Sonntag, 31. Oktober 2010

Gute Besserung

Ämne: Gute Besserung, chéri!
Datum: den 1 november

Lieber ...,

Danke, mein Liebling, dass du mir so schnell geantwortet hast. Ich war wirklich sehr besorgt um dich, denn ich glaube nicht dass du ein Mensch bist der seine Termine einstellt wenn es nicht dringend nötig ist.
Du tust mir leid, mein lieber Mausfreund und ich hoffe nur dass du dich nun auch wirklich schonst und nicht das Bett verlässt bevor du wieder frisch und munter bist. Ach, munter bist du ja sogar jetzt, wo es dir nicht gut geht. Ich habe herzlich lachen müssen darüber wie du deine Symptome beschreibst. Ganz im Sinne von Proust, möchte ich sagen. Beim herumstöbern in meinen Papieren habe ich das kleine Büchlein wieder gefunden und bin darin hängengeblieben, an der Stelle wo er einem Schriftsteller  vorwirft, dass er seine Gedanken nicht originell genug formuliert. Ich werde noch ein wenig weiterlesen wenn ich heute nach Hause komme. Bin im Moment in meinem Büro und hier ist es so menschenleer wie sonst nur bei einer Hochmesse in der Schwedischen Kirche. Das Zimmer wo der PC steht ist etwas kahl und inspiriert kaum zum Schreiben aber wenn ich an dich denke sehe ich es nicht mehr.
...

S.O.S

Ämne:  S.O.S
Datum: den 31 oktober


Liebste Marlena
Ich könnte Deinen Schutz doch sehr gut brauchen. Ich bin wieder krank. Heute war ich beim Arzt. Er sagt, vor nächsten Montag soll ich auf keinen Fall anfangen zu arbeiten.
Ich habe etwas Frostfieber, Ohrenschmerzen, Husten wie eine Jagdhundemeute und Durst wie eine Herde Walliser Braunvieh.
Habe Geduld Wenn ich kann, schreibe ich wieder.
Mit einem lieben Gruss
...

Blick durchs Fenster

Frost am frühen morgen

Samstag, 30. Oktober 2010

Métro, alt werden und Arc de Triomphe

 Lieber ...
...
Ja, die Musik unten in der Métro. Es ist wahr, mein Herz wäre beinahe
zersprungen, als ich das Concerto de Aranjuez hörte, das ein Musiker
dort auf seiner Oboe spielte. Es war himmlisch schön. Und man
vergass darüber die langen mühsamen Gänge. Die Akustik ist auch sehr
gut dort.

Wir konnten direkt von Boulogne mit der Metro ins Zentrum fahren.
Einmal, als ich abends allein in der Stadt war, bin ich aus Versehen
in Richtung Gare du Nord gefahren. D.h. die richtige Linie aber die
falsche Richtung. Und als ich zurückfuhr war so gut wie der ganze
Wagen voll von Schwarzen. Ich schätze es müssen mindestens 80 %
gewesen sein. Zum grossen Teil elegante gepflegte Menschen.
An dem Nachmittag habe ich mir zum ersten Mal Paris vom Arc de
Triomphe angesehen. Und während ich zusammen mit Japanern, Russen,
Spaniern u.a.m. in alle Richtungen geschaut habe, fand unten am Grab
eine Zeremonie statt mit den "ancien combattants". Uniformiert, mit
Medaillen dekoriert und Fahnen in der Hand und natürlich passende
Musik dazu. Eigentlich genau wie damals, als ich um die 20 war. Doch
auch die Herren waren um einiges jünger damals. Vielleicht waren es
dieselben. *s*

A propos Alter. Du schreibst nun oft, dass du dich wie rund 50
fühlst.. oder in den Augen der anderen erscheinst. Ist das denn so
wichtig? Ich finde je älter ein Mann ist, desto interessanter ist er.
Na ja, kommt vielleicht darauf an zu was man ihn haben will. ;-) Aber
als Gesprächspartner sind sie den jüngeren überlegen. Jüngere Leute
haben so viel zu tun. Sie haben eigentlich keine Zeit über das Leben
nachzudenken.

Haha… ich plaudere so dahin… und diese dumme Sprache (es ist kein
Whisky involviert, aber danke für den Tip.) Ich frage mich ob man
überhaupt das Wesen eines Menschen, der nicht seine Muttersprache
verwendet, richtig kennenlernen kann. Dabei denke ich auch an dich und
S.
...

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Zeichnen


 Liebe Marlena
 Du fragst nach der Bedeutung meiner Zeichnung. Na ja, vielleicht weißt Du,
dass grosse Künstler nie über ihre Bilder reden. Bilder reden nämlich für
sich, wenn sie wirklich gross sind ;--))
Nein, das war ein Scherz, ich muss Dir sagen, dass die Zeichnung nicht mehr
bedeutet als was sie zeigt. Manchmal zeichne ich ziemlich spontan, sagen wir
vorbewusst, "aus dem Bauch heraus", wie man zu sagen pflegt. Und das ist
eine solche Zeichnung. Es geht ein bisschen darum, die Atmosphäre der
Jugend aufzufangen. Und ich glaube, irgendwie fand ich diesen Gedanken,
dass heute alles auf Rädern, dh. mobil ist, komisch und visuell lustig. Ich
weiss nicht mehr genau, wass ich ursprünglich im Sinn hatte, als ich den Stift
ansetzte.
Ich glaube, ich wollte was anderes Zeichnen, und schliesslich ist eben dies
hier herausgekommen. Wie Du siehst, zeichne ich mit nachtwandlerischer
Umsicht, dh. praktisch mit geschlossenen Augen. Die Illustrationen sollen
auch nicht unbedingt selbst eine Aussage machen, sondern zusammen mit
den Texten wirken. Deshalb kann ich Dir nicht mehr erklären, als was ich
Dir bereits geschickt habe. So einfach ist das alles!
"

Papa-Ratzi



 Päpstliche Universität Gregoriana

...
Und über Paparatzi? Wir haben gestern hier im Büro auch ziemlich viel
darüber diskutiert. Und allein das ist schon eine Sensation. Man
könnte doch davon ausgehen, dass es absolut unwichtig sei, wer in Rom
dort oben über der Piazza Santa aus dem Fenster schaut. Aber diese
farbenprächtigen Zeremonien auf allen Kanälen ergeben den Eindruck,
dass da irgend was Wichtiges vor sich gehe. Ich hätte viel Geld
verloren, wenn ich wirklich gewettet hätte. Ich hätte 1:100 gegen
Ratzinger gewettet. Ich hatte mir nie vorgestellt, dass ein
Nicht-Italiener, ein Deutscher, was heisst ein Deutscher, ein Bayer
dort unten gewählt würde. Deutschland ist nicht mal ein katholisches
Land. Deutschland hat keine sprachverwandten Länder. Deutschland ist
... es ist einfach nicht zu fassen.
Und als ich über die akademische Karriere Ratzingers gehört habe, kam
mir die päpstliche Universität Gregoriana in Rom in den Sinn. Dort
habe ich, wie du weisst, jeweils meinen Espresso getrunken in der
bescheidenen Kantine. Die Gebäude sind offen und für jeden zugänglich.
Ich hatte sogar irgendwo in einem Korridor, der umgebaut wird, eine
kleine Tafel gefunden, die das Rauchen verbietet und die Bezeichnung
Vatikanstaat trägt, Diese Tafel, staubig wie sie war, hatte ich mir
als Souvenir eingepackt. Und auf einem anderen Stock bin ich in einen
alten Vorlesungssaal geschlichen und habe mir die ganze, urtümlich
alte Anlage angeschaut. Es sah alles wirklich sehr antik, aber auch
irgendwie ehrwürdig aus. Kurz und gut: es wirkte alles sehr katholisch
und ich fühlte mich - irgendwie - heimisch. Und natürlich erinnerte
ich mich auch an jene Erzählungen und Berichte, welche unsere
geistlichen Lehrer am Gymnasium zwischendurch zum besten gaben, wenn
sie ihre Stunde ohne Anstrengung um die Ecke bringen wollten.
Gelegentlich erzählten sie nämlich von ihrem Leben in der katholischen
Kirche, oft dabei auch von Rom. Und aus ihren Worten konnte man hören,
wie sehr sie dies alles als ihre grosse liebe Familie und als ihr
Zuhause empfanden. Di Francesco selig war dabei ein Spezialist. Nun,
er selbst war ja eigentlich aus Sizilien, ein kleiner, gedrungener
Mann oft mit einem dreitägigen Stoppelbart und kurzen, struppigen
Haaren. Er hatte ein gutes Herz und konnte mit besonderer Hingabe und
- wie uns schien - mit ziemlich viel Heimweh von Italien, von Rom oder
von seiner sizilianischen Heimat erzählen. ...

 (date 21 April 2005 06:53)

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Melancholia

Sierre


Wenn ich an die Zeit im Wallis zurückdenke, werde ich ganz und gar
melancholisch. Es geschieht mir immer wieder. Und es ist mir nicht klar, ob
das gut oder ob das eher schädlich ist. Es ist diese spezielle Landschaft,
die eine ästhetisch sehr schöne und übersichtliche Welt damals gewesen ist.
Aber es ist natürlich auch die Erinnerung an die eigene Jugend, diese
grossen Erwartungen und Hoffnungen ans Leben, die ich damals gehabt
habe. Es sind die starken Gefühle und die Vorstellungen von einer weiten,
wunderbaren offenen Welt, an die wir damals geglaubt hatten.

Das Land, woraus wir vertrieben worden sind, das ist das Paradies. Die
Vertreibung produziert die Paradiese. Die Jugend ist ein Paradies,
allermeist. Ich habe dann auch neue Paradiese gesucht. Den Orient
einerseits, die Psychologie andererseits. Beides waren für mich unbekannte,
geheimnisvolle Landschaften, die mit meinem bisherigen Leben und der
Philosophie meiner Familie wenig zu tun hatten.

Lange Zeit habe ich versucht, mit Malen diese alten Welten und alten Zeiten
wieder zurückzuholen. Ich habe einige Landschaftsbilder im Wallis gemalt.
Eines davon hängt in unserer Stube. Es ist eine Ansicht vom lac de Géronde
in Sierre, das ich sehr liebe. Ich glaube, ich habe Dir schon einmal über
diesen wunderbaren See inmitten der Hügel von Siders erzählt. J., mein
Freund aus dem Club, der Moderedaktor, meint, das Bild sei in mystischen
Farben gehalten. Ich sei ein Mystiker, meint er.

Nun ja, Marlena, Du siehst, wie leicht ich mich in eine solche romantische
Psychose hineinmanövrieren kann. Ich kann wirklich schwelgen in meinen
alten Erinnerungen. Aber eigentlich nur, wenn ich darüber schreibe. Sonst
schwinden sie vorbei wie Wolken im Sommerwind.

Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und ich hoffe, dass ich bald von
Dir höre.
Mit einem lieben Gruss

Montag, 25. Oktober 2010

Juli 2005

date 4 July 2005 07:08
subject Re: Sommer


Liebe Malou
Hast du ihn gesehen ? War er nicht grossartig? Ich meine, ihr Schweden kennt euch doch in diesen Dingen aus! Er war fantastisch! Alle sagen es. Alle Zeitungen sind voll davon. Er ist aller Darling in der Schweiz. Wir haben seit Willehlm Tell keinen mehr gehabt wie ihn. Und er ist sehr heimatverbunden und spricht in treuen Worten von seiner Heimat. Er ist ausserordentlich gut und bescheiden. Das sind genau die Qualitäten, die wir uns wünschen in der Schweiz. Nicht grosse Worte. Keine riesigen Extravaganzen. Top performance und verbale understatements.

Na ja, ich spreche natürlich von unserem Roger Federer. Ich habe gestern noch mit grossem Zufall den letzten Satz gesehen. War es nicht wie ein Sonntagspaziergang? Und er ist bloss 24 jährig.

