Freitag, 31. Januar 2014

Re: Unter einer Decke.. :-) und zweite Flasche


Ämne: Re: Unter einer Decke.. :-) und zweite Flasche
Datum: den 21 oktober  14:08


Ja meine Liebste,
ich feiere gerne. Wir nehmen einen echten Champagne für diese Gelegenheit. Ich finde, es war eine sehr schöne Zeit, manchmal hochintensiv, manchmal etwas ruhiger und nachdenklicher. Aber Du bist meine beste Freundin geworden, und die Leute, die ich kenne, haben Mühe, nachzuziehen ;--).
Es ist lieb, wie du daran gedacht hast. Mein erstes Mail, das ich noch gespeichert habe, stammt vom 26. Januar. Das ist ja eine Woche später. Aber wie - mein Schatz - kommst du von Ende Januar bis Ende Oktober auf ein halbes Jahr?? Das sind doch 9 Monate, das ist Dreiviertel-Jahr! Darauf nehmen wir doch noch eine Flasche, nicht wahr? Ich bin sehr froh, dass ich Dich kenne, auch wenn ich mir manchmal Sorgen um Dich mache. Aber manchmal ist ja auch etwas Einbildung mit dabei, nicht wahr! Ich liebe Deine Eleganz, wie Du Dich schön ausdrücken kannst, und schön bist und eine schöne Mentalität hast. Ich bin verliebt in Deine schönen und geradlinigen französischen Sätze. Und ich liebe Deine Treue, die sich auch in einer guten Erinnerungsfähigkeit zeigt und wie Du auf alte Dinge zurückgreifen kannst. Ich liebe Deine lyrische Seite, Marlena, mit Rilke und den französischen Symbolisten. Und ich liebe Dich echt (wenn Du weißt was ich damit meine?), weil Du Deine Schreibfaulheit radikal kuriert hast. Das ist wirklich das allerhöchste, was Du machen konntest. Die Liebe ist eine grosse Suggestion. Und man muss sie jeden Tag neu machen. So ähnlich glaube ich.
Und ich hoffe wie Du, dass wir diese Internet-Ehe machen können "bis ans Ende unserer Tage", per saecula saeculorum. Amen
*
Ich umarme Dich lange und innig heute, meine Liebste

Donnerstag, 30. Januar 2014

Unordnung..


Ämne: Unordnung..
Datum: den 20 oktober  10:46

Lieber ...,
Wie schön, früh am Morgen ein so schönes Mail von dir zu erhalten. Nun hast du mich wieder beruhigt was S betrifft. ... Ihr habt sicher einen Lebensstil gefunden, mit dem ihr beide zufrieden seid. Es ist immer eine Umstellung, wenn die Kinder plötzlich erwachsen werden. Vielleicht entdeckt man, dass man eigentlich nur mehr durch sie miteinander verbunden war und man muss neue Wege finden um zu kommunizieren.
Wir haben es ja eigentlich ziemlich gut. In den Wochen sind wir beide "single". Wir brauchen nicht dauernd auf einander Rücksicht zu nehmen und am Wochenende trifft man sich (vor allem bei den Mahlzeiten) und hat was zu erzählen. Es ist nicht das Leben, was ich mir vorgestellt hatte, aber ich glaube es ist genauso gut oder vielleicht sogar besser als das vieler meiner Bekannten. Dabei darf ich doch nicht vergessen, dass ich es wohl anders sehen würde, wenn mein Herz nicht anderswo engagiert wäre.
*
Ach, ..., es sieht doch nicht immer so aus bei mir wie jetzt. Aber weißt du, mein Schreibtisch im Büro war so voll von Papier dass ich mich fast schämte und so habe ich es eben nach Hause getragen um es am Wochenende durchzugehen. Ich gehöre doch zu der Sorte, die am besten arbeitet an einem reinen Schreibtisch. Ich liebe es wenn es schön und gepflegt um mich herum aussieht.
(--- )
Siehst du, nun habe ich wieder eine Grenze überschritten und unser Turm wackelt bedenklich..
Ich lasse dich nun (je te laisse) und schreibe dir später noch ein paar Zeilen bevor mein Wochenendleben beginnt.

Danke, dass du mich gesund pflegst, chéri.
Schreibe mir bald zurück
i M
Marlena

Re: Unter der Decke.. :-)


Ämne: Re: Unter der Decke.. :-)
Datum: den 20 oktober  17:00

Liebe Marlena
Ja, jetzt haben wir es wieder einmal bis zum Wochenende geschafft. Ich bin froh, dass ich eine erste Version meines Berichtes geschrieben habe, den ich eigentlich direkt nach den Sommerferien machen wollte. Es gab immer wieder Dinge, die mich abgelenkt haben und von denen ich mich wohl auch gerne ablenken liess. Aber jetzt ist mal ein Rohling (das ist der ungeschliffene Edelstein) da und wir können daran weiterarbeiten. Wenn wir hochrechnen, was das bedeutet, so sind es über 500'000sFr. Jährlich wiederkehrend. Das ist jedes Jahr ein hübsches Einfamilienhaus. Na ja, wir werden sehen, was daraus wird.
*
Es war schön in Deinem Papierberg. Ich weiss doch, dass es bei Dir nur ausnahmsweise so aussieht. Sicher nur heute, damit der Boden etwas weicher wird. Na ja, es ist ein bisschen eine verrückte Fantasie. Aber das ist manchmal nicht schlecht, und es ist noch nicht die Realität, wohlbemerkt. Ich glaube ohnehin, dass die jungen Menschen nicht mehr so genau trennen zwischen Fantasie und Realität. Bei uns damals war es eine Grenze, auf welche die Erwachsenen und Lehrer immer wieder gepocht haben. Es wurde sehr streng unterschieden. Und als Kind habe ich mich immer gewundert, weshalb die Erwachsenen so streng sind damit, denn es gab und gibt doch fliessende Übergänge.
Und unser Turm wackelt überhaupt nicht. Er steht so stabil wie eh und je.
*
Ich freue mich wirklich auf das Wochenende, jetzt wo der Bericht steht. Ich muss es noch einmal sagen. Er hat mich fast bis in die Träume verfolgt. Und je stärker der Druck war, desto weniger konnte ich mit der Arbeit anfangen. Ich war ganz einfach nicht imstande. Es war eine echte Arbeitshemmung. Eine Blockade oder sowas. Habe ich schon gelegentlich, aber nicht so stark. Ich schiebe die Dinge gerne hinaus. Das habe ich Dir ja schon längst mal gebeichtet, Marlena. Erinnerst Du Dich? Aber das Schlimme ist, dass ich nie das Gefühl hatte, irgendwo, bei etwas Wichtigem, wirklich zu spät gewesen zu sein. Es hat immer gereicht. Ich war immer früh genug. Ich habe mir damit keine allzu grossen Nachteile eingehandelt. Weshalb also die Strategie ändern? Man schlägt sich so doch gut durchs Leben!
*
Und jetzt werde ich dann heimfahren, eine Tasse Tee trinken, rabenschwarz, und dann vielleicht ein Nickerchen machen. Das ist gut. Und anschliessend will ich noch bein Buch zu Ende lesen. Das sollte ich doch langsam schaffen. Soll ich Dir einen zwischen Bericht geben?
Also, über die Himmels und Höllenbeschreibungen bei Dante habe ich Dir schon berichtet. Das fand ich ziemlich interessant. Zudem gab es ein paar Skizzen im Buch, damit man sich von diesen himmlischen Bereichen eine klarere Vorstellung machen kann. Und dann wurde die Entwicklung des Raumes, der also im Mittelalter geordnet war, hierarchisiert, symbolisch besetzt, wurde die Entwicklung beschrieben. Zuerst an der Entwicklung der Zentralperspektive in der Malerei, wie sie die Renaissance geleistet hat. Dann aber mehr und mehr in der Physik mit dem 4-dimensionalen Raum (dh inklusive Zeitachse) bis schliesslich zum 11 dimensionalen Raum, in den die physikalischen Kräfte eingebaut sind. Die Schwerkraft wäre also eine Dimension des Raumes. Und zum Schluss beschreibt sie die Entwicklung des Cyberspace. Aber im Moment ist das noch sehr äusserlich, eine Schilderung, wie das Netz enstanden ist.
Mittlerweile finde ich das Buch etwas langfädig. Dass ich noch nicht am Ende bin, zeigt, dass es nicht mehr so spannend ist wie am Anfang, und dass sie die Dinge etwas in die Breite walzt.
*
Daneben hat mir A ein Buch gegeben von Ingeborg Bachmann. Sie muss das zum Abitur lesen und hat Mühe, damit etwas anzufangen. Und so habe ich mich bereit erklär, es zu lesen, damit wir darüber diskutieren können. Du siehst, ich bin hier völlig versklavt. Hoffentlich komme ich lebend davon ;--)
*
Ich hoffe, dass Ihr alle ein schönes Wochenende habt und dass Du Dich noch ein wenig ausruhen kannst, bis es am Montag wieder beginnt.
Ich küsse Dich auf alle 11 Seiten
...

