Dienstag, 31. Januar 2017

Morgen fliegen wir ...


Ämne: miwo
Datum: den 26 november  15:25


Liebe Malou
Es ist nebelig heute morgen. Der Nebel liegt zwar nicht so dicht, wie wir das jeweils in Olten hatten. Dort war er eine dicke Suppe. S war schockiert davon und ich liebte ihn manchmal sogar. Na ja, nicht wochenlang, aber vielleicht einen Tag oder zwei. Wenn man im Nebel geht ist die Welt irgendwie verzaubert. Alles klingt so nah. Man fühlt sich auf eine merkwürdige Weise über die Ohren mit allem verbunden, obwohl es nicht sichtbar ist. Die Stadt wirkt dann klein. Und man erinnert sich an den Londoner Nebel, von dem die Lehrer gesagt haben, er wäre so dicht wie nirgendwo sonst auf dieser Welt. Lenzburg hat auch viel Nebel. Und oft am Sonntag, wenn hier herrlichstes Herbstwetter strahlt, ist es in Lenzburg dumpf und dunkel. Wir haben Glück hier in der Region Basel. Wir liegen eben nördlich des Juras. Und das ist eine Gegend, wo schon dir Römer viel Wein angepflanzt hatten.
*
Nun ja, das kann ich mir vorstellen, dass ihr auch in Schweden viele Selbsthilfegruppen habt. Meine Frage bezog sich mehr auf diese Institution, die behilflich ist, solche zu gründen und zu unterhalten. Na ja, bestimmt seid ihr im sozialen Schweden schon viel weiter als wir hier oben in den Alpen, wo wir doch mehr mit Kühen als mit Menschen beschäftigt sind.

Morgen fliegen wir nach Tschechien ab. Einer ist noch krank geworden und kann nicht mitkommen. Ich hoffe, wir können viel sehen vom Land und den Leuten, und wir sitzen nicht bloss an grossen Tischen herum und essen uns den Bauch voll. Ich glaube, sie essen und trinken gerne, dort drüben. Und sie sind beispielhafte Europäer, die die amerikanische Politik noch viel treuer und folgsamer unterstützen als wir es tun. Nun ja, sie haben eben den Kommunismus mitgemacht und denken, der Kapitalismus Amerikas sei das versprochene Paradies. Wenn ich Zeit habe, will ich mich noch etwas mit dem Land beschäftigen. Vielleicht ein bisschen Geschichte nachlesen, die Geographie nochmals überblicken. Die Leute mögen es immer sehr, wenn sie merken, dass jemand ihr Land ein bisschen kennt. Im Jahre 1990 war Vaclav Havel bei uns in der Schweiz. Der hat in Zürich einen Preis bekommen und Dürrendmatt hat eine denkwürdige Rege gehalten. Er hat darin die Schweiz mit einem Gefängnis verglichen. Und das fiel bei unserer Classe politique gar nicht auf genehme Ohren. Ich war damals ziemlich begeistert von dieser Rede. Aber damals war ich auch noch ein begeisterungsfähiger Jüngling. Ich werde sie nochmals lesen und sehen, was übrig bleibt.

Deine Arbeit mit dem Teppich tut mir leid. Das sind die Zusatzarbeiten, die auf einen zukommen, ohne dass man darauf gewartet hat! Und dann kann man stundenlang arbeiten, und zum Schluss ist man soweit wie anfangs. Weshalb hast Du das nicht K machen lassen? Männer sind in diesen gröberen Bereichen ziemlich geschickt, musst Du wissen.

Wir sind hier nicht verpflichtet, Winterreifen zu benutzen. Das heisst, es ist unsere eigene Verantwortung. Wir lassen sie in den nächsten Tagen montieren. Aber es sind nur einige wenige Wintertage, an denen man sie hier wirklich braucht. Das Problem ist, dass man diese Tage nicht voraussehen kann. Plötzlich liegt Schnee und du kannst es nicht umgehen, mit dem Wagen zu fahren. Dann kann es gefährlich werden. Vor allem, wenn man dann noch über die Berge nach Laufen fährt. Aber unten im Tal bleibt der Schnee jeweils nur stundenlang liegen. Dann ist alles wieder aper. Im Wallis gab es jeweils länger Schnee,, und vor allem in schattigen Seitentälern konnte er monatelang liegen, tagsüber schmelzen und nachts gefrieren. Dort waren Spikes sehr nützlich. Aber auch im Wallis, so glaube ich, gab es kein offizielles Gebot für Winterpneus. Ich weiss nur, dass es nicht erlaubt war, die Spikes zu lange zu benutzen, weil man mit ihnen die Strassen beschädigen konnte. Deshalb musste man sie etwa Ende April wieder demontieren.

13.40h
Ach, gerade merke ich, dass ich noch gar nichts abgeschickt habe. Es ist jetzt schon früher Nachmittag und unterdessen hat sich der Himmel aufgehellt. Es ist wolkenlos schön und mild. Man könnte drüben wieder im Café auf die Strasse sitzen. Aber natürlich tut das niemand mehr, denn alle Tische und Stühle sind schon weggeräumt.

Heute Nachmittag ist eine auswärtige Veranstaltung ausgefallen. Ich liebe Leute, die ihren Termin bei mir absagen über alles. Das ist immer eine freudige Überraschung, weil man dann ein bisschen Luft kriegt. Wenn es in letzter Minute geschieht, bekommt man eine Pause geschenkt. Und wenn man etwas mehr Zeit hat, um umzudisponieren, dann kann man sich in der freigewordenen Zeit Aufgaben vornehmen, die vorher liegen geblieben sind. Aber es gibt immer noch mehr Aufgaben, als man bearbeiten kann. Einiges bleibt also liegen, wie auch immer. Man muss sich daran gewöhnen. Und die Leute sagen schliesslich, wenn es sie selbst betrifft und sie enttäuscht sind: das ist die Beamtenmentalität.

Und jetzt muss ich wieder dran. Sonst haben sie doch noch recht mit der Beamtenmentalität.

Ich wünsche Dir einen schönen Abend.
Mit lieben Grüssen

...

Montag, 30. Januar 2017

Gutenachtmail..


Ämne: Gutenachtmail..
Datum: den 25 november 23:59

"Und natürlich hatte ich dort viel Zeit zum mailen. Du hast von allen die längsten erhalten. Ich hoffe sehr, dass Du Dir dessen bewusst bist."


Lieber ...,

Ja, ich bin mir dessen bewusst. Ich glaube ich habe nicht nur die längsten sondern auch die schönsten Mails erhalten und ich liebe dich dafür. Ich hatte mich doch auf eine lange Abstinenz eingestellt und ich war freudig überrascht und glücklich über jedes Mail von dir. Am liebsten wäre ich gleich zu jemanden gegangen und hätte sie vorgelesen, so schön waren sie. Deine Schilderung von NY war so lebendig, dass ich fest überzeugt bin, dass ich das Herz der Stadt besser kennengelernt habe, als wenn ich selbst als Tourist dort gewesen wäre.
*
Heute war ein schrecklich grauer Tag. Fast habe ich das Gefühl, dass meine Seele davon grau angelaufen ist. Ich glaube es braucht ein scharfes Mittel um sie wieder sauber zu kriegen. Aber leider, das einzige was es hier noch gibt, sind ein paar Tropfen Vodka, dieses barbarische Getränk.
Warum ich gerade auf solche Reinigungsmittel komme werde ich dir erzählen. Ein Detail aus meinem grauen Alltag.

Gestern abend rief K plötzlich laut. Er übertreibt immer ein wenig wenn was los ist, so ungefähr in Richtung Weltuntergang. Und als ich kam, um nachzusehen was los war, sah ich dass sich die Gummiseite des Teppichs im Badezimmer aufgelöst hatte von der Wärme im Fussboden und nun dort klebte und kaum zu entfernen war. Ich habe es mit allen Mitteln versucht und es wollte nicht verschwinden. Allzu starke Lösungsmittel wagte ich nicht zu verwenden, weil sie sicher den Fussboden beschädigt hätten. Aber mit viel Mühe habe ich es doch schliesslich so einigermassen hingekriegt.

Ich liebe diesen warmen Fussboden. Wenn ich früh am Morgen mein warmes wohliges Bett verlassen muss, ist es immer ein herrliches Gefühl das Badezimmer hier unten zu betreten. Der erste Freudenkick des Tages. Der nächste ist der Kaffee in der Küche und dann warte ich auf den dritten. Diese kleine 1 in meiner Mailbox, die mir ein paar schöne Minuten mit meinem Mausfreund verspricht. Aber das kommt dann etwas später. Und so gehe ich getrost an meine Pflichten.

*
Jetzt fahre ich mit Winterreifen. Eigentlich mag ich sie nicht so sehr, denn man hört sie. Ich möchte lautlos durch die Gegend gleiten. Aber sie sind notwendig und ab Ende der Woche auf Pflicht. Bist du auch gezwungen mit Spikesreifen zu fahren?

*

Doch sicher haben wir auch ähnliche Institutionen für alle möglichen Leiden wie bei euch, aber ich kenne mich nicht genug aus um darüber sprechen zu können. Am bekanntesten sind wohl die AA (Anonyme Alkoholisten), die sich auch gegenseitig stützen und helfen ihre Last loszuwerden. Du nennst auch Beziehungsabhängige. Ich frage mich, ob ich vielleicht schon zu denen gehöre. ;-)

*

Deine Last kenne ich schon. Aber Schokoladepralinen finde ich gehören zu den angenehmen schönen Lasten, die durchaus erlaubt sind. Ich könnte ihnen gut verfallen, wenn ich welche in der Nähe hätte. Ach, es gibt viele Lasten, die ich mir gern zulegen würde, wenn es möglich wäre. Und wenn ich mich frage, was mich daran hindert, so komme ich doch immer zu der Antwort: ich selbst. Wie kommt es, dass "etwas wollen" und "es sich erlauben" zwei verschiedene Sachen sind? Bin ich ein so unmoderner Mensch?

Ach, ..., du brauchst nicht darauf einzugehen. Ich frage nur so in die Luft hinaus. Ich glaube auch garnicht dass man das so ohne weiteres beantworten könnte.

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Jetzt werde ich gleich den Videorecorder anstellen. Habe K versprochen einen Film aufzunehmen. Gute Filme werden bei uns vorwiegend nachts gezeigt, wenn normale Menschen schlafen.

Ich wünsche dir einen angenehmen Tag
und grüsse dich lieb,
S+K
Marlena


Feierabend Mail


Ämne: Feierabend Mail
Datum: den 25 november 21:09

Liebe Malou
Ach, Dein Tag muss wirklich grau gewesen sein, dass Du so sehr den alten Zeiten nachhängst.
Ich will gleich vorweg die Frage beantworten, bevor sie vergessen und den Bach hinunter ist. Ich maile kaum von zuhause. Ich lese auch keine Mails zuhause. Es geht alles von hier weg und kommt hier an. Hier ist meine Airbase, wenn Du weißt, was ich meine.

Na ja, alle Ehen werden doch mit den Jahren zu Freundschaften. Der freundschaftliche Teil wird stärker und der ekstatische der Liebe wird ein bisschen matter. Dafür steigt der Respekt und die Toleranz. Das ist doch normal und gar nicht so schlecht. Bei uns ist ganz ähnlich. Es wird alles nicht mehr so heiss gekocht.

Interessant, dass Du NY als interessantestes Happening in unserem VL erlebt hast. Das war für mich natürlich mainly RL. Es hat mir dort sehr gut gefallen und ich bin S. dankbar, dass sie mich mit allen Kräften geschickt hat. Ich allein für mich hätte so was kaum gemacht. Na ja, ich habe Dir ja erzählt, wie das alles zustande gekommen ist. Und ich fühlte mich dort drüben so sommerlich leicht und wohl, dass ich nicht weiss, wie es gekommen ist. Bestimmt war es das gute Wetter. Bestimmt auch die Gastgeber, die sehr easy waren. Bestimmt auch der Kurs, der nicht anstrengend, sondern unterhaltsam und entspannend war. Bestimmt auch die paar netten Leute, die ich kennengelernt habe. Und bestimmt auch die schönen Degas, die ich gesehen habe. Bestimmt die gute, fast schon dörfliche Atmosphäre im East Village nahe dem Broadway. Bestimmt auch die vielen Vorurteile, die den dunkeln Hintergrund für die hellen Erlebnisse abgegeben haben. Nun, es ist immer schön, eine neue Welt zu erobern. Ich bin mir sicher, dass Kolumbus mindestens ebenso aufgestellt war.

Und natürlich hatte ich dort viel Zeit zum mailen. Du hast von allen die längsten erhalten. Ich hoffe sehr, dass Du Dir dessen bewusst bist. Walter habe ich etwa eins oder zwei geschrieben, und er war ganz gerührt, dass ich dort drüben an ihn gedacht habe. Und ein paar habe ich an S. geschrieben. Es war in B. Büroraum. Du musst Dir das als mittleres Gewirr vorstellen, zwar aufgeräumt, aber voller Computer Dinge und Gestelle und CDs und so fort. Dort habe ich abends gleich nach dem Kurs mindestens eine halbe wenn nicht eine Stunde gesessen, habe ständig mein Glas aus dem Fridge nachgefüllt mit gekühltem Hahnenwasser und habe das genossen als ob es ein Martini wäre. Es war so warm und durstig damals, und in der Wohnung war es angenehm nach der Dusche. Oft habe ich mir dann auch ein kleines Nachtessen gemacht. Eier waren es vor allem. Ich glaube nicht, dass ich im Leben je so viele Eier in so kurzer Zeit gegessen habe. Morgens zwei und wenn’s hoch kam gleich abends auch noch zwei. Soll ja die Potenz erhöhen, sagt man!

