir so einsam in Deinem Häuschen zusammen mit Anna. Das, obwohl ich sehr gut weiss, dass Du bei Deiner Arbeit ja jede Menge Kontakt hast und dass Du ein offener und sozialer Mensch bist. Darunter können sich Lehrer ja wohl nicht zu sehr beklagen, unter Mangel an Kontakt. Schon eine einzige Unterrichtsstunde ist ein Bombardement von Strokes, nicht wahr? Und dann hast Du die vielen Kolleginnen und Kollegen, in deren Kreis Du eine wichtige Rolle spielst. Das weiss ich alles, und doch erscheinst Du mir manchmal in meiner Vorstellung oft so einsam. Vielleicht ist es so, weil Du - wie Du sagst - Deine innersten Gedanken mit mir teilst?
...
Ämne: Nähe.. :-)
Datum: den 9 november
Lieber ...
Ich danke dir herzlich für deine lieben Mails. Gestern wusste ich so viel was ich dir schreiben wollte und jetzt weiss ich nicht genau wo ich anfangen soll. Ich glaube wirklich dass wir etwas überfordert sind, meine Kollegen und ich. Ich sehe wie sie in kurzer Zeit älter und müder geworden sind und es tut mir leid um sie. Auch ich fühle mich oft am Rand meiner Kräfte. Ich freue mich auf das Wochenende wo ich mich etwas erholen kann.
*
Es war schön bei meiner Schwägerin. Alles war sich ähnlich. Das schöne Haus, ganz im englischen Stil gebaut in einem attraktiven Viertel von Stockholm mit vielen grossen Gärten und nahe zur Natur. Auch die Einrichtung war immer noch so spartanisch wie früher, sehr originell und etwas von Japan inspiriert. Nun ja, er ist Architekt und hat seine Ideen. :-) P-O war alt geworden, aber nur im Aussehen denn als Person war er immer schon ”alt”. Er hat auch früher nicht so richtig an unseren Aktivitäten teilgenommen sondern meistens einen bequemen Lehnstuhl und ein gutes Buch bevorzugt. Ausserdem war er immer allergisch gegen Mücken und ging schon deswegen nicht gern hinaus. Er hat etwas englisches an sich und ich könnte ihn mir gut als Lord auf einem englischen Gut vorstellen. Ein Teil seiner Vorfahren stammen ja auch aus England. B. ist wie immer noch die stille angenehme Person von früher. Doch kann ich sehen dass ihr Kummer Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen hat. Sie hat sich in den letzten Jahren sehr in Hilforganisationen engagiert vielleicht auch ein wenig um zu vergessen.
Sie waren sich sonst ziemlich ähnlich. Man weiss, dass sie immer etwas ganz besonderes zum Dinner anbieten, etwas das sie lange und sorgfältig zubereiten. So lange, dass die Gäste manchmal, unter Vorwand ein wenig frische Luft zu holen, an eine Wurstbude schleichen und um ihren schlimmsten Hunger zu stillen.;-) Nun, dies ist ein Spass den man sich so zwischen Geschwistern und Schwägerinnen erzählt. Meistens fahren wir auch zu ihrem Sommerhaus das in den Schären liegt und übernachten dort. Aber diesmal war das Wetter nicht so gut. Ja, es ist schön ein paar Stunden mit netten Leuten zu verbringen. Leider fehlt uns meistens die Zeit dazu.
*
Ach , wie nett von dir dass du mich wissen lässt wer du bist. Eigentlich habe ich es schon gewusst. Ich kenne deine heimlichen Träume. Vielleicht wirst du sie auch einmal verwirklichen. Wenn du in Rente bist wirst du an einem schönen Ort irgendwo im Süden wohnen, wo die Sonne scheint. Du wirst deine Bilder malen und ab und zu wirst du mich besuchen. Denn ich werde nicht allzu weit von dir wohnen. Du hast einen schönen Traum und ein wenig erinnert er mich an die Geschichte von Kästner. Ich wäre dann gern das "schweigsame Fräulein" das dir zuhören würde während du mein Portrait malst. Ach, chéri, unser Leben ist so voll von schönen Träumen. Und sie sind ein Teil von uns und machen uns glücklich und traurig zugleich, denn wir ahnen dass sie vielleicht nie wirklich werden.
*
Ich habe noch einmal deine Beschreibung von dir durchgelesen. Also zwei ziemlich verschiedene Persönlichkeiten die sich ergänzen und zu einem spannenden ganzen werden. Ich will doch garnicht dass du ein stiller langweiliger Büromensch werden sollst. Als solchen kann ich mir dich überhaupt nicht vorstellen. Ich sehe in dir alle Eigenschaften und Möglichkeiten. Ich bin hungrig nach allem was dich betrifft. Ich möchte ".. bis an deinen Rand dich denken", d.h. dir so nahe kommen wie es nur möglich ist. Und du bist mir nahe, chéri. Meine innersten Gedanken gelten immer dir. Ach, wenn du nun hier wärest, dann brauchte ich keine Worte und du würdest alles verstehen. ...
Marlena
"Gastgeber des Bildes"
subject Re: Oh Gott, wie schön!
Liebe Malou
Ach Malou, das glaube ich Dir nicht wirklich, dass Du bisher nicht
gewusst hättest, dass es im Bild eine menschliche Figur oder doch
zumindest ein lebendiges Wesen braucht. Die Malerei zeigt fast nur
solche Bilder. Und wenn sie keinen Menschen finden, stellen sie einen
Statisten hinein. Er ist ja sozusagen die Identifikationsfigur für den
Beschauer, die Brücke für einen Einstieg ins Bild. In der Renaissance
gibt es meist eine Figur im Bild, die mit dem Beschauer draussen
Augenkontakt hat. Er ist sozusagen der Gastgeber des Bildes. Und seine
Rolle stammt aus dem Theater. Die Theatervorstellungen waren damals
von einer Leitfigur begleitet, also einer Person, die das Publikum
begrüsste und ihm erzählte, was hier denn überhaupt dargestellt wird.
Sie hat auch die gespielten Szenen kommentiert. Ich glaube, diese
Figur hat einen speziellen Namen, ich meine eine Bezeichnung. Aber
diesen Begriff weiss ich jetzt nicht mehr.
...
Freitag, 12. November 2010
..über Mittag in Basel
Date: Wed, 7 May 2003 08:22:21 +0200
...
Gestern war ich über Mittag in Basel. Es war ziemlich warm, und ich bin über
den Rhein nach Kleinbasel gefahren. Das ist der neuer Teil der Stadt, dort,
wo die ärmeren Leute gelebt haben. Heute ist dort die Atmosphäre so wie
irgendwo im Ausland. Es gibt viele Frauen mit Schleier, viele türkische
Restaurants, auch zunehmend Schwarze. In der Dämmerung der
Mittagswärme so zu flanieren, als ob ich im Ausland wäre, das habe ich
genossen. Zufällig bin ich schliesslich an ein Buchantiquariat geraten, und
konnte nicht widerstehen, in der staubigen Höhle zu schnuppern. Der Raum
war vollgestopft mit Gestellen, die bis zur Decke reichten, so dass nur sehr
enge Schluchten übrig blieben, worin man sich durchzwängen musste. Ich
liess mir die Felswand mit den Kunstbüchern zeigen. Die Bände standen
dichtgedrängt. Und wehe, wenn du einen herausgezogen hattest, du
konntest ihn kaum wieder zurückstellen, denn die übrigen Bände schlossen
schnell die Reihe, als ob sie ihre Plätze eifersüchtig verteidigten. Und einige
musste ich herauszerren, wenigstens, um die Preise kennen zu lernen. Die
Preise waren, um es kurz zu machen, 30 bis 50% zu hoch. Ich dachte, er
glaubt, Unikate oder Erstausgaben in seinem Laden zu führen. Da war ein
Fotoband über Ferdinand Hodler, den bekannten expressionistischen
Schweizermaler, für Fr. 120.- Die Fotos waren zwar gut, ich hatte die
meisten davon noch nie gesehen. Aber ein Buch für Fr. 120.- aus einem
Antiquariat. Na ja, vielleicht für eine Ausgabe aus den Zeiten Gutenbergs.