vom hündischen Leben ...

Ämne: vom hündischen Leben ...
Datum: den 21 oktober  13:35

Mein Schatz
Ich glaube, so etwas liebst Du zu lesen. So schreibe ich es für Dich ab.
Diogenes von Sinope, der "Hund"
In zwei Schritten, zwei Schülergenerationen ist die stolz getragene sokratische Armut auf den Hund gekommen. Der Sokrates-Jünger Antisthenes erhob den stadtbekannten abgewetzten Mantel des Meisters zur Kulttracht der Konsumverächter - je zerschlissener, desto edler -; und der Antisthenes-Jünger Diogenes brachte zu dem zerlöcherten Outfit noch seine berüchtigte Schamlosigkeit hinzu - je anstössiger, desto besser. Antisthenes hatte seine Philosophie noch gepredigt; Diogenes inszenierte sein Leben als ein fortwährendes öffentliches Aergernis.
Die Zeitgenossen nannten ihn "KYON", den Hund, und wer ihn darauf ansprach, bekam diese hübsche Auskunft: "Weil ich, die mir etwas geben, anwedle, die mir nichts geben, anbelle, die mir lästig fallen, beisse", und damit mochte er auf den frechen Frager losgefahren sein. Denn tatsächlich wusste jedermann, worauf der Spitzname zielte: "Er war gewohnt", umschreibt sein Biograph das vornehm, "alles auf offener Strasse zu verrichten, sowohl was die Korngöttin Demeter als auch was die Liebesgöttin Aphrodite betraf."
Zur Ersten ist anzumerken, dass der Input auf offener Strasse damals gerade so verpönt war wie der Output. "Als Diogenes einmal mitten auf dem Markt sein Mittagessen auspackte, riefen die Umstehenden in einem fort: "Du Hund!", "Du Hund!" "Ihr selbst seid die Hunde", rief er zurück, "wie ihr mich hier beim Essen umlagert!" Diogenes verstand es meisterhaft, den Spiess umzudrehen und die Lacher auf seine Seite zu bringen. "Bei einem Essen warfen einige Gäste dem Diogenes ihre abgenagten Knochen zu, eben wie einem Hund. Ohne einen Augenblick zu zögern, sprang er auf, hob das Bein und pisste sie an, eben auch wie ein Hund."
Von Sokrates "im Supermarkt" gibt es das schöne Wort, das noch heute jeden unerbetenen Versandhauskatalog zum Glücksquell werden lässt: "Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht brauche!" Diogenes hat diese sokratische "Autarkie", diese Selbstgenügsamkeit auf die Spitze getrieben. Der Philosoph in der Tonne brauchte so gut wie nichts; als er einmal einen Knaben aus der hohlen Hand trinken sah, soll er seinen Holzbecher hervorgeholt und fortgeschleudert haben. Für die verwöhnte Gesellschaft jener Zeit konnte dieser Bursche nur Verachtung übrig haben. "Als ein reicher Bürger ihn durch sein teuer eingerichtetes Haus führte und ihm verwehren wollte auszuspucken, wie dieser hörbar Anstalt dazu machte, spuckte Diogenes ihm gerade ins Gesicht und erklärte, einen gemeineren Ort habe er im ganzen Haus nicht finden können."
Neben dem Grobschlächtigen steht einiges Feinere. Die Anekdote, in der Alexander der Grosse ihn fragt, ob er ihm einen Wunsch erfüllen könne, und Diogenes der Hund vor seiner Tonne liegen bleibt und erwidert: "Einen kleinen: Geh mir etwas aus der Sonne!", ist wohl grandios erfunden. Doch da ist dieses feine Strassentheater: Wie er am hellichten Tage mit seiner Laterne über den Markt geht, hier einem, da einem ins Gesicht leuchtet, kopfschüttelnd weitergeht, so lange, bis einer ihm das Stichwort gibt: Was er da, am hellichten Tag, mit seiner Laterne wolle? "Ich suche", sagt er da, "einen Menschen." Und da ist jenes andere kleine Theter, in dem dieser ewige Belferer vor dem grossen Theater sein eigenes Leben spielt: Die Komödie ist zu Ende, die Zuschauer strömen heraus, und Diogenes kämpft sich, mit den Armen rudernd, durch den Menschenstrom zum Eingang durch, wieder bis einer ihm sein Stichwort gibt: Warum er denn jetzt hineinwolle, da alle anderen herauskämen? Und dann das Selbstbekenntnis des Alternativen: "Nichts anderes treibe ich doch in meinem ganzen Leben."
Auf die Frage, was für ihn das Schönste sei, soll Diogenes einmal gesagt haben: "Die Freiheit, alles ausleben, alles aussprechen zu können." Ein Leben lang gegen den Strom schwimmen und, wenn's sein soll, auch mal gegen den Wind pissen und spucken: Diese demonstrative, provokative Missachtung aller Konventionen hat auf Mitwelt und Nachwelt mächtig gewirkt. Eine vieltausendköpfige Meute von vagabundierenden "kynikoi", hündischen Kynikern im zerschlissenen Mantel, mit wild wucherndem Bart, sind diesem Ur-"Hund" gefolgt, und in der Gegenwart sind aus den ja bloss unverschämten Kynikern schliesslich noch die menschenverachtenden Zyniker geworden. Noch die Studenten, die vor dreissig Jahren auf den Rektoraten mancher Alma Mater ihre hündischen Markierungen placierten, waren Nachhut dieser Meute.
Ein Namensvetter, Diogenes Laertios, hat das Leben dieses "Hundes" beschrieben oder eher seine Aussprüche gesammelt; darin ist viel hündisches Knurren und Kläffen, gewiss auch manches Unterschobene. Verlässlich echt, weil so gar nicht hündisch, scheint dieses doppeldeutige, aufschlussreiche Wort: "Einer gab ihm zu bedenken: "Viele lachen über dich." "Aber ich", erwiderte er, "lache nicht über mich."" Diogenes ist in hohem Alter in Korinth gestorben. Noch ein halbes Jahrtausend später hat Pausanias am Stadttor zum Isthmus hinaus das Grabmonument gesehen, das die Jünger des "Hundes" ihrem Guru dort eingerichtet hatten: Eine Säule stand darauf mit einem Hund obenauf, und der war dann doch aus kostbarem parischem Marmor.
Ich küsse Dich ein weiteres Mal
...