Heute war ich zweimal in Basel. Morgens bei der Akupunktur. War ganz angenehm. Sie begann um 945h und ich konnte dabei noch ein bisschen schlafen. Und nachmittags haben wir uns als Drogenkommission eine Basler Insitution angeschaut. Ich hatte schon oft davon gehört und ein Freund aus dem Club ist dort im Vorstand. Sie haben sich spezialisiert auf Selbsthilfegruppen. Das hat sich entwickelt bei den Alkoholikern und wird dort seit Jahren gemacht, damit sie trocken bleiben. Na ja, eigentlich kann man nicht sagen, es werde gemacht. Sie machen es selbst. Das wesentliche an der Selbsthilfegruppe liegt darin, dass sich die Leute selbst zu helfen versuchen. Die Organisation hilft nur in der Organisation und in der Starthilfe. Ist wirklich eine gute Sache, und es ist bestimmt eine starke Entlastung unseres Gesundheitssystems, welches jedes Jahr teurer und teurer wird. Es gibt Selbsthilfegruppen für Frauen, für Alkoholiker, Angehörige von Alkoholikern, für Drogensüchtige, für Spielsüchtige, für Beziehungsabhängige und einige mehr. Die Organisation macht keine Vorschriften. Die Gruppen bilden sich um ein gemeinsames Interesse, und das ist es, was sie zusammenhält. Ist gut, nicht wahr? Gibt es das auch in Schweden?

Und so ist es jetzt für mich etwas spät geworden. Ich muss mich sputen, um heim zu kommen. Ich wünsche Dir einen schönen Abend.

Mit Grüssen und Küssen
...



Feng Shui?


Ämne: Feng Shui?
Datum: den 25 november  17:28

Lieber ... ,
Ich weiss nicht, ob mein Tag so wunderbar war. Na ja, was kann man schon verlangen von einem grauen Alltag. Grau überall wo du hinsiehst. Nur die Schüler bringen ein wenig Farbe hinein.
Jedenfalls habe ich ihn fast hinter mich gebracht. Es wäre schön wenn man es mit den Tagen machen könnte wie mit Esswaren. Sie ganz einfach für später aufheben, falls man keinen Appetit hat im Moment.

Wenn ich grau sage, dann meine ich wirklich grau. Grauer Himmel, grauer Nebel. Man hat den Eindruck man sieht die Welt durch eine graugetönte Brille.

Manchmal bist du so nahe, dass ich fast meine ich könnte die Hand nach dir ausstrecken und dann bist du wieder weit weg und ich bin fast bereit dir zuzustimmen, wenn du sagst "nur Text und nichts ausser dem Text". Aber vielleicht doch nur "fast".

Ich bin auch stolz darauf mit dir zu mailen. Hätte gute Lust ihm zu sagen: "Du weisst, der Mann damals, der so lustig über Männer am Herd geschrieben hat, er hat neulich... " und damit sagen, dass ich immer noch mit dir in Verbindung stehe. Aber ich glaube nicht dass es ratsam wäre dies K zu sagen, obwohl ich manchmal glaube, dass er es weiss. ---

Es ist lustig, wie du dich an unsere Italobar erinnerst und ich denke, die Erinnerung an ein Erlebnis im VL ist nicht sehr anders als die an ein RL. Ich erinnere mich daran fast als wäre es wirklich gewesen. Ein bisschen lustig auch, dass wir über gemeinsame Erlebnisse sprechen können, als hätte sie es wirklich gegeben. Diese neue Art zwei Leben zu haben ist noch nicht erforscht. Erinnerst du dich, dass wir manchmal bis in die frühen morgenstunden gechattet haben - und dann ganz kaputt waren? Ja, mein lieber Mausfreund, wir kennen uns nicht und doch haben wir eine gemeinsame Vergangenheit.. wie es mir scheint.

Ach, Walter ist wirklich ein prima Freund. Er weiss was dir im Leben fehlt und versucht es dir zu geben. Es ist wohl eine Art "Feng Shui-buch", was du von ihm bekommen hast? Und wie sieht es nun aus in deinem Büro? Hast du dein Heer ordentlich in den Büschen versteckt? Oder warst du vielleicht garnicht dort in der letzten Zeit.

Weisst du, was mir am meisten gefallen hat in unserem bisherigen Mausleben? Es war die Woche in NY.
Es war fast wie eine Art Honey-moon, so entspannt und gemütlich. Nicht einmal dein Flirt mit jungen Frauen hat mich dabei besonders gestört. ;-)

Du willst, dass ich meine Fragen wiederhole. Aber ich will nicht nachsehen, was ich alles gefragt habe. Eins weiss ich aber. Ich möchte wissen, ob du meine Mails auch zu Hause lesen kannst und ob du das manchmal tust. Ich will es wissen, weil ich manchmal denke ich muss ein Mail zu einem bestimmten Zeitpunkt absenden, damit du es noch vor Büroschluss hast. Geht dein Internetanschluss von zu Hause über's Telefon oder habt ihr ADSL? Das letztere haben wir hier. Ich bezahle eine bestimmte Summe pro Monat und kann dafür im Internet sein, so viel ich will.

So, nun lasse ich dich wieder. Je te laisse, mon chéri.
Ich wünsche dir einen schönen Abend,
Marlena



Sonntag, 29. Januar 2017

Hektischer Tag


Datum: den 25 november 09:37

Liebe Malou
Gestern war ein hektischer Tag. Hast Du überhaupt ein Mail bekommen? Ich weiss es nicht mal mehr, ob ich geschrieben habe. Am Nachmittag war ich in Basel. Wir hatten ein Gespräch mit einer Schulleitung. Ich habe einen jungen Mitarbeiter dorthin begleitet. Es war sehr gut. Er hat seine Sache gut gemacht. Und es war auch gut, dass ich dabei war. Wenn man die Sitzung nicht selbst leiten muss, bemerkt man Dinge, die man sonst nicht erfassen würde. So konnte ich ihm etwas helfen bei seiner Aufgabe.
Und anschliessend hatten wir unsere Besichtigung mit dem Club und das Essen. Ich bin zwar zu spät angekommen. Aber es war sehr gut. Es gibt ein sehr gutes Papiermuseum in Basel. Und seit ewig wollte ich mal dorthin, um es anzuschauen. Und das habe ich nun eben gestern Abend zum ersten Mal getan. Ich bin begeistert, na ja, sehr positiv. Basel war ja eine Renaissance Stadt. Nach dem Konzil kam der grosse Aufschwung. Und es wurde viel gedruckt in der Stadt am Rhein. Diese Druckerei, die ziemlich originalgetreu mit Wasserrad an einem Kanal renoviert worden ist, zeigt die verschiedenen Prozesse der alten Papierherstellung. Es muss ein stinkendes und lärmiges Gewerbe gewesen sein. Und die Papierqualität hing vor allem von der Qualität der Kleider der Leute ab. Sie haben ja die alten Lumpen für den Lumpensammer vor die Türe geworfen. Und er hat sie eingesammelt und den Papiermachern verkauft. In Basel war es offenbar ein Italiener, der Besitzer der Mühle war. Na ja, es gab viele interessante Details aus jener Zeit des 15. Jahrhunderts. Und wer wollte, konnte sogar eine Papierseite selbst herstellen. Ich habe ein kleines Exemplar geschöpft mit einem hübschen Wasserzeichen. Allerdings haben sie es dann mit einer Wärmepresse getrocknet, und nicht mit der langsamen Methode der damaligen Zeit. Sonst hätte ich das Essen im Goldenen Sternen verpasst.
Es war ein guter Abend. S. hat noch ihre Freundin mitgenommen. Und wir sassen mit drei anderen Paaren zusammen, deren Männer alle nächsten Donnerstag nach Prag fliegen. U. hat versprochen, dass er uns noch ein Programm schicken wolle.

Und heute werde ich auch viel unterwegs sein. Morgens habe ich eine Akupunktursitzung und nachmittags eine Sitzung in Basel. Das ist gut zur Abwechslung. Die Zeit vergeht schneller, wenn man etwas in der Weltgeschichte herumkommt.

Ich wünsche Dir einen wunderbaren Tag
Gruss


Samstag, 28. Januar 2017

Merci chérie


den 23 november 18:34
Merci chérie


Allerliebste Malou
Ach, Du bist ein echtes Schätzchen. Wenn ich könnte, würde ich Dich von der Scheitel bis zur Sohle abküssen, oder umgekehrt, wenn Du lieber magst. Es ist riesig nett, dass Du mir einen neuen Briefkasten geschenkt hast.
Und die Adresse ist so einfach, dass ich sie gut behalten kann. Ich denke einfach an RE-SOLUTION, oder an REINIGUNGSINSTITUTS-SICHERHEITSVORKEHRUNGEN . ;--)))

Ich habe das Codewort geändert, obwohl wir die Adresse eigentlich gemeinsam gebrauchen könnten. Dann wäre das so wie eine gemeinsame Höhle, so wie damals in der Bar bei Franco, wo wir uns im Halbdunkel bei einem Roten getroffen haben. Oder war es ein trockener Martini? Ach, es waren herrliche Zeiten. Aber jetzt habe ich endlich meine anonyme Adresse, eine Terrasse, von der ich richtig um mich werfen kann. Kürzlich, als ich von jener Homepage die Sagen herunter geladen hatte, hätte ich gerne ein ,Merci' zurückgelassen. Die Autorin war eine junge Studentin, die auch das Gymnasium in Brig im mathematischen Typ absolviert hatte und sich damals wünschte, später in Kalifornien Informatik zu studieren. Aber ich wollte mich nicht erkennbar machen, denn man kennt unsere Familie wohl noch in jener Region.

Du hast Recht, ich war wirklich ziemlich unvorsichtig mit meinem Streuwurf dieser Powerpoint-Version. Aber ich glaube, das ist ziemlich typisch für mich. Ich würde mich niemals zum Detektiven eignen. Ich bin eigentlich viel zu naiv und gutgläubig. Man könnte mir mit halbwegs guten Argumenten die Lidschatten klauen. Aber das macht nichts. Ich glaube - so hoffe ich wenigstens - dass die Welt im Wesentlichen gut und vertrauenswürdig ist. Aber nur ,im Wesentlichen'. An ihren Rändern kann es natürlich auch anders aussehen.
Ich werde diese ,Marlena' für eine akribische, eifrige, jungfernhafte und lebensfremde Lehrerin (darüber hinaus - um das Mass voll zu machen - schwer katholisch) ausgeben, mit der ich quasi geschäftlich, na ja halbgeschäftlich, über PISA und die bedenkenswerten und zweifelhaften Schulreformen der letzten 20 Jahre korrespondiere. Die Leute werden mich bedauern, sie werden mir kondolieren, dass ich mich mit einem solchen Drachen auseinandersetzen muss. Und sie haben keine Ahnung, welch charmante, hübsche, freundliche Person, welche Muse voller Esprit und guter Gedanken sich dahinter verbirgt.

Na ja, wir werden sehen. S. hat ein scharfes Auge und wird schon ihre Überlegungen machen.

Aber weißt Du, liebe Malou, ich habe kein besonders schlechtes Gewissen. Ich schreibe hier mein Tagebuch und viele von meinen Überlegungen und Gedanken sind zu meinem eigenen Vorteil. Und es ist nur gut, dass mich dazu jemand inspirieren kann. Und darüber hinaus bist Du eine feine Person. Ich meine, Du bist keine zweitklassige Nummer, über die und die Beziehung zu ihr sich irgend jemand schämen müsste. Na ja, ich kann es nicht so gut erklären. Doch viele Männer würden ihre Untreue ganz ähnlich erklären. Tampis! Aber wir sind auch nicht mehr im letzten Jahrhundert. Die Liebe ist eine vielfältige Sache geworden, eine millefeuille sozusagen. Das ist im Deutschen eine Crèmeschnitte. Lustiger Vergleich, nicht wahr?

Ich wollte heute Abend in meinem Büro noch ein bisschen aufräumen. Walter hat mir zum Geburtstag ein Buch geschenkt mit dem Titel ,Simplify your life'. Dort wird behauptet, der erste Schritt bestehe darin, das Büro in Ordnung zu bringen und die Papiere verschwinden zu lassen. Na ja, das hast Du mir in einem einzigen Satz auch schon empfohlen. Aber ich muss doch, wenn ich schon mein Leben nicht vereinfachen kann, dem Walter eine kleine Freude machen, sozusagen in Dankbarkeit.
Na ja, das ist etwas spassig gesagt. Es ist wirklich so, dass man sich leichter fühlt, wenn das Pult leer ist und die Dinge nicht ungeordnet herumliegen. Aber ich kann nicht bloss aufräumen. Ich muss meine ganze Lebensphilosophie umbauen. Das ist ein grösseres Manöver. Verstehst Du das? Bestimmt verstehst Du das. Manchmal, wenn ich abreise, habe ich das starke Bedürfnis dieses oder jenes Buch mitzunehmen, so als ob sie meine Beschützer wären. Und die vielen Dinge und Bücher und Symbole in meinem Büro sind sozusagen meine Beschützer. Sie sind meine Armee. Meine Armada, mit Hilfe derer ich jeden Tag neu in den Krieg ziehe. Na ja, in die Schlachten. Ich werde meine Armeen wahrscheinlich nicht wegwerfen, sondern bloss hinter den Bergen und in den Wäldern verbergen, so wie das ein echter General auch tun würde.

Ich wünsche Dir einen superfeinen Wochenanfang
Mit lieben Grüssen
..

Neue Adresse


Subject: Neue Adresse..
Date: Sun, 23 Nov  12:08

Lieber ...,

Hier hast du eine neue Hotmailadresse für deine privaten Dinge. Das Password ist dasselbe wie bei fotofolder.