2010 Stockholm Open: Game, Set ...


Kronprinzessin Victoria und Roger Federer

.. und Kuss?

Sonntag, 24. Oktober 2010

Ungerer

Ämne:  Freitag nach dem schmutzigen Donnerstag ...
Datum: den 20 februari 2004 08:36

Liebe Malou
Ja, nicht wahr, Ungerer ist ein komischer Kerl. Merci für die Adresse seiner Home Page. Ich habe vor einiger Zeit ein Interview mit ihm im Fernsehen gesehen und dann zufällig im Laden die beiden Büchlein: eines über seine Jugend im Elsass, das andere über seine Zeit Amerika und Irland. Na ja, ich gebe zu, sie waren auf halben Preis gesetzt. Ich hatte sie früher schon gesehen, fand aber stets, sie wären zu teuer. Es sind Texte und Zeichnungen, so wie ich es sehr gerne mag. Früher hatte ich von Ungerer eigentlich nur seine Cartoons und die Illustrationen zu den deutschen Liederbüchern gekannt. Letztere habe ich gekauft, als die Kinder noch klein waren. Und es ist wahr, was T.U. von sich behauptet. Er hat diese Lieder aus der Verstaubung befreit und ihnen ein modernes Image gegeben, so dass man sie wieder zur Hand nehmen kann. Er sagt auch, dass er dieses Projekt seit seiner Jugendzeit im Kopf gehabt hatte. Die Illustrationen sind hübsche, lustige, teilweise deftige Zeichnungen von Menschen- und Tierfiguren in der Elsässer Landschaft. Das kleine Büchlein, das ich jetzt lese, hat den Titel „Die Gedanken sind frei“. Das ist zugleich der Titel eines der schönsten und besten deutschen Lieder. Kennst Du es?

Ich habe übrigens, das kommt mir eben in den Sinn, kürzlich auch ein Büchlein mit alten Cartoons Ungerers gefunden. Sie sind schon älter, aus einer Zeit, da er vielleicht noch nicht so bekannt war. Aber man sieht darin seine unbändige Kraft und seine quere Fantasie. Häufig sind sexuelle Aspekte enthalten, manchmal nicht eben schön. Er hat ja auch ein Buch rund um das Thema SM gemacht. Solches mag ich weniger. Aber ich glaube, Ungerer ist auch als Persönlichkeit sehr komplex. Ich glaube nicht, dass ich mit ihm in Frieden zusammenleben könnte. Vielleicht hat er in seiner Seele eine Art inzestuöser Liebe zu seiner Mutter. Sowas könnte ich mir sehr gut vorstellen. Er hat noch heute, mit 70 Jahren, etwas Jünglinghaftes und Unverbindliches im Gespräch. Darin finde ich ihn nicht besonders sympathisch.

Ungerer ganz kurz..



Subject: Ungerer ganz kurz..
Date: Thu, 19 Feb 2004 09:44:11 +0100

Lieber ...,
Es freut mich sehr, dass du das Bild genau so magst wie ich. Und du hast es wirklich gut beschrieben. Die Harmonie und Lebensfreude, die es zeigt, gehen direkt ins Herz. Ich glaube sie müssen dort eine herrliche Zeit zusammen verbracht haben.. und vielleicht hat die Freude in flüssiger Form auch dazu beigetragen.

Ich möchte dir vor allem auch danken, dass du mich auf Ungerer aufmerksam gemacht hast. Habe eine wunderbare Site gefunden, http://www.arte-tv.com/thema/19971125/dtext/home.html
wo man über ihn und sein Werk lesen kann. Du musst dir auch die französische Variante ansehen. Dort gibt es ganz herrliche Aphorismen von Ungerer.

Ich bin etwas in Eile, komme aber später wieder.
Bis dahin liebe Grüsse,
Malou

Der Typ im Vordergrund auf dem vorigen Bild muss Kröyer selbst sein. (Der Haarfarbe nach.. ;-) Lege dir noch ein Bild bei aus der Künstlerkolonie. Links Kröyer mit seiner hübschen Frau und rechts der Schriftsteller Otto Benzon.

Samstag, 23. Oktober 2010

Re: Nochmals Skagen

Ämne: RE: nochmals Skagen
Datum: den 19 februari 2004 10:02

Liebe Malou
Ja, das Bild ist sehr schön. Ich mag solche Bilder, wenn ich auch weiss, dass der Stil längst vorbei ist. Er ist wohl postimpressionistisch, ungefähr so wie Bonnard und andere. Alles schaut so sinnlich und lebensfreundlich aus. Das gute Licht, der volle Tisch, die plastisch gemalten Gesichter. Es ist eine durch und durch bürgerliche Malerei, die das bürgerliche Leben geniesst. Und vielleicht sieht man auch ein bisschen von dem speziellen Licht in Skagen, wie Du darauf hinweist. Man hat ja wohl den Eindruck, das sei alles sehr realistisch gemalt, inklusive die Jungendstil Lampe, die oben hängt. Aber ist im Gegenteil sehr gut durchkomponiert. Wenn man sich die Wandaufteilung im Hintergrund anschaut, muss man feststellen, dass sich der Maler viel dabei überlegt hat. Es gibt einen guten Rhythmus quer durch das Bild hindurch. Und die schöne Rückensicht des Typen links im Vordergrund. Das schafft den Eindruck der Tiefe ins Bild hinein. Ja, man hat den Eindruck, dass man selbst auf einem Stuhl in der Runde dieser Geniesser sitzen würde. Und das Glas Rotwein im Vordergrund ist zum Greifen nahe. Daneben die dunkle Person im Gegenlicht. Schön, wie der Bart scheint. Ja, gefällt mir sehr gut. Man möchte doch dabei sein, nicht wahr. Und man fühlt etwas von der Lebendigkeit einer vergnügten Diskussion in freundschaftlichem Kreis. Muss ich mir merken, die Skagen Maler, auch wenn Du sie schon in historischer Zeit mal erwähnt hattest.

Skagenmaler


Subject: Kunterbunt.. unter grauem Himmel.. 
Date: Wed, 18 Feb 2004 22:56:05 +0100

Lieber ...,
Skagen ist ein Ort in Dänemark. Es liegt am Meer und hat ein ganz besonderes nordisches Licht. Deswegen hat es auch viele Maler angezogen, die dort eine Künstlerkolonie gegründet haben. Der wohl bekannteste von ihnen ist Peter Kröyer, von dem ich dir vor langer Zeit mal geschrieben habe, weil ich damals ein Buch gelesen habe über seine schöne Frau Marie, die auch Künstlerin war.
Die "Skagenmaler" sind also ein Begriff für uns hier im Norden. Ich schicke dir ein Bild mit, wo sie sich selbst abgebildet haben.

...

Re:

...
Ach, mein lieber Mausfreund. Du vergleichst dich mit dem Panther in seinem Gefängnis. Das ist aber wirklich hart. Und was du durch das Gitter siehst ist nicht mehr für dich, meinst du? Warum denn eigentlich nicht. Man kann sich in jedem Alter küssen. Sogar leidenschaftlich. Ach, wie schade, dass wir so weit voneinander sind. Ich würde dich gern davon überzeugen... ;-)

Aber wenn du von küssen auf der Strasse sprichst, dann muss ich sofort an Paris denken. Hier bei uns sehe ich täglich Schüler die sich küssen. Die jungen Leute genieren sich nicht im geringsten. Und ich denke mir nichts besonderes dabei. Aber in Paris habe ich reagiert. Dort küssen sich auch erwachsene Leute öffentlich. Sollen wir's mal versuchen? Und wenn du mit mir die Champs-Elysées runtegehst

Grösse X Länge = Volumen

und dann in deinem Kinderstühlchen sitzst, werde ich dich zärtlich küssen - auf die Schläfe.
Ich schau mir fast jeden Tag das letzte Foto von dir an. Muss mir deine Züge einprägen. Und immer möchte ich dich umarmen und küssen, wenn ich das tue. Die Wissenschaft sagt doch "maladi" dauert höchstens vier Jahre. Wie falsch sie hat.  Ich fürchte schon, es ist eine unheilbare Krankheit.

*
Ach, das ist ein lustiges Mail geworden. Sorry!

Küssen

 Ämne: RE: Do-Mo
Datum: den 29 april 2004 06:36


Liebe Malou
...
Bei uns ist der Frühling durchgebrochen. Der gestrige Tag war ziemlich warm und ich war abends durstig, ohne zu wissen, woher das eigentlich kam. Und viele leiden schon an Heuschnupfen. Und auf der Strasse siehst Du die Jungen ziemlich intensiv küssen. Es wird jedes Jahr intensiver und sie werden jedes Jahr jünger! Nun ja, ich kann mich eigentlich noch ziemlich gut an jene Zeit erinnern. Und wahrscheinlich hat auch uns der Frühling damals das Blut in Wallung gebracht. Wir hatten uns niemals erlaubt, auf der Strasse zu küssen. Aber man stand doch stundenlang an irgend einer Ecke und schäkerte herum. Und man war gut drauf und wusste nicht mal so echt, woher das alles kam. War es vielleicht das schöne Wetter? Und die Erwachsenen, die vorbeigingen, schauten mit einem gewissen Verständnis hin. Wussten sie vielleicht, woher das kam, dass man sich so gut fühlte? Na ja, gelegentlich schauten sie auch eher kritisch. Die wussten sie bestimmt, woher das kam.

Ach, Du siehst, ich verstehe sie schon, die Jungen. Und in kurzen Momenten, wie in Rilkes Gedicht vom Panther, sehe ich einen kurzen Moment zwischen den Stäben meines Käfigs durch und fühle ein kleines Stechen, welches man Neid nennen könnte.

Ich wünsche Dir einen schönen Tag
Mit lGuK

Hesse-Gedicht

...
Ich muss schmunzeln wenn du mich romantisch nennst. Ich glaube du bist der erste Mensch der mich so nennt. Habe ich dir wirklich dieses Bild von mir vermittelt? Wo ich doch eher die Welt sehr nüchtern und realistisch betrachte. :-)
Das schöne kleine Gedicht von Hesse habe ich noch in guter Erinnerung. Es hat mir auch sehr gefallen. Aber es ist ein trauriges Gedicht. Es endet mit den Worten:

Seltsam im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
jeder ist allein.

Lass mich bald wieder von dir hören. Ich SSSSS dich immer wieder. :-)
Mit einem lieben Gruss
Marlena

kleines Manual?

Lieber ...

Ich bin ganz gerührt wenn ich daran denke dass du mir die ganze Zeit auf dem kleinen Laptop geschrieben hast. Und nun nennst du mich sogar dein kleines Manual.. Na ja, ”mein” gefällt mir ganz gut und ”kleines” ist auch nicht ganz falsch aber bei Manual muss ich Stop sagen. Wenn ich nicht Anna hätte könnte ich sicher nicht viel mehr als du auf diesem Gebiet. Aber Anna ist jederzeit bereit uns zu helfen.. Es ist schön dass ich dich nicht vor ihr verstecken muss. Du gehörst ganz einfach auch zu meiner Familie... :-)
Das Vierte Blatt, wie du ja schon weisst.
Und dies mit dem Hesse-gedicht war ein reiner Zufall. Es kam mir wirklich sehr bekannt vor aber ich wusste nicht mehr wo ich es gesehen hatte - und dann fand ich es in einer Anthologie die ich am Anfang meiner Karriäre als Lehrbuch hatte. ”Eine Stunde Aufenthalt” hiess das Buch und enthielt wunderbare Kurzgeschichten von verschiedenen deutschsprachigen Schriftstellern. Åke und ich werden ganz nostalgisch wenn wir nur den Namen hören so gut hat es uns gefallen. Jetzt ist es längst zu schwer geworden fürs Gymnasium. Höchstens an der Uni könnte man es noch benutzen.