Re: dauern oder trauern ?


Ämne: Re: dauern oder trauern ?
Datum: den 21 oktober  12:17

Liebe Marlena
Ja, Kopfschmerzen sind sehr unangenehm, da kann Dich niemand beneiden. Mit Kopfschmerzen kann man nichts tun ausser schlafen, wenn man denn schlafen kann.
Aber das finde ich nun ja sehr süss, Du liegst unter der Decke und liest Rilke, vom mönchischen Leben. Nicht nur der Autor passt, auch das Thema passt, meine Liebe. Ach, ich würde gerne dabei sein, wenn Du das liest und Dir Deine Gedanken machst. Ich habe das nie so sorgfältig gelesen, das Buch vom mönchischen Leben habe ich ohnehin nur nach besonders suiziden Passagen abgesucht.

"Du bogst mich langsam aus der Zeit,
in die ich schwankend stieg;
ich neigte mich nach leisem Streit:
jetzt dauert deine Dunkelheit
um deinen sanften Sieg."

Das erinnert mich ein bisschen an jenes Gedicht, das ich Dir einmal zitiert habe, an dieses grandiose Zwiegespräch, nein es ist ein Monolog, denn Nachbar Gott schweigt bekanntlich.

Du, Nachbar Gott, wenn ich dich manchesmal
In langer Nacht mit hartem Klopfen störe, -
So ists, weil ich dich selten atmen höre
Und weiss: Du bist allein im Saal.
Und wenn du etwas brauchst, ist keiner da,
um deinem Tasten einen Trank zu reichen:
Ich horche immer. Gieb ein kleines Zeichen.
Ich bin ganz nah.
*

Du schlägst vor, dauert mit trauert zu ersetzen. Spontan war ich mit Dir einverstanden, denn es passt lautlich ebenso, und es wäre plastischer, psychologischer, kolorierter irgendwie. Dauert ist irgendwie hart und trauert wäre irgendwie weich. Kann man es so sagen?
Aber passt es auch inhaltlich? Es geht um einen leisen Streit zwischen dem Du und dem Ich. ...

Das Du feiert wohl einen sanften Sieg, aber gerade die Tatsache, dass er sanft ist und dass der Streit leise war, zeigt, dass das Du mit dem Ich Mitgefühl hat. Die Trauer wäre dann die Auflösung dieses milden Konfliktes zwischen Du und Ich. Das Du bestraft mit Dunkelheit, aber contre coeur, also mit Trauer. Die Trauer verbindet wieder. Das wäre ebenso schön, und wie ich finde, femininer, das heisst versöhnlicher empfunden. Was meinst Du dazu, Marlena?

"Du bogst mich langsam aus der Zeit,
in die ich schwankend stieg;
ich neigte mich nach leisem Streit:
jetzt dauert deine Dunkelheit
um deinen sanften Sieg."

Ich habe die Passage immer wieder hineinkopiert, damit ich sie vor mir habe. Und jetzt lasse ich sie einfach stehen. Sieht doch ganz gut aus.

Doch es geht hier um den Tod, oder nicht? Aber wir wollen doch ewig leben, Marlena!!!
Ich küsse Dich, meine ferne Mausgeliebte
*

Letzte Woche habe ich eine kleine Ausstellung gesehen über Nietzsche in der Basler Universität. Er war auch in Sorrento gewesen. Es gab ein Foto von der Küste, ähnlich wie jene Postkarte, die Du mir geschickt hast.
*
Habe ich Dich heute schon geküsst? Nein?
Dann tue ich es jetzt!
...

Unter der Decke.. :-)


Ämne: Unter der Decke.. :-)
Datum: den 20 oktober  06:52

Lieber ...,
Wenn nicht die Kopfschmerzen wären, könntest du mich um diesen Tag beneiden, und ich würde ihn voll geniessen. Aber ich mache das beste daraus. Liege unter meiner warmen Decke und lese im Buch vom Mönchischen Leben. Dabei denke ich an dich und der Text vermischt sich mit meinen Gedanken und wird schön und gross. Ach, wie würde sich unser lieber Rilke freuen wenn er davon wüsste.
Schau hier:

"Du bogst mich langsam aus der Zeit,
in die ich schwankend stieg;
ich neigte mich nach leisem Streit:
jetzt dauert deine Dunkelheit
um deinen sanften Sieg."

Und weisst du was ich tun möchte? Das Wort "dauert" durch "trauert" ersetzen. Dann stimmt es besser, oder? :-)