RS_priv@hotmail.com

Das Kennwort musst du dann selbst sofort ändern, damit ich nicht reingehen kann.

Grüsse dich lieb und wünsche dir schöne Stunden mit Onkelchen.
Malou

Du hast Recht


den 23 november  10:49
Re: SoMo


Liebe Malou
Ja, Du hast Recht (wie fast immer), das war ein unvorsichtiger Rundumschlag mit diesem Powerpoint-Programm. Aber tut nichts. Die Frage ist eher, weshalb Du eine solch verdachtserregende Adresse führst? Normal wäre so etwas wie Malson oder ähnlich. Na ja, ich bin ja auch nicht besser. Ich habe meinen vollen Namen herausgegeben. Und das sollte man eigentlich nicht. Ich habe schon oft daran gedacht, es zu ändern, aber ich weiss - ehrlich gesagt - nicht, wie ich das anpacken sollte.

Malou finde ich grossartig als Namen. Das -ou am Schluss macht ihn ein bisschen erotisch, nicht wahr, weil französisch, der Sprache der Liebe. Er ist so süss wie eine Likörpraline. Und davon kann ich kaum genug kriegen. Du weisst ja, wer Sorgen hat, hat auch Likör, wie Wilhelm Busch sagt.

Ich muss noch ein paar kleine Dinge erledigen, bevor wir zu Onkelchen fahren. S. hat sich gestern im Fitnesscenter eine Muskelzerrung zugezogen. So weit treiben sie es mit der Fitness. Da lobe ich mir meine enorme Zurückhaltung in diesen Dingen.

Ich wünsche Dir einen wunderschönen Sonntag.
Liebe Grüsse
...

Sonntag morgen



Ämne: SoMo
Datum: den 23 november 10:32

Lieber ...,
Vielen Dank für den Walliserdialekt. Du wirst lachen, aber ich glaube ich hätte ihn verstehen können (jedenfalls das meiste) auch ohne Übersetzung. Aber es wäre schön auch zu hören wie das klingt.

-

Was ich dir noch schnell sagen wollte. Du wirst dir etwas ausdenken müssen, wenn man dich fragt wer marlena ist auf deiner Mailadressliste, die du mit deinem schönen Bildspiel an alle geschickt hast.
Achwar das nicht etwas unvorsichtig?
Na ja, du wirst dir sicher was gutes und glaubwürdiges ausdenken.

Ich grüsse dich lieb und schick dir ein bisschen Winter,
Marlena

Wallisärtiitsch - Sage aus dem Netz



den 22 november  19:45
Walliser Sage aus dem Netz


Wallisärtiitsch:
Bischtraftä Ubermüät

Wiä hizutagsch, so hets eu frijär ubermüätigi Nachtpurschtä gigä wa me an beschi Streicha wa an iru Pflichtä gideicht hent. Ä settigä Purscht het bischlossu ämal iner a Nacht zwei Meitjä z erchlipfu wa im Summer uf der Melchflüäh, enera chlinu Privatalpa va Rande, ds Vieh pflegunt. Är het äs längs, wissus Hämli agleit und isch so als Totä verchleidut bis vor di Hittutiri gangu und het durch du nächtlich Spuk die beidu Meitjä gängschtigt. Mit unheimlich brummundär Schtimm isch är um d Hitta gschlichu und het so schtarch an d Wänd gipolut, dass d Hitta erbibinut het. Frili sind die furchtsame Techtra erchlipft, hent änandrä umschlunge und üs lütär Angscht zer Müttär Gottes um Hilf gibätut; der Nachtbuäb het schi aber nu me erschroku.
Wan är schich nämlich umglüägut het, isch mu äs hochs, driibeinigs Ross mit du ma grossu glijundu Äug uf dr Stirna vam Hohliächt entgägucho. Schnäll het är ani Porta klopfut und um Ilass gibitut, aber die beidu Meitjä hent sus nit gwagt, mu üf z tuä, obwohl schi inu an är Schtimm ärkennt hent, wil schi vor dum Nachtbüäb und dum Boozu Angscht hent ka. Ds Ross isch immer neechär cho und schiis Schnäubu isch so lüt wordu, dass dr Gängschtigtu gmeint het är wärde mit der Hitta zämu wäggiblasu. In tiäfer Todesangscht het är mit Gwalt die Porta üfgschlagu und het küm no Ziit ka, schich mit Wiihwassär ds Kriiz zmache wa ds Ross scho uf der Türschwella gschtandu isch und mu zugriäft het: "Hitu bisch mär no entgangu wil di Ziit hesch ka dr mit Wiihwassär ds Kriiz zmache. Äs zweits Mal wirscht aber där verdiäntu Schtraf fer dinu nächtlich Unfuäg nit entgah!" Dadrüf isch ds Ross verschwunde und dr Purscht soll schi va de efort bekeert ha.

den 22 november  19:47
one more, mit Übersetzung


Der Geiger nach dem Tod

Ein Bauer, der sehr dem Trinken ergeben und Geiger war, forderte vom Wirt, seinem Gevattermann, noch eine Mass Wein. Es soll sich dies in Visp zugetragen haben.
"Bring mir noch eine Mass Wein!" sagte der Bauer.
"Du hast ja schon genug", gab ihm der Wirt zur Antwort.
"Um Gottes Willen bring mir noch eine Mass Wein, ich will dir nach meinem Tode dafür spielen." - "Gut", erwiderte ihm sein Gevattermann, "wenn du mir nach deinem Tode eines dafür aufspielen willst, so will ich dir noch eine Mass holen; aber dass du dein Wort hälst." - "Ja, wenn Gott es zulässt, so werde ich mein Wort halten."
Eines Abends spät in der Nacht, als der Wirt allein im Zimmer war, hörte er draussen vor dem Haus einen recht lustigen Tanz auf einer Geige spielen. Als er einen Augenblick voll Bewunderung zugehört, ging er hinaus, um zu sehen, wer es sei. Aber weder er noch seine Leute konnten den Spielmann finden. Am andern Tag kam die Nachricht, sein Gevattermann, der Geiger, sei in der letzten Nacht, und zwar um die gleiche Stunde, da er in seinem Zimmer den lustigen Tanz hatte spielen hören - gestorben.

Wallisärtiitsch:
Där Giigär na dum Tod

Än Püür wa sehr gäru gitrüchu het und Giigär isch gsi, het du Wirt üfgfordrut, in noch äs Mass Wii z bringu. Das soll in Vischp passiärt sii.
"Bring miä no äs Mass Wii!" het dr Püür gseit.
"Dü hesch ja scho gnüäg", het mu dr Wirt gantwortut.
"Um Gottes Willu bring miä noch äs Maas Wii, ich will diär eu nach minum Tod därfir eis spilu." - "Güät", het der Wirt schinum Gvatterma erwidrut, "wenn Dü miär nach dinum Tod eis spilu willscht, so will ich diär noch äs Mass holu; abär dass miär diis Wort ja tüäscht haltu!" - "Ja, wenn Gitt sus zuälaat, so will ich miis Wort haltu."
Eis Abundsch spaat inär Nacht wa dr Wirt alleinzig uf schinum Zimmär isch gsi, het är üsina vor dum Hüüs än rächt luschtige Tanz uf där a Giiga keert spilu. Nachdem är äs momäntji voller Biwundrig zuglost het, isch är nach üsina gangu um zerfaaru, wer da schpilt. Abär wäder äs sälbscht no schini Liit het epär chänu findu. Am andru Tag hensch d Nachricht bärcho, das dr Gvatterma, der Giigär in är letschtu Nacht um di Schtund, wa der luschtig Tanz z keeru gsi isch, gschtorbu.

Weekendmail


den 22 november 12:15
Weekendmail


Liebe Malou

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Ja, der Apfel! Ich glaube, Jona Gold kenne ich auch. Aber ich bin nicht so bewandert in Apfelfragen. Sie sind ja eigentlich Rosenblütler, botanisch gesehen, nicht wahr? Sie sind - mit anderen Worten - von einer sympathischen und guten Familie. Ich habe kürzlich einen Artikel überflogen, der besagt, dass es in der Schweiz noch 400 Apfelsorten gibt. Man versucht, ihre Gene zu sammeln und aufzubewahren. In den Läden findet man dann aber bloss mehr 5 oder 6 verschiedene Sorten. Aber, das muss man zugeben, meist schauen sie ziemlich schön und gross und appetitlich aus. Und die modernen Menschen essen sie ja bekanntlich mit den Augen.

Ich habe ein paar lustige Assoziationen zum Apfel, mal abgesehen von demjenigen Evas. Ich vermute, es muss auch ein James Grive gewesen sein, den unser Evchen damals ihrem Adam unter die Nase gehalten hat. Ich denke nicht, dass sie ihn mit einer Zwetschge herumgekriegt hätte … Höchstens mich. Aber eine Zwetschge kann man auch nicht auf diese Art abbeissen. Das Mac Symbol des abgebissenen Apfels ist perfekt. Ich hatte mich sogar einmal durchgerungen, eine Neujahrskarte zu zeichnen, auf der nur ein Apfelkerngehäuse (ich kenne den hochdeutschen Begrifff dazu nicht, nur denjenigen in Dialekt) zu sehen war, rundum abgebissen. Graphisch sah das gut aus. Ich war begeistert. Aber semantisch, vom Sinn her, waren die Leute etwas irritiert. Doch ich war im Recht, das alte Jahr war wirklich aufgegessen.

Die Perser haben, wenn sie heiraten, ein Tischtuch auf dem Boden, ein Trauungstuch, wie sie sagen. Das brauchen sie ebenso am Neujahrsfest. Und es ist eine alte Sitte, beim Jahresübergang am 21. März darauf 7 Schalen mit 7 verschiedenen Dingen zu stellen, die mit dem Laut S beginnen. Dazu gehört der Apfel = Sib, als Symbol für die Gesundheit. Daneben gibt es Sir = Knoblauch, Serke = Essig, Samano = Getreidebrei, Sabsi = Pflanzenkeime, Gemüse, Sekke = Geld, Senjed = Nüsse, und schliesslich noch Somaq = ein rotes Gewürz. Kurz und gut: auch die Perser wissen von der Gesundheit des Apfels. Nebenbei gesagt gehört auf das Tuch darüber hinaus ein kleines Wasserbecken mit einem Goldfisch. Er ist das Symbol des reinen Glückes. Und - wenn er denn gut erzogen ist - soll er sich im Moment des Jahresübergangs völlig still im Wasser halten, um dann das neue Jahr mit einer abrupten Kehrtwendung zu beginnen.


Den Begriff Stedhal Syndrom habe ich weder in meinem psychologischen noch im medizinisch-klinischen Wörterbuch gefunden. Vielleicht ist es ein literarischer Begriff. Wenn ich mal Zeit habe, werde ich in meiner Stendhal Biographie nachlesen. Er war wirklich krank und stand unter Medikamenten. Wenn er in Florenz darnieder gesunken sein soll. dann vielleicht wegen einer Frau auf dem Bild ;--)



Ja, Bob Kennedy, hast du gesehen, wie er mir ähnlich sieht, oder besser, ähnlich gesehen hat? Ich erinnere mich bloss, wie ich damals, in jenen Jahren, erfreut darüber war, dass Leute eine solche Ähnlichkeit sahen. Und ich war mir ziemlich sicher, dass Robert noch besser aussieht als John F. Ich glaube, es waren Stirn und Augenstellung, in denen ich diese Verwandtschaft sah. Und dann vielleicht noch eine ähnliche Art, das Haar zu schneiden, wie man es eben zu jener Zeit getan hat. Aber sonst hatte ich bestimmt nicht viel von ihm. Ausser vielleicht, dass ich damals bei den Mädchen ziemlich erfolgreich war. Na ja damals, im erzkonservativen und katholischen Wallis, was war da schon Erfolg? Du kannst es Dir nicht vorstellen. Es war ein clin d’oeuil, mehr nicht. Aber man spürte es, und man konnte tagelang davon leben.

Wir haben diese Dinge in Amerika mitverfolgt. Es war irgendwie auch der Beginn der Medien, der Live Sendungen. Und meinem Freund H, dem Sohn des Gouverneurs des Kanton Wallis, habe ich immer wieder gesagt, seine Familie seien die Kennedys des Oberwallis. Er hat bescheiden ab gewunken, aber es hat ihn schon gefreut, diese Bemerkung zu hören. Sein Vater war gross und schlank und sehr stattlich. Und er hatte eine schöne Frau, französisch sprechend aus dem Mittelwallis. Und seine jüngere Schwester mochte ich sehr gut. Sie ist ja heute die Patin von B.

Ach, diese schönen Zeiten sind nicht mehr …


Theodor Storm :

Sie war doch sonst ein wildes Blut,
nun steht sie tief im Sinnen,

trägt in der Hand den Sonnenhut und duldet still der Sonne Glut
und weiss nicht, wo beginnen:


… das macht, es hat die Nachtigall die ganze Nacht gesungen;
da sind von ihrem süssen Schall,
da sind in Hall und Widerhall die Rosen aufgesprungen.



So ungefähr muss das Gedicht Storms aus der Sekundarschule geklungen haben. Es hat mir immer sehr gut gefallen, vielleicht wegen diesem wilden Blut mit dem Sommerhut ??