Aber doch nicht ein Band aus Mitte letzten Jahrhunderts.
Ich habe mir dann zuviel Gedanken gemacht, wie schnell ich wieder raus
soll, wie ich mich verabschieden sollte. Sollte ich etwas über die Preise
sagen? Soll ich gleich gehen oder noch etwas umschauen? Würde ich
vielleicht unerwarteterweise noch etwas Lustiges finden? Kurz und gut,
ich zog mich nach etwa 10 Minuten aus der Unterwelt zurück, ging rasch
an ihm vorbei, der beim Eingang in ein Buch vertieft gemütlich in einem
Lehnstuhl lag. Ich liess ihn nicht fragen, ob ich was Bestimmtes gesucht
hätte. Aber ich glaube, er war nicht mal enttäuscht. Er verabschiedete sich
kurz und wandte sich dann wieder seinem Buch zu. Kunststück, der Kerl
hat einiges zu tun, bis er seinen Laden leergelesen hat!
...
Als ich um etwa 15h wieder im Büro angekommen war, hatte ich das Gefühl, einen warmen Sommertag in der Stadt verbracht zu haben. Weißt Du, was ich damit meine. Wenn es wirklich warm ist, dann ist man ein bisschen dämmerig, schwebend, in sich verschlossen, mit reduzierter Empfindlichkeit und ohne grosse Interessen. Dämmerig ist wirklich das beste Wort. Man kann dann vor sich hin sein wie ein Tier. Und das ist schön. Der Zwang, zu denken, ist für einen Moment ausgeschaltet. Die Leitungen sind leer und hängen durch. Das ist wunderbar!
...
Gestern war ich über Mittag in Basel. Es war ziemlich warm, und ich bin über
den Rhein nach Kleinbasel gefahren. Das ist der neuer Teil der Stadt, dort,
wo die ärmeren Leute gelebt haben. Heute ist dort die Atmosphäre so wie
irgendwo im Ausland. Es gibt viele Frauen mit Schleier, viele türkische
Restaurants, auch zunehmend Schwarze. In der Dämmerung der
Mittagswärme so zu flanieren, als ob ich im Ausland wäre, das habe ich
genossen. Zufällig bin ich schliesslich an ein Buchantiquariat geraten, und
konnte nicht widerstehen, in der staubigen Höhle zu schnuppern. Der Raum
war vollgestopft mit Gestellen, die bis zur Decke reichten, so dass nur sehr
enge Schluchten übrig blieben, worin man sich durchzwängen musste. Ich
liess mir die Felswand mit den Kunstbüchern zeigen. Die Bände standen
dichtgedrängt. Und wehe, wenn du einen herausgezogen hattest, du
konntest ihn kaum wieder zurückstellen, denn die übrigen Bände schlossen
schnell die Reihe, als ob sie ihre Plätze eifersüchtig verteidigten. Und einige
musste ich herauszerren, wenigstens, um die Preise kennen zu lernen. Die
Preise waren, um es kurz zu machen, 30 bis 50% zu hoch. Ich dachte, er
glaubt, Unikate oder Erstausgaben in seinem Laden zu führen. Da war ein
Fotoband über Ferdinand Hodler, den bekannten expressionistischen
Schweizermaler, für Fr. 120.- Die Fotos waren zwar gut, ich hatte die
meisten davon noch nie gesehen. Aber ein Buch für Fr. 120.- aus einem
Antiquariat. Na ja, vielleicht für eine Ausgabe aus den Zeiten Gutenbergs.
Aber doch nicht ein Band aus Mitte letzten Jahrhunderts.
Ich habe mir dann zuviel Gedanken gemacht, wie schnell ich wieder raus
soll, wie ich mich verabschieden sollte. Sollte ich etwas über die Preise
sagen? Soll ich gleich gehen oder noch etwas umschauen? Würde ich
vielleicht unerwarteterweise noch etwas Lustiges finden? Kurz und gut,
ich zog mich nach etwa 10 Minuten aus der Unterwelt zurück, ging rasch
an ihm vorbei, der beim Eingang in ein Buch vertieft gemütlich in einem
Lehnstuhl lag. Ich liess ihn nicht fragen, ob ich was Bestimmtes gesucht
hätte. Aber ich glaube, er war nicht mal enttäuscht. Er verabschiedete sich
kurz und wandte sich dann wieder seinem Buch zu. Kunststück, der Kerl
hat einiges zu tun, bis er seinen Laden leergelesen hat!
...
Als ich um etwa 15h wieder im Büro angekommen war, hatte ich das Gefühl, einen warmen Sommertag in der Stadt verbracht zu haben. Weißt Du, was ich damit meine. Wenn es wirklich warm ist, dann ist man ein bisschen dämmerig, schwebend, in sich verschlossen, mit reduzierter Empfindlichkeit und ohne grosse Interessen. Dämmerig ist wirklich das beste Wort. Man kann dann vor sich hin sein wie ein Tier. Und das ist schön. Der Zwang, zu denken, ist für einen Moment ausgeschaltet. Die Leitungen sind leer und hängen durch. Das ist wunderbar!
Kästner
(R)
Liebe Marlena
Ach, das war eine Geschichte von Erich Kästner! An ihn hätte ich jetzt
wirklich nicht gedacht. Kästner war nun ja in der Tat einer, der viele
heimliche und unheimliche Geliebten hatte.
...
Erich Kästner, den ich im Übrigen sehr schätze, hatte nun bestimmt
seine Probleme mit den Frauen. Es ist bekannt - und sicherlich weißt
du das auch Marlena - dass er einen echten Mutterkomplex hatte.
Man kann das ja in seinen Kinderbüchern nachlesen, wie der
Mustersohn sich um seine tüchtige und sich aufopfernde Mutter
bemüht. Kästners Mutter, das muss seine unheimliche Geliebte
gewesen sein. Noch in fortgeschrittenem Alter hat er ihr täglich
geschrieben, täglich, meine Liebe, und hat ihr seine schmutzige
Wäsche geschickt und über all seine Liebschaften offenherzig erzählt.
Er konnte wunderhübsche, charmante Briefe schreiben, unser Erich
Kästner. Und so hat er sein Leben lang nicht geheiratet. Ich habe mal
ein Büchlein rezensiert, in welchem seine Freundin Kästners Briefe an
sie und ihren Sohn aus dem Tessin veröffentlicht hat. Kästner hatte
Alkoholprobleme und war im Tessin zur Kur. Allerdings hat er sich
dort regelmässig den Whisky im Teeglas servieren lassen.
Diese Briefe, so kann ich mich erinnern, waren sympathisch und
lebendig, wie man sich Kästner nun mal vorstellt. Aber eines hat
mich gestört. Er hat seiner Freundin und Mutter seines Sohnes
immer wieder Geld geschickt in kleinsten Portionen und hat immer
wieder von diesem Geld gesprochen. Das fand ich echt kleinbürgerlich
und irgendwie knauserig. Er war doch damals kein armer Mann mehr!
Aber sonst ist er schon ok, unser Kästner, ein grosser Humanist und
ein guter Pädagoge.