i.M
Marlena

Mittwoch, 29. Januar 2014

Noch einmal



Noch einmal..
Thu, 19 Oct  18:32:48 GMT

Ach, ...
wie lieb dass du mir noch einen kleinen Gruss geschickt hast. Es war nicht viel aber ich habe mich gefreut, dass du an mich gedacht hast. :-) Ich habe mich auch zuerst gewundert und gefragt ob ich Preiselbeeren falsch geschrieben habe, aber wir haben beide recht. Es gibt beide Formen im Wörterbuch. Übrigens solltest du dir keine Sorgen machen wenn dir mal in der Eile ein Wort falsch gerät. Erstens sehe ich es nicht und zweitens hast du mir in den letzten Monaten soviel gutes Deutsch beigebracht dass ich nun fast fliessend schreibe. Nur wenn es ungewöhnliche Wörter sind muss ich nachsehen wie es heisst. Ich habe auch schon mehrmals Wörter entdeckt die es einfach nicht gibt in der anderen Sprache. So können z.B. zwei schwedische Wörter, die ich nicht gegen einander austauschen würde,  im deutschen dasselbe heissen. Besonders das Übersetzen von Poesi wird dadurch ziemlich schwer.
Ich frage mich was dein Tischnachbar aus der schwedischen Literatur zitiert hat. Es gibt so viel Schönes.
*
Was habe ich denn eigentlich heute gemacht? Ein wenig ausgeruht, dann etwas aufgeräumt und auch ein bisschen planlos in meinen Papierbergen herumgewühlt die bald das ganze Zimmer bedecken. Und ich habe gedacht: ”wo es eine Abstellfläche gibt da stelle ich etwas ab”, wie du mir so lustig mal geschrieben hast. Und da ich mich nicht so schnell entschliessen kann etwas wegzuwerfen (man kann es vielleicht später einmal brauchen ;-) wachsen sie immer mehr, diese Berge. Das einzig schöne daran ist, dass ich ab und zu ein Mail von dir finde. Dann lese ich es in Ruhe durch und verliere mich irgendwo in Gedanken. Aber wenn man ”krank” ist, hat man das recht sich ein wenig Zeit zu nehmen. Zeit ist der grösste Luxus den ich kenne.
*
Am Nachmittag habe ich gemerkt dass ich auch Fieber hatte und habe mich gefragt warum deine schönen MMM das nicht verhindert haben. ;-) Aber jetzt geht es mir wirklich schon wieder besser.
*
Und was hast du gemacht, mein Schatz? Manchmal versuche ich das alte Bild von dir hervorzurufen, das Bild von dem lieben, ruhigen Mann hinter seinem Schreibtisch aber es will mir nicht richtig gelingen und ich frage mich warum.
Dass du auch häuslich sein kannst hat mich ein wenig überrascht. Sag, wird es nicht sehr einsam für S wenn du so selten zu Hause bist? Klar, sie hat ja die ”Kinder” aber wenn ich an ihrer Stelle wäre würde ich dich sehr vermissen. ... Ich  frage mich manchmal ”wie soll ich meine Seele hinheben über dich zu andern Dingen”. Was immer ich tue und denke geht es durch dich so als ob ich die Welt nur durch dich sehen könnte. Und so bist du immer nahe und trotzdem nie bei mir.
Ein Internetleben :-)  Und wie es auch klingen mag, ich möchte es nicht ändern..
*
Ich muss nun schliessen, chéri. Lass mich bald wieder von dir hören, bitte.
SsSsSsSsSsSsS (ja, so sieht es aus,  mein Leben)
Marlena

Placebo?


Ämne: Placebo?
Datum: den 19 oktober 18:21

Lieber ...,

Danke, chéri für dein liebes Mail. Es ist gut dass du es mir so früh geschickt hast denn so konnte ich mich den ganzen Tag darüber freuen.
Jetzt hast du mich aber erwischt, du Schelm. Wie konnte ich wissen das mein kleiner Kommentar zu Alois mich so verraten würde. :-)
Nein, ich behaupte es noch einmal: Für M bin ich eine geschätzte Kollegin so wie er für mich ein geschätzter Kollege war. Übrigens, nun da du diese beiden Reisegefährten in einem Zusammenhang nennst fällt mir erst auf wie schrecklich mein Bodyguard war. M ist ein ziemlich gewöhnlich aussehender Mann (etwas Olof Palme gleich) aber ein Mann, der in einem Restaurant immer die beste Bedienung erhält. Ich hab ihm mal aus Spass gesagt es ist weil er einem Maffiaboss gleicht. Er weiss sich zu benehmen und verkehrt in den besten Kreisen. Und zu guter letzt ist er intelligent. Vielleicht ein wenig zu eitel für meinen Geschmack. Er ist vernarrt in Boote und schreibt Bücher über Navigation so als Hobby. Wir werden übrigens bald eine Abschiedsfeier für ihn halten. Und nun der (OBS ich sage nicht mein) Bodygard. Er hat zwar die Figur dazu aber sonst fehlte es ihm an allem. Der arme Junge (sorry ich sah ihn dauernd als einen 20-jährigen obwohl er 38 ist) hatte nicht einmal gelernt mit Gabel und Messer zu essen. Und wenn er bei Tisch sass musste ich wegschaun. Meistens war sein Teller schon leer als die anderen kaum mit dem Essen begonnen hatten. Er muss wie ein Tier in der Wildnis aufgewachsen sein und manchmal tat er mir rich leid wenn ich daran dachte wie ihm dies das Leben erschweren muss. Ausserdem machte er keinen intelligenten Eindruck. Sicher findest du es komisch dass ein solcher Mensch Akademiker sein kann. Aber bei uns in Schweden geht alles und bald werden die Schulen voll sein von ähnlichen Leuten, denn keiner hat mehr Lust diesen Beruf zu wählen. Sag es bitte niemanden öffentlich denn ich schäme mich so etwas zu verraten.
*
Nein, leider gibt es keine solche ”Gymnasieinspektoren” wie vor einigen Jahren die ab und zu auftauchten und den Unterricht kontrollierten. Im Gegenteil ist es ja nun ”in” keinen Unterricht zu erteilen. Die Schüler sollen selbst lernen. Weisst du, es ist die reine Katastrophe und zuletzt sind es doch nur diejenigen Schüler, die etwas von zu Hause mitbringen, die davon profitieren. Und nun hat man zu seinem grossen Erstaunen entdeckt dass die schwedische Schule nicht sehr demokratisch ist und dies wird im Moment sehr debattiert. Man hat entdeckt dass die weniger begabten Schüler nicht immer eifrig nach Wissen suchen. ”Solche Schüler hast du wohl nicht am Gymnasium” sagst du in deinem Mail. Oh ja, die haben wir. Denn bei uns gehen fast alle aufs Gymnasium. Ein Politiker hat den gewagten Gedanken aufgebracht, dass man irgendeine Eintrittsprüfung zu dem ästhetischen Programm machen soll. Und er wird wild angegriffen wegen dieser undemokratischen Ansicht. Alle müssen frei wählen können. Darauf meint er: ”man muss Verantwortung haben auch für Schüler mit Talent. Oder soll man sie herunterziehen sodass alle dann falsch singen”. Nun es war eine Debatte unter Politikern und wie du sicher weisst sind es nicht immer die intelligentesten die in diesem Fach landen.
*
Schatz, ich schick dir dies nun und schreib dann weiter, ja..
Bye, bis später
Marlena

Preiselbeeren, mit einem "S"



Ämne: .. heissen Preiselbeeren, mit einem "S"
Datum: den 19 oktober 17:59

Liebste
ich will Dir doch kein allerschlimmstes Deutsch beibringen.
Entschuldige mich.
KkkKKkkKKkkKK

für die liebe Patientin


Ämne: für die liebe Patientin
Datum: den 19 oktober  13:06

Liebe Marlena
Ach ist das schön, wenn Du krank bist, dann hast Du ein wenig mehr Zeit um Mails zu schreiben. Die sind ja wirklich so lang wie lange nicht. Aber natürlich ist es schade, dass Du wichtige Dinge verpasst, die Du später nachholen musst.
Ach ja, M, jetzt erinnere ich mich. Ich wusste, ich habe den Namen schon gehört. Dann dachte ich an NN. Der konnte es ja nicht sein. Ach ja, Dein M. Ich bin sicher, er verehrt Dich. Das darf er auch und das tut Dir auch gut. Ich hatte auch den Eindruck, dass Du die paar Tage in Prag so gut genossen hast auch wegen ihm. Auf jeden Fall hast Du damals anders erzählt als später in Bratislava mit Deinem Bodyguard. Und er lockt Dich ein bisschen, sagst Du. Weshalb probierst Du nicht, an die Uni zu wechseln. Wäre doch vom Alter her eine gute Sache!