Künstlerberuf


Ämne: RE: Do-Mo
Datum: den 29 april 2004 06:36

Liebe Malou
Nein, Deine Komplimente über meine Bilder betrüben mich absolut nicht. Sie freuen mich und helfen mir, dass ich auch selbst meine Bilder mit weniger strengen Augen ansehen kann. Ich glaube, die Vorstellung, sich als Maler durch das Leben zu bringen, ist ein fantastisches Alternativprogramm. Ich glaube, es wäre ein harter Job. Und man müsste sich seiner Leidenschaft sehr sicher sein. Denn man muss sie auch gegen das Publikum betreiben können.
Aber wir wissen doch, dass das Alternativprogramm in der Phantasie mehr oder weniger dazu dient, dich im normalen Leben bei der Stange zu halten. Versteht man diesen Satz als Fremdsprachlerin? Ich will sagen: es ist leichter, einen Weg zu gehen, wenn man weiss, dass es auch noch einen Umweg gäbe. Auch wenn der Umweg gelegentlich als attraktiver erscheinen würde. Gut gesagt, nicht wahr?
Allerdings muss man sagen, dass es eine Zeit gab, da Maler neben ihrem bürgerlichen Beruf gemalt, und mit internationaler Wirkung gemalt haben. Jan Steen - so glaube ich mich zu erinnern - war ein solcher Typ. Erinnerst Du Dich? Die Holländer sprechen von einem „Jan Steen Haushalt“. Ich müsste von einem „Jan Steen Büro“ reden. In seinen hübschen Genrebilder liegen immer viele Dinge auf dem Boden herum. Ich glaube, er hatte Angst vor der leeren Fläche, eine Art Horror Vacui. Steen hatte einen bürgerlichen Beruf und hat daneben gemalt. Und das war damals wohl eher üblich.
Aber heute ist der Künstlerberuf zu einem intellektuellen Turnprogramm erster Güte geworden. Mindestens für jene Künstler, die vorne mit dabei sein wollen. Alle andern sind Epigonen.
...

Freitag, 22. Oktober 2010

Alexanderschlacht

Liebe Malou
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Ich habe gestern Abend ein Buch gefunden, was ich schon länger gesucht habe. Na ja, ich muss so sagen: in meinem Iran-Vortrag wollte ich eine Abbildung des Bildes von Altdorfer „Alexanderschlacht“ zeigen. Ich hatte mal eine Beschreibung und Interpretation davon gelesen. Und - offen gesagt - hatte ich diese kunstgeschichtliche Interpretation gesucht, von der ich dachte, sie wäre in einem kleinen dtv-Büchlein. dtv gibt eine Reihe heraus, in der sie Bilderwerke rundum interpretieren und kunstgeschichtlich besprechen. Davon habe ich einige. Und ich hatte gedacht, darunter auch das Bild von Altdorfer zu finden. Aber nichts davon. Und so ist mir gestern - mehr oder weniger zufällig - ein Sammelband in die Hände geraten, der Bilder von Renaissance-Malern vorstellt. Und dort ist Altdorfer zu finden. Der Text ist allerdings äusserst kurz und aufs Wesentliche beschränkt. Aber das Bild ist in voller Grösse reproduziert. Ich hatte bisher bloss eine Abbildung aus dem Internet, eine Adresse, die Du mir mal gemailt hast. Das Bild ist grossartig, vor allem auch in der Landschaft, die es zeigt. Es stellt die Schlacht am Issos dar, in der Alexander der Grosse Darius besiegt. Vom Himmel hängt eine Etikette, wo die ganze Szenerie noch benannt ist. Im Hintergrund sieht man die Insel Zypern, die auch in persischem Besitz war. Links soll man noch den Turm von Babylon entdecken, behauptet der Text nebenan. Und im Hintergrund ist aus der Ferne der Nil in seinen sieben Armen, die ihn ins Mittelmehr giessen, zu sehen. Es ist eine toll ausgedachte Szenerie, nicht wahr? Was die Figuren auf dem Bild betrifft, so kann ich mich nur noch daran erinnern, dass Altdorfer die Perser als Muslime mit Turbanen zeigt. Und auch die Frauen des Darius sind auf dem Schlachtfeld. Es soll zwar so gewesen sein, dass die Ehefrauen (oder zumindest diejenigen, die gut zu Fuss waren) der achaimenidischen Herrscher mit ihren Ehemännern in den Krieg gezogen wären. Und so sind sie bei Gelegenheit auch in Gefangenschaft geraten.
Das Bild ist vor allem interessant, weil es eine Darstellung der europäischen Wahrnehmung des Orientes darstellt. Alexander wird sozusagen als Retter des Abendlandes, aber natürlich noch mehr als Welteroberer gezeigt. In der Renaissance ist in der Tat der europäische Kolonialismus und die Ausbeutung der halben Welt entstanden. Und die Perser erscheinen in einem schwachen Licht, so wie sie die Griechen in ihren Texten immer dargestellt haben: schwächlich, verwöhnt, blind und willenlos unter ihren Despoten. Das war natürlich ein Effekt des ideologischen Kampfes. Na ja, immerhin hatten die Griechen in den Schlachten von Marathon, Salamis und Plataia ihren mächtigen Nachbarn zwar nicht vernichtend, aber immerhin „blamierend“ geschlagen. Das waren in der Tat Schlappen für das riesige Reich. Aber es ist nicht anzunehmen, dass die Perser sich Griechenland unterwerfen wollten. Sie hatten wohl bloss die Absicht, die ionischen Städte auf Kleinasien, Milet und andere, diese widerspenstigen griechischen Ableger, die durch das Mutterland auch noch unterstützt wurden, zur Ordnung und zur Unterwerfung zu bringen. Damit hatten sie am Rand ihres riesigen Reiches ein bisschen Mühe.

Ach, das wird Dich alles wohl kaum so stark interessieren, Malou? Aber das ist es, was mich im Moment umtreibt. Und es sind, das muss ich zugeben, eher periphere Dinge. Ich meine, was beschäftigt denn Alexander uns heute noch? Gar nichts!

Jetzt muss ich los. Es hat soeben geklopft an der Tür.
Ich wünsche Dir einen sonnigen Tag.
G&K
...

Händler in Sharm-el-Sheikh

Händler in Sharm-el-Sheikh.
Der Laden wirkt sehr sauber und aufgeräumt.
Und das eben in grossem Kontrast zur Strasse davor.
Aber hier: ein kleines Paradies, nicht wahr.

Sharm el Sheikh


Das Paar, welches wir in Sharm el Sheikh kennen gelernt haben, hat uns
ihre Bilder geschickt. Es ist lustig zu sehen, wie andere Leute
dieselben Dinge und Umstände anders sehen, die auch wir selbst gesehen
haben. In den Bildern kommt immer wieder eine verschiedene Perspektive
zum Ausdruck. Ich versuche auf meinen Bildern immer, die Touristen
auszuschliessen. Ich möchte vor allem die Einheimischen auf dem Bild.
Das wirkt für mich natürlicher (ist natürlich eine Illusion, aber eine
schöne). Ich habe beispielsweise bei den Pyramiden versucht,
Gesichtspunkte zu wählen, wo man die vielen Touristen nicht sieht.
Aber irgendwie braucht es das menschliche Mass auf dem Foto, damit die
Monumentalität der Pyramiden zum Ausdruck kommt. Deshalb habe ich
immer wieder versucht, diese Kamelreiter zu erwischen. Aber unter
ihnen gab es solche, die mit westlicher Kleidung, Windjacke und Jeans
daherkamen. Die wollte ich nicht. Ich habe jene bevorzugt, die mit dem
langen Hemd und womöglich mit Kopftuch bekleidet waren. Kurz und gut:
ich war in meinen Fotos viel wählerischer als Werner. Und so behaupten
meine Fotos, das authentische Aegypten darzustellen.
Auf der anderen Seite haben sie einige Ausflüge gemacht, bei denen wir
nicht dabei waren. Die Fotos geben uns einen Eindruck von dem, was wir
dabei verpasst haben. Und ich kann mit Erleichterung sagen, dass ich
nicht neidisch geworden bin.
Hast Du gehört in den Medien: Israel und Palestina haben sich in Sharm
el Sheikh getroffen. Schon als wir dort unten waren, soll eines Tages
Mubarak aufgetaucht sein. Ich hatte es nicht beobachtet. Aber S hatte
erzählt, dass der halbe Ort gesperrt war. Sharm el Sheikh ist für
Ägypten, wie Zermatt oder St. Moritz für die Schweiz. Es ist die reine
Ferienmaschine.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Bigamist und Gentleman




(Fortsetzung Ägypten)

Ich sollte gestern für K etwas auf Video aufnehmen und dann war da
plötzlich ein Naturfilm, der einen kleinen Vogel zeigte, der sich mit
seinem Weibchen in einem Nistkasten installierte. Ich bin schon immer
neugierig gewesen, wie es in einem Nistkasten zugeht. Doch dann, als
alles fertig war und sie auf ihren Eiern lag, flog er weg um sich noch
ein weibchen zu ergattern. Das lustige dabei war, dass er nicht den
nächsten Nistkasten für sie wählte, der nur 50 Meter entfernt lag,
sondern einen ziemlich abgelegenen. Er wollte nicht dass sein Weibchen
ihn ertappen sollte, denn das hätte schlimm enden können. Erst später
sah ich den Titel dieses Filmes: Bigamist und Gentleman. Ich brauche
dir nicht zu sagen wohin meine Gedanken gingen. ;-)

Ägypten


subject:  Bigamist und Gentleman

Lieber ...,
Heute Nacht habe ich schlecht geschlafen. Schon um drei Uhr war ich
wach und es war unmöglich wieder einzuschlafen. Und so habe ich an
dein letztes Mail gedacht und vor meinen Augen schwebten die schönen
Bilder, die du mir von dem Urlaub in Ägypten geschickt hast. Wieder
denke ich, du bist mit der Kamera ebenso geschickt wie mit der Feder.
Deine Bilder leben. Und dann musste ich schmunzeln, weil ich dich in
Gedanken vor mir sah, wie du dich körperlich abplagen musstest. Sie
tut Recht damit, deine S, dass sie dich ein Bisschen antreibt. Auch
ich will dich sowohl körperlich wie seelisch jung behalten. :-)

Und gestern konnte ich kaum das Radio anstellen, ohne dass ich wieder
an deine Reise denken musste. Immer wieder nannte man Sharm El Sheikh.
Du weisst wieso.
...

Mein Rubens-Bild




Mein Rubens-Bild: ja, das war eine ganze Woche Arbeit, von morgens bis abens beinahe. War aber auch ein Vergnügen. Ich habe nicht mal ein Raster gezogen, was man eigentlich macht, wenn man ein Bild kopiert. Du verstehst, was ich meine? Man teilt das Original in Koordinaten wie eine Landkarte, damit man die Proportionen und Lageverhältnisse, die Grössen richtig treffen kann. Ich habe es einfach aus einem Buch direkt kopiert, naiv wie ich bin. Aber es ist nicht so schlecht herausgekommen. Es wirkt sehr barock. Barocke Bilder sind aus dem Dunkeln heraus gemalt. Sie wirken alle ein bisschen wie eine Theaterbühne, mit spezieller Scheinwerferbeleuchtung, die gewisse Aspekte betont und andere in den Hintergrund rückt. Und die Figuren sind in einer strengen choreographischen Ordnung platziert, obwohl man auf den ersten Blick meint, das sei alles ganz spontan. Ist es aber nicht, ist sehr raffiniert und überlegt und berechnet. Es ist gemacht wie Reklame, sage ich. Und dazu gibt es viele allegorische Bezüge. Es ist voller griechischer Mythologie, die alles hat seine Bedeutung. Sie haben sich damals viele Gedanken gemacht beim Malen und beim Sehen. Doch das ist heute vielleicht immer noch so. Ich liebe es, wie die Figuren aus dem Dunkeln hervortreten ins Scheinwerferlicht des Lebens. Und ich liebe Bilder mit starken hell-dunkel Kontrasten. Das gibt ihnen Gewicht. So habe ich eine gute Woche an meinem Rubens gemalt und der Geruch des Terpentinöls ist mir in die Nase gestiegen. Ich habe ein Bild von Rubens (er hat seine Bilder nicht alle selbst gemalt, vielleicht entworfen und schliesslich die Glanzlichter gesetzt, denn er hatte ja eine richtige Mal-Manufaktur, der gewiefte Kaufmann Rubens) gewählt, das aus seiner reiferen Phase stammt. Die mag ich lieber als die frühen, in der die Bilder noch sehr monumental, manchmal etwas hart und noch nicht organisch aufgebaut sind. Ich will dir später einmal erzählen, wie dieses Bild aufgebaut ist. Es ist wirklich eine raffinierte Konstruktion. Und ich habe sie nur entdeckt, indem ich sie Zentimeter um Zentimeter kopiert habe.