Wenn ich tiefer in mein Gedächtnis zurückgehe, muss ich zugeben, dass ich mich damals im Gedicht fragte, weshalb sie eine Frau sei, und nicht ein Mann. Ich konnte mich gut hineinfühlen in einen solch warmen Sommermorgen und war sozusagen ein bisschen neidisch, dass man diese Sensibilität nicht einem Mann zutraute. Aber heute denke ich, Storm hat schon richtig gewählt. Wenn man sich das Gedicht anhört, sieht man vor sich ein impressionistisches Bild mit einer Frau in einem hellen Sommerkleid, einem Hut und einem strahlenden blauen Himmel. Ungefähr so, wie sie Mary Casatt oder Berthe Morisot, die beiden grossen Impressionistinnen gemalt haben.

Daher vielleicht meine romantische Liebe zur Nachtigall. Und im übrigen: sie ist doch ein sehr mystischer Vogel!


Aber wir sind thematisch ja schon bei den Adventkränzen und beinahe bei Weihnachten. Es ist eine schöne Tradition, einen solchen Kranz zu haben. Aber es macht viel Arbeit, weshalb die Leute so was heute im Laden kaufen. S hat in den letzten Jahren angefangen, so was selbst zu machen. Aber sie macht nicht einen Kranz, sondern eine grosse Schale mit Zweigen und 4 Kerzen und anderen dekorativen Dingen. Wir bringen jedes Jahr auch Onkelchen so ein riesiges Ding mit. Und bei ihm muss man ja auch darauf achten, dass es nicht in Brand gerät. Ein traditioneller Kranz ist in dieser Hinsicht vielleicht ein bisschen riskant.


Ich glaube, ich habe viel geschrieben heute. Und trotzdem nicht alle Fragen beantwortet. Na ja, Du musst sie nochmals stellen.


Mit einem lieben Kuss

...




Freitag, 27. Januar 2017

Re: 00:23


Ämne: Re: klar00
Datum: den 22 november  00:23

Lieber  ...,

Das freut mich natürlich sehr, denn ich möchte gern die einzige sein in deinem Mausleben. Macht doch nichts wenn ein Mail doppelt kommt. Ist mir auch schon passiert, dass ich statt auf "close" nochmals auf "send" klicke und voilà.. mein Mausfreund wundert sich ob ich schon dabei bin senil zu werden. ;-)

Lieber Gutenachtgrüsse
Marlena

Treu und vertraulich


den 21 november 14:01
Klar00


Liebe Marlena
Siehst Du, vielleicht ist das schon die Altersschwäche, dass ich Mails mehrmals in der Welt herumschicke. Aber ich bin froh, dass ich in meinem senilen Zustand nicht auch gleich die Adressen verwechsle, dass ich die Mails für Marlena an Natalie schicke, und jene Natalies an Schirine, die dann wiederum für Roselina herhalten müsste. Das wäre der absolute Weltkrieg, nicht wahr? Man könnte daraus eine hübsche Geschichte schreiben. Die Mailerei ist ja eine heikle Sache, was die Adressen betrifft. Allzu leicht trift man daneben. Und wenn sie all die Damen solidarisieren, würde ich mit dem Rücken zur Wand stehen.

Aber Du weisst sicherlich, dass ich nur scherze, und dass meine Mailgemeinde nicht 4 Freundinnen umfassen kann. Ich sage das hier und jetzt, weil ich glaube, Du hast ein misstrauisches Auge auf Nachbarschaften. Aber wenn man die Sache offen und sachlich betrachtet, muss man doch feststellen, dass ich niemals soviel Zeit hätte, an eine zweite oder dritte Mailfreundin zu schreiben. Allenfalls könnte ich die Mails kopieren und vielleicht Namen und Umstände ändern. Wundervolle Idee, habe ich aber noch nie probiert.

So schreibe ich denn eben treu und vertraulich an meine Mausfreundin im hohen Norden. Und manchmal schicke ich sogar zweimal dasselbe Mail. Sozusagen als destillierte Dosis.

Mit einem allerschönsten Gruss
...

Regentropfen ...



Ämne: Regentropfen..
Datum: den 21 november 11:24

Liebster Mausfreund,
Lass mich gleich zuerst sagen, dass ich mich nicht an deinen neuen Namen gewöhnen kann. Er klingt brutal.
Leider ist die Sonne hier sofort wieder verschwunden. Heute ist grau und regnerisch. Hundewetter. Warum nennt man es so? Kein Hund will in diesem Wetter vor die Tür.

Schön, dass ich gestern nichts verpasst habe. Ich meine bei eurem Weekly. Finde es süss, dass euch Lili ihre Spielsachen bringt. Warum eigentlich muss dieser fremde Mann ihr Herrchen stehlen? Das erinnert mich, als ich in Frankreich mal von einem "petit ami" zu Hause abgeholt wurde. Die kleinen Mädchen brachten schnell alle ihre Spielsachen hervor um sie ihm zu zeigen. Und als wir gingen erklärte die kleine Susie: "Quand je serai une grande fille, moi aussi, je veux "geh mit" avec les grands messieurs." Sie versuchte ein wenig deutsch einzumischen, damit ich es besser verstehen sollte. ;-)
*
Ja, vielleicht können wir etwas lernen von der älteren Generation. Klug dein Onkelchen! Übrigens mag ich die Äpfel genau so wie du. Sie dürfen absolut nicht "mehlig" sein und sollen auch eine frische Säure haben. "James Grive" ist meine Lieblingssorte, die ich bei uns im Garten pflücken kann, aber leider kann man sie nicht längere Zeit aufbewaren. So kaufe ich mir jetzt "Jona Gold". Die wären auch nach deinem Geschmack.
*
Diese "Stendhals Syndrom" ist zum ersten mal im Jahre 1982 medizinisch diagnostiziert worden. Der Namen kommt von Stendhal, der ähnliche Dinge beschrieben hat, die er 1817 während seines Besuches in Florens erlebt hat. Die Krankheit wird vom Betrachten der Kunstwerke in Florens ausgelöst. Eine psychische Unbalanze. Jeden Monat wird dort ein Patient mit diesen Symptomen in die Psychiatrische Klinik eingewiesen.
*
Ach, du willst eine Nachtigall in deinen Garten locken? Das ist aber eine lustige Idee. Dort wo K wohnt, gibt es in der Nähe seines Hauses einen kleinen Hügel mit Bäumen und Büschen und wenn er im Frühjahr bei offenem Fenster schläft, (oder versucht zu schlafen) hält ihn die Nachtigall wach mit ihren scharfen durchdringenden Tönen. Ich habe die Nachtigall gehört und gesehen im Schilf am Meer, als ich in Estland war. Es ist etwas besonderes, die Nachtigall zu hören. Das gebe ich zu.
*
Der Film gestern handelte nur von Bob Kennedy. Ich glaube ich muss die erste Sendung über John F. K verpasst haben. Also hatte ich grosse Möglichkeit deinen Doppelgänger zu studieren. Ja, ihr seid euch ähnlich. Aber ob auch in Grösse, Figur und Bewegungen, das weiss ich leider nicht.

*
Ich muss zurück an die Arbeit. Wünsche dir einen schönen Tag,
mit lieben Grüssen,
Malou

Äppfel, Nachtigallen und Sport





den 21 november  09:38
an apple a day ...

Liebe Marlena

Gestern war hier ein schöner sonniger Tag, wie auch Du ihn hattest. Und heute scheint es wieder ganz ähnlich zu werden. Und die Fahrt über die Juraberge war prima. Du hast recht, ich muss ein bisschen vorsichtig sein. Wenn ich knapp an Zeit bin, fahre ich so schnell wie möglich. Und das ist auf der kurvenreichen, teilweise steilen Strasse wunderbar. Doch ich glaube, das Risiko ist höher, wenn ich gemütlich fahre und in Gedanken abschweife. Ich könnte so mit Leichtigkeit über ein Rotlicht fahren, ohne mit der Wimper zu zucken. Glücklicherweise gibt es dort oben keine Rotlichter. Das ‚Rotlichtmilieu’ ist bei uns anderswo…;--)) Doch glaube ich nicht, dass es tagsüber schon Eis auf der Strasse hat. Na ja, vielleicht morgens in der Früh ist es möglich auf dieser Höhe.

Ich geniesse es einfach, durch diese ländliche Gegend zu fahren. Das Leben läuft dort noch so langsam ab. Man kann das an den Autofahrern bemerken. Wenn sie in die Hauptstrasse einbiegen, tun sie das so langsam, dass man manchmal verzweifeln könnte. Du denkst, sie wollen dich absichtlich ärgern. Aber dann siehst du wieder Kinder an der Bushaltestelle, die einfach so dahinwarten. Und im Moment ist die Landschaft mit den herbstlichen Wäldern so schön.

Es war nicht so, dass in L. jemand krank ist. Es gab einfach wieder einmal eine Anmeldung dort hinten. Und gestern ist gleich eine weitere eingetroffen. Es war ganz angenehm. Am Morgen, wie ich erzählt habe, war ich in einer Französischstunde ...

Schön, dass es jetzt auch bei Dir und Deiner Woche bergab geht. Na ja, bei mir war es damals eher ein Wunsch, eher eine Suggestion ans Schicksal als eine wirkliche Tatsachenbeschreibung. Aber alles in allem habe ich montags doch ziemlich streng. Und das regelmässig. Und das ist es auch, was mich am Wochenende auf Trab hält.

Was ist Stendhals Syndrom? Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass ich irgend so etwas gewusst hätte, obwohl ich doch eine Biographie über ihn gelesen hatte. Aber er hatte eine Krankheit, daran erinnere ich mich. Es war, so glaube ich, irgend eine Geschlechts­krankheit, die er ständig mit irgendwelchen Medikamenten zu unter­drücken suchte. Er hatte doch ein intensives Sexualleben mit intensiven Liebschaften, die ihn erst zum Schreiben antrieben.

An apple a day keeps the doctor away. Ist doch ein Rat, den man immer wieder hört. Auch unser Onkelchen schwört auf Äpfel. Wenn wir ihm irgendwelche exotischen Dinge mitbringen, Kiwis oder weit seltenere Früchte, so zieht er sich dankend auf seine Äpfel zurück. Ich glaube, er hält sich mehr oder weniger dran, täglich einen Apfel zu essen. In Visp hatten wir viele Äpfel im eigenen Garten. Einige davon waren ausgezeichnete Sorten, nach denen ich mich heute noch sehne. Die eine war ein grosser Apfel mit einer bäunlich-roten rauen Haut. Boskop nannten wir sie. Es gibt sie immer noch, aber selten habe ich so gute Exemplare gefunden, wie wir damals gegessen haben. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass man im eigenen Garten die Äpfel genau in jenem Reifegrad essen kann, den man am meisten liebt. Ich liebte sie hart und knackig und nicht zu sehr reif. Sie waren dann auch noch recht säuerlich im Geschmack. Der betreffende Baum stand genau neben jenem mit den wunderbaren Reineclauden (oder wie könnte man denn das schreiben?) Und es war jener Baum, auf dem ich jeweils unsere Nachtigall vermutete, ein Tiefstamm Baum, so dass man bequem und ohne Leiter bis zu den Ästen reichen konnte. Nachtigallen lieben es, bodennah zu leben, wie ich gelesen habe. Sie suchen nicht die Höhe, nicht für ihren schönen Gesang und nicht für ihr Nest. Ich habe meine CD mit Nachtigallengesang immer noch im Büro, und manchmal, vor allem an Wochenenden, lasse ich sie spielen.

Habe ich Dir erzählt, dass ich mir überlegt habe, mit dieser CD neue Nachtigallen in unseren Garten zu locken. Ich meine, wenn es vielleicht der Gesang eines Weibchens wäre, müsste man doch damit ein Männchen anlocken können. Und vielleicht würde das Männchen, wenn es sich ein bisschen herausputzt und sich mit der schönen Wohnung brüstet, auch noch ein Weibchen anziehen. Sind sie eigentlich monogam, die grossen Sänger? In der persischen Dichtung kommen sie immer wieder vor und haben die symbolische Bedeutung der Liebe. Die Rose sehnt sich nach dem Gesang. Und die Nachtigall singt zu ihrer Rose, bis sie sich öffnet. Letztlich ist es eine religiöse Metaphorik. Es gibt ein hübsches Gedicht von Storm glaube ich, welches diese Thematik aufnimmt. Wir hatten es mal noch in der Sekundarschule, ich glaube im 5. Jahr gelernt. Und ich habe es nicht vergessen. Lustig eigentlich, der Lehrer damals hat uns diese Dinge gleich in der Schule beigebracht. Das heisst, wir mussten nicht heimgehen, und so was auswendig lernen. Er hat es immer wieder rezitiert, bis jeder das auswendig konnte. Auch bei den Liedern hat er das gemacht. Das war einer der Gründe, weshalb ich im Gymnasium kaum wusste, wie ich die Dinge lernen sollte.

Gestern am Weekly haben wir viel über Sport diskutiert. Wenn Du als Maus im Büchergestell gehockt hättest, hätte Dich Lilli bestimmt aufgespürt. Sie war ziemlich unruhig und brachte alle ihre Spielsachen und hat sich viel bewegt. Wir haben über Sportarten geredet und über die Frage, wie sie sich durch die Tatsache des Fernsehens verändern. Beispielsweise Tennis: dieses Tiebreak ist eine Sache, die mit unserer modernen Zeit und vielleicht auch mit dem TV zu tun hat. Damit wird es zeitlich kontrollierbarer. Vielleicht hat sich damit auch die Sportbekleidung verändert, und die Gesten der Athletinnen und Athleten. Basketball ist ideal für Fernsehen. Radsport ist durch das Fernsehen eigentlich erst richtig populär und beobachtbar geworden. Man kann die Tour de France heute vom Helikopter und vom Motorrad aus beobachten, dh. mit den Leuten mitfahren. Früher sind die Fahrer in ein paar Sekunden an der Nase vorbeigeschwirrt, und das war’s dann. Golf ist auch sehr populär geworden. Und natürlich, wenn das Fernsehen kommt, kommt auch das Geld. Das verändert den Sport bestimmt ziemlich stark.