Und dann schwärmst Du von unserem Alois. Ach, wenn Du von sowas schwärmst, wieso ist denn Dein Ehemann so völlig anders? Metallblau ist doch genau gegenüber auf der Farbskala?
Also mit unserem Alois hättest du ein anstrengendes Leben, respektive Du würdest wohl zuhause sitzen, während Du wartest, bis er endlich kommt, ohne zu wissen, ob er überhaupt noch kommt. Er hat soviele Freunde und Kollegen und Geschäftspartner und Dinge zu tun. Ich glaube, er ist sehr unruhig. Und in den letzten Jahren, so hat man mir erzählt, trinkt er etwas viel. Er konnte schon in jungen Jahren Unmengen hinuntergiessen. Aber heute hat er noch kaum abgegeben.
Nein, ich habe etwas Spass gemacht mit der Aufforderung, nichts zu erzählen. Ich hatte den Eindruck, dass es Dir nicht gut geht. Und meist erzählst Du ja nicht viel davon. Nur das habe ich gemeint.
*
Ja, ich glaube, in der Schweiz haben Jugendliche auch sehr oft Selbstmordgedanken. Wir sind da wohl sehr in der Nähe Schwedens. Ich glaube, es ist schon unser Lebensstil. Früher hatten die Menschen viele Ziele im Leben, was sie erreichen wollten. Meist waren es materielle Dinge, ein Haus, ein Auto, eine gute Erziehung und Bildung für die Kinder. Und heute hat man das alles. Was kann man noch wollen, wenn man alles wollen kann. Das heisst, früher waren es Mittelkrisen, an denen die Menschen litten, und heute sind es Zielkrisen, das heisst Sinnkrisen. Wenn man zuwenig zu essen hat, weiss man, was man im Leben zu tun hat. Aber was soll man tun, wenn man praktisch alles hat? Ich glaube, das ist der Hauptfaktor, der Wohlstand eigentlich.
Man kann ja auch beobachten, dass viele tüchtige Leute, die Karriere machen, aus eher bescheidenen Verhältnissen kommen. Sie sind natürlich hoch motiviert und haben ehrgeizige Lebensziele, während diejenigen, die eine leichte Jugend gehabt haben, niemals soviel Energie und Zielfestigkeit, man kann auch sagen Borniertheit aufbringen können. Man sieht es in der Politik, in der Wirtschaft. Ich glaube es ist ziemlich häufig.
*
Ich beneide Dich, Marlena, dass Du zuhause herumsitzen kannst, während wir hier bei Regenwetter und tropfender Nase ins Büro müssen. So, nun habe ich es doch noch gesagt, nicht wahr. Aber ein bisschen meine ich es auch.
Doch ich wünsche Dir eine rasche und gute Besserung. Das wünsche ich Dir mit meiner Liebe und einem geblasenen Kuss (wegen der Viren, die ich auch haben könnte, denn ich Huste ziemlich stark)
MMM
....

Re: early morning tea



Subject : Re: early morning tea
Date : Thu, 19 Oct  06:56:49 GMT

Lieber ...,
Ja, ich habe Gondo im Fernsehen gesehen, und es tut mir schrecklich leid um alle die Menschen die von einer solchen Naturkatastrophe betroffen werden. Sogar um die schöne Landschaft bange ich. Es hängt sicher mit der Erwärmung der Erde zusammen und wird immer häufiger vorkommen. Du kannst dich wohl noch an die furchtbaren Überschwemmungen bei uns diesen Sommer erinnern, wo Häuser, Landstrassen und Brücken weggeschwemmt wurden. Sowas hatten wir noch nie erlebt. Es hat ungefähr so ausgesehen wie in der Sendung aus dem Wallis.
Heute bin ich zu Hause. Mein Kopf schmerzt und mein Hals ist geschwollen. Mit anderen Worten, ich habe eine richtige Erkältung erwischt. Nun wirst du mich wieder beneiden, glaube ich. Aber ich würde viel lieber arbeiten. Wir haben ausserdem eine wichtige Konferenz, die ich eigentlich nicht verpassen sollte, da man erwartet, dass ich die nächste grosse Reise organisieren soll. Nun, ich kann nichts dafür, dass es so ist und werde mich eben nachher informieren müssen.
Es klingt sehr dramatisch, wenn du sagst ich soll schweigen und nichts andeuten. Es gibt doch nichts zu verheimlichen. Manchmal wundert es mich dass du mich so wenig kennst.
Nun, falls du M vergessen haben solltest, so ist er der Kollege mit dem ich in Prag deine Tochter gesucht habe. Wir waren zusammen Klassenlehrer in der Klasse die im Juni ihr Abitur gemacht hat. M ist sehr froh nun an der Universität zu arbeiten und erzählt mir ganz offen davon wie wenig er dort tun muss im Verhältnis zu hier. Aber er ist doch kein Verehrer von mir ;-) Er ist vielleicht ein guter Freund geworden mit der Zeit. Jetzt wenn ich so an Prag zurückdenke muss ich zugeben dass wir eine ziemlich gemütliche Woche dort verbracht haben und es war schön ihn etwas näher kennezulernen. Und dann diese "secret mission" deine Tochter zu treffen, hat das ganze noch ein bisschen spannend, ich möchte sagen fast surrealistisch gemacht. Es scheint schon Ewigkeiten her..
*
Wie schön du von diesem Alois erzählst. Ich hätte mich wahrscheinlich blitzschnell in ihn verliebt. Denn ich habe immer eine Schwäche gehabt für diese Sorte *lacht* Das mit dem Sohn, erinnert mich an unseren Nachbarn oben in Norrland. Als er nach zwei Mädchen endlich einen Sohn bekam nahm er sein Gewehr und schoss Salut sodass es über die ganze Gegend schallte und jeder wusste dass es nun die richtige Sorte war. :-) Und der arme Mann musste die Welt verlassen als der Sohn kaum 10 Jahre war. Er starb an Krebs und es war wirklich sehr traurig.
*
Gerade heute morgen habe ich im Radio gehört wie es den Kindern in Schweden immer schlechter geht und von den Psychologen die viel zu wenige sind (einer kann 6.000 Schüler haben) und von denen 90% mit Kindern in Kontakt gekommen sind die mit Selbstmordgedanken umgehen. Ich glaube es hängt mit dem neuen Lebensstil zusammen. Die frühen Paarbildungen die ihnen schon als Kind Probleme geben für die sie noch nicht reif genug sind. Wie ist es denn bei euch in der Schweiz? Ich denke ein so katholisches Land müsste noch nicht diese Probleme in so grossem Ausmass haben.

Ach, mein Schatz, von Wachsein war doch nicht die Rede. Die Sehnsucht nach einem tiefen Schlaf hat mich in die Höhle gelockt. Und wenn ich dazwischen einmal aufwachen sollte dann wäre es schön deine warme Nähe zu spüren und wissen dass alles gut ist.
Dieses schöne Liebesgeflüster möchte ich gern jeden Abend vor dem einschlafen mit dir austauschen. Dann wäre die Welt wirklich schön.

Ich mache mir nun noch einen warmen Tee und krieche wieder unter die Decke. Schreib mir Schatz, wenn du eine Weile Zeit hast. Deine Mails sind besser als Alvedon, Curadon und Echinagard..