Es gibt eine eindrückliche Stelle in seinem biographischen Buch
"Als ich ein kleiner Junge war", wo er beschreibt, wie für ihn das
Weihnachtsfest stets eine Marter war. Die Mutter hatte Geschenke für
ihn und der Vater hatte Geschenke für ihn. Und er als sensibles Kind
hatte den Hochseilakt zu bestehen, seine Dankbarkeit und seine
Aufmerksamkeit auf beide Elternteile gleichmässig zu verteile, um
nicht den einen vor dem anderen zu vernachlässigen. Er muss das
gewesen sein, was man in der Familientherapie ein drianguliertes
Kind nennt, also ein Kind im Dreieck mit seinen Eltern, parentifiziert
und schwer mit Erwachsenenproblemen belastet. Es gibt ja heute
noch die Hypothese, dass er vielleicht ein unehelicher Sohn, das Kind
mit dem Hausarzt der Familie, gewesen sein könnte, dass also sein
Vater, ein einfacher Handwerker, nicht wirklich sein Vater gewesen
wäre. Aber, das wollen wir diesem guten Erich Kästner lassen, er hat
das beste daraus gemacht. Seine Jugendbücher sind heute noch
wundervoll zu lesen. Kürzlich gab es eine Fernsehsendung, in der
einige ehemalige Geliebte Kästners zu Wort kamen. Sie sind heute
alle Damen in hohem Alter und sehen nicht mehr allzu blühend aus.
Aber alle haben über ihn mit viel Respekt und Begeisterung
gesprochen, keine schien mir irgendwie enttäuscht oder beleidigt
gewesen zu sein. Er muss sie wirklich verwöhnt haben und muss
ein charmanter Liebhaber gewesen sein. Er wäre darin wirklich ein
gutes Vorbild für mich.
Dass sich also Kästner in seiner Geschichte als Künstler mit einer
deutlich jüngeren Frau beschäftigt, ist durch sein Leben gut
motiviert. Ich denke, die Frauen waren ihm insgesamt etwas
unheimlich und überwältigend. Und so ein junges hübsches
Fräulein war leichter zu "apprivoiser", zu einem Teil seiner selbst
zu machen. Er gibt seinem schweigsamen Fräulein zum Schluss
der Geschichte unendlich viel Macht. Je weniger sie sagt, desto
mehr ist er ihr ausgeliefert und mit ihr verstrickt.
...
Und die Moral der Geschichte? Soll ich mich hüten, mich in Zukunft
zu sehr in Texten, Gedanken und Erzählungen zu verausgaben?
Vielleicht muss ich mich mehr zurückhalten, mich mehr auf die
Zeichnung konzentrieren, und die grossen Worte beiseite lassen.
Doch irgend einmal wird die Zeichnung zu Ende sein. Und dann
werden wir sie über dem Sofa aufhängen. Über welchem Sofa, das
wird dann die grosse Frage sein!
Weißt du, warum ich Zeichnen und Malen sosehr mag? Weil man
dabei einen sogenannten "Flow" erleben kann. Ich vergesse die
Zeit, ich kann so vertieft sein in das, was ich tue, dass ich in einen
paradiesischen Zustand gerate. Es ist wie eine Ekstase, ein Art von Somnambulismus, oder wie kann man das nennen? Das gelingt
natürlich nicht jedesmal.
Manchmal bin ich auch sehr unzufrieden und verärgert, wenn mir
das Werk nicht gelingen will. Das geschieht vielleicht noch häufiger
als dieser Flow. Doch letzeres ist eine Art Jungbrunnen. Du fühlst
dich nachher so, wie du dich nach der Sauna fühlst, oder nach einem
Autogenen Training oder einer Akupunktursitzung. Du fühlst die
ganze Leichtigkeit des Seins.
Ach, das war eine Geschichte von Erich Kästner! An ihn hätte ich jetzt
wirklich nicht gedacht. Kästner war nun ja in der Tat einer, der viele
heimliche und unheimliche Geliebten hatte.
...
Erich Kästner, den ich im Übrigen sehr schätze, hatte nun bestimmt
seine Probleme mit den Frauen. Es ist bekannt - und sicherlich weißt
du das auch Marlena - dass er einen echten Mutterkomplex hatte.
Man kann das ja in seinen Kinderbüchern nachlesen, wie der
Mustersohn sich um seine tüchtige und sich aufopfernde Mutter
bemüht. Kästners Mutter, das muss seine unheimliche Geliebte
gewesen sein. Noch in fortgeschrittenem Alter hat er ihr täglich
geschrieben, täglich, meine Liebe, und hat ihr seine schmutzige
Wäsche geschickt und über all seine Liebschaften offenherzig erzählt.
Er konnte wunderhübsche, charmante Briefe schreiben, unser Erich
Kästner. Und so hat er sein Leben lang nicht geheiratet. Ich habe mal
ein Büchlein rezensiert, in welchem seine Freundin Kästners Briefe an
sie und ihren Sohn aus dem Tessin veröffentlicht hat. Kästner hatte
Alkoholprobleme und war im Tessin zur Kur. Allerdings hat er sich
dort regelmässig den Whisky im Teeglas servieren lassen.
Diese Briefe, so kann ich mich erinnern, waren sympathisch und
lebendig, wie man sich Kästner nun mal vorstellt. Aber eines hat
mich gestört. Er hat seiner Freundin und Mutter seines Sohnes
immer wieder Geld geschickt in kleinsten Portionen und hat immer
wieder von diesem Geld gesprochen. Das fand ich echt kleinbürgerlich
und irgendwie knauserig. Er war doch damals kein armer Mann mehr!
Aber sonst ist er schon ok, unser Kästner, ein grosser Humanist und
ein guter Pädagoge.
Es gibt eine eindrückliche Stelle in seinem biographischen Buch
"Als ich ein kleiner Junge war", wo er beschreibt, wie für ihn das
Weihnachtsfest stets eine Marter war. Die Mutter hatte Geschenke für
ihn und der Vater hatte Geschenke für ihn. Und er als sensibles Kind
hatte den Hochseilakt zu bestehen, seine Dankbarkeit und seine
Aufmerksamkeit auf beide Elternteile gleichmässig zu verteile, um
nicht den einen vor dem anderen zu vernachlässigen. Er muss das
gewesen sein, was man in der Familientherapie ein drianguliertes
Kind nennt, also ein Kind im Dreieck mit seinen Eltern, parentifiziert
und schwer mit Erwachsenenproblemen belastet. Es gibt ja heute
noch die Hypothese, dass er vielleicht ein unehelicher Sohn, das Kind
mit dem Hausarzt der Familie, gewesen sein könnte, dass also sein
Vater, ein einfacher Handwerker, nicht wirklich sein Vater gewesen
wäre. Aber, das wollen wir diesem guten Erich Kästner lassen, er hat
das beste daraus gemacht. Seine Jugendbücher sind heute noch
wundervoll zu lesen. Kürzlich gab es eine Fernsehsendung, in der
einige ehemalige Geliebte Kästners zu Wort kamen. Sie sind heute
alle Damen in hohem Alter und sehen nicht mehr allzu blühend aus.
Aber alle haben über ihn mit viel Respekt und Begeisterung
gesprochen, keine schien mir irgendwie enttäuscht oder beleidigt
gewesen zu sein. Er muss sie wirklich verwöhnt haben und muss
ein charmanter Liebhaber gewesen sein. Er wäre darin wirklich ein
gutes Vorbild für mich.
Dass sich also Kästner in seiner Geschichte als Künstler mit einer
deutlich jüngeren Frau beschäftigt, ist durch sein Leben gut
motiviert. Ich denke, die Frauen waren ihm insgesamt etwas
unheimlich und überwältigend. Und so ein junges hübsches
Fräulein war leichter zu "apprivoiser", zu einem Teil seiner selbst
zu machen. Er gibt seinem schweigsamen Fräulein zum Schluss
der Geschichte unendlich viel Macht. Je weniger sie sagt, desto
mehr ist er ihr ausgeliefert und mit ihr verstrickt.