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Nähe ... :-)

Ämne: Nähe.. :-)

Lieber ...
Ich danke dir herzlich für deine lieben Mails. Gestern wusste ich so viel was ich dir schreiben wollte und jetzt weiss ich nicht genau wo ich anfangen soll. Ich glaube wirklich dass wir etwas überfordert sind, meine Kollegen und ich. Ich sehe wie sie in kurzer Zeit älter und müder geworden sind und es tut mir leid um sie. Auch ich fühle mich oft am Rand meiner Kräfte. Ich freue mich auf das Wochenende wo ich mich etwas erholen kann.
*
Es war schön bei meiner Schwägerin. Alles war sich ähnlich. Das schöne Haus, ganz im englischen Stil gebaut in einem attraktiven Viertel von Stockholm mit vielen grossen Gärten und nahe zur Natur. Auch die Einrichtung war immer noch so spartanisch wie früher, sehr originell und etwas von Japan inspiriert. Nun ja, er ist Architekt und hat seine Ideen. :-) P-O war alt geworden, aber nur im Aussehen denn als Person war er immer schon ”alt”. Er hat auch früher nicht so richtig an unseren Aktivitäten teilgenommen sondern meistens einen bequemen Lehnstuhl und ein gutes Buch bevorzugt. Ausserdem war er immer allergisch gegen Mücken und ging schon deswegen nicht gern hinaus. Er hat etwas englisches an sich und ich könnte ihn mir gut als Lord auf einem englischen Gut vorstellen. Ein Teil seiner Vorfahren stammen ja auch aus England. B. ist wie immer noch die stille angenehme Person von früher. Doch kann ich sehen dass ihr Kummer Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen hat. Sie hat sich in den letzten Jahren sehr in Hilforganisationen engagiert vielleicht auch ein wenig um zu vergessen.
Sie waren sich sonst ziemlich ähnlich. Man weiss, dass sie immer etwas ganz besonderes zum Dinner anbieten, etwas das sie lange und sorgfältig zubereiten. So lange, dass die Gäste manchmal, unter Vorwand ein wenig frische Luft zu holen, an eine Wurstbude schleichen und um ihren schlimmsten Hunger zu stillen.;-) Nun, dies ist ein Spass den man sich so zwischen Geschwistern und Schwägerinnen erzählt. Meistens fahren wir auch zu ihrem Sommerhaus das in den Schären liegt und übernachten dort. Aber diesmal war das Wetter nicht so gut. Ja, es ist schön ein paar Stunden mit netten Leuten zu verbringen. Leider fehlt uns meistens die Zeit dazu.
*
Ach , wie nett von dir dass du mich wissen lässt wer du bist. Eigentlich habe ich es schon gewusst. Ich kenne deine heimlichen Träume. Vielleicht wirst du sie auch einmal verwirklichen. Wenn du in Rente bist wirst du an einem schönen Ort irgendwo im Süden wohnen, wo die Sonne scheint. Du wirst deine Bilder malen und ab und zu wirst du mich besuchen. Denn ich werde nicht allzu weit von dir wohnen. Du hast einen schönen Traum und ein wenig erinnert er mich an die Geschichte von Kästner. Ich wäre dann gern das "schweigdsame Fräulein" das dir zuhören würde während du mein Portrait malst. Ach, chéri, unser Leben ist so voll von schönen Träumen. Und sie sind ein Teil von uns und machen uns glücklich und traurig zugleich, denn wir ahnen dass sie vielleicht nie wirklich werden.
*
Ich habe noch einmal deine Beschreibung von dir durchgelesen. Also zwei ziemlich verschiedene Persönlichkeiten die sich ergänzen und zu einem spannenden ganzen werden. Ich will doch garnicht dass du ein stiller langweiliger Büromensch werden sollst. Als solchen kann ich mir dich überhaupt nicht vorstellen. Ich sehe in dir alle Eigenschaften und Möglichkeiten. Ich bin hungrig nach allem was dich betrifft. Ich möchte ".. bis an deinen Rand dich denken", d.h. dir so nahe kommen wie es nur möglich ist. Und du bist mir nahe, chéri. Meine innersten Gedanken gelten immer dir. Ach, wenn du nun hier wärest, dann brauchte ich keine Worte und du würdest alles verstehen. ...

Marlena

Dienstag, 19. Oktober 2010

Ego ?? (2)

 *
Vielleicht habe ich Dir einmal beschrieben, welche Arbeitssituation ich mir am meisten wünschte. Ich würde am liebsten im Atelier malen, Porträt malen, und dabei gleich noch psychologische Beratung machen. Das heisst, die Leute kommen eigentlich wegen eines Porträts, oder vielleicht einfach, weil sie sich unterhalten, weil sie plaudern möchten. Aber so beiläufig, wie durch Zufall, vielleicht mit einem Glas Wein, würden wir auf diese oder jene Fragen zu sprechen kommen, auf dieses oder jenes Problem. Ich denke, das wäre eine ideale Situation, um Leute zu beraten. Man sollte sie beraten, während sie es gar nicht merken, dass sie beraten werden. Das ist die Kunst. Und daneben liegt mein dicker gescheckter Spaniel auf dem roten Sofa und öffnet ab und zu das Auge, um nachzusehen, ob die Welt noch in Ordnung ist.
Das wäre schön, glaub mir Marlena. In dieser Situation wäre ich selig. Und wenn gerade kein Kunde im Atelier ist, würde ich lesen, oder meine Palette putzen. Es riecht immer nach Terpentin, im Atelier. Und das finde ich fein. Und im Hintergrund würde eine leise Musik laufen, die das Herz beschwingt. Französische Chansons, das wäre schon ok, vielleicht nicht immer, aber doch oft.
*
Das heisst doch eigentlich, dass mein Idealbild das des Künstlers ist, und sicherlich nicht das des Beamten, des Verwaltungsmenschen, der jeden Tag hinter seinem Pult sitzt und nach §§§§ arbeitet. Ach, ich hasse diese Typen, die so pingelig und exakt sind und bloss an §§§ oder an Formeln denken. Das hört sich alles ein wenig chaotisch an, vielleicht. Aber es hält sich in Grenzen. Total chaotisch bin ich nun auch wieder nicht.Ich kann beispielsweise nicht den ganzen Tag weg sein. Ich brauche mindestens ein paar Stunden pro Tag zuhause, um wieder zu mir und zur Ruhe zu finden. Es gibt doch leute, die ständig unterwegs sind und sich überall gleich zuhause fühlen. So bin ich nicht. Ich brauche, auch wenn ich spät nach Hause komme, eine oder zwei Stunden, bis ich schlafen kann.
*
Und jetzt, Marlena, wirst Du aus mir klug? Habe ich irgend eine Frage beantwortet, die vorher noch unklar war, und jetzt klar? Ach, ich glaube es nicht. Ich bin vielleicht einwenig undurchsichtig. Und ich bin, wie du sagst, geräumig. Man könnte einige Kommoden bei mir einstellen. Und ein paar alte Kisten dazu.
*
Mein Schatz, ich muss jetzt an eine Sitzung. Ich komme dann zurück und schicke dieses Mail ab. Ich bin unter Zeitdruck. Verzeih mir. Auf jeden Fall wünsche ich Dir einen schönen Abend. Ich küsse Dich in der Dämmerung.
...
Und jetzt bin ich zurück und küsse Dich ein zweites mal. Jetzt verwegener, wo es dunkel geworden ist.
MMM

Ego???



Liebe Marlena
Ach meine Liebe, ich glaube, Du möchtest wirklich wissen, wer ich bin. Willst Du das wirklich, Marlena? Ich meine, all die Typen neben dem stillen und kontemplativen Kerl hinter dem Ofen, die ich auch noch bin oder sein könnte.
Ach, wie soll ich über mich schreiben?
Ich glaube, ich habe Dir davon erzählt, dass wir am Ende eines Führungsseminars eine Auswertung gemacht haben. Der Leiter des Kurses gab jedem und jeder Teilnehmerin eine persönliche Qualifikation. Mir hat er gesagt, er hätte den Eindruck, ich schwanke zwischen weiser Gelassenheit und dem Drang, etwas tun zu müssen. Und er gab mir den Rat, die beiden Tendenzen nicht als Gegensätze, sondern als Ergänzung aufzufassen. Das fand ich ziemlich gut, wie er mich charakterisiert hat. Ich glaube wirklich, dass ich von Natur aus ein ziemlich kontemplativer Typ bin. Ich liebe die ruhigen Betrachtungen. Aber andererseits fühle ich ständig die Verpflichtung, aktiv zu sein, etwas zu tun. Das tue ich aber eher aus einem Pflichtgefühl denn aus wirklicher Begeisterung. Im Grunde wäre ich am liebsten ein Philosoph, oder ein Sufi, oder eben, wie schon oft gesagt, ein Clochard. Das ist ja alles ungefähr dasselbe, nur ein bisschen in unterschiedlichen oekonomischen Verhältnissen.
Und im Kurs selbst war ich erstaunt, wie mich viele der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer als "gelassen, weise, ausgeglichen, mit guten Ideen" beschrieben haben. Ich kam mir fast ein wenig vor wie der Medizinmann. Nun ja, sie wussten alle, dass ich Psychologe bin, und viele Leute haben ja einen gewissen Respekt vor diesen merkwürdigen Fachleuten. Und ich war natürlich tendenziell auch etwas älter als die meisten von ihnen. So gerät man mehr und mehr in die Rolle des Grossvaters, oder besser in die Rolle des Supervisors. Was ja mehr oder weniger dasselbe ist.
*
Vielleicht habe ich Dir einmal beschrieben,...

retour d'Afrique (2)

*
Übrigens habe ich auch Geburtstag gehabt. Es war eine kleine Sache. Ich war ja wirklich tief im Bett, und meine Familie ist mit den Gratulationen fast nicht bis zu mir durchgedrungen. Aber mein Vater hat mich besucht und ein Geschenklein gebracht. Und S. war bereit, mir ein feines Essen zu kochen. Aber ich hatte gar nicht sonderlich Appetit. So haben wir es verschoben.
*
Und nun, meine liebe Marlena, hoffe ich, dass wir unsere Mausfreundschaft wieder wie bisher weiterführen können. Es ist wirklich sehr schön, von Dir zu hören und Dich in Gedanken zu umarmen. Und jetzt wirst Du von mir wieder mehr hören.
Ich wünsche Dir einen schönen Abend
Mit Liebe
...