Ich will dich nicht anstecken. Deshalb umarme ich dich nur..
mit viel S und H
Marlena

Dienstag, 28. Januar 2014

Early morning tea



Ämne: Early morning tea
Datum: den 19 oktober  07:01

Liebe Marlena
Die Woche war bisher ziemlich streng. Und ich muss zusehen, dass nicht zuviel auf dem Pult liegenbleibt. Heute Nachmittag hatten wir einen Kurs über Neuropsychologie. Das ist ein ziemlich weites Feld, und man fühlt sich mehr oder weniger unsicher, weil nie klar ist, ob die Störungen somatisch, dh. neurologisch oder psychisch bedingt seien. Nun ja, sie sagen, es gäbe da eine Interaktion zwischen den beiden Bereichen. Aber eben, es ist nie ganz klar. Aber bei den Kindern ist auch das neurologische System noch einigermassen elastisch und kann etliche Ausfälle, die sich vor, während oder nach der Geburt ergeben haben, wieder kompensieren. Immerhin haben die Kinder manchmal schon erhebliche Probleme im Lernen und in der Schule insgesamt. Aber die kommen wohl nicht bis zur Dir ins Gymnasium.
*
Und jetzt sitze ich noch ein wenig im Büro und sollte noch einen Bericht schreiben. Ich bin so faul und bequem, dass ich zuerst Dir schreibe und dazu ein Gläschen Wein trinke. Ich habe die Hoffnung, dass mich das ein wenig stimulieren könnte.
Hast Du die Bilder aus dem Wallis gesehen? Es ist eine riesige Katastrophe, und die Leute sind dort schon ziemlich bescheiden und leben bloss mit dem Nötigsten. Gondo ist das Dorf, das am schlimmsten betroffen wurde. Das ist das Dorf gleich vor der italienischen Grenze jenseits des Simplonpasses. Ich hatte im Gymnasium eine zeitlang einen Schulkameraden aus Gonde. Er ist ein sehr begabter und lustiger Kerl. Ich glaube, er hat etwas italienisches Blut, denn er kann Arien singen wie ein Italiener, kann reden und flunkern wie ein Italiener, kann handeln und geschäften wie ein Italiener. Ich glaube, sein Name ist das einig Schweizerische an ihm. Er ist dann Jurist geworden und war eine zeitlang im Walliser Kantonsparlament als Abgeordneter. Und daneben hat er grosse und kleine Geschäfte gemacht, dafür hatte er schon immer eine Nase, schon im Gymnasium. Immer, wenn er mit der Cravatte in die Schule gekommen ist, wusste man, dass er abends noch eine Versicherung abschliessen wird. Er war wirklich ein lustiger Kerl und hat viel gemogelt in der Schule. Oft hat er von mir abgeschrieben. Denn zum Lernen hatte er kaum Zeit. Aber er hatte immer ein grosses Maul, unser Alois. Man hat mir erzählt, dass er, als seine Frau einen Sohn geboren hatte, hupend durch Brig gefahren sei, um es allen und jedem zu erzählen.
Und jetzt, als man im Fernsehen einige Leute von Gondo zeigte, konnte ich seinen Bruder sehen. Er war ganz niedergeschlagen. Es war das erste mal, dass ich ihn gesehen habe. Aber er gleicht dem Alois aufs Haar.
Das zweite Dorf im oberen Teil des Wallis ist Baldschieder, gleich ein Nachbardorf von Visp. Auch dort sind etliche Häuser verwüstet worden, wenn es dort auch keine Tote gab.
Nun ja, die Bergbevölkerung ist sich an ein hartes Leben gewohnt. Und die Leute sind ja oft noch sehr katholisch und so irgendwie in der Lage, auch schwere Schicksalsschläge zu ertragen. Es gab ja vor eineigen Jahren einen harten Winter mit vielen Lawinen und grossen Schäden. Und diesmal ist es das Wasser gewesen. Man weiss noch nicht genau, was denn die Gründe sind. Es hat für eine lange Zeit ziemlich viel geregnet. Aber dass gleich ganze Schuttlawinen den Berg herunterkommen, das habe ich doch in meinem Leben noch nie so gesehen. Das scheint mir irgendwie neu.
*
Du schreibst von M, Marlena. Wer ist denn M, der Dich irgendwo hin locken will? Sollte ich ihn kennen? Hast Du ihn mir mal vorgestellt? Ist er auch einer Deiner Verehrer? Ist doch beineidenswert, rundum Verehrer zu haben. Das behält das Herz jung und warm!
*
Im Moment höre ich Chopin valses, das ist schön, aber es ist eigentlich Sommermusik für mein Gefühl. Sowas sollte man in lauen Sommernächten anhören, wenn die Fenster weit offen stehen und wenn man draussen den Brunnen plätschern hört. Habe ich Dir mal erzählt, dass wir vor dem Haus einen Brunnen haben, wo sie früher die Kühe getränkt haben. Jetzt braucht man ihn nicht mehr für Kühe, aber er steht immer noch vor dem Haus. Und im Sommer, wenn ich tief in der Nacht noch gelesen habe, habe ich sein Plätschern immer sehr genossen. Ein so alter Brunnen gibt einem das Gefühl, an einer grossen und langen Zeit teilzuhaben. Man hat das Gefühl, da waren früher Leute, da sind jetzt Leute, und da werden in Zukunft wieder andere Leute sein. Ach ja, es ist ein wenig melancholisch.
*
Es geht Dir im Moment nicht gut, Marlena. Aber Du erzählst Deinem Mausfreund kein Sterbenswörtchen. Aber das kennen wir ja. Und ich will Dich auch warnen, mir auch nur die leisesten Andeutungen zu machen. Ich warne Dich, Marlena, mach sowas nicht. Es würde viel zu viel herausbrechen. Also schweig mein Schätzchen, schweige wie das Grab.
*
Aber ich stelle mir gerne vor, mit Dir zusammen in einer warmen Höhle zu liegen und Liebesgeflüster auszutauschen. Es gibt hier keine Pritsche, die ächzt. Es ist alles in der warmen Erde. Und wenn man genau hinhört, kann man die Tiefe ahnen.
*
Ich küsse Dich, meine Liebste, und ich wünsche Dir morgen einen frohen Tag.
...
PS Gestern war das Netz blockiert. Deshalb dieses Mail erst heute Morgen, zum Frühstück.