...
Und die Moral der Geschichte? Soll ich mich hüten, mich in Zukunft
zu sehr in Texten, Gedanken und Erzählungen zu verausgaben?
Vielleicht muss ich mich mehr zurückhalten, mich mehr auf die
Zeichnung konzentrieren, und die grossen Worte beiseite lassen.
Doch irgend einmal wird die Zeichnung zu Ende sein. Und dann
werden wir sie über dem Sofa aufhängen. Über welchem Sofa, das
wird dann die grosse Frage sein!
Weißt du, warum ich Zeichnen und Malen sosehr mag? Weil man
dabei einen sogenannten "Flow" erleben kann. Ich vergesse die
Zeit, ich kann so vertieft sein in das, was ich tue, dass ich in einen
paradiesischen Zustand gerate. Es ist wie eine Ekstase, ein Art von Somnambulismus, oder wie kann man das nennen? Das gelingt
natürlich nicht jedesmal.
Manchmal bin ich auch sehr unzufrieden und verärgert, wenn mir
das Werk nicht gelingen will. Das geschieht vielleicht noch häufiger
als dieser Flow. Doch letzeres ist eine Art Jungbrunnen. Du fühlst
dich nachher so, wie du dich nach der Sauna fühlst, oder nach einem
Autogenen Training oder einer Akupunktursitzung. Du fühlst die
ganze Leichtigkeit des Seins.
Donnerstag, 11. November 2010
..über "Männer" von Schwanitz
*
Gestern habe ich mir ein Buch von Schwanitz gekauft. Du wirst lachen, der Titel heisst "Männer". Ich hatte ihn am Wochenende in einer Diskussion im Fernsehen gesehen und der gute Typ war absolut faszinierend. Schon sein letztes Buch "Bildung; alles was man wissen muss" fand beim Publikum guten Anklang. Es ist im Grunde genommen ein Kondensat unserer humanistischen Bildung. Und er teilt deas Buch in zwei Teile: Wissen und Können. Er ist recht originell und auch gescheit, der gute Schwanitz, war Professor für Anglistik in Stuttgart, wenn ich mich nicht irre. Und ist, um das Paket voll zu machen, in der Schweiz aufgewachsen. Auf einem Bauernhof, wenn ich mich nochmals nicht irre.
Nun also, in dieser Sendung Sonntag morgens hat er über Männer gesprochen. Und das fand ich alles in allem so interessant und mit kulturhistorischem Blick behandelt, dass ich mir das Buch gleich am Montag holte. Ich werde es im Sommer studieren. Kommt uns ja entgegen, da die gender studies so aktuell werden und alle drüber reden.
Vielleicht kann ich für Dich die Einleitung zusammenfassen? Er vergleicht Mann und Frau mit Hund und Katze. Vielleicht weil die Katze gepflegt und diskret daherkommt, während der Hund gerne herumtollt und gerne in wilden Rudeln daherbellt. Es sind zwei unterschiedliche Wesen. "Wenn der Hund in freundlicher Stimmung ist, wedelt er mit dem Schwanz. Ist er dagegen böse, dann knurrt er. Bei der Katze ist es umgekehrt. Ist sie gereizt, dann zuckt die Schwanzspitze. Fühlt sie sich anschmiegsam und liebesbedürftig, beginnt sie zu schnurren. Nähert sich also eine Katze mit vertrauensseligem Schnurren einem Hund, fühlt sich dieser bedroht und beginnt zurückzuknurren. Das missversteht die Katze als Einladung zu Vertraulichkeiten, die der Hund wiederum als Angriff auf seine Unabhängigkeit missversteht und mit Bellen und Bissen beantwortet. Da nimmt es nicht wunder, dass die Katze dieses Verhalten als empörend empfindet.
Doch auch der Hund findet das Verhalten der Katze entsetzlich. Er hat die freundlichsten Absichten und wedelt eifrig und frohgemut mit dem Schwanz. Zu seiner Beruhigung beantwortet sie das mit einem zwar zurückhaltenden, aber deutlich sichtbaren Zucken ihrer Schwanzspitze. Als er, auf diese Weise ermutigt und uneingedenk seines betäubenden Bundgeruchs, sich ihr nähert, liest er an der Frequenzerhöhung beim Peitschen des Katzenschwanzes einen Willkommensgruss ab. Gerade will er zu einem schlabbernden Begrüssungskuss ansetzen, da springt sie ihm spuckend und fauchend ins Gesicht".
Schwanitz nennt dies einen alten Fluch der Menschheit.
Hören wir damit etwas Neues?
Mit einem lieben Gruss
..
Gestern habe ich mir ein Buch von Schwanitz gekauft. Du wirst lachen, der Titel heisst "Männer". Ich hatte ihn am Wochenende in einer Diskussion im Fernsehen gesehen und der gute Typ war absolut faszinierend. Schon sein letztes Buch "Bildung; alles was man wissen muss" fand beim Publikum guten Anklang. Es ist im Grunde genommen ein Kondensat unserer humanistischen Bildung. Und er teilt deas Buch in zwei Teile: Wissen und Können. Er ist recht originell und auch gescheit, der gute Schwanitz, war Professor für Anglistik in Stuttgart, wenn ich mich nicht irre. Und ist, um das Paket voll zu machen, in der Schweiz aufgewachsen. Auf einem Bauernhof, wenn ich mich nochmals nicht irre.
Nun also, in dieser Sendung Sonntag morgens hat er über Männer gesprochen. Und das fand ich alles in allem so interessant und mit kulturhistorischem Blick behandelt, dass ich mir das Buch gleich am Montag holte. Ich werde es im Sommer studieren. Kommt uns ja entgegen, da die gender studies so aktuell werden und alle drüber reden.
Vielleicht kann ich für Dich die Einleitung zusammenfassen? Er vergleicht Mann und Frau mit Hund und Katze. Vielleicht weil die Katze gepflegt und diskret daherkommt, während der Hund gerne herumtollt und gerne in wilden Rudeln daherbellt. Es sind zwei unterschiedliche Wesen. "Wenn der Hund in freundlicher Stimmung ist, wedelt er mit dem Schwanz. Ist er dagegen böse, dann knurrt er. Bei der Katze ist es umgekehrt. Ist sie gereizt, dann zuckt die Schwanzspitze. Fühlt sie sich anschmiegsam und liebesbedürftig, beginnt sie zu schnurren. Nähert sich also eine Katze mit vertrauensseligem Schnurren einem Hund, fühlt sich dieser bedroht und beginnt zurückzuknurren. Das missversteht die Katze als Einladung zu Vertraulichkeiten, die der Hund wiederum als Angriff auf seine Unabhängigkeit missversteht und mit Bellen und Bissen beantwortet. Da nimmt es nicht wunder, dass die Katze dieses Verhalten als empörend empfindet.
Doch auch der Hund findet das Verhalten der Katze entsetzlich. Er hat die freundlichsten Absichten und wedelt eifrig und frohgemut mit dem Schwanz. Zu seiner Beruhigung beantwortet sie das mit einem zwar zurückhaltenden, aber deutlich sichtbaren Zucken ihrer Schwanzspitze. Als er, auf diese Weise ermutigt und uneingedenk seines betäubenden Bundgeruchs, sich ihr nähert, liest er an der Frequenzerhöhung beim Peitschen des Katzenschwanzes einen Willkommensgruss ab. Gerade will er zu einem schlabbernden Begrüssungskuss ansetzen, da springt sie ihm spuckend und fauchend ins Gesicht".