Montag, 18. Oktober 2010

retour d'afrique


Liebe Marlena
Och, da sind soviele Mails von Dir, ich weiss gar nicht, wo beginnen, um ja nichts Wichtiges zu vergessen. Wo soll ich anfangen. Du bist süss, süss bist Du. Deine schöne Mischung aus Beichte und Stolz habe ich mir schon zu herzen genommen. In einigen Zeilen hatte ich den Eindruck, dass Du Dich abends wirklich einsam fühlst und gerne jemanden hättest, um zu plaudern. Ach, Marlena, ich habe in den letzten Tagen auch oft an Dich gedacht, und diese Gedanken haben mir gut getan. Ich wusste, dass Du mit Deiner Liebe an mich denkst. Dieses grosse Wohlwollen ist wie eine Medizin. Es tut mir leid, dass für Dich die Zeit schwierig war und dass Du - wie Du oft sagst - die Wände hoch gehst. Ich weiss genau, wie Du das meinst. Ich habe das auch schon erlebt. Aber jetzt bin ich wieder einigermassen da. Mein Ohr ist zwar immer noch leicht verstopft. Aber es geht mir viel besser. Nur eine Müdigkeit spüre ich jetzt, am ersten Tag. Aber das wird sich mit der Zeit geben.
Ich lache immer noch, wie Du auf mein "geräumiges Frauenzimmer" ein bisschen empfindlich reagiert hast. Ich habe es wirklich nicht schlecht gemeint. Ich glaube wirklich, dass Du Platz hast für Vieles. Und ich muss auch zugeben, dass ich doch wohl auch ein bisschen geräumig bin. Aber ich hoffe doch nicht so eine Windfahne, wie Du sie an die Wand malst. Ich meine, zu sagen, ich mag Rilke nicht. Da kommt mir eine lustige Erinnerung. Vor etwa 15 Jahren habe ich meine Oelbilder ausgestellt. S hatte vor allem darauf gedrängt. Sie fand, Bilder solle man zeigen, und nicht einfach in den Esterich stellen. Das hat was für sich. So habe ich dann nolens volens etwa 40 Bilder gezeigt. Und ich hatte Angst, dass sie viel zu uneinheitlich und heterogen ausschauen würden, weil ich ja nicht wirklich eine formelle Ausbildung habe und sehr gefühlsmässig an die Sache herangehe.Aber ich kann Dir sagen, Marlena, ich war geradezu schockiert, wie einheitlich, wie ähnlich die Bilder sich sind. Es war für mich geradezu monoton. Ich war wirklich sehr erstaunt, wie sehr ich immer wieder ähnlich male, wo ich aber subjektiv ein völlig verschiedenes Gefühl habe. Gibt es nicht auch ein schönes französisches Sprichwort, das heisst ungefähr: Plus ça change, plus ça rest la même chose. Oder so ähnlich. Ich liebe schon sehr die Abwechslung, aber ich glaube, ich komme immer wieder auf die gleichen Begeisterungen zurück. Und daneben bin ich ganz still und kontemplativ hinter meinem Pult. Auch das ist eine der Begeisterungen, wie Du richtig siehst.

Maladi und Sehnsuche

Ämne: Wieder hier...
Lieber ...,
Es freut mich wieder ein Lebenszeichen von dir zu bekommen. Ich habe mehrmals in die Mailbox geschaut heute, denn ich dachte dass es dir vielleicht wieder etwas besser geht und dass du womöglich in dein Büro fährst um etwas zu holen und so.. und schliesslich, als ich schon die Hoffnung aufgegeben hatte lag da plötzlich ein Mail von dir. Zuerst konnte ich es kaum glauben und als ich dann zu lesen begann war ich wohl sogar etwas eifersüchtig auf deine volle Mailbox und auf alle meine Konkurrenten. Später erst kam mir der Gedanke dass es nur Ironie sein könnte und dass du dir vielleicht doch einen Berg von Mails von mir erwartet hattest. Ich bin immer noch nicht sicher wie du es gemeint hast.
Nun, ich werde einen Augenblick meinen Stolz beiseite legen. Ich wollte dir dies garnicht sagen, aber jetzt tue ich es. Die Tage ohne dich waren so voll von Maladi und Sehnsuche, dass ich schliesslich glaubte ich hätte den Verstand verloren. Wenn du alle Gespräche, die ich in dieser Zeit mit dir geführt habe in deiner Mailbox gefunden hättest dann wärest du darin ertrunken. Eine wahre Flut hätte dich weggeschwemmt, Schatz.
Ja, ich weiss, was du sagen willst.. ”Text ist alles was wir haben”...
---
Dass du mich ein "geräumiges Frauenzimmer” nennst finde ich weniger schön. Was hast du denn für komische Eigenschaften bei mir entdeckt die mir diesen schrecklichen Titel verleihen? Übrigens bist auch du ziemlich ”geräumig” ja ich würde fast sagen ”unbeständig”. Du bist nicht einmal deinen eigenen ”Begeisterungen” besonders treu. Ich warte schon etwas ängstlich auf den Tag an dem du mir verraten wirst dass du eigentlich nie diesen Rilke gemocht hast. ;-)

Ach, chéri, sag mir dass ich mich irre, dass du immer noch dieser liebe stille und zuverlässige Mann bist mit dem ich meine innersten Gedanken teilen wollte. Manchmal bist du so weit weg...

Sonntag, 17. Oktober 2010

Heimweh (3)

So hasste ich anfangs die Zeit im Wallis. Und ich schaute der Eisenbahn nach, die am gegenüberliegenden Berghang voranfuhr Richtung Bern und Zürich, also L letztlich. Und ich hasste die Schule, weil es keine anständigen Schulzimmer hatte und alle so zusammengepfercht in einem normalen Raum untergebracht waren. Und die katholischen Kinder, die in der öffentlichen Schule waren, warfen Steine nach uns, wohl weil wir für sie Heiden waren. Und im Winter hatte es stehts viel Schnee und er blieb lang bis weit über Ostern hinaus. Und dann wurde es nass und pflotschig. Und im Sommer war es heiss und windig, aber es gab nicht einmal ein Bad. Man konnte einfach nichts Vernünftiges tun, als an den hohen Bergen entlang zum Himmel hinaufschauen. Oben, an den Berghängen, hockten die weissen Wolken, die Schönwetterwolken. Und im Himmel gab es manchmal Militärflugzeuge, die sehr tief über Visp einen Bogen flogen, so dass es richtig donnerte, um dann in Raron zu landen. Dort gab es nämlich einen Militärflugplatz, den mein Onkel noch mitgeholfen hatte zu bauen. Er war als Ingenieur im Krieg dort tätig gewesen. Und manchmal fuhr ich später mit meinem Velo auf der Hauptstrasse die 6 oder 7 km hinunter nach Raron. Dort hatte ich einen Schulkameraden, dessen Vater einen grossen Bauernhof hatte. Und dort konnte ich sehen, wie man Kartoffeln erntete, und wie der Stier auf die Kuh steigt und wie junge Ferkel aussehen, und wie drüben, etwa in 200m Entfernung, diese Venoms und Vampires landeten und starteten und einen höllischen Lärm machten, so dass die Hühner ganz unruhig auf dem Hof herumgingen.
Aber es brauchte ziemlich viel Zeit, bis ich mich dort in Visp heimisch fühlte. Eigentlich war es dann erst, als ich ins Gymnasium kam und mit den einheimischen Jungen Kontakt hatte. Da fühlte ich mich erst richtig zuhause, als ich anfing, Fendant und Bier zu trinken und mich nach den Mädchen umschaute, die dort alle sehr brav, aber auch nicht so hässlich waren. Ach, vielleicht ist es doch eher das Heimweh nach der Jugend, und weniger nach Visp.
Wenn ich heute nach Visp gehe, dann finde ich das alles so eng und klein, und zwischen die Berge eingeklemmt. Und ich spaziere herum und es ist irgendwie frustrierend, weil ich das Gefühl habe, ich wäre hier zuhause, und doch ist mir alles fremd. Die Strassen sehen anders aus, neue Häuser, Fussgängerzonen, Unterführungen, Überbauungen. Sie haben alles neu gemacht, ohne mich auch nur zu fragen, ob ich einverstanden sei! Ach es ist kaum mehr auszuhalten! Es ist Visp und es ist doch nicht Visp.
*
Wo bist Du aufgewachsen, Marlena. Das war in Uppsala, oder? Aber doch auch nicht Deine ganze Jugend? Es ist doch merkwürdig. Wenn man jung ist, denkt man, die Erwachsenen sind weit weg, sie haben keine Ahnung von der Jugend. Sie sind letztlich fremde Wesen. Und wenn man dann erwachsen ist, merkt man, wie nah einem die Jugend immer ist, und wie all diese Erinnerungen noch frisch sind und in uns weiterleben. Aber vielleicht haben wir diese Beziehung zur eigenen Jugend mehr, als sie frühere Generationen hatten?
*
Ich wünsche Dir noch einen schönen Sonntag Abend. Ist es stiller geworden zwischen uns? Ich merke es nicht. Meine Gedanken kreisen immer noch um Dich, wie um einen "alten Turm" .. oder so ähnlich.
Ich küsse Dich, Marlena
Und ich wünsche Dir einen guten Wochenanfang
...

PS  Ich habe gestern schon ein Mail geschrieben, aber vielleicht an eine andere Adresse. Schau mal überall nach.

Heimweh.. (2)

(Fortsetzung)
Ich war ja etwa 8 Jahre alt, als wir ins Wallis umzogen. Ich weiss noch ziemlich genau, es war um Weihnachten. Ich musste irgend ein kleines Weihnachtsgeschenklein früher beenden, weil es sonst nicht mehr gereicht hätte. Und die Lehrerin händigte es mir allein aus. Und dann fuhren wir mit dem Zug durch die Winterlandschaft und dann in diese hohen Berge hinein. Dort gab es mehr Schnee. Und in Visp, da hatte es echt hohe Schneehaufen auf den Gehsteigen und von den Dächern hingen die eiseren Zapfen. Die Häuser waren mächtig, mit schweren Platten bedeckt. Das wirkte auf mich immer italienisch. Und dann brachte uns der Vater zum ersten mal in die neue Schule. Ich war total enttäuscht. All diese Kinder waren in ein kleines Zimmerchen gezwängt. Bank stand neben Bank. Unter den Fenstern glühten die Öfen. Und der Peter W. blödelte mit Manuela H. herum. Und alle trugen diese Finken, die wir sonst nur zuhause, aber doch nicht in der Schule getragen hatten. Aber hier, auf diesem Parkett, konnten sie richtig gleiten in den Hausschuhen. Und die alte Lehrerin, sie war wirklich dünn und steinalt, hatte eine grosse Brille auf der Nase. Und wenn sie Geschichten erzählte und fast mehr in Begeisterung fiel, als wir es als Kinder konnten, dann blib an ihren Lippen die Spucke hängen und zog so Fäden. Und das störte mich sosehr, dass ich in den Geschichten gar nicht mehr richtig folgen konnte. Und in gewissen Stunden verschwanden die Buben unter den Bänken und gingen hinaus in den Gang, wo ein WC war, bloss um dort ein bisschen zu blödeln. Manchmal war praktisch die halbe Klasse, dh. Klassen 1 bis 4, weg. Und sie merkte es nicht. Sie war sosehr in ihren Unterricht vertieft, dass sie nicht merkte, wenn die Klasse auswanderte. Och, sie war keine schlechte Lehrerin. Aber sie war ein bisschen parteiisch. Und vor allem hatten wir einen Deutschen, der manchmal in Lederhosen kam, und so einen blonden Schnitt hatte, wie man die Haare einfach hier im Wallis nicht zu tragen hatte, und mit ihm war sie manchmal sehr hart und streng.

Samstag, 16. Oktober 2010

Heimweh


Subject: Sonntagnachmittagsgeflüster ...


Liebste Marlena
Noch immer sitze ich hinter meiner Zeitung. Es ist empfindlich frisch geworden bei uns, und es weht ein kühler Wind. Aber der Himmel ist blau, hellblau, mit etwas verblasenen Wolken. Doch im übrigen ist jetzt jeder sicher, dass der Sommer vorbei ist. In dieser Zeit sehe ich mich am meisten nach dem Wallis. Dort gibt es tagsüber noch viel Wärme, und es riecht nach Herbst und die Lärchen brillieren wie Gold in der Sonne. Ach, manchmal habe ich wirklich Heimweh nach diesen Bergen und vor allem natürlich nach den alten Orten. Aber es ist immer auch eine Sehnsucht nach der Jugend.
...