Doch insgesamt ist es dieser moderne Aspekt des Sportes, dass er nämlich sich selbst im zeitlichen Ablauf visualisiert. Der Sport ist ein Wettbewerb, und gleichzeitig auch die Darstellung und Sichtbarmachung dieses Wettbewerbs. Letzteres ist durch TV noch verstärkt worden. Das ist modern. Und man müsste von der Wissenschaft und ihrer Forschung eine ähnliche Transparenz und Sichtbarkeit verlangen. Du siehst, solch ein hohes Diskussionsniveau. Aber vom dritten Brett auf dem Gestell hättest Du bestimmt gut folgen können. Es müsste von dort wirken wie der Kameraausschnitt im Fernsehen: ein kleines Tischchen, meist mit einer Blume, einigen Büchern, Gläser und Wasser, daneben zwei Fauteuils mit zwei ernsten Herren, dahinter ein volles Büchergestell. Nur Lilli wäre etwas störend, wenn sie immer wieder durchs Bild läuft.

Ich wünsche Dir ein gutes Wochenende

Mit liebsten Grüssen
 ...

Kleiner Abendgruss..


Ämne: Kleiner Abendgruss..
Datum: den 20 november 22:52

Lieber ... ,
Ich habe es satt alle diese blutenden Leute in den Nachrichtensendungen zu sehen. So fliehe ich eine Weile zu dir, so wie ein kleines Mädchen Schutz suchen könnte bei ihrem Vater. :-)

Vorhin habe ich über Stendhals Syndrom gesehen. Das habe ich nicht gekannt. Also, dass Leute beim Betrachten der Kunstwerke in Florens den Verstand verlieren können. Es gibt sogar ein Buch und einen Film darüber. Aber ich muss zugeben, diese Statuen, die man gezeigt hat, haben mich auch stark berührt. So als würden sie irgendwie Kraft ausstrahlen.

*

Bald fängt der Dokumentarfilm über die Brüder Kennedy an. Ich werde ihn mir auch auf Video aufnehmen. Solche historische Dinge kann man sich später nochmals ansehen.

Ich habe einen grossen saftigen Apfel gegessen. In einem der letzten Telefongesprächen mit meiner alten voriges Jahr verstorbenen Tante, hat sie sich darüber gewundert, dass ich nicht weiss, wie wichtig es ist täglich einen Apfel zu essen. Ich fand das ein bisschen lustig und immer jetzt, wenn ich einen Apfel esse, gehen meine Gedanken zurück zu diesem Gespräch.
Tust du das auch? Einen Apfel pro Tag essen? Vielleicht steckt wirklich was dahinter. ;-)

Und heute Abend bist du also bei W. Wünsche ich wäre eine kleine Maus, die sich dort in den Bücherregalen verstecken könnte um euch zuzuhören. Aber Lilli würde mich wohl aufstöbern.
Glaubst du ich wäre erstaunt über eure Gespräche? Man weiss ja nicht wie Männer miteinander reden.

So, nun werde ich mir eine leeres Band heraussuchen für die Kennedys.
Ich grüsse dich lieb,
Marlena

PS Kauf dir doch einen Supercomputer, der alles schnell macht. Ist nicht mehr so teuer jetzt und ich glaube du hättest grosse Freude daran. Auch ich.. ;-)


Gute Nacht



 Phnom Penh

Ämne: Gute Nacht
Datum: den 19 november  00:47

Lieber ...,
Ich habe fleissig gearbeitet. Und heute habe ich sogar etwas getan, was ich ziemlich lange vor mir hergeschoben habe. Ich habe die Firma angerufen, die uns die Ventilation und den Küchenventilator liefern und einbauen soll. Warum ich keine Lust hatte mit ihnen zu sprechen, ist weil ich voriges Mal mit einem dort sprach, der den Preis gleich um 5.000:- Kronen erhöhen wollte, d.h. 25 %. Und ich habe ihn gefragt, warum er plötzlich so viel mehr verlangt, wobei er böse wurde und mit einer Menge komischen Ausreden kam. Ich dachte es wäre besser gewesen, wenn K dort angerufen hätte. Aber er hat sich die ganze Zeit vor dieser Aufgabe gedrückt und mich immer wieder erinnert, dass ich bald anrufen müsse.
Nun ist es getan und morgen werden wir weiterdiskutieren, wie, wann und wieviel.


Ach, heute bin ich aber wirklich prosaisch. Verzeih mir. Während ich dir am Abend gemailt habe, hatte ich vergessen den Videorecorder abzustellen und als ich später raufging, sah ich dass ich ein Programm über Cambodia aufgenommen hatte. Das wollte ich mir doch ansehen. Es war hochinteressant und wurde als das ärmste Land der Erde bezeichnet. Aber es war unglaublich schön und vor allem anders. In der Region, die sie zeigten, wohnen fast alle Leute an oder auf dem Wasser (in Hausbooten) und ernährten sich mit Fischerei. Und in dieser totalen Armut sah man doch viel glückliche Gesichter. Leider auch unglückliche Menschen, die nicht den grossen Terror der Khmer Rouge vergessen können, der so viele ermordet hat. Fast alle Familien haben Familienmitglieder verloren. Man kann es nicht fassen, dass solche Greuel überhaupt möglich sind.
Dann habe ich natürlich auch Bilder von Phnom Penh gesehen, von dem ich einmal geträumt habe. Damals war die Stadt eine Kopie von Paris mit schönen Gebäuden und breiten Boulevarden. Und jetzt!?

Stell dir vor, wenn es damals schon Internet gegeben hätte und Digitalkameras. Aber dann hätte ich nicht diese schönen alten handgeschriebenen Briefe mit den exotischen Briefmarken auf dem Umschlag. :-) Es ist doch etwas persönlicher.
Ich habe übrigens ein Bild im Internet von dem Krankenhaus gefunden, wo Guy gearbeitet hat damals. Eigentlich will man das Hotel zeigen, das im Zentrum der Stadt liegt, aber daneben (das grosse Haus dahinter) siehst du das Krankenhaus. Schau dir den Baustil des Hotels an. Man wird ganz nostalgisch, wenn man solche Gebäude sieht und kann sich gut vorstellen, wie schön man dort auf der Terrasse hätte einen Tee trinken können und das Leben geniessen in alten Zeiten.

(---)

So, nun muss ich aber doch ins Bett. Morgen muss ich sehr früh auf und komme erst spät nach Hause. Dann bin ich über den Gipfel und es geht auch bei mir bergab aufs Wochenende zu.

Wenn ich dir noch mehr schreibe, wirst du bald so viel Zeit zum lesen benutzen, dass keine mehr übrig bleibt zum schreiben. Das will ich nun wirklich nicht.
Darum sage ich dir Gute Nacht,
Marlena


Donnerstag, 26. Januar 2017

Schreiben, malen, lieben..


Ämne: Schreiben, malen, lieben..
Datum: den 18 november  09:17

Lieber ... ,
So früh schon bist du dran? Wieso das? Ist doch mindestens eine Stunde früher als üblich.
Ja, ich glaube ich schreibe mehr spontan heutzutage - aber du darfst nicht vergessen, dass alles zuerst durch die Transformationsmühle geht. Und dort wird so einiges zerhackt, denn die Bildsprache die ich spontan im Schwedischen verwenden würde und die oft etwas mehr gewürzt ist, kenne ich nicht im Deutschen oder es gibt sie sogar nicht da wo ich sie wünschte. Das fällt mir immer wieder auf.

Siehst du, es passiert manchmal, dass ich jemandem ein Geschehen beschreibe, was ich auch dir erzählt habe und dann wundere ich mich immer wie mehr das "ich" bin. Die Persönlichkeit eines Menschen zeigt sich doch in seiner Ausdrucksweise. Aber ich will damit nicht sagen, dass das Schwedische immer gewinnt. Manchmal bin ich mit meinem Deutsch auch ganz zufrieden. Ich habe ja schliesslich auch von dir dazugelernt. :-)

Ja, ...ich kenne deine heimlichen Träume. Auch in deinem langen Mail, wo du von den postmodernen Familien sprichst, kommst du aufs Malen. Du beschreibst mir u.a. wie du deine Tagebücher illustrierst. Du solltest einen guten Scanner haben. Dann könntest du mir auch solche Dinge zeigen.
Was meine früheren Mails betrifft, so glaube ich, dass ich oft Mühe hatte nicht zu sehr meine Gefühle für dich durch die Ritze sickern zu lassen. Das zensurieren war wohl das schwere. Aber nun habe ich keine Angst mehr vor solchen Dingen. Vielleicht gehöre ich wirklich zu den postmodernen Menschen, die sagen können: "Ich liebe dich. Wenn du mich niicht liebst, ist auch gut. Ich liebe dich trotzdem." Oder so ähnlich hast du sie beschrieben. Eine solitäre Liebe wie du sie nennst..
*
Bei deinen Hoffnungen, die Malerei wieder aufnehmen zu können, darfst du aber nicht deine literarische Seite vergessen. Du musst auch schreiben. Du bist doch ein Universalgenie. Warum hat die Schweiz das noch nicht begriffen? Die brauchen dich doch.
*
Es ist wieder mal grau. Nur der Rasen leuchte so stark grün wie auf einem misslungenen Gemälde. Die Felder und der Waldrand in der Ferne sind von einem dunklen Braun. Die Vöglein schlafen im Walde... :-)

Heute schreiben die Schüler Englisch. Es ist eine Affenleichte Prüfung, weil auch die Schüler auf den praktischen Linien sie bestehen sollen. So hat man sich in Schweden immer mehr angepasst nach den allerschwächsten und das Niveau gesenkt. In wissen Fächern liegt es praktisch schon auf dem Boden.
Ich denke dabei an einen alten, schon lange pensionierten Lehrer, der bei solchen Sachen immer den Mund zusammenzog und meinte: "Es ist nicht meine Schule". Ich fand ihn schrecklich asozial und bewunderte ihn .. ein bisschen. *s*
*
Jetzt mache ich mir einen Kaffee, damit ich richtig aufwache. Vielleicht schreibe ich dir später heute noch einmal.
Ich grüsse dich lieb, mein ferner Mausgeliebter,
Marlena




Schreibart und Bonnard


den 18 november 07:20
Klar


Liebe Marlena

Ach ja, ich erinnere mich, dass wir schon mal über die Art zu schreiben korrespondiert haben. Und auch dieses Mal wieder hatte ich den Eindruck, dass Du ganz ähnlich an die Sache gehst. Es ist ein schönes Erlebnis, wenn es gelingt, nicht wahr. Aber es ist auch ein bisschen unberechenbar. Daran kann ich mich auch erinnern. Ich wusste nie genau, wann ich endlich meinen Aufsatz schreiben könnte. Und wenn das Resultat nicht gut war, dann dachte ich mir, ich hätte ihn wohl zu früh geschrieben und noch nicht genug aufgekocht in meinem Inneren.


Aber vielleicht kannst Du Dich erinnern, wie viel Mühe Du hattest, anfangs unserer Mailerei. Erinnerst Du Dich? Oft hast Du offenbar begonnene Texte wieder gelöscht. Oder Du hast Dir soviel überlegt und zum Schluss nur ein kurzes Mail geschrieben. Ja, ich glaube, Du hast Dich gut entwickelt - meine Mausfreundin - und schreibst jetzt ziemlich spontan. Dafür danke ich Dir. Es ist gut so. Und wenn manchmal etwas nicht ganz so klar herauskommt, oder wenn Fehler drin sind (wie bei mir), so ist das auch nicht schlimm. Man sollte doch irgendwie schreiben, wie man redet. Ich jedenfalls versuche das. Und ich bin immer wieder schockiert, wenn ich es später nochmals lese, wie holperig das alles klingt.


Ja, Bonnard ist ein feiner Kerl, farblich gesehen. Er hat schliesslich auch an der Côte d’Azur gelebt. Wenn ich dort lebte, könnte ich auch eine solch goldene Palette hinkriegen, glaube ich. Das Bild, das Du mir geschickt hast, ist auch in meinem neuen Buch zu sehen. Und viele andere, die ich bisher noch nie gesehen hatte. Deshalb wahrscheinlich habe ich es gekauft, ziemlich spontan und ohne gross zu überlegen. Und dabei habe ich zuhause bereits 2 Bücher über Bonnard!! Aber ich hatte wirklich - wie Du denkst - die geheime Hoffnung, das Buch würde mich inspirieren und zur Palette zurücklocken. Es gibt in diesem Buch ein hübsches Porträt. Ich weiss nicht mehr von wem, aber es ist gut gemacht, klarer gezeichnet als bei Bonnard sonst üblich.


Weil ich selbst eher ein Zeichner bin, suche ich Maler, die mehr auf die Farben Wert legen. Ich denke, von ihnen kann ich lernen. Ich möchte vom linearen Zeichnen wegkommen und malerischer werden. Rubens ist sehr malerisch, Bonnard auch. Carlsson beispielsweise ist ziemlich zeichnerisch, wie der Jugendstil allgemein. Die Impressionisten waren anfangs stärker in der Zeichnung als in der Spätphase. Du siehst, ich habe immer noch kleine Hoffnungen. Obwohl sich in den letzten Jahren bei mir malerisch absolut nichts getan hat. Aber ich muss gestehen, dass ich meine Bilder desto besser mag, je älter sie werden. Ich habe vor 10 oder 15 Jahren ziemlich viel gemalt in der Freizeit. Und heute, wenn ich die Dinger wieder hervor nehme, bin ich ganz überrascht, wie gut sie mir gefallen. Sie gefallen mir besser als damals. Vielleicht schaffe ich es, nochmals eine kreative Phase zu gewinnen. Eigentlich sollte das möglich sein. Schliesslich wird man im Alter freier und offener. Oder etwa nicht?