Abendgruss



Ämne: Abendgruss
Datum: den 18 oktober  22:29


Lieber ...,

Es war wie ich geglaubt hatte und nun sitze ich hier warm eingehüllt mit einem heissen Tee neben mir und versuche mich zu kurieren. Gerade habe ich noch einmal dein schönes Mail durchgelesen, was mich gleich ein bisschen wohler zumute macht. Ich habe in letzter Zeit beruflich viel extra zu tun gehabt.   ...
*
Am Montagabend habe ich sehr an dich gedacht. Als hätte ich gefühlt dass du mit deinen Gedanken in Schweden bist. Allzu gern hätte ich deinen Tischnachbarn zugehört als sie von Schweden erzählten. Und du, chéri? Es muss doch ein komisches Gefühl gewesen sein nicht auch von hier sprechen zu können. Du hast Fragen gestellt und vielleicht hat man doch gemerkt dass du nicht ganz fremd bist in diesem Land. Oder hast du ihnen auch erzählt von einer Schwedin, die in dich vernarrt ist seit einem halben Jahr? Du weißt doch, mein Liebling, dass wir diese Woche ein halbes Jahr gemailt haben? Ich wundere mich manchmal dass es nicht schon länger her ist. Wir haben uns schon unendlich viel geschrieben in dieser Zeit. Und doch bin ich immer noch hungrig nach deinen Worten. Ich kann  nie genug von dir hören. Du beschreibst alles so genau und so schön .. z.B. von den Eiszapfen im Wallis. Ich hatte mein Leben lang nicht mehr an Eiszapfen gedacht und plötzlich sah ich sie wieder vor mir, ich fühlte sie und ich erinnerte mich sogar wie sie riechen und schmecken ;-)

Als ich die schwärmerischen Berichte deiner Clubfreunde über Schweden las wurde ich fast melancholisch. Sie haben recht.. es ist etwas besonderes mit diesem Land.. etwas das mit den Jahreszeiten und der Natur zu tun hat. Ich bin froh dass mich meine Mutter damals wieder hierher geschickt hat. Aber der Journalist hat natürlich ein bisschen übertrieben. Nicht ganz Schweden leuchtet von "lingon". Sie wachsen an bestimmten Stellen im Wald und man muss schon wissen wo, bevor man sie leuchten sieht. Es ist möglich dass sie in Südschweden etwas offener wachsen als bei uns hier. Oben in Norrland haben wir sie auf dem Hof hinterm Haus. Aber schade dass wir nicht dort sein können wenn sie reif sind.
Du weißt es ist eine sehr nützliche Beere. Sie konserviert dich von innen sodass du nicht älter wirst ;-) Ein Geheimnis das ich dir hiermit verraten habe.
*
Bei uns ist es schon stockdunkel zur Zeit. Aber ende des Monats stellen wir dann unsere Uhr eine Stunde zurück. Man sollte sich nicht beschweren. Ich war mal im Dezember oben in Luleå, um Weihnachte zu feiern bei meinem Schwiegervater. Der Tag dauerte ungefähr eine Stunde und bestand aus einem rosa Streifen über dem Waldrand.
Eigentlich glaube ich nicht, dass ich zu den Menschen gehöre die leicht vom Wetter beeinflusst werden.. Wenn ich mich wohl fühle aus anderen Gründen dann kann mich das Wetter kaum stören. Du bist lieb, dass du meine Sonne spielen willst. Ja, tu es Liebling. Denn diese Art von Sonne kann ich schon sehr vermissen. :-)
*
Ich liebe es in die Sauna zu gehen und dazwischen ein paar Längen zu schwimmen. Zu Hause in Uppsala hatten wir unsere eigene Sauna in der Villa und ich vermisse es sehr. Hier fehlt mir leider oft die Zeit dazu aber ich werde doch versuchen ab und zu hinzugehen. Wir haben übrigens seit kurzem freien Zugang zum "Gym". Brauche mir nur den Schlüssel zu holen. Das ist doch eigentlich fantastisch. Daneben liegt das Solarium, das Schwimmbecken und die Sauna. Und alles nur kaum 100 Meter von meinem Büro. Da staunst du wohl, chéri.
Wie ist es bei dir? Gehst du auch in die Sauna? Ich bin manchmal eifersüchtig auf meinen Bruder der sich nachher noch ganz durchmassieren lässt. Diese Möglichkeit haben wir leider nicht hier bei uns (obwohl mein Kollege, der eine Masseurausbildung hat, mir öfters seine Dienste anbietet) ;-))
Nun, chéri, ich werde mit deinen guten Ratschlägen und lieben Briefen schon noch die dunkle Jahreszeit überleben.

Wenn ich so zum Ende eines Mails komme dann muss ich mich immer ein wenig zurückhalten dass ich dir nichts unpassendes schreibe.. Mein Wunsch dich einmal so ganz glücklich zu sehen und zu machen..
Oh, nein Schatz.. Ich sage dir nun gute Nacht.
Bitte lass mich nicht verhungern
Marlena

Re: mildernde Umstände des Winterschlafs



Ämne: Re: mildernde Umstände des Winterschlafs
Datum: den 18 oktober  09:31


Ach, mein Liebster,
was hast du für wunderbare Ideen. :-) Aber ein Winterschlaf ohne dich ist nicht schön.. und deshalb komme ich eben wieder aus meiner Höhle heraus und sehnsuche dich.
Ich war sehr beschäftigt die letzte Zeit aber später heute Abend schreibe ich dir noch ein Mail. Möchte dir nur schnell ein paar Zeilen senden, damit du sie hast bevor du nach Hause gehst.
Wenn du mehr Zeit hast als ich im Moment, dann schick mir doch ein kleines Mail (ein wenig Sonne). Ich könnte es wirklich brauchen ..und du weisst doch.. es hilft gegen alles.
Mit einem lieben Kuss
Marlena