Schwanitz nennt dies einen alten Fluch der Menschheit.
Hören wir damit etwas Neues?
Mit einem lieben Gruss
..
Mittwoch, 10. November 2010
Re: Glück?
Date: Wed, 7 May 2003 08:22:21 +0200
Liebe Marlena
---
Ich glaube, das schliesst genau an unsere kleine Diskussion des
Lebensglückes, die Dir erscheint wie ein Gespräch zwischen Schüler und
Lehrer. Letztere Aussage hat mich übrigens erstaunt, und eigentlich hat sie
mir auch nicht gefallen. Weshalb Lehrer und Schüler? Könnte ich Dir irgend
etwas beibringen? Nein, das ist niemals so. Wenn meine Sätze vielleicht
etwas lehrerhaft klingen, dann deshalb, weil ich mich selbst zu überzeugen
suche. Ich suche doch Erkenntnisse, oder zumindest Aussagen, die
einigermassen hinhalten. Und dann mag es ein wenig klingen wie in einer
Lektion. Aber es ist, streng genommen, eine Auto-Lektion.
Ich glaube, die beiden Aspekte, die Du erwähnst, sind wirklich sehr
zutreffend. Einerseits wählen wir den Filter nicht ganz alleine. Aber, und
das behaupte ich einfach so in die frische Morgenluft hinaus, ohne beweisen
zu können, ich behaupte, dass man sich anstrengen sollte, den Filter selbst
zu wählen. Das gilt gerade für Menschen, die vielleicht bei Geburt eine
leicht dunkle Variante in die Hand gedrückt bekommen haben. Wir sind
vielleicht nicht ganz frei. Aber wenn irgendwo noch eine kleine Wahlchance
besteht, dann doch hier und dann muss man sie nutzen. Und wenn das
gelingt, dann ist es so, wie wenn man beim Gehen mit einem Fuss einen
leicht kräftigeren Schritt tut als mit dem anderen. Das ändert die
Gehrichtung nur ganz wenig, wirklich nur minimal , vielleicht 1 oder 2°.
Aber nach 20km ist man dennoch an einem völlig anderen Ort als wenn
man das nicht getan hätte. Man muss doch als Mensch nach diesen kleinen
Lücken der individuellen Freiheit Ausschau halten, vor allem in Zeiten, da
sie einem in einem Genom, in einem 'Buch des Lebens' - wie sie sagen -
festschreiben wollen.
Und Dein zweites Argument ist jenes, dass es vielleicht genügte, 'nicht
unglücklich' zu sein, damit die schönen Momente eine Chance haben. Das
finde ich sehr feinsinnig gedacht. Der Gedanke gefällt mir überaus gut. Ich
glaube, ich habe so was ähnliches bei John Stuart Mill gelesen, der sich
Gedanken gemacht hat, was das Ziel des Staates sei. Und, wenn ich mich
richtig erinnere, war sein formuliertes Ziel das möglichst grosse Glück für
möglichst viele. Und das Glück besteht für Mill in der Vermeidung von
Unglück. Oder so ähnlich. Mill war im Leben ein Langweiler, aber in seinen
Gedanken war er exzellent. Nein, jetzt erinnere ich mich genauer, ich habe
es bei einem antiken Römer gelesen. Der Name kommt mir im Moment
nicht. Aber ich war erstaunt gewesen, weil das Image dieses römischen
Lebensphilosophen eigentlich ziemlich ruiniert war unter heutigen
Menschen. Man hält ihn für einen puren Lustmenschen, während er doch
eigentlich ein sehr vernünftiger Unglückvermeider war. Seine Anhänger
wurden Schweinchen genannt, und ich glaube, es war vor allem die
Katholische Kirche, die ihn schlecht gemacht und alles Negative angedichtet
hat.
Du entpuppst Dich als Millianerin. Ja, nicht unglücklich zu sein,
bedeutet ja eine Art von Freiheit. Und in dieser Freiheit ist man offen, für
die schönen und glücklichen Momente des Lebens. Das ist wirklich die
Philosophie, die ich in meinem fiktiven Roman vertreten würde. Brauchte
man dazu zwei Figuren, die eine, die das schafft und die andere, der es
misslingt.
*
Montag, 8. November 2010
Glück?
Ämne: Glück?
Datum: den 6 maj 2003 22:22
Lieber ..,
"Mit seinem selbstgewählten Farbfilter..." sagst du. Vielleicht ist es so, aber ich glaube nicht dass wir das Filter ganz frei wählen. Es ist eingebaut in unsere Genen. Und wie du so richtig sagst, schon bei kleinen Kindern kann man sehen ob sie eine glückliche oder traurige Veranlagung haben. Ich liebe das Leben wenn es ruhig fliesst. Wenn ich Zeit habe Schritt zu halten mit meiner Seele. Und das, was wir Glück, oder besser gesagt "Glücksgefühl" nennen, kommt ungerufen. Es braucht keine grossen Anlässe dazu. Plötzlich ist es nur da, das herrliche Gefühl zu leben, vielleicht ausgelöst durch etwas Schönes, was man betrachtet oder von einem Musikstück.. Vielleicht könnte man Glück besser definieren als "nicht unglücklich", oder zumindest nicht so unglücklich, dass die kleinen schönen Augenblicke keine Chance haben.
In Kriegszeiten kommen sich die Leute näher. Sie fühlen eine grosse Gemeinschaft in ihrem Kampf im Alltag. Der Kampf zu überleben lässt ihnen auch keine Zeit zum Grübeln. Auch gibt es kaum Langeweile. Für so was hat man ganz einfach keine Zeit. Ich verstehe die Leute, die sich gern an solche Zeiten erinnern. Sagt man nicht auch, dass viele psychisch kranke Leute in Kriegszeiten plötzlich gesund werden?
Ach, chéri, ich komme mir vor wie ein kleines Kind, das versucht es dem Lehrer recht zu machen. Soll ich es besser wieder deleten?
Ich habe einen langen Tag hinter mir. Hatte noch eine Konfernz am Ende des Tages. Man hat nun so wenig Geld in den Kommunen, dass man die Arbeitspflicht der Lehrer um ca 4,5 % erhöhen will. Und neben den aktuellen Schlagwörtern wie z.B. Qualitätssicherung sagt man plötzlich, dass man eine Qualitätsverschlechterung (?) akzeptieren muss. Ich glaube, ich brauche nicht mehr zu sagen.
---
Ich wünsche dir einen schönen Mittwoch und
grüsse dich lieb,
Marlena
über Glück und seine Rezepte...
Liebe Marlena
Ja, das Glück, wer es unbedingt haben will, der hat es schon verloren. Und wer vielleicht gar nicht daran denkt, dem fällt es zu. Ist Glück nicht einfach eine Konstruktion.
Glück ist sozusagen eine Kategorie der Geschichtsschreibung, oder Biographie-Schreibung, müsste ich hier sagen. Ich werde nicht müde, an die alten Leute zu denken, die noch den Krieg erlebt haben, und die über diese alten Zeiten so begeistert und mit Hingabe erzählen, als ob es das grösste Glück gewesen sei. Sie erzählen strahlend, wie sie gehungert haben, wie sie sich gegenseitig aufeinander verlassen mussten, welche Mühen das Leben mit sich gebracht hatte und so weiter und so fort. Es gibt für uns Jüngere nichts, woraus wir schliessen könnten, dass das Leben damals besser oder positiver gewesen sein könnte. Es liegt alles nur in der Erzählung jener älteren Leute.