Übrigens hat Bonnard in seiner Agenda jeden Tag das Wetter vermerkt. Und dazu hat er kleine Skizzen mit Bleistift gemacht. Er war kein schlechter Zeichner. Das muss man schon sagen. Aber im Wesentlichen hat er malerisch gedacht, farblich. Einige Zeichnungen sind ganz klar und mit sicherem Strich gefertigt. Und andere sind nur angedeutet und mit Schraffuren belebt. Das sind die Farbfantasien, denke ich. Ich glaube, er hat sehr viel Zeit verwendet fürs Malen. Das heisst, er hat mit kleinen Schraffuren und Strichen gearbeitet. Er war kein Pointilist. Aber er hat kleinräumig gedacht, nicht in grossen Bewegungen. Manchmal wirkt er fast ein bisschen kleinlich. Aber die Gesamtwirkung des Bildes wird dann ganz lebendig.


Ich wünsche Dir einen schönen Tag

Mit lieben Grüssen
...




Oui, oui..


Ämne: Oui, oui..
Datum: den 17 november 23:41


Lieber ...,
Ach, wie ich dich beneide. Schon am Montag geht dein Weg bergab aufs Wochenede zu. Bei mir steigt er steil an bis Mittwoch Nachmittag. Erst dann kann ich ein wenig auspusten. Aber ich habe überhaupt viel zu tun die letzten Wochen vor Weihnachten. Denn noch vor Weihnachten haben die Schüler ihre Abschlussprüfungen in Sprachen, d.h. diejenigen, die im Juni das Abitur machen. Ich versuche ihnen noch in der letzten Sekunde ein paar Dinge beizubringen, die sie brauchen beim Aufsatzschreiben. Bin nicht immer erfolgreich.
*
Wie lustig wenn du von deiner Art zu schreiben erzählst. Das hat mich sehr an meine Schulzeit erinnert. Die Lehrer wollten eigentlich, dass man eine Disposition machte und überlegte was und wie man schreiben würde bevor man damit anfing. Ich wählte ein Thema und wartete auf Inspiration. Es war kein stilles Warten sondern eine Plage. Und dann kam sie und ich schrieb wie in Trance... aber nicht das ganze, sondern nur einen Teil, bis ich den nächsten Einfall bekam. Es war immer eine erschöpfende Kraftprobe, diese Aufsätze. Meistens gelang es mir aber ziemlich gut.

Wenn ich dir schreibe ist es nicht so schlimm.. ;-) Ich schreibe ganz einfach drauf los. Es ist fast wie eine kleine Konversation über einer Tasse Schokolade. Ich habe immer Lust, dir etwas zu erzählen und das tue ich ja auch, wenn ich eigentlich garnichts zu sagen habe, wie du ja weisst. Ich meine wenn ich nicht Neues und Interessantes zu berichten habe. Schon die Zeit, während ich dir schreibe ist schön und abstressend. Und wenn du dich dann auch noch darüber freust, dann ist es ja wirklich wertvolle Zeit.

(---)

Ich würde sehr gern die CD mit dem Walliser Dialekt hören. Glaubst du, dass ich sie kopieren könnte? Es klingt so schön, was du mir erzählt hast darüber. Wir haben doch CD-brenner und alles was man so braucht. Ist die Sprache wirklich so schwer zu verstehen?
*
Vorhin habe ich mir Bilder von Bonnard angesehen. Die Farben sind so herrlich. Ich denke, wenn du sie anschaust dann bedauerst du, dass du nicht sofort an deine Stafflei gehen kannst. Und hier schicke ich dir ein Bild von dieser Frau, mit der er sich während des Malens dauernd gestritten hat. So glaube ich jedenfalls. Sie war sein Favoritmodell.



Ich wundere mich ein wenig welche Farbenskala du für deine Bilder wählen würdest. Es war so lustig zu sehen, bei den Künstlerfreunden meiner Eltern. Ein Ehepaar. Sie malte in herrlich leuchtenden Farben, die Freude und Optimismus ausstrahlten. Und manchmal mischte er sich ein und veränderte ein Bild. Das war, als wäre eine dunkle Wolke über den Himmel gezogen. Ja, ich bin sehr neugierig zu welcher Sorte du gehörst.
*
Jetzt muss ich ins Bett.. bin ziemlich müde von der Tour nach der Arbeit.
Ich grüsse dich lieb.
Marlena














Re: Nochmals an diesem dunklen Abend


den 18 november  07:18
Re: Nochmals an diesem dunklen Abend


Liebe Marlena

Montag Abend, ich sag Dir, die Woche ist praktisch gelaufen. Das Schlimmste ist vorbei. Die Steigung der Woche ist überwunden. Es geht jetzt nur noch bergab. Ist das nicht wunderbar, ein gemütlicher und bequemer Weg immer leicht abfallend bis Freitag Abend. Es gibt nichts besseres auf dieser Welt.

Es ist wirklich nicht einzusehen, weshalb die Woche gleich mit einem Montag anfangen soll. Jeder andere Tag wäre besser!



Ich war nachmittags in Basel, hatte um 16h einen Termin beim Akupunkteur. Deshalb fuhr ich nach dem Essen im Club schon gar nicht zurück, sondern blieb gleich in der Stadt. In einem Antiquariat habe ich einen schönen Band über Bonnard gefunden. Ach, ich liebe ihn immer mehr. Er ist ein Meister der Farben. Die Formen sind nicht immer so glücklich, aber die Farben machen alles wieder gut. Er hat seine Marthe tausende Male gemalt, und dabei haben sie sich offenbar ständig gezankt. Aber die Bilder sind wunderbar. Ich glaube, er war ein bisschen beeinflusst von Degas. Der hat diese zahllosen Damen im Badezimmer gemacht. Ich habe sie im Metropolitan gesehen. Und er hat diese hübschen Statuen gemacht. Bonnard übrigens auch. Das habe ich hier im Buch wieder entdeckt. Ich hatte es vergessen. Und dann bin ich mit diesem schweren Band unter dem Arm geradewegs in die Universität gegangen, um dort in der Cafeteria meine Zeit zu verbringen. Ich habe auch echt gearbeitet, ehrlich. Ich habe einen Bericht studiert, der ziemlich kompliziert war. Und daneben habe ich all die jungen Leute benieden, die dort herumsitzen und miteinander flirten. Ach, man sollte jung sein.



Aber abends, als ich nochmals rasch ins Büro kam, fand ich hier ein Mail einer Bekannten vor. Sie ist hübsch und blond und wir treffen uns unregelmässig zum Kaffee. Sie bringt jeweils die Croissants mit. Sie war früher mal Kindergärtnerin, und ist heute Personalchefin. Es ist gut zur Abwechslung, etwas mit ihr zu plaudern. Man kann fachsimpeln, und doch ist es nicht so ernst.



Und morgen habe ich eine Weiterbildung mit den Kollegen von Basel. Das werde ich geniessen.

ich wünsche Dir einen schönen Abend.

Mit allerliebsten Grüssen

...


Mittwoch, 25. Januar 2017

Nochmals an diesem dunklen Morgen



den 17 november  08:55 
Nochmals an diesem dunklen Morgen


Liebe Marlena

Du hattest einen eifrigen Sonntag Abend. Und ich danke Dir dafür. Und Du findest die richtigen Dinge auch immer gleich im Internet. Danke auch dafür. Du bist eben mehr weltmännisch als ich. Weltweibisch müsste man hier schon fast sagen, denn weltfraulich passt irgendwie überhaupt nicht.



Mein nächstes Programm ist nun, den Film ‚Vom Winde verweht’ zu suchen, um diesen Rhett Butler zu finden. Kein Wort sagst Du über seinen Charakter, kein Wort, wie man ihn sich vorstellen konnte. Es scheint fast ein wenig, als ob es Dir peinlich wäre, Dich in ihn verliebt zu haben. Nun, dafür gibt es sicherlich keine Gründe. Als Teenager muss man sich alle möglichen Typen aussuchen, um dieses grosse Ding der Liebe auszuprobieren. Mir hat Cary Grant immer sehr imponiert, und am meisten wohl damals im Film „Wenn die Nachtigall singt“ (hiess er so, oder vielleicht, wer die Nachtigall stört??) Oder sollte ich vielleicht das Buch lesen. Aber ich glaube, das Buch ist zu dick für mich. Mindestens im Moment. Vielleicht später mal werde ich mir Rhett Butler als Vorbild vornehmen.

*   Walliserdeutsch und Biffiger

Ja, ich habe 2 CDs als Geschenke erhalten. Die eine, Walliserdeutsch, hatte ich mir mal gewünscht. Meine Mutter hatte sie noch auf einer alten Anilyn-Schallplatte, und heute kann man diese antiken Dinge doch so schön auf CD brennen. Du kennst ja diese Schwarz-Brennerei (klingt so schön nach illegalem Schnaps) auch. Sie enthält eine hübsche Sage aus dem Wallis, die erzählt, wie mal in einem Walliser Dorf der Tod in ein Weinfass eingesperrt worden war. Und all die Menschen triumphierten und waren glücklich. Aber die Leute kümmerten sich nicht mehr um einander. Die Mütter liessen ihre Kinder verkommen. Die Grossmütter wurden egoistisch. Die Geschwister endeten im Streit einfach deshalb, weil alles gleichgültig wurde. Es ist sehr hübsch erzählt, und besonders hat mir gefallen, wie Biffiger, der Erzähler, beschreibt, wie das früh verstorbene Kind die überlebende Familie trösten und beruhigen kann. Sie hat nämlich die Gewissheit, schon jemanden aus der eigenen Sippe drüben im Himmel zu haben. Und wenn es dann selbst ans Sterben geht, wären sie wohl ein bisschen scheu, vor Gott zu treten, der ja als grosser Herr nicht soviel Zeit zum plaudern hat, oder sie sind vielleicht in den Werktagsschuhen gestorben, und das wäre im Himmel ziemlich unpassend. Und in dieser Unsicherheit, wenn sie frisch im Himmel ankommen, wie beruhigend wäre es doch, wenn diese Céline selig, das früh verstorbene Kind also, herbeieilen würde und sie an der Hand nähme.

Die Geschichte ist wirklich sehr sympathisch arrangiert und gut erzählt. Und sie beschreibt auf wunderbare Art den alten Volksglauben und die hübschen Katholizismen im Wallis. Eine andere Geschichte beschreibt, wie die Walliser mit dem Herrn ein bisschen grollen, weil er es ihnen nie recht machen kann. Einmal regnet es viel, das ist vielleicht gut für die Wiesen, aber schlecht für den Wein. Ein andermal brennt die Sonne herunter, was einen guten Wein verspricht, aber den Weiden in der Höhe schadet.

Und alles in allem erinnert mich diese Platte an meine Bubenzeit. Damals hörte man diesen Karl Biffiger regelmässig am Samstag nach den Mittagsnachrichten am Radio. Viele Schweizer haben kaum verstanden, was er erzählt, denn der Dialekt ist, wie Du weißt, ziemlich exotisch. Und ich selbst fand gar nicht so viel dabei, denn wie er sprach, so sprachen all die Buben auf der Strasse. Und den Inhalt fand ich ziemlich unverständlich. Aber ich bemerkte, wie meine Eltern von diesen Geschichten fasziniert waren. Ihnen ging es wohl umgekehrt. Sie konnten den Dialekt nur knapp verstehen, aber wussten dafür mit dem Inhalt mehr anzufangen. Na ja, Biffiger war so etwas wie der gute Botschafter des Wallis in der übrigen Schweiz. Man muss dazu sagen, dass damals, vielleicht vor 50 Jahren, das Wallis eine echt provinzielle und rückständige Gegend war. Nur als Ferienregion war es akzeptiert, sonst konnte man das Wallis schwerlich ernst nehmen. Na ja, das ist jetzt leicht übertrieben, aber ungefähr war es so.

*

Ich habe mein altes Mail noch nicht wieder gelesen. Ich werde es schon tun, aber dazu brauche ich etwas ruhige Zeit. Das ist, was mir am meisten fehlt. Ich habe eine strenge Woche vor mir, und ich hoffe sie gut zu überstehen. Was Du von der Müttergruppe erzählst, das kann uns Männer nur neidisch machen. Genau so sollte es sein. Und ich glaube, in Persien ist es teilweise noch so. S. hat beispielsweise bei einer Tante auf diese Art das Nähen gelernt. Es waren offenbar gemütliche Momente des Plauderns und der Arbeit. Und jedes Mal, wenn sie heute näht, kommen im Hintergrund diese Erinnerungen zurück. So sollte Arbeit doch sein!! Das ist die wahre Lebenskunst. Sie fängt mit den Grossmüttern und den Grossvätern an, welche die Jungen nicht nur in die Arbeit, sondern auch in die richtige Haltung dazu einführen.