Montag, 27. Januar 2014

mildernde Umstände des Winterschlafs

Ämne: mildernde Umstände des Winterschlafs
Datum: den 17 oktober  07:43

Liebste Marlena
Ach, ein paar Monate zusammengerollt mit Dir, der grossen weisen Bärin, das würde mir doch zusagen, in einer dunkeln, aber geschützten Höhle. Und dazu die Stille, so dass man nur das leise Liebesgeflüster hört. Das wäre doch wunderbar.
Es war ganz lustig gestern. Ich meine, der geschäftliche Teil ging einigermassen gut über die Bühne. Sie haben zwar wieder mal intensiv über Geld diskutiert, die Herren Direktoren und Bosse und Chefs. Aber die Beschlüsse waren dann ganz vernünftig. Und der neue Präsident hat eine kurze Antrittsrede gehalten und sein Dreipunkteprogramm vorgestellt. Weißt Du, welches sein erstes Ziel ist: dass keiner aus dem Club austritt. Ein reines Negativprogramm. Aber er meint es nicht so. Er ist ein Kunstmaler und ein ziemlich origineller Kopf. Es wird ihm in diesem Jahr schon was lustiges einfallen.
Und dann gab es ein essen. Und ich hatte zwei interessante Tischnachbarn. Beide waren mehrere Jahre in Schweden gewesen und waren begeistert. Und ich glaube, bei beiden ging die Liebe zu Schweden über schwedische Frauen. Der eine, heute ein älterer Gentrleman, immer sehr schick gekleidet, Modejournalist, erzählte mir von seiner schwedischen Freundin, eine Adelige, mit der er in Sörland oder so ähnlich gelebt hatte. Er konnte sogar aus der schwedischen Literatur zitieren und die ersten Takte eines Liedes singen. Och, er hat richtig geschwärmt von den Schweden, ihrer Naturmystik, ihrer Liebe zur Geschichte und zur Literatur. Aber zwischen den Zeilen konntest Du sehen, dass er immer noch an seine adelige Liebe denkt. Und er meinte, sie hätten bloss nicht heiraten können, weil sie keinen Bürgerlichen heiraten konnte.
Und der andere Kollege, ein Klavierbauer, und sonst eigentlich ein stiller Typ hatte ganz leuchtende Augen, als er von den schwedischen Mädchen erzählte. Wenn er abends von der Arbeit nach Hause gekommen sei, hätten sie schon zu mehreren auf der Treppe gesessen und auf ihn gewartet. Als Ausländer hätte er auch an der Bar Alkohol bekommen können. Und wenn man den Mädchen eine Flasche zeigte, dann wären sie überall hin mitgekommen. Oder an einem Fest hätte er immer gefragt, woher die Mädchen kommen, und sich dann mit derjenigen beschäftigt, die 50km weit hergekommen ist, um sie anschliessend mit dem Auto wieder heimzubringen.
Du siehst, Marlena, die schwedischen Frauen haben einen Ruf, der durch ganz Europa weht. Man weiss ja nie so genau, was man davon halten kann, denn wir haben auch ziemlich Wein getrunken gestern Abend. Aber eines ist sicher: beide waren von den schwedischen Frauen tief beeindruckt. Und sie haben die intensiven Erlebnisse auch in Zusammenhang gebracht mit der langen Dunkelheit im Jahr, und der kurzen und intensiven Vegetationszeit. Es hat so geklungen, als ob man die paar sommerlichen Monate bis zur kürzesten Sekunde auskosten muss, weil sie bald vorüber sind.
Und José, der Journalist, hat von den roten Preisselbeeren geschwärmt und wie die Landschaft zur einer bestimmten Zeit einfach total rot sei von diesen Sträuchern. Ist das nicht das, was Du mir auch geschildert hast? Auf jeden Fall waren diese Preisselbeeren der initiale Punkt, weshalb wir überhaupt auf Schweden zu sprechen kamen. Und du kannst Dir vorstellen, dass ich natürlich immer weiter gefragt habe und mehr und mehr wissen wollte, was denn dort oben so besonders sei. Und so sind die beiden älteren Knaben noch einmal richtig ins Schwärmen gekommen. Das war doch eigentlich recht köstlich, ganz abgesehen von den schmackhaften Preisselbeeren auf dem Fleisch.
*
Du klingst ein wenig erschöpft, meine Liebe. Ich würde Dir gerne in der Höhle den Rücken massieren und Dir neue Energie geben. Aber die länge meiner Arme reicht nicht ganz. Weshalb gehst Du nicht in die Sauna, oder vielleicht in ein Solarium. Ich glaube, dass das fehlende Licht auf das Gemüt schlägt. Ich jedenfalls habe in den letzten Jahren bemerkt, wie ich im Herbst gewöhnlich etwas mehr melancholisch werde. Das heisst, ich habe es nicht mal selbst realisiert, sondern S hat mich darauf aufmerksam gemacht. Und ich glaube, sie hat recht. Ich habe immer Weihnachten bis Neujahr eine Art Baisse, so dass ich die Zeit und das Fest gar nicht richtig geniessen kann. Bisher hatte ich es immer mit der Tatsache des Jahresende in Zusammenhang gebracht. Es ist aber schon möglich, dass ein Sonnenenergiemangel auch eine Rolle spielt. So lass mich denn Deine Sonne spielen, Marlena.
Ich wünsche Dir einen sonnigen Tag
...
Iran ist megasonnig, nebeibei gesagt. Deshalb haben dort alle lachende Gemüter.

Re: blauer Montag



Re: blauer Montag
Mon, 16 Oct  19:11:52 GMT

Lieber ...,
Ich würde eher sagen, dass er grau ist, dieser Montag. Grau draussen und grau im Herzen oder im Sinn. Ich habe eigentlich im Augenblick zu nichts Lust. Nicht dass ich schlecht gelaunt wäre, das kommt sehr selten vor aber ich habe etwas Kummer. Eigentlich auch keinen grossen sondern nur eine Menge kleine Irritationsmomente, die dann auch den Becher füllen bis er eben droht überzulaufen.
Vielleicht ist es auch eine Müdigkeit die mit einer beginnenden Erkältung zu tun hat. Ich weiss nicht. Manchmal wünsche ich ich könnte es nun wie die Bären machen, mich zurückziehen und einen Winterschlaf halten. Dann im Frühjahr, wenn es wieder etwas hell wird und die Blumen anfangen zu spriessen, würde ich froh und zufrieden herauskommen und sofort nach dir Ausschau halten. Oder vielleicht kommst du mit? Das wäre doch am allerschönsten. Wir könnten ein paar Monate schön warm zusammen schlafen. Ich würde mich ganz dicht mit dem Rücken an deinen Bauch legen und mich dort zusammenrollen.
Aber es hilft nichts. Morgen früh, wenn es noch stockdunkel ist, muss ich wieder mein warmes Bett verlassen und den täglichen Kampf aufnehmen.
Anna sitzt im Moment noch über ihren Mattebüchern, denn sie hat morgen eine grosse Prüfung und ich sollte eigentlich noch etwas vorbereiten.
Aber es muss auch so gehen. Ich bin schon immer gut im Improvisieren gewesen. (Ein Versuch vermildernde Umstände zu finden;-) Es wird mir etwas einfallen.
Du hast nun noch eine Stunde in deinem Club und gern möchte ich kurz hineinschaun und sehen was du dort machst. Erzähl mir ein wenig davon morgen, chéri. Und verzeih mir das kurze Mail.. es kommen wieder bessere Zeiten.
i M
Marlena

Ich habe heute ein liebes Mail von M erhalten, wo er mir von seiner Zeit an der Uni erzählt und versucht mich hinzulocken. So aus Entfernung scheut er nicht unser Milieu hier ein wenig unter die Lupe zu nehmen und es freut mich meine eigenen Gedanken aus seinem Mund zu hören.
Weisst du, es gibt nichts Schlimmeres, als gegen Dummheit kämpfen zu müssen..

Schreibe mir bald, chéri, ich bin hungrig nach deinen Worten.


Blauer Montag



Ämne: Blauer Montag
Datum: den 16 oktober  17:33

Liebe Marlena
Ja, das Essen mit Onkelchen war ganz schön. S hat sich grosse Mühe gegeben. Und er war ganz gerührt, dass wir uns erinnert hatten, dass Coq au vin sein Lieblingsessen ist. Er hat es wirklich genossen und er hat S viele Komplimente gemacht. Und zum Pariserring gab es einen Irish coffee, den mag er ganz besonders, auch wenn draussen noch kein Schnee liegt. Alles in allem war es ein nettes Festchen, und über die schönen Blumen hat er sich besonders gefreut.

*
Heute abend habe ich meine GV im Club. Da muss ich schon um 18h nach Basel. Die Sitzung ist eigentlich eine Routineangelegenheit. Aber manchmal gib es doch noch Diskussionen , meist um Geld. Die vielen Chefs und Bosse und Direktoren wollen alle beim Geld mitreden, auch wenn die Beträge nicht so hoch sind. Es ist manchmal etwas lächerlich. Aber sie sind nun mal so. Und anschliessend gibt es ein feines Nachtessen zur Feier des Anlasses. Und dann sitzt man noch bis etwas 22h zusammen und erzählt die neuesten Geschichten, na ja, ungefähr so, wie die Frauen es am Gartenzaun auch machen.   S  meint, die Männer seien noch schlimmer mit ihrem Gossiping. Das würde ich aber vehement bestreiten. Na ja, schon wegen der Symmetrie würde ich es bestreiten. ;--)

Ich wünsche Dir einen schönen Abend und schicke Dir einen hochkarätigen Kuss
...

Sunday evening blues