Freitag, 15. Oktober 2010

Wieder zurück...

Ämne: WIEDER ZURÜCK...
Datum: den 8 november 2000 08:35

Meine liebste Marlena
Ich habe sowenig Zeit und muss gleich wieder auf den Zug. So konnte ich nur deine schönen Mails lesen. Ach Marlena, sie sind voller Liebe und haben mich sehr berührt. Ich danke Dir wirklich von Herzen. Ich habe auch laut gelacht. Das "geräumige Frauenzimmer" war natürlich ein bisschen ein komischer Ausdruck. Aber Du solltest es nicht in einem negtiven Sinne verstehen. Ich fand es einen lustigen Ausdruck und meinte damit einfach, dass Du eine Persönlichkeit mit vielen Möglichkeiten bist. Manchmal klingst Du erschöpft und müde, manchmal sehr traurig, und plötzlich bist Du wieder mutig und ganz keck. Ich bin oft ganz verwundert. Aber auf Rilke schwöre ich immer noch. Darauf kannst Du Dich verlassen. Ach, Du hast sehr drollig geschrieben. Am liebsten möchte ich Dich umarmen und drücken. Ich schreibe Dir morgen mehr. Morgen gehe ich wieder zur Arbeit.
Ich küsse Dich sehr innig und lange mein Schatz
...
PS Jetzt ist Morgen. Gestern konnte ich gar nicht mehr ins Netz hinein. Es muss überlastet gewesen sein. Und so sende ich es erst heute Morgen ab. Ich wünsche Dir einen schönen Tag.

Aus der Asche zurück ..

Ämne: Aus der Asche zurück ...........

Ich danke Dir, liebe Marlena, für Deine schönen Mails. Heute bin ich erstmals wieder aus dem Haus gegangen, inoffiziell, und rasch im Büro vorbei. Ja, die Mails stauen sich hier geradezu.
Also, diese Woche Krankheit, was soll ich dazu sagen? Anfangs war es wie im 9. Kreis der Hölle. Oder vielleicht im 8. Dort verkehren bekanntlich die korrupten Ratgeber. Ohrenschmerzen sind ziemlich schlimm. Sie sind ungefähr so wie Zahnschmerzen. Einfach Zahnschmerzen an den Ohren, so kannst Du dir das vorstellen. Man kann sich davon nicht distanzieren. Normalerweise, bei Schmerzen an irgend einem Körperteil oder Glied kann ich mich gut distanzieren. Und dann spüre ich nicht mehr allzuviel. Aber bei Schmerzen am Kopf, da lässt sich schwer distanzieren. Ich meine wenn ich mich von meinem Kopf distanziere, bleibt einfach nichts mehr. Dann distanziere ich mich kopflos durch fiebrige Räume und Träume. So habe ich viel geschlafen und das Bett aufgewühlt. Und morgens war es jeweils tropfnass alles. Die zweite Hälfte der Woche war dann viel besser. Die Schmerzen haben nachgelassen. Ich konnte lesen, neben Teetrinken und Schlafen. Das war herrlich. Ich habe ein Buch gelesen über Renaissance-Malerei von Michael Baxandall, einem Spezialisten am Warburg Institute der Universität von London. Ein exzellentes Buch. Ich werde Dir die Hauptgedanken bei Gelegenheit zusammenfassen. Es ist sehr informativ und luzide, und es bringt einem die Malerei von Masaccio, Frau Angeloco, Filippo Lippi, Castagno etc. wirklich näher. Und man sieht, was daran neu ist gegenüber dem Mittelalter. Ich glaube dieses Buch war meine beste Medizin. Ich hatte es früher schon einmal gelesen, aber viel flüchtiger als diesmal.
Und daneben habe ich andere Dinge gelesen. Zeitung, John Updike über Golf (ist ein wenig wässerig, würdest Du sagen, bloss lose Unterhaltung), einige Sozialstudien aus der Schweiz und so fort.
Ach, es ist wirklich köstlich, krank zu sein. Mein Arzt hat mir verboten, nächsten Montag schon zu arbeiten. Ich muss ihm vorher mein Ohr nochmals zeigen. Manchmal kommen noch Schmerzen. Das tut so wie wenn man mit einem Korkenzieher durch den Gehörgang drehen würde. Im Moment ist der Schmerz steckend scharf. Aber dann ist er wieder vorbei. Und es geht aufwärts. Ich meine, der Korken muss bald - plups - draussen sein. So werde ich frühestens am Dienstag im Büro erscheinen. Und das muss gut sein so.
Nein, ich habe mein Labtop nicht zuhause. Ich habe mich bloss in Gedanken immer wieder meinem INBOX genähert und hineingeguckt wie ein Kind vorzeitig in die Stube mit dem Weihnachtsbaum. Und in Gedanken habe ich mir vorgestellt, wie die Mails hier in hohen Stapeln vor sich hin und her wanken, die Baumhöhe bereits übersteigen, richtige Mailgebirge rundum wie Schneeberge in den Schweizer Alpen.
Ich weiss gar nicht mehr, was ich Dir geschrieben habe über meine Krankheit. War es wirklich lustig? Proustianisch, sozusagen? Das wäre ja schon was. So artifiziell und pommadig wie Proust. Er ist echt ein Knüller, dieser Proust. Es ist schön, dass Du Dich noch damit beschäftigst. Für mich ist er schon wieder weit weg.
Und schliesslich die Schweizerinnen als Ehefrauen. Das ist ein Thema. Vielleicht auch nicht gerade das richtige für einen Rekonvaleszenten. Was soll ich Dir dazu sagen? Ich habe sie nie aus der Nähe gekannt. Ausser meine beiden Schwestern. Ich glaube, die Schweizerinnen sind ziemlich sorgfältige und loyale Ehefrauen. Sie sind fleissig und schauen rundum zum Rechten. Sie versuchen, zuhause eine schöne Atmosphäre zu machen. Sie sind vernünftig, und in der Regel eher sparsam. Zu 50% arbeiten sie heute, meist in Teilzeitverhältnissen. Aber sie sind in dieser Tendenz langsamer als die übrigen Europäerinnen. Lange herrschte hier die Ideologie vor, Mütter hätten zuhause zu sein, solange die Kinder klein sind. Und klein hiess praktisch bis zur Pubertät. Das hat sich in den letzten 20 Jahren geändert.
Ich habe eigentlich nie ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, eine Schweizerin zu heiraten. Und wenn, dann hätte sie aus der Romandie oder aus dem Tessin stammen sollen. Ich glaube, ich habe immer etwas leicht Fremdes, Zauberhaftes gesucht. In den jüngsten Jahren war ich ganz angetan von den Engländerinnen. Wenn ich sie nur schon sprechen hörte, war ich hin. Dieser Sprachrhythmus aus der Kehle einer jungen Schönheit, mit dieser etwas exaltierten Tonführung, das war für mich einfach erotisch. Ich war immer wieder hingerissen. Und noch heute, wenn ich Englisch aus England höre, bin ich irgendwie hingerissen und ich finde es immer noch erotisch, aus dem Mund einer Frau zumindest. Ist echt komisch, nicht wahr?
Früher hatte ich meine gewissen Gefühle für F. ...
Ich denke sie wäre als Ehefrau sehr lebendig, nicht allzu ordentlich. Sie hätte gerne viel Kontakt, Besuche emfpangen und auf Besuch gehen, Feste feiern, laut lachen, Sport etc.. Und das Wochenende mit ihrer Familie im Wallis, am liebsten in der Natur. Ach, das wäre für mich ziemlich anstrengend gewesen. Immer Betrief, meist unterwegs.
Ich glaube, die welschen sind einfach noch ein wenig lebenslustiger und offener als die Deutschweizer Frauen. Das ist bei den Männern dasselbe.
So, genaueres kann ich Dir über die Schweizerinnen nicht sagen. Ich könnte Dir einige zeigen, wenn Du mal vorbeikommst. Das wäre kein Problem. Aber ich glaube, sie sind nicht sosehr verschieden von den Schwedinnen. Na ja, die Schwedinnen kenne ich nun ganz und gar nicht. Ich nehme nicht an, dass Du, Marlena, einfach eine gewöhnliche Nummer bist. Ich glaube, Du bist schon etwas speziell. Aber ich denke im konservativen Sinn, in der Art, dass Du sehr konzentriert und loyal und zuverlässig bist. Nicht sosehr auf dem modernen Egoismus-Trip. Aber dann habe ich wieder den Eindruck, dass Du viele andere Seiten hast und plötzlich werden sie wieder sichtbar. Du bist echt ein sehr "geräumiges Frauenzimmer", Marlena.
*
Heute Abend haben wir Besuch. Ich höre zwar auf einem Ohr noch nicht ganz. Es wird wohl ziemlich anstrengend werden. ...Ich werde mir den Wein verkneifen. Mal schauen, wie das geht. Es wird sicherlich sehr hart sein. Aber ich tue mein bestes.
*
So meine liebe Marlena. Mindestens weißt Du, dass ich noch lebe. Ich habe gewusst, dass Du an mich denkst. Und unter der warmen Decke habe ich Dich oft gesehen. Ich glaube, Du hast auch zu meiner Heilung beigetragen. Das glaube ich wirklich. Diese Liebe und das Wohlwollen, welches Du ausstrahlst, das heilt wirklich. Ich danke Dir dafür, mein Schatz.

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Abendgebet

Ämne: Abendgebet..
den 8 november 2000 00:12

Mein lieber armer Mausfreund,
Sicher bist du immer noch krank zu Hause da ich bis jetzt nichts von dir gehört habe. Ich hoffe doch, dass es dir nun schon besser geht und dass du dich in dem Stadium befindest wo ich dich eher beneiden sollte. :-)
Hier ist das Leben ziemlich streng im Moment. Es regnet in Strömen und ist sehr dunkel. Auch habe ich beruflich mehr zu tun als normal und vielleicht ist es gut...

Morgen haben wir zuerst Klassenkonferenzen am Vormittag (deshalb habe ich nun Material für die Schüler konstruiert mit dem sie sich in der lehrerlosen Stunde beschäftigen sollen) und dann um 12.00 Uhr haben wir alle Sprachlehrer der Region zu uns eingeladen, die die Schüler die letzten drei Jahre unterrichten bevor sie zu uns aufs Gymnasium kommen. Es ist eine notwendige Konferenz. Vor allem ist es wichtig dass sie einander treffen und gemeinsame Ziele aufstellen können, denn es variiert sehr stark wieviel man lernt und wie man das Ergebnis benotet. Dann gibt es auch das grosse Problem, dass viele Plätze von unausgebildeten Lehrkräften besetzt sind. Die kommen und gehen und manche von unseren Schülern haben in den drei Jahren bis zu neun verschiedene Lehrer gehabt in Deutsch oder Französisch.
Zuerst werden wir zusammen essen im schönen Speisesaal der Hotel und Restaurantlinie. Da bekommst du das allerbeste und so schön serviert dass du meinen könntest es sei bei einem Nobelfest. Ich glaube dieser schöne Anfang der Konferenz wird alle gemütlich stimmen sodass wir dann unsere Diskussionen in einer freundlichen Atmosphäre weiterführen können.
Es wird sicher ein paar Stunden dauern.
*
Und du mein armer Mausfreund? Geht es dir nun wieder besser? Was hat der Arzt gesagt? Vielleicht bin sogar ich die Person, die im Moment am meisten leidet. Immer diese trostlos leere Mailbox.. wo ich doch so Harroinsüchtig geworden bin.. Kannst du das verstehen? Ach Schatz, deine Stille ist grausam. Und nicht einmal anrufen kann ich dich. Das wäre doch sonst möglich denn du bist sicher oft ganz allein zu Hause. Du merkst wie sehr ich maladiere.. dieses lustige Wort :-)
*
Der Regen schmettert noch immer gegen die Fensterscheiben und es ist Sturm angesagt. Anna und ich hoffen dass wieder das Dach von der Schule fliegt damit wir uns ein wenig erholen können ;-) Aber wahrscheinlich haben sie es gut festgenagelt letztes mal.
Es gibt ein so liebes kleines Büchlein das heisst: Gebete von Kindern an Gott. Mit herrlichen Zeichnungen. Da sagt ein kleiner Junge: "Lieber Gott, gestern in der Mattestunde kam ein Hund herein. Kannst du das noch mal machen?"
Ich hätte so viele Gebete im Moment.. ja vielleicht sollte ich dem lieben Gott mein Leid klagen. Du hörst mich ja nicht :-(
*
Schon gleich 23.00 Uhr. Ich muss morgen ausgeruht sein. Hoffentlich bist du bald wieder ganz gesund. Du träumst von Bergen von Mails.. ich träume von einem einzigen Mail von meinem geliebten Mausfreund.