*

Ich danke Dir für Deine Komplimente über meine Heroin-Mails. Ich muss mich vorsehen, dass ich nicht als Heroin-Händler in die Mühle der Justiz gerate. Auch andere Leute haben mir früher Ähnliches gesagt. Es hängt vielleicht damit zusammen, dass ich fast in eine Art Trance gehe, wenn ich schreibe. Ich erinnere mich, wie ich früher Schul-Aufsätze geschrieben hatte. Ich konnte nicht einfach hinsitzen und sie niederschreiben. Irgendwie musste ich mich vorher in eine Art Psychose hineinreiten, mich in dieser Gedankenwelt tummeln wie ein Füllen auf einer Frühlingswiese. Ich musste mich mit Haut und Haar in diese Welt versetzen. Und erst dann konnte ich mich hinsetzen und schreiben. Und das ging dann gleich alles in einem Zug. Man konnte dann auch schwerlich an dem Text herumfeilen, vielleicht verbessern oder neue Teile einsetzen und alte streichen. Es war einfach wie in Trance geschrieben. Und ich wusste dann jeweils auch nicht so genau, ob es gut oder schlecht herausgekommen war. Manchmal waren die Lehrer absolut nicht zufrieden, meinten, ich hätte mir zuwenig Zeit genommen oder zu viele Rechtschreibefehler gemacht. Und noch heute, wenn ich Dir schreibe, lebe ich in einer anderen Welt. Ich bin dann weit weg von all den alltäglichen Dingen hier. Und am Ende braucht es immer etwas Zeit, mich wieder umzustellen auf die Umstände hier. Na ja, vielleicht ist das bloss diese kleine Zeitumstellung, von der Du redest. Es könnte gut sein, dass wir ungefähr eine Stunde differieren. Ich bin dann ein bisschen im Rückstand.

*

Interessant, was Du über de Botton sagst. Ich werde ihn mir vorknöpfen, wenn ich ihn im Fernsehen sehe und Deine These prüfen. Hat er seine Bücher selbst geschrieben? Ich glaube, sie sind im Grunde ziemlich einfach aufgebaut. Er ist ein bisschen ein Zauberer, also einer, der in der Lage ist, die Leute glauben zu machen, dass er mehr kann als sie. Und das ist doch fast alles im Leben, dass man seine eigenen Schokoladenseiten hervorkehrt und die peinlichen Schwächen zu verstecken vermag. Ich tue nichts anderes als das….;--)



Ich wünsche Dir eine schöne Woche.

Mit lieben Grüssen

...



Nochmals an diesem dunklen Abend


Subject: Nochmals an diesem dunklen Abend
Date: Sun, 16 Nov 21:38

Lieber ... ,
Nun habe ich dein liebes Mail gelesen und auch de Botton gesehen. Das schöne an dem Programm ist, dass er es in dem authentischen Milieu zeigt. So konnte man das Schloss bewundern, in das sich de Montaigne zurückzog um zu schreiben. Es sah, verglichen mit anderen alten Schlössern, die ich schon gesehen habe, ziemlich gemütlich aus. Auch hatte er einen wunderschönen Blick auf die Landschaft von seiner Bibliothek aus. Und auf dem Hof gab es auch jetzt allerlei Tiere zu sehen. Schweine, Schafe, Enten u.s.w. Montaigne hatte ein gutes Verhältnis zu Tieren. Er fand sie klug und meinte wir könnten einiges von ihnen lernen.
*
Ja, ich verstehe schon, dass dir der Briefwechsel, von dem du sprichst, gut gefällt. Gewiss, dieser Anthony Hopkins hat etwas besonderes, was ich sehr mag. Etwas um dessen Verlust man trauern könnte. Und wenn er gegen Emma Thompson spielt ist er am meisten zu seinem Vorteil.



Auch ein Bild aus dem Film, den du erwähnt hast. (siehe Bild unten).
Und hier der Kommentar eines Lesers zu dem Film:

Summary: For once you shouldn't read the book

When you first take a look at the story, 84CCR hasn't much going on for it. A movie about books(even worse: old books!), for 75% told off-screen and with two stars who don't share one scene together. It's a miracle that this movie has so much impact on the viewer. The atmosphere is really tense, it's like you're in that little dusty bookstore and you really like the characters, though you don't know that much about them. Great acting by all. Hopkins, playing a character that resembles the ones he played in Shadowlands and even Remains of the Day, is impossibly convincing in his role. Anne Bancroft, although sometimes slightly over the top when she talks to the viewer, makes a great match.

*

Deine Frage ob ich mich je in einen Held (Helden?) in einem Buch verliebt habe? Soll ich es wagen, dir das zu verraten, ohne dass du, als echter Psychologe, mich gleich in ein Fach steckst? ;-)) OK. Ich war sehr verliebt in Rhett Butler in dem Buch "Vom Winde verweht". Habe das Buch als Teenager gelesen, dann später natürlich auch den Film gesehen. Und wenn ich es richtig bedenke, sind fast alle Männer in die ich mal verliebt war, von dieser Sorte gewesen. Komisch eigentlich. Ist man vielleicht auch für sowas programmiert???

Siehst du, weil du so lieb warst und mir noch heute Abend ein mail geschickt hast, habe ich sogar Lust bekommen dir gleich ein zweites zu senden

Nun sage ich dir gute Nacht. Wünsche dir einen schönen Start in die neue Woche,
mit lieben Grüssen,
Marlena

She's in love with ...




.




:-)


Ämne: :-)
Datum: den 16 november 20:15


Lieber  ...,
Ach, wie oft ich hier reingegangen bin und nach dir gesucht habe. Weisst du nicht, dass dein Samstagsmail immer wie eine "bridge over troubled water" ist, die mir über das Wochenende hinweg hilft? Nun ja, manchmal fliesst das Wasser eher gemächlich und ich könnte sogar darin schwimmen. Aber auch dann ist es schöner wenn du dabei bist.
*
Ich habe gerade Aufsätze korrigiert. Wenn du wüsstest, wie gut ich unangenehme Aufgaben vor mir hinschieben kann. Ich hätte es schon längst tun können. Und nun brauche ich eine kleine Pause mit dir.
Gestern habe ich im Garten gearbeitet. Es war grau und düster und nicht sehr verlockend die Nase vor die Tür zu stecken. Zuerst habe ich sogar gefroren. Aber dann allmählich wurde mir immer wärmer und zum Schluss fand ich es richtig herrlich in der frischen Luft. Es sah schon wüst aus. Sogar die verfaulten Äpfel lagen noch auf der Terrasse. Ich weiss nicht was mit K los ist. Er überlässt mir immer mehr von diesen Arbeiten. Aber eigentlich finde ich es schön etwas zu tun bei dem man sofort das Ergebnis sehen kann.
In jüngeren Jahren, als die Kinder meiner Kolleginnen noch klein waren, hatten wir öfters "syjunta". Wir trafen uns so 10 Frauen umwechseln bei einander, assen zuerst was gutes und liessen dann den Mund gehen, über allerhand Handarbeiten. Die Mütter flickten die Kleider ihrer Kinder, andere strickten oder machten irgendeine Handarbeit. Ich erinnere mich, dass dies eine sehr beruhigende und angenehme Beschäftigung war. Dann hörten diese Treffen auf. Und weisst du warum? Weil jede Einladung die vorherige in Luxus übertreffen musste. Am Ende war es fast wie ein kleines Nobelessen. Aber schön war es und ich erinnere mich gern daran.
*
Hast du dein altes mail gelesen? Ich tue sowas auch nicht gern. Ich meine, ich lese nicht gern meine eigenen mails. Ich fühle mich niemals richtig wohl dabei. Aber die deinen könnte ich immer wieder lesen. Ich bin mir jedoch bewusst, dass es Zeitdokumente sind. D.h., was darin steht gilt zu dem Zeitpunkt wo es geschrieben wurde. Es gibt mails von dir, die ich mir ausgeschrieben habe, weil sie so spirituell sind. Wenn ich ein bisschen Harroin brauche (=etwas das mich aufmuntert), lese ich sie nochmals und sofort fühle ich mich ganz froh. Sie sind besser als Schokolade, von der man ja wie bekannt dick werden kann.

*

Ich habe neulich ein Program mit Alain de Botton gesehen. Von seinem Buch "Der Weg zum Glück", wo er uns durch verschiedene Philosophen diesen Weg zeigen will, hat man eine Fernsehserie gemacht. Voriges mal sprach er über Epikur und heute (um 19.30) ist Montaigne an der Reihe. Ich weiss nicht wie es kommt, aber wieder hatte ich den Eindruck, dass de Botton nicht so begabt ist, dass er seine Bücher selbst hätte schreiben können. Auch in dem Programm machte er Kommentare, die die anderen in ein verwundertes Schweigen versetzte. Aber wie dem auch sei, das Programm ist mit schönen Bildern aus der Heimat der Philosophen versehen und doch ziemlich interessant. So sah man in dem vorigen Programm Epikurs Inskriptionen auf den Resten der Mauer, die er bauen liess um seine Gedanken unter dem Volk zu verbreiten. Es war wie eine Art Antiwerbung. Was mich wunderte war, wie man solche Dinge so verwahrlost auf dem Boden liegen lässt, wie man es im Programm sehen konnte. Ich weiss, du magst Epikur. Sicher magst du auch Montaigne.
Hast du mal die schöne Reklame gesehen mit dem riesigen wunderschönen Schloss, das zu verkaufen ist, und unten in der Ecke steht mit kleinen Buchstaben *happiness not included".
*
Ach, jetzt sehe ich gerade ein Mail von dir. Ich schick dir dies schnell ab. Muss dein mail lesen.

Wünsche dir einen schönen Abend
Marlena


Dienstag, 24. Januar 2017

Dein Bruderherz


den 16 november  20:06 
Dein Bruderherz


Liebe Marlena

Stockdunkel ist es draussen, und doch erst ungefähr 18.00h am Sonntag Abend. Das erinnert mich an das Mail, das Du mir kürzlich geschrieben hast. Aber das macht es doch auch sehr gemütlich zuhause. Ich bin zwar noch im Büro. A. ist gekommen, um einige Dinge zu kopieren und aus dem Netz herunter zu laden. Wir haben ein bisschen geplaudert. Ich glaube, sie hat es ziemlich streng im Moment. Ungefähr so wie Anna, scheint mir. Aber das ist gut so. Man ist in diesem Alter so sehr lernfähig, dass man die Zeit nicht verstreichen lassen sollte.

Hingegen sollten wir es doch ein bisschen gemütlicher nehmen können. Immerhin ist unser Wissen angereichert mit viel Lebenserfahrung. Und das macht es zu purem Gold. Die Welt sollte doch endlich erkennen, dass wir reinstes Gold anzubieten haben.

(---)

*   Hymne an die Freundschaft

Ich habe Dir erzählt von der CD, die mir meine Mutter zum Geburtstag geschenkt hat. Ich höre sie oft, wenn ich hier am PC sitze. Sie ist so romantisch und hübsch, dass man sich geradezu an Mrs Dalloway erinnert. Es ist eine anrührende Hymne an die Freundschaft. Die Autorin, Helene Hanff an der 14 East 95th Street N.Y., ist eine junge Jüdin, die beim Buchantiquariat Marks & Co in London, Charing Cross Road 84 seltene Gedichte, Erstausgaben und so nebenbei das Rezept für Yorkshire Pudding bestellt. Der Ton ist sehr anregend. Die New Yorkerin gebärdet sich ein bisschen ‚rempelig’, dh. jugendlich burschikos, aber mit viel Ironie. Und die Engländer, auf der anderen Seite des Ozeans, sind überaus korrekt und höflich und formulieren ihre Antworten mit dieser stoischen Korrektheit, die mich immer wieder berührt. Es wird deutlich, dass sie noch unter dem Krieg zu leiden haben. Offenbar ist im England der 50er Jahre Fleisch Mangelware. Einmal schickt die Amerikanerin sogar einen Schinken und Eier, und die Briten sind darüber begeistert. Mittlerweile nimmt der gesamte Buchladen an dieser Korrespondenz teil. Das Buch heisst „84, Charing Cross Road“ (1970 herausgekommen) und ist offenbar mit Anthony Hopkins und Anne Bancroft verfilmt worden. Du kennst Hopkins? Er hat genau diese Melancholie im Gesicht, die es für einen älteren Antiquar braucht. Ich nehme doch sehr wohl an, dass er diese Rolle innehat.

*    verliebt in eine Romanfigur

Wenn ich von dieser CD erzähle, erinnere ich mich, dass ich mich einmal in eine Romanfigur ziemlich handfest verliebt habe. Ist Dir das auch schon passiert? Und ich war nicht zu jung dabei. Die Figur war ein Mädchen, vielleicht 14 oder 16 Jahre, eine Londonerin, die mit Blazer und tadellosen Manieren noch zur Schule ging. Ich schrieb eine Rezension über das Buch und ich bemerkte, wie sehr ich diese Figur mochte. Na ja, es war nicht wirklich Liebe, sondern viel mehr eine väterliche Fürsorge vielleicht. Aber eins ist sicher, ich war sehr schwach geworden. Ich hätte sie umarmen können. Ich muss mal sehen, ob ich das Buch wieder finde unter den vielen Jugendbüchern, die bei mir herumliegen. Ich weiss auch nicht mehr, wie sie hiess. Aber irgendwie hatte ich ziemlich klare Vorstellungen, wie sie ausgesehen haben musste. Und sie spielte eine tapfere und sehr aufrechte Rolle in diesem Roman. Das hat mir überaus gut gefallen. Ach, vielleicht treffe ich sie wieder einmal und per Zufall in meinem riesigen Chaos von Büchern.

*    zur Zeit Kennedys

Gestern Abend hat man am deutschen Fernsehen einen Rückblick gezeigt. Im Wesentlichen ging es um einen Journalisten, den ich ziemlich schätze. Und offenbar war er als Korrespondent zur Zeit Kennedys in Amerika. Sie zeigten jene Tagesschau Ausschnitte und Rückblenden aus jenen vergangenen Tagen. Das war eine ungeheure Zeit des Aufbruchs. Ich erinnere mich, wie nach der Mondlandung unser Französisch Lehrer in die Klasse kam und den Satz in den Raum goss: dies sei „der Sieg des Menschen über die Materie“. Na ja, ich verstand nicht so genau, was ein Sieg des Menschen über die Materie eigentlich war, aber es klang grossartig. Es klang danach, dass wir auf dem Höhepunkt der Zeit lebten. Es klang danach, dass jetzt, in diesem Moment, Geschichte geschrieben würde. Es klang danach, dass wir Zeitgenossen der besten Zeit wären. Wir waren stolz, ohne so genau zu wissen, weshalb. Es war eine grossartige Zeit.