So heisst das doch, das Glück sei sozusagen die Sauce ihrer Erzählung, das Beigemischte, das Bindemittel, das Dressing würde man vielleicht auf Englisch sagen. Während das Leben gut oder schlecht, positiv oder negativ sein kann, so ist es jeder Mensch, der das alles schliesslich in die Hand nimmt und zu seinem Vorteile mit seinem selbst gewählten Farbfilter anschaut. Und dann kommt es so heraus, dass Optimisten Glückskinder sind und Pessimisten Pechvögel. Ist das nicht so? Ist es vielleicht zu sehr psychologisch interpretiert?
Wenn es denn so wäre, müsste man sagen, das Glück liege nicht im Leben, sondern im Blut. Und es ist doch wirklich nicht ganz ohne, zu behaupten, man würde schon den Kindern bis zu einem gewissen Grade ansehen können, ob sie glückliche oder unglückliche Menschen würden. Klar, vielleicht ist das Blut noch nicht ganz fertig. In der Pubertät gibt es noch starke Veränderungen. Die kindliche Naivität und Fröhlichkeit verschwindet plötzlich und es kommen Hemmungen zum Vorschein und Sorgen über irgendwelche Dinge.
Aber ich halte daran fest, dass das Glück eine Sache des Dressing sei. Es gibt französisches, italienisches und jenes mit Knoblauch. ;--) Und vielleicht ist es ja auch etwas vermessen, gleich das grosse Glück zu wollen. Vielleicht müssen wir uns damit begnügen, zufrieden zu sein. Wie die Mrs Dalloway auf dem Bett liegend zu ihrer Tochter sagt: Glück ist eine Sache von Momenten. Und in diesem Glücks- Moment durchdringt es die ganze Zukunft. Aber wirklich dauert es nur einen kurzen Moment. Die Mächtigkeit hat das Glück, indem es in diesem Moment die ganze Vergangenheit und Zukunft überstrahlt. Es ist wie ein Infrarot-Strahler, der im Moment angestellt ist. Aber sobald du den Schalter drehst, ist alles wieder ganz normal und - von Weitem besehen - grau in grau.
Ich habe einen Philosophen gefunden, der sich mit der Lebensphilosophie auskennt und sich dort spezialisiert hat. Ich habe auch schon mit ihm gemailt. Er lebt in Berlin und hat viel Michel Foucault studiert. Sein Buch ist zwar nicht sehr lebendig und erlebnismässig, sondern eher eine Systematik. Aber ich habe sie sehr gerne gelesen. Zumindest habe ich bei ihm erkannt, wie sehr zum Glück das Unglück gehört.
Vor 5 Jahren habe ich nicht gewusst, dass Unglück, die negativen Seiten, das
Leiden im Leben so wichtig sein kann. Wenn man es sich unvoreingenommen anschaut, kann man sagen, das Leben sei eine Wellenbewegung. Mal fühlt man sich oben im Glück, mal unten im Pech. Und die grosse Frage ist, wie Du über diese Wellenfahrt erzählst. Erzählst Du von den Höhen und Spitzen, oder kostest Du die Tiefen und Pechsträhnen aus? Aber die Wellenberge sind nur möglich, weil es dazuwischen auch Wellentäler gegeben hat. Wenn es eine steife Linie gewesen wäre, könntest Du weder über Glück noch über Unglück reden. Du wüsstest nicht, was das ist. Aber die Wellen sind es. Sie sind wie Sonnen- und Regentage. Jeden Tag Sonne, das ist schon fast grauenhaft, auf jeden Fall ist es nicht einmal ein Gesprächsthema. Perser können nicht über Sonnenwetter reden. Höchstens im Winter, wenn sie etwas Schnee haben.
Unglück ist also, wenn man es so anschaut, reculer pour mieux sauter, der Anlauf für das Glück. Und je tiefer du durch musstest, desto höher wird später das Glücksgefühl sein.
Wer das so zu betrachten vermag, und darin liegt vielleicht das Paradox, der wechselt förmlich seine Perspektive und meint schliesslich, das eigentlich Glück im Leben sei das Pech. Das Pech erlaubt mir erst, Glück zu erleben, an vergangenem Glück zu freuen, oder mich auf das neue Glück vorzubereiten.
Habe ich Dir nicht kürzlich erzählt, dass man das Glück sogar empirisch erfragt hat bei zwei Extremgruppen: bei durch irgend einen Unfall Körpergelähmten und bei Lottogewinnern? Und das Resultat: beide sind nach einem halben Jahr ungefähr gleich glücklich oder unglücklich. Lottogewinner mit ihrem Geld haben nach der Gewöhnung mehr die Sorgen, die sie spüren. Und Gelähmte können im Rollstuhl genauso glücklich sein wie wir alle.
Liebe Marlena, Du siehst, Du hast mich an einem Thema erwischt, welches mich brennend interessiert. Und wenn ich ein Schriftsteller wäre, ich würde darüber einen Roman schreiben, nämlich den Menschen zu zeigen, dass Glück eine ganz persönliche Konstruktion ist. Jeder ist für sein Glück selbst verantwortlich. Glück gehört dem Tüchtigen, sagt man auch, und meint dasselbe. Aber wir modernen Menschen, die wir vom teuren Sozialstaat verwöhnt sind, erwarten das Glück oft von aussen, als ein Geschenk. Und dagegen müsste man beten, dass uns die Vorsehung vor dem Pech schützen möge, einen Hauptgewinn im Lotto zu machen.
Lotto ist ja für viele Menschen die Glücksagentur. Wenn sie Glück erwarten, dann von dort. Und dabei würde ein Mensch, wie er Anfang des letzten Jahrhunderts gelebt hatte, bei einem Durchschnittseinkommen von heute wie ein König leben.
Lustig, gerade gestern habe ich ein kleines Büchlein aus meinen Büchern geholt: De vita beata von einem gewissen Seneca, von dem Du bestimmt auch schon gehört hast. Er war der Hausphilosoph und Erzieher Neros, hatte also jede Menge Gelegenheiten, unglücklich zu sein, und hat sich auch selbst schliesslich umgebracht, urrömisch und urmännlich im Bade, wenn ich richtig informiert bin. Bestimmt würde er heute sagen, wenn er mitreden könnte, dass er sich glücklich wähne, dass sein damaliger Suizid so gut geglückt sei.
"Über das glückliche Leben". Es ist zwar ein wenig umständlich geschrieben, und - verständlicherweise - nicht in jeder Beziehung so, wie wir heute denken. Aber es sind ein paar interessante Überlegungen und Gesichtspunkte in. Und natürlich mag ich es, wenn ich neben dem deutschen Zitat noch das lateinische habe. Manchmal klingen die Lateiner ja so kurz und so gut und prägnant, wie man es heute mit unseren Sprachen nicht mehr sagen kann.
Kurz und gut: Marlena, soll ich alles in allem sagen, Glück sei die erste und die wichtigste Lebenslüge? So vielleicht würde es Nietzsche formulieren, mit seiner Neigung zur Entlarvung. Aber eine solche Aussage verleitet schon wieder zum Unglücklichsein. Wir brauchen eine Definition, die selbst mithilft, glücklich zu sein. Deshalb finde ich den Begriff des Dressings, den ich oben gefunden hatte, gar nicht schlecht. Er klingt pragmatisch und ein bisschen kulinarisch. Das versteht jeder Mensch.
Das also war die Familiensparpackung über das Glück, seine Rezepte und
dessen vier Seiten. Ich hoffe ...
Ja, das Glück, wer es unbedingt haben will, der hat es schon verloren. Und wer vielleicht gar nicht daran denkt, dem fällt es zu. Ist Glück nicht einfach eine Konstruktion.