Gute Nacht, chéri.

À bientôt, jespère
Marlena

 (R) aus Zeitmangel


Maladi

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Traurig

 Friggebodar durchs Autofenster im Regen-rechts die Briefkästen


subject  
Ich warte


du wartest
er wartet
wir warten

Warten wir wirklich? ich meine warten wir beide oder vielleicht nur ich?

Lieber ...,
Wie du siehst bin ich wieder in bebauter Gegend gelandet. Ach, es ist
wirklich herrlich zu Hause zu sein. Zwar ist es wunderschön dort oben
im Norden. Aber wie ich dir gesagt habe, es ist wie im Paradies. Und
wer sehnt sich schon ins Paradies, ausgenommen ein paar
Selbstmordbomber.
Ich meine es ist etwas einsam dort oben. Und dabei erinnere ich mich
an Onkel Einar, der als er merkte dass sein Leben aufs Ende zuging
etwas bekümmert fragte ob ich glaubte, dass man auf der anderen Seite
seine Lieben wiedersehen kann.

Es war ein bisschen traurig auch dort im Norden. Ich glaube ich hab
dir mal von dem Mann erzählt, der immer um die Mittagszeit dort
eintrifft um nach dem Häuschen zu sehen, das er von Tante Mimmi,
seiner verstorbenen Schwiegermutter geerbt hatte. Er putzt und macht
alles schön im Garten, er hält alles wunderbar in Trim und immer
wieder baut er was Neues. Meist kleine "Friggeboden". Das sind so
kleine Häuschen, die man ohne Bauerlaubnis auf seinem Grundstück
aufstellen kann. Also sehr gefragt. Aber ich glaube er hat nie eines
verkauft. Vielleicht hängt er, wie so mancher Künstler, zu sehr an
seinem vollendeten Werk um sich davon befreien zu können.
Jedenfalls, wenn wir die Post holen, müssen wir durch seinen Hof
gehen, denn alle Briefkästen befinden sich auf dem alten Dorfweg
gerade vor seinem kleinen Haus. Und ich weiss, dass er immer schon auf
unsere Ankunft wartet und grosse Freude daran hat sein neuestes
Produkt vorzuzeigen. Auch dieses Jahr gab es was Neues.
Ein Vogelbad.:-)
Es war nicht nur ein Vogelbad, sondern ein kleiner Springbrunnen,
wie uns T (Ks Jugendfreund) erklärte. Aber der arme Mann war eine
Woche vor unserer Ankunft an Krebs gestorben. Er war plötzlich und
ganz überraschend erkrankt und nach kurzer Zeit gestorben. Wie die
Mutter von Annas Freundin neulich. Und wenn ich all diese Dinge dort
stehen sehe, auf die er so stolz war, dann bin ich traurig wie nie.
*
Wie du weisst, sind wir am 9 Juli in aller Eile losgefahren. Es war
geplant, aber trotzdem ...

(date 28 July 2005 22:33)

Dienstag, 12. Oktober 2010

.. über Rilke und die Duineser Elegien

Kirche von Raron von oben

Pardon - etwas lang geraten ;-)

Liebe Marlena
...
Lass mich dir etwas über Rilke und die Duineser Elegien sagen. Es wäre zwar schöner, das gerade ans Gespräch über das Gedicht "Nachbar Gott" anzuhängen. Ich stelle mir dazu einen Winterabend vor, vielleicht im Wallis, in einem alten Raum mit einem Holzofen. An den kleinen Fenstern glitzern die Eisblumen, weil es draussen kalt ist und der Schnee liegt. Aber hier ist es warm, und wir haben einen goldgelben Schluck Malvoisier, dazu ein paar Nüsse und Käse vielleicht. Ach, ich könnte dir auch einen Marc anbieten, aber das ist vielleicht nicht so dein Geschmack, diese starken Wasser.

Also, meine Liebe, wir waren bei Rilke. Im Dezember 1909 lernte Rilke in Paris die Fürstin Marie von Thurn und Taxis, eine geborene Prinzessin Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (wow!) kennen. Sie hatte ihn zum Tee eingeladen. Und im Frühjahr 1910 weilte Rilke als Gast der Fürstin auf dem Adria-Schloss in Duino bei Triest. Rilke hatte in Marie von Thurn und Taxis nach der Fertigstellung seines Romans die Aufzeichnungen des Malte laudids Brigge eine hilfreiche Freundin gefunden, die seiner Unruhe, Heimatlosigkeit und Einsamkeit zeitweise ein Asyl bieten konnte. 1911 erhielt er nach einem bewegten und verzettelten Jahr erneut eine Einladung nach Duino. Er antwortete im September 1911: "Welcher Segen, dass Sie mich in Duino verbergen wollen: als ein Flüchtling, wie unter fremdem Namen, will ich mich dort aufhalten, nur Sie sollen wissen, dass ichs bin".

Im Oktober verliess Rilke Paris. Das Auto der Fürstin brachte ihn über die Provence und Norditalien nach Duino. Er war vom 22. Oktober bis zum 9. Mai 1912 ihr Gast. Nach der Abreise der Fürstin blieb er mit wenigen Dienstboten im Schloss, das auf einem steilen Karstfelsen über der Adria steht. Er zog sich einsam zurück und spielte unentschlossen mit dem Gedanken, sich einer Psychoanalyse zu unterziehen. In diesen Tagen des Januars 1912 ergriff ihn ein Zustand, den er später gern als Offenbarung darstellte. Dieses Ergriffenwerden und Inspiriertsein ist nicht nach dem Eros des willentlich und nüchtern betriebenen Arbeitsprozesses verstanden, sondern nach alter platonischer Vorstellung einer göttlichen Sendung des Dichters. Rilke soll auf dem Schloss, wo angeblich schon Dante verweilt hatte, aus dem Brausen des Sturmes die offenbarende Stimme gehört haben:
"Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen?"...

Die Fürstin schildert, dass er das Notizbuch, das er stets mit sich führte, hervornahm und die Worte niederschrieb. Und am Abend soll er die ganze erste Elegie niedergeschrieben haben, erinnert sich die Gastgeberin, und ein Brief Rilkes vom 21 Januar 1912 bestätigt es: "Da kommt endlich, liebe Fürstin, um Ihnen immer zu bleiben, das kleine grüne Buch zu Ihnen zurück, höchst eigenmächtig vollgeschrieben mit der ersten duineser Arbeit - für die es genau gemacht war".

Das war der Durchbruch zu einem neuen Werk. Und es führte dazu, dass er dem Arzt seiner Frau, Freiherr Emil von Gebsattel mitteilte, dass er von einer psychoanalytischen Behandlung wieder Abstand nehme. Er wird seine Arbeit als Selbstbehandlung verstehen.
Die schreibende Selbstanalyse schreitet recht erfolgreich voran. Jetzt ist es nicht mehr bloss Eingebung oder Offenbarung, sondern planmässig vorangetriebene Schreibarbeit. Doch der hohe und verpflichtende Stil der gewählten Gattung Elegie als grosser Klagegesang hat inhaltlich noch kein Ziel. Die Preisung und Rühmung der Welt ist noch kein absolutes Thema.

Mit der ersten Elegie hat Rilke die grosse Metapher des "Engels" gesetzt. In dessen Zeichen und Schatten werden die Grundbedingungen des menschlichen Daseins ausgebreitet. Mit der zweiten Elegie tritt der Engel ganz ins Blickfeld. Er grenzt sich gegen die menschlichen Möglichkeiten am Beispiel der Liebe oder unter Erfahrung der Vergänglichkeit und des Todes von dessen Existenz aus. Der Engel bleibt lange das zentrale Medium der Elegien und der Masstab, mit dem Mensch und Welt vermessen wird.
Für seine Aufgabe hat Rilke mit grosser Freiheit an den Traditionen der deutschen Literatur angeknüpft, die von Klopstock und Hölderlin begründet wurden. Die Elegie als eine Form der hohen Lyrik ist bei ihm losgelöst von alten Formkriterien. Er sucht einen wehmutvoll klagenden Grundton in weiten, gelegentlich abgebrochenen Satzbögen, einen Kult der Langzeilen, von denen jede als ein subtiler Balanceakt gelten darf. Die eigenwilligen Schwingungen, die freie Rhythmik und die kühn verschränkten sprachlichen Neubildungen, Bilder und Metaphern schafft Rilke nicht zuletzt durch ein formales Mittel, das er meisterhaft einzusetzen weiss: das Enjambement. Gegen alle Tradition verwendet er den sogenannten Zeilensprung - sonst eher die Ausnahme - das Hinüberführen des Sinn- und Satzzusammenhangs auf exzessive, ja fast provokante Weise. Satz- und Versende fallen selten zusammen, und der Zeilensprung findet sich selbst am Ende einer Strophe, wobei die strophische Gliederung und der Strophenabschluss ihrerseits ausserhalb der Konventionen erfolgen. Rilkes Klagegesang wird so zum Medium der Reflexion.

Im Spätherbst 1913 kam Rilkes Arbeitsphase am Zyklus zu einem Stillstand. Und erst 1921, als er in Schloss Muzot einzog, konnte er die Elegien endlich fortsetzen und vollenden. 1922 im Januar schrieb er an Marie von Thurn und Taxis: "Meine theuere Fürstin, so steht, mit Ihrem gütigen Neujahrs-Gruss, wieder einmal Duino vor mir, während ich hier beschäftigt bin, den dortigen Erinnerungen so nah als möglich zu kommen, in meiner Einsamkeit, an sie anzuschliessen, sie fortzusetzen - , das Verlorene mindestens in mir wieder aufzubauen!".

Während er also daran ging, die Elegien fortzusetzen, werden ihm unverhofft - so seine Formulierung - durch göttliche Inspiration, die Sonette an Orpheus geschenkt. Bis im Februar 1922 hat er die gesamte Elegiendichtung beendet. Und im Glück der Vollendung sieht er auch für sich selbst, wie im Werk, die Balance zwischen Klage und Jubel gefunden - gelungene Selbsttherapie. So sind die Duineser Elegien ein Balanceakt hohen Stils am Beginn der Moderne. Sie erscheinen 1923 in einer Vorzugs- und einer allgemeinen Ausgabe. 1925 verfasst Rilke in Muzot sein Testament. Am 4. Dezember, zu seinem 50. Geburtstag, ist er allein in Muzot. Am 29. Dezember 1926 stirbt er an Leukämie. Der Arzt der Klinik Val-Mont Dr. Haemmerli: "A 3 heures 30, il levait légèrement la tête les yeux grands ouverts et retombait mort dans mes bras. Il y avait Mme Wunderly et la garde..." Im Sarg wird Rilke aus der Klinik getragen und mit einem Schlitten in eine Kapelle gebracht,wo man ihn aufbahrt, bis er nach Raron überführt wird. Eine totenmaske wird nicht abgenommen, er wird auch nicht gezeichnet oder photographiert. Am 2. Januar: In eisiger Kälte wird Rilke auf dem Bergfriedhof von Raron beigesetzt, wie er es bestimmt hatte. In der Kirche, an deren Aussenmauer das Grab liegt, wird eine stille Messe gelesen. Alma Moodie spielt Bach. Es spricht für den Schweizerischen Schriftstellerverein und die Schweizerische Schillerstiftung Eduard Korrodi: "Ein paar Menschen nur stehen wir am Grab des doch von ungezählten Menschen geliebten Dichters.." Für die Freunde aus der französischen Schweiz ruft René Morax über das offene Grab: "Adieu, grand poète!". Später lässt die Fürstin Taxis durch Freunde einen Lorbeerkranz am Grabe niederlegen: "Au poète incomparable, au cher et fidèle ami".