Ich glaube, jene Kennedy-Zeit hatte eine enorme Aura. Am Fernsehen gestern Abend konnte man jenen Soerensen sehen, der für die Reden Kennedys verantwortlich war. Er muss vom Blut her ein Skandinavier sein. Er hat die berühmte Berliner Rede geschrieben. Und auch die Inaugurationsrede, die uns so sehr beeindruckt hatte. Und die Rede in Köln. Und man konnte Bob Kennedy sehen, von dem die Leute sagten, dass ich ihm ähnlich sehe. War er nicht ein toller Typ? Ich glaube, er war etwas kompliziert im Charakter, und etwas idealistisch. Und Kennedys Vater soll gesagt haben, er hätte für die Wahl seines Sohnes soviel Geld ausgegeben, dass er auch seinen Chauffeur zum Präsidenten hätte machen können! Hast Du schon so was gehört? Das waren bestimmt auch schon damals verkommene Zeiten !!

Biographie Hemingways

Ich habe in den letzten Tagen eine Biographie Hemingways gelesen. Vielleicht staunst Du darüber? Ich hatte im Geheimen immer den Eindruck, Hemingway sei ein Idol der Generation meines Vaters gewesen. Ungefähr so wie Gershwin. Vor etwa 10 Jahren hatte ich meinem Vater ein Tagebuch Hemingways geschenkt, genau aus diesem Grund. Er hat mir sogar berichtet, dass er daran lese, denn er war schon alt zu jener Zeit. Und in Spanien hatte ich mich mit Hemingway beschäftigt, im Zusammenhang mit dem spanischen Stierkampf und mit dem Bürgerkrieg. In Spanien nennt man ihn immer noch Papa. Nun ja, Hemingway war sehr früh sehr bekannt. Aber er war gewissermassen eine tragische Figur. Das hatte ich nicht gewusst. Sein Machismo und seine robuste Erscheinung waren mehr ein Produkt der Medien als wirkliche Wirklichkeit. Seine Mama hatte ihn bis 7 in Mädchenkleidern aufgezogen, zusammen mit seiner älteren Schwester. Ach, er muss ein ziemlich unglücklicher Mensch gewesen sein, obwohl er das auf den Fotos nicht so darstellt. Er hat eine Rolle gespielt. Und er hat damit gutes Geld verdient. 4 Ehen, einige Hirnerschütterungen, viele Reisen, noch mehr beinahe Kriegsverletzungen, er soll motorisch ziemlich ungeschickt gewesen und offenbar immer wieder über die eigenen Füsse gestolpert sein. Ach, der arme Kerl! Und ich hatte immer den Eindruck, das wäre noch ein Mann alten Stils gewesen, so wie wir als Jungen gewünscht hatten, einmal zu werden. So schnell fahren die Illusionen dahin!

*

Ist das nicht ein merkwürdiges Mail? Ich kann Dir auch nicht erklären, wie so was zustande kommt. Aber man kann nicht alles erklären in diesem Leben. Nicht wahr?

*

Ich wünsche Dir eine gute Woche und ich küsse Dich, meine ferne Geliebte.

...

Dein Schwesterherz.. :-)


Ämne: Dein Schwesterherz.. :-)
Datum: den 14 november 14:46

Lieber ...,
Habe soeben dein mail gelesen aber ich muss sofort wieder an die Arbeit. Möchte dir nur sagen, dass du dein altes mail ruhig nochmals lesen kannst. Es ist ein solches, das du jedem in die Hand stecken könntest. Ernst und humoristisch zugleich und natürlich wie immer sprachlich hervorragend.

Es erinnert dich auch an Dinge, die ich dir mal erzählt habe.. und so ist es fast wie ein mail von mir, wo ich mit dir über vergangene Zeiten spreche... so wie du es gestern mit W getan hast.

Ich sende dir einen lieben Gruss in aller Eile,
Marlena

und einen schwesterlichen Kuss.. auf beide Seiten..

Ach, das waren noch Zeiten.


den 14 november 13:49
Re: freitags immer ...


Liebe Marlena

Ich weiss gar nicht, ob ich so alte und so lange Mails von mir nochmals lesen sollte. Ich habe es noch nicht getan, und vielleicht brauche ich vorher wirklich einen starken Schluck Whisky. So genau möchte ich ja doch meine seelische Vergangenheit nicht erforschen. Oder sollte ich?

*

Ja, ich habe diese CD von Helene Hanff schon mehrmals gehört. Es ist so romantisch und so hübsch. Es handelt sich um einen Briefwechsel zwischen einer amerikanischen Schriftstellerin, die in N.Y. wohnt, und einem englischen Buch Antiquar an der Charing Cross Road in London. So ungefähr. Und die Amerikanerin ist ein bisschen jugendlich und manchmal ungeduldig und naughty, und der Engländer sehr formal und höflich. Allerdings ist es in diesem kleinen Buchladen nicht immer dieselbe Person, die schreibt. Die Hanff bestellt diese oder jene Bücher, gibt diesen oder jenen Kommentar. Und die Engländer berichten, wie sehr sie sich Mühe gegeben haben, dieses oder jenes Buch zu finden, wie sie vielleicht an ihren Besuchen in englischen Landhäusern nicht erfolgreich gewesen sind, diese oder jene Erstausgabe zu finden. Es ist die Zeit nach dem Krieg, und die Engländerin schickt ihnen Esswaren, während die Leute der Buchhandlung ihr dann eine spezielle Ausgabe eines speziellen Buches als Dank zuschicken. Na ja, es ist ganz hübsch, und offenbar ist kürzlich ein Büchlein herausgekommen, da die Hanff erzählt, wie es war, als sie erstmals nach London gereist war.

Und einmal schickt sie sogar einen Schinken, und macht sich dann als Jüdin Gedanken, ob sie nicht doch besser eine Zunge geschickt hätte.

Ach es wirkt alles so romantisch und alt. Die Leute wählen noch nette Formen, wenn sie einander schreiben und tauschen Höflichkeiten aus. Man hat dieses Bild vor sich, wie ältere Leute in aufgeräumter Kleidung abends unter dem warmen Licht irgendeiner einer hübschen Tischlampe sitzen und mit ihrer Feder und mit echter Tinte einen Brief hinkritzeln. Ach, was waren das schöne Zeiten: das warme Licht, das echt raschelnde Papier, die pechschwarze, nass schimmernde Tinte, das krakelige Kratzen der Feder, der ruhige Fluss der Zeit vielleicht sichtbar am Mond zwischen den Vorhängen, in der das alles vor sich ging in einem mit dunkeln Holz möblierten Zimmer.

Es muss die Zeit gewesen sein, als Menschen noch persönliche Gesichter hatten. Ich meine, sie waren noch Persönlichkeiten mit einer ihnen gemässen Aura, auf die man gehen konnte. Ihr Verhalten war mehr oder weniger vorhersehbar. Ihre Kleider waren zerknittert und grau vielleicht, aber umso mehr haben ihre Gesichter sich zu erkennen gegeben. Ach, das waren noch Zeiten.

Wenn ich mir eine solch antike Buchhandlung vorstelle, dann kommen mir jene in N.Y. in den Sinn. Sie waren zwar nicht alle alt, einige aber altmodisch eingerichtet mit einer schönen Atmosphäre. Eine, The Strand glaube ich, hiess sie, war sehr ungeordnet und übervoll mit Büchern. Die meisten davon waren wohl, was wir ‚modernes Antiquariat’ nennen. Es sind nicht alte, sondern mittelalterliche Bücher, die verbilligt verkauft werden, weil man im Lager Platz braucht. Dort ist die Atmosphäre nicht sonderlich gemütlich, denn es gibt zu viele Leute und zu viele Bücher. Die Kombination von beidem macht eine Enge, die ein bisschen nervös macht.

*

Jetzt bin ich von der Sitzung zurück. Sie war nicht sonderlich ergiebig. Aber ich glaube, der Chef braucht einen Kreis, in dem er gewisse Fragen diskutieren und testen kann. Er sucht noch seinen Weg und er ist abhängig von seinem Team. Ich bin ja nun nicht einer, der sich dort in den Vordergrund drängt. Dazu ist meine Dienststelle zu klein und hat nicht eigentlich staatstragende Bedeutung. Beim alten Chef war ich respektiert, weil er meine Texte schätzte, glaube ich. Der Neue kennt mich noch nicht. Und ich glaube nicht, dass er mit Texten sosehr ansprechbar ist. Er kommt aus den Gewerkschaften. Das sind praktische Menschen, denen es nicht um Schöngeisterei geht, sondern um ungeschminkte, nackte Tatsachen und nicht zuletzt um das Materielle. Na ja, wir werden sehen, jeder hat seine schwache Stelle, seinen Knopf, worauf man drücken muss, damit man zu seiner Sache kommt.

*

Na ja, wenn ich diesen Briefwechsel zwischen Hanff und der Buchhandlung 84 Charing Cross Road höre, so kommt mir auch der unsere in Gedanken auf. Sie dort hatten den Vorteil, dass sie ein vorgegebenes Thema hatten. Die Hanff wollte alte günstige Bücher und der zuständige Mitarbeiter bei Marks & Co gab sich Mühe, sie zu finden. Das ist doch schon eine materielle Basis, die was hergibt. Aber zwischendurch spielt die Hanff mit dem Gedanken, nach London zu fahren und sich alles persönlich anzuschauen. Und offensichtlich hat sie das ja nach dem Krieg auch gemacht.

*

Vielleicht haben wir uns ein bisschen anstecken lassen. Auf jeden Fall stand unser Weekly gestern auch unter dem Thema von ‚merry old England’. Na ja, nicht England, aber jener Zeit. Mit anderen Worten, wir wärmten romantische Erlebnisse unserer Jugend auf. Ich erinnerte mich, dass meine Mutter mich jeweils mitnahm, wenn sie einen Laden aufsuchte, in welchem es vornehmlich Dinge gab, die man zum Nähen brauchte. Vielleicht gab es auch Unterwäsche. Ich weiss es nicht mehr so genau. Aber es war alles ziemlich ordentlich und geregelt. Und genau das war schlimm. Es gab keinen kleinen Stein des Anstosses, wo man hätte zugreifen können. Es gab keine Unregelmässikeit, die doch an sich interessant sind. Auf jeden Fall fand ich diese endlosen Stunden, während der meine Mutter unbekümmert mit der Besitzerin des Ladens plauderte, endlos lang. Es war eine Qual. Eine endlose Qual, um genau zu sein. Es war im Grunde Kindsquälerei. Ich hing meist vor der Ladentüre auf der steinernen Treppe herum und es war dort absolut nichts los. Höchstenfalls hätte ich mir, durch irgend eine gewagte Übung, das Knie aufschlagen können. Und auch im weiteren Umkreis war nichts, was sich hätte für einen kleinen Zeitvertreib anbieten können. Absolut nichts! Es war die veritable Hölle. Und ich habe nie begriffen, wie sich die Frauenwelt in einer solchen Umgebung unterhalten und gar noch gut unterhalten kann. Niemals war das zu begreifen. Ich dachte mir, diese Wesen müssten von einer anderen Welt sein, irgendwie mit anderen Gesetzmässig­keiten und anderen Programmen, die Zeit zu geniessen.

Umso mehr schätzte ich damals meine kleine Freundin, bei der ich bemerkte, dass sie genau dieselben Dinge mochte, die auch ich mag. Wir hingen nach der Schule hinter dem Schulhaus herum, hängten uns an die Turnstangen, plauderten hin und her. Einmal hatte sie mich eingeladen, in einem Motorlastwagen mitzufahren. Ihr Vater führte ein grosses Baugeschäft in Lenzburg. Und ich hatte die Ehre, zwischen Chauffeur und meiner kleinen Freundin auf diesem holperigen und ausgesessenen Sitz zu hocken und über das Armaturenbrett hinunter auf die Welt zu schielen. Es war einfach grossartig. Ich glaube, ich habe eine zeitlang sogar meine Freundin neben mir vergessen. Aber irgendwie genoss auch sie es. So habe ich es in Erinnerung. Entweder war sie stolz, dass ich ihre Welt so sehr bewunderte. Oder sie war erfreut, dass sie mir eine Freude machen konnte. Aber irgendwie war sie hell und fröhlich neben mir. Und natürlich hatte ich die Vorstellung, dass sie jeden Tag mit diesen riesigen Lastwagen in der Welt herum fahren würde. So ein kleines Ding von einem Mädchen mit einem kecken Rossschwanz hatte solch gigantische Maschinen unter Kontrolle!! Ich sag Dir, Marlena, ich war schon schwer beeindruckt.

Ich glaube, das ist es für heute

Ich wünsche Dir einen feinen Tag

Kuss
...

Irgendwie komme ich nicht hinein ins Hotmail. Was ist los mit diesem System? Ist es nicht merkwürdig, wie viele Sorgen und Gedanken man sich heute macht über Dinge, die man nicht mal sieht. Ich meine, wenn ich jetzt schimpfend und fluchend durch die holperigen Strassen von L. wanderte, indem ich mich über Hotmail auslassen würde, dann könnte das hier kein Mensch verstehen. Sie würden denken, ich wäre der Psychiatrischen Klinik entlaufen.

Lass es mich nochmals probieren.

Gruss
 ....