Glück ist sozusagen eine Kategorie der Geschichtsschreibung, oder Biographie-Schreibung, müsste ich hier sagen. Ich werde nicht müde, an die alten Leute zu denken, die noch den Krieg erlebt haben, und die über diese alten Zeiten so begeistert und mit Hingabe erzählen, als ob es das grösste Glück gewesen sei. Sie erzählen strahlend, wie sie gehungert haben, wie sie sich gegenseitig aufeinander verlassen mussten, welche Mühen das Leben mit sich gebracht hatte und so weiter und so fort. Es gibt für uns Jüngere nichts, woraus wir schliessen könnten, dass das Leben damals besser oder positiver gewesen sein könnte. Es liegt alles nur in der Erzählung jener älteren Leute.
So heisst das doch, das Glück sei sozusagen die Sauce ihrer Erzählung, das Beigemischte, das Bindemittel, das Dressing würde man vielleicht auf Englisch sagen. Während das Leben gut oder schlecht, positiv oder negativ sein kann, so ist es jeder Mensch, der das alles schliesslich in die Hand nimmt und zu seinem Vorteile mit seinem selbst gewählten Farbfilter anschaut. Und dann kommt es so heraus, dass Optimisten Glückskinder sind und Pessimisten Pechvögel. Ist das nicht so? Ist es vielleicht zu sehr psychologisch interpretiert?
Wenn es denn so wäre, müsste man sagen, das Glück liege nicht im Leben, sondern im Blut. Und es ist doch wirklich nicht ganz ohne, zu behaupten, man würde schon den Kindern bis zu einem gewissen Grade ansehen können, ob sie glückliche oder unglückliche Menschen würden. Klar, vielleicht ist das Blut noch nicht ganz fertig. In der Pubertät gibt es noch starke Veränderungen. Die kindliche Naivität und Fröhlichkeit verschwindet plötzlich und es kommen Hemmungen zum Vorschein und Sorgen über irgendwelche Dinge.
Aber ich halte daran fest, dass das Glück eine Sache des Dressing sei. Es gibt französisches, italienisches und jenes mit Knoblauch. ;--) Und vielleicht ist es ja auch etwas vermessen, gleich das grosse Glück zu wollen. Vielleicht müssen wir uns damit begnügen, zufrieden zu sein. Wie die Mrs Dalloway auf dem Bett liegend zu ihrer Tochter sagt: Glück ist eine Sache von Momenten. Und in diesem Glücks- Moment durchdringt es die ganze Zukunft. Aber wirklich dauert es nur einen kurzen Moment. Die Mächtigkeit hat das Glück, indem es in diesem Moment die ganze Vergangenheit und Zukunft überstrahlt. Es ist wie ein Infrarot-Strahler, der im Moment angestellt ist. Aber sobald du den Schalter drehst, ist alles wieder ganz normal und - von Weitem besehen - grau in grau.
Ich habe einen Philosophen gefunden, der sich mit der Lebensphilosophie auskennt und sich dort spezialisiert hat. Ich habe auch schon mit ihm gemailt. Er lebt in Berlin und hat viel Michel Foucault studiert. Sein Buch ist zwar nicht sehr lebendig und erlebnismässig, sondern eher eine Systematik. Aber ich habe sie sehr gerne gelesen. Zumindest habe ich bei ihm erkannt, wie sehr zum Glück das Unglück gehört.
Vor 5 Jahren habe ich nicht gewusst, dass Unglück, die negativen Seiten, das
Leiden im Leben so wichtig sein kann. Wenn man es sich unvoreingenommen anschaut, kann man sagen, das Leben sei eine Wellenbewegung. Mal fühlt man sich oben im Glück, mal unten im Pech. Und die grosse Frage ist, wie Du über diese Wellenfahrt erzählst. Erzählst Du von den Höhen und Spitzen, oder kostest Du die Tiefen und Pechsträhnen aus? Aber die Wellenberge sind nur möglich, weil es dazuwischen auch Wellentäler gegeben hat. Wenn es eine steife Linie gewesen wäre, könntest Du weder über Glück noch über Unglück reden. Du wüsstest nicht, was das ist. Aber die Wellen sind es. Sie sind wie Sonnen- und Regentage. Jeden Tag Sonne, das ist schon fast grauenhaft, auf jeden Fall ist es nicht einmal ein Gesprächsthema. Perser können nicht über Sonnenwetter reden. Höchstens im Winter, wenn sie etwas Schnee haben.
Unglück ist also, wenn man es so anschaut, reculer pour mieux sauter, der Anlauf für das Glück. Und je tiefer du durch musstest, desto höher wird später das Glücksgefühl sein.
Wer das so zu betrachten vermag, und darin liegt vielleicht das Paradox, der wechselt förmlich seine Perspektive und meint schliesslich, das eigentlich Glück im Leben sei das Pech. Das Pech erlaubt mir erst, Glück zu erleben, an vergangenem Glück zu freuen, oder mich auf das neue Glück vorzubereiten.
Habe ich Dir nicht kürzlich erzählt, dass man das Glück sogar empirisch erfragt hat bei zwei Extremgruppen: bei durch irgend einen Unfall Körpergelähmten und bei Lottogewinnern? Und das Resultat: beide sind nach einem halben Jahr ungefähr gleich glücklich oder unglücklich. Lottogewinner mit ihrem Geld haben nach der Gewöhnung mehr die Sorgen, die sie spüren. Und Gelähmte können im Rollstuhl genauso glücklich sein wie wir alle.
Liebe Marlena, Du siehst, Du hast mich an einem Thema erwischt, welches mich brennend interessiert. Und wenn ich ein Schriftsteller wäre, ich würde darüber einen Roman schreiben, nämlich den Menschen zu zeigen, dass Glück eine ganz persönliche Konstruktion ist. Jeder ist für sein Glück selbst verantwortlich. Glück gehört dem Tüchtigen, sagt man auch, und meint dasselbe. Aber wir modernen Menschen, die wir vom teuren Sozialstaat verwöhnt sind, erwarten das Glück oft von aussen, als ein Geschenk. Und dagegen müsste man beten, dass uns die Vorsehung vor dem Pech schützen möge, einen Hauptgewinn im Lotto zu machen.
Lotto ist ja für viele Menschen die Glücksagentur. Wenn sie Glück erwarten, dann von dort. Und dabei würde ein Mensch, wie er Anfang des letzten Jahrhunderts gelebt hatte, bei einem Durchschnittseinkommen von heute wie ein König leben.
Lustig, gerade gestern habe ich ein kleines Büchlein aus meinen Büchern geholt: De vita beata von einem gewissen Seneca, von dem Du bestimmt auch schon gehört hast. Er war der Hausphilosoph und Erzieher Neros, hatte also jede Menge Gelegenheiten, unglücklich zu sein, und hat sich auch selbst schliesslich umgebracht, urrömisch und urmännlich im Bade, wenn ich richtig informiert bin. Bestimmt würde er heute sagen, wenn er mitreden könnte, dass er sich glücklich wähne, dass sein damaliger Suizid so gut geglückt sei.
"Über das glückliche Leben". Es ist zwar ein wenig umständlich geschrieben, und - verständlicherweise - nicht in jeder Beziehung so, wie wir heute denken. Aber es sind ein paar interessante Überlegungen und Gesichtspunkte in. Und natürlich mag ich es, wenn ich neben dem deutschen Zitat noch das lateinische habe. Manchmal klingen die Lateiner ja so kurz und so gut und prägnant, wie man es heute mit unseren Sprachen nicht mehr sagen kann.
Kurz und gut: Marlena, soll ich alles in allem sagen, Glück sei die erste und die wichtigste Lebenslüge? So vielleicht würde es Nietzsche formulieren, mit seiner Neigung zur Entlarvung. Aber eine solche Aussage verleitet schon wieder zum Unglücklichsein. Wir brauchen eine Definition, die selbst mithilft, glücklich zu sein. Deshalb finde ich den Begriff des Dressings, den ich oben gefunden hatte, gar nicht schlecht. Er klingt pragmatisch und ein bisschen kulinarisch. Das versteht jeder Mensch.
Das also war die Familiensparpackung über das Glück, seine Rezepte und
dessen vier Seiten. Ich hoffe ...
Sonntag, 7. November 2010
Novembergeist
Ämne : Novembergeist
Datum : Wed, 7 Nov 2001 08:57:46 +0100
Liebe Marlena
Ich habe ihn überlebt!!! Meinen Geburtstag, meine ich. Ich bin froh, dass die Leute nicht allzu viel Aufhebens gemacht haben. Das mag ich nämlich gar nicht besonders. Nun ja, ich habe einige nette Telefonate gehabt. Und abends sind wir - dh unsere Familie - zusammen in der Nähe essen gegangen. Es war klein und bescheiden, wie es sich in meiner Altersklasse gehört.
Deine Glückwünsche haben mich sehr gefreut. Und - um es klar und deutlich zu sagen - sie waren die ersten, die ich am Morgen empfangen hatte. Alle anderen Küsse und Wünsche und Glücksbeteuerungen kamen viel später an. Die roten schwedischen Rosen waren wirklich knallrot, und haben etwas lasziv hin- und hergewackelt. Ich danke Dir, Marlena, und ich bewundere, wie Du daran denken konntest. Ich vergesse leider solche Geburtstage allzu gerne.
Als S mir vor einer Woche sagte, ich solle den Dienstag abend reservieren, wir hätten da etwas vor, da habe ich bei weitem nicht an meinen Geburtstag gedacht.
Und schliesslich habe ich am späteren Morgen im Städtchen noch einen ehemaligen Mitarbeiter angetroffen. Er ist schon über 60 und arbeitet zu 80% oder vielleicht 60%. Auf jeden Fall hat er Zeit, mitten an einem Werktag mit einer grossen Tasche durch die Strassen zu schlendern und seine Kommissionen zu tätigen. Auf seine Einladung sind wir in einem kleinen Café verschwunden (etwas, was ich sonst hier absolut nie tue, weil ich vermeiden muss, dass die Leute reden und behaupten, die Beamten arbeiteten nichts und sässen bloss tageweise in den Restaurants herum), und er hat mir geklagt, wie sehr er unglücklich sei mit seiner heutigen Arbeit und wie gerne er zu uns zurückkommen würde. Nun ja, was soll man dazu sagen? Doch man hat in seinem Gesicht schon von weitem gesehen, dass er nicht glücklich ist. Er schien leidend. Mein erster Gedanke galt seinem Rücken. Ich glaube, bei physischen Schmerzen altert man schnell. Und er hat mir um die 10 Kameraden und Altersgenossen aufgezählt, die an Parkinson, an Prostatakrebs, an schweren Depressionen und leichter Impotenz oder an anderen fürchterlichen Krankheiten leiden. Kurz und gut, ich verliess das Café mit einem übermütigen kleinen Sprung über die Schwelle im himmlischen Gefühl, absolut jung und frisch, spritzig und gesund zu sein. Man fühlt sich selten so gut wie im Altersheim. Und das ist die Moral der trüben Geschichte.
Na ja, nebenbei habe ich einen alten weisshaarigen Kameraden gleich aus diesem Café treten sehen, der vor einem oder zwei Monaten pensioniert worden ist. Und ich hatte den penetranten Eindruck, dass er gelangweilt schon zeitig an trüben Novembermorgen in den Restaurants herumhänge, vielleicht gar zum Alkoholismus neige. Er schien mir sehr gelangweilt und mit leerem Blick, als ob er der Arbeit wie einer rassigen und langhaarigen südlichen Geliebten nachweine.
--
Und draussen vor dem Fenster hat der November Einzug gehalten. Die Stühle und Tische unten im Cafè sind zusammengestellt. Die Blätter der Bäume bedecken den Boden. Es nieselt und ist kühl. Nicht kalt, aber kühl. Und der Wind bringt eine gewisse Unruhe in die ganze Szenierie. Die Leute eilen vorbei und schauen kaum um. Die schönen, warmen, und wie man sie genannt hat "goldenen" Oktobertage sind endgültig vorbei. Man kann im Städtchen wieder heisse Marroni kaufen. Kennt ihr sowas in Schweden? Es sind diese, auf offener Kohle gegrillten Edelkastanien, die bei diesem Wetter heiss so gut schmecken. Sie sind in den letzten Jahren wieder in Mode gekommen, während es in meiner Jugend ein Arme-Leute-Geschäft war, sowas zu verkaufen.
---
Ich danke Dir für Deine Wünsche. Sie wackeln immer noch knallrot vor meinen Augen. Und ich bin sicher, sie werden mich im kommenden Winter wie ein Antidepressivum begleiten und zu grossen Taten wie die oben erwähnten Schwellensprünge antreiben.
Mit einem Novembergruss
...
Samstag, 6. November 2010
Prost!
Datum: den 6 november 2002 19:35
Lieber ...,
Ich weiss nicht ob du meine musikalische Huldigung erhalten hast. Ein "Happy birthday", gesungen von Giraffen ist gerade genug originell für einen Mann wie du. Ein bisschen enttäuscht war ich doch darüber dass man es nicht hören konnte. Aber uns fehlt ja nicht die Fantasie ;-)
...
Ach!? In aller Welt hat man dich gefeiert heute? Du bist wirklich ein Glückspilz. Ich bin froh wenn sich die allernächste Verwandschaft an meine grossen Geburtstage erinnert. Aber wenn ich ehrlich sein soll so muss ich sagen dass auch ich mich nur um die Geburtstage in der Familie kümmere, d.h. von Mann, Kind und .. Ein bisschen schäme ich mich natürlich dass ich nicht so bin wie meine verstorbene Cousine, die sich immer an alle Verwandten erinnerte und auch mir ständig die unmöglichsten Dinge schickte. Ach, wie sehr ich sie vermisse!
Ich hab wieder auf die webcam geschaut und auch festgestellt dass Petrus wahrhaftig an dich gedacht hat. Und endlich hatte man die roten Fahnen entfernt, die so lange das schöne Gässchen verdeckt haben. Bei uns dagegen flaggt man heute überall - wegen dir und wegen Gustav II Adolf. Die richtigen Patrioten essen sogar an diesem Tag ein spezielles Gebäck zu seinem Andenken.
Sag wie ist es denn mit den Uhrzeiten bei euch? Die Uhr auf der webcam hatte man nicht eine Stunde zurückgestellt wie wir es neulich hier getan haben. Bei euch war es noch hellichter Tag während es hier schon ganz dunkel war.
Gern würde ich jetzt mit einem guten Wein mit dir anstossen aber ich kann nicht eine ganze Flasche öffnen nur wegen einem Gläschen. So werde ich ein Glas Cognac oder noch besser einen Whisky trinken zu deinen Ehren. Prost, chéri!
Schau mal was man heute um 20.00 Uhr im Fernsehen (TV 2) zeigt:
Ein Dokumentarfilm: Marlenes 6 Gesichter
Ein persönlicher Dokumentarfilm von C.C. über eine kanadensische Frau mit einer multiplen Persönlichkeit. Eine emotionelle Reise von Schweden nach Kanada die mit einer Begegnung im Internet beginnt und mit Liebe endet. Wir begegnen Marlenes sechs verschiedenen Persönlichkeiten und deren verschiedene Einstellung zum Leben.
Mein Mittagessen (wir essen middag am Abend) ist nun fertig.
Wünsche dir noch einen schönen angenehmen Abend.
Mit lieben Grüssen
Marlena
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