Lieb wie du bist, hast du mir ein Foto der Kirche von Raron geschickt. Ich glaube, wir hatten genau dieses alte Bild in unserem Literaturbuch im Gymnasium. Es ist schon sehr alt, wie man am Vordergrund sehen kann. Man sieht an die Wand der Kirche, die zum Tal liegt. Das Rilke Grab ist ungefähr zwischen diesen beiden Kirchenfenstern, die man sieht. Es ist ganz einfach, eine Steintafel und ich glaube, ein Rosenstrauch. Ich habe ein schönes Foto vom Grab. Das will ich dir mal schicken, zusammen mit meiner Aufnahme von Muzot.
Vor dieser Mauer ist ein kleiner Hof. Und von dort sieht man hinunter ins Tal. Ich glaube, diesen Ausblick hat Rilke veranlasst, sein Grab dort oben zu wünschen. Der Ausblich ist nämlich wunderbar, zum Beispiel in die Abendsonne hinein, also gegen das Licht. Heute ist zwar das Tal ziemlich überbaut mit Häuser und Strassen. Aber ein bisschen kann man noch ahnen, wie es gewesen sein könnte. Es ist wirklich ein schöner Punkt, und es gibt oft ziemlich Wind dort oben. Liebe Marlena, du wirst deine Haare etwas binden müssen! Ach es ist schön im Wallis. Das Klima warm, die Menschen, diese Provenzalen so lieb und loyal und lebenslustig, und alles ist so nah beisammen in diesem Tal. In der Nacht siehst du rundum Lichter der Dörfer an den Berghängen. Du fühlst dich eingebettet wie in einem grossen Zimmer.
*
Vielleicht wartest du auf mein Mail. Vielleicht auch noch nicht. Ich bin froh, dass wir diesen Rilke haben. Er ist ein Kapitel der maladi. Und es ist mir eine schöne Gelegenheit, dieses und jenes wieder einmal nachzulesen.
Ich wünsche dir eine schöne Zeit mit deinen Lieben.
G&K
...

Here again

17 May 2007 23:37
subject Here again..


Lieber ...,

Wie ich sie vermisse, die Zeit wo ich ein Mail von dir sofort und
spontan beantworten konnte. Jetzt, wo ich dein Mail beantworten will,
habe ich wieder den Eindruck als würde ich mich wiederholen, denn ich
habe mich schon ausführlich mit dir über alles unterhalten. Aber davon
weisst du nichts und so werde ich wohl doch schreiben müssen. ;-)

Ja, ich weiss wie es ist, wenn jemand im Bekanntenkreis plötzlich
stirbt. Es ist mir so oft passiert, dass ich eigentlich nie mehr
richtig vergessen kann, dass das Ende eine Realität ist. Es tut mir
Leid, dass du einen netten Menschen in deiner neuen Umgebung verloren
hast.

Heute haben wir Regen..endlich möchte ich fast sagen, denn die Erde
war schon ganz ausgetrocknet. Und eigentlich ist es schön, wenn man
einen Tag in seinen vier Wänden verbringen kann. Ich habe auch einige
Post zu erledigen.

Ich hatte an eine Zwischenlandung bei meinem Bruder gedacht auf der
Reise nach Wien, aber nun habe ich erfahren, dass es das Grab meiner
Mutter nicht mehr gibt und so werde ich wohl lieber direkt fahren,
oder fliegen. Wie ich darauf reagiert habe? Gemischte Gefühle...

Du möchtest wissen, wie es mir geht, wie mein Leben ist. Wie soll ich
sagen? Vielleicht wie ein Aprilwetter. Sonne und Regen zugleich. Kommt
nur darauf an wohin ich meine Blicke richte.  Aber so ist es für uns
alle, glaube ich.

---

So, ich glaube das wär's für heute. Es ist schon wieder spät geworden.

Ich wünsche dir alles Gute für den Tag. Vielleicht hast du einen
Klemmtag und bist garnicht im Büro. Tant pis!

Mit lieben Gs und Ks

Malou

über Religion

Liebe Malou
---
Wir werden also Dispute für und wider die Religion haben? Ich weiss,
dass es schwierig ist. Religion ist wie eine liebe alte Heimat.
Niemand lässt sich gerne daraus vertreiben. Man hat viele warme und
angenehme Erinnerungen aus der Kindheit und der Jugend. Bei wichtigen
Lebensereignissen, Geburt, Erwachsenwerden, Weihnachten, Tod ist die
Kirche mit dabei. Natürlich kann man Religion als Privatsache durchaus
tolerieren. Aber viele wirklich gläubige Menschen können sie nicht nur
als Privatsache belassen. Sie wollen andere überzeugen, dass sie
selbst den richtigen Gott hätten. Ich habe das noch am Gymnasium
erlebt. Ich glaube, in den ersten Jahren gab es schon noch Lehrer und
Schüler, die bedauerten, dass wir Protestanten, im Speziellen ich als
Schüler oder als Kollege, dereinst zur Hölle fahren müssten. Und
weisst du, wie ich darauf reagierte? Ich hatte mit ihnen Mitleid, weil
sie sich solche Sorgen um mich machten. Lustig nicht? Sorgen auf zwei
Seiten um eigentlich gar nichts. Und gerade dies ist typisch für die
Religion. Sie schafft überall Sorgen um nichts. Na ja "nichts" ist
vielleicht ungenau formuliert. Sorgen ändern natürlich schon etwas an
dieser Welt. Insofern sind sie nicht nichts.

Der Gedanke an die ewige Wiedergeburt ist doch schön. Kannst du dich
nicht bereit erklären Malou, die Wiedergeburt in die katholische
Kirche einzuführen. Es gibt doch in den Walliser Sagen dieses häufige
Motiv, dass die armen Seelen, die irgendwo im Leben gesündigt hatten,
dort wieder auftauchen müssen, um ihre Schuld abzutragen. Und das
können sie nicht. Das heisst, sie kommen immer wieder und leiden unter
den Unruhen ewiger Sünden. Es gibt unzählige solcher Sagen. Und ich
glaube, Nietzsche hat seine Idee vielleicht sogar aus dem
Katholischen.  Sie kennen die armen Seelen, die immer wieder an den
Ort des Unrechts zurückkehren müssen. Manchmal gibt es einen
Schlüssel, wie sie davon loskommen, ähnlich wie in den Märchen. Ein
Mensch muss vielleicht das Kreuzzeichen machen, muss ein Ave beten
oder so etwas. Es ist ein magischer Mechanismus, der den Weg zur
Erlösung freimacht.

(16 November 2007 08:08)

Montag, 11. Oktober 2010

François Mauriac


date 4 September 2006 13:11
subject Mission fulfilled..


Lieber Mausfreund,

Nun bin ich fertig mit dem was ich hier vorhatte. Ich liebe dieses Linköping und es tut gut mit ein wenig Abwechslung.
Jetzt werden wir nur noch einen Kaffee trinken (tue ich in Gedanken auch mit dir :-) und dann fahre ich los.
Es ist ein schöner sonniger Tag.. fast sommerlich.

Und was machst du, mein lieber Mausfreund? Lass bald etwas von dir hören. Ich sehnsuche dich. :-)

Mit lieben Grüssen und K,
Malou

PS Auf der Suche nach etwas französischem im Internet (möchte diese Sprache nicht vergessen) habe ich ein paar wunderbare Aussagen über Bücher von François Mauriac gefunden. Er war und ist mein absoluter Favorit unter den Franzosen. Bekomme grosse Lust die Bücher nochmals zu lesen.
.....
Le noeud de vipères
(Livre de Poche, 1973, 287 pages)

J'ai trouvé dans ma bibli ce roman de Mauriac dont le titre était inspirant. C'est le journal d'un homme à la fin de sa vie. Il observe sa famille qui attend sa mort pour hériter. C'est l'occasion pour lui d'écrire à sa femme les raisons de la haine qui l'oppose aux siens. On découvre très vite qu'il faut remonter au tout début de leur mariage (d'amour pour lui, d'intérêt pour elle). Cet homme détesté de tous se dévoile tout au long de son monologue. Il devient attachant, touchant. Il évolue lui aussi au fil de son journal, et celui qui se disait incapable d'aimer, est en réalité rempli d'amour...
*
François Mauriac est un grand écrivain. Son style est superbe, les phrases sont puissantes et chaque mot est choisi avec soin. Il m'a fallu prendre mon temps pour savourer et m'approprier son style. Pour moi, c'est une redécouverte. Vos critiques de Thérèse Desqueyroux m'ont donné envie de le relire. Un plaisir supplémentaire: chercher les livres de Mauriac chez les bouquinistes.
*
J'ai découvert Mauriac sur le tard, il y a un an. Mon ex m'avait prêté "Génitrix" et là j'avais flanché... un choc, un vrai, comme je ne m'attendais plus à en avoir (en tout cas pas avec des auteurs dits "classiques"). Du coup j'ai acheté quasiment tout Mauriac, et je lis ça au compte-goutte, un peu à l'occasion. Après "Génitrix" donc, il y eut "Thérèse Desqueyroux" (re-choc) puis "Le fleuve de feu" (nettement moins choc, voir carrément ennuyeux d'ailleurs j'étais persuadé de l'avoir critiqué ici mais bon...).

Et donc, "Le noeud de vipères". Une lettre. Une longue lettre d'un vieil homme mourant adressée à son épouse. Qu'il déteste. On ne sait pas trop pourquoi mais on va le comprendre assez rapidement. D'autant que depuis son lit de mort, il ourdit sa vengeance.

Le début est époustoufflant; on frise le nihilisme absolu. Vingt pages gorgées de haine : le fond remue les tripes, la forme coupe le souffle. Depuis combien d'années (de siècles?) une poignée de pages ne m'avait-elle à ce point remué? Le soufflet retombe un peu par la suite, mais ces vingt premières pages méritent à elles seules l'achat du livre. Vingt pages soit donc une vingtaine de minutes durant lesquelles j'ai eu honte d'avoir un jour eu des prétentions littéraires.

La suite, donc... un texte court et sinueux, une écriture habitée conférant un impact inattendu à un drame de l'incommunicabilité somme toute très conventionnel. Comme toutes les histoires de Mauriac, celle-ci n'a rien d'exceptionnelle - elle est même stupéfiante de banalité. C'est la manière qui fait toute la différence... Et là encore on s'extasie : car le style de Mauriac est tout ce qu'il y a de classique, mais traversé d'une furie inexplicable qui atteint le lecteur et le renvoie à ses propres hantises (ou à sa propre culpabilité, selon les cas).

On ne sort définitivement pas indemne d'un livre de Mauriac. Dans "Le noeud de vipères" comme dans "Génitrix" ou d'autres, les caractère sont oppressants, les climats étouffants, et la phrase la plus banale peut tout à coup sembler terriblement dérangeante. Si je voulais user d'un raccourci un peu pataud, je dirais que, tandis que Bukowski a écrit les "Contes de la folie ordinaire", Mauriac à écrit les "Chroniques de la haine ordinaire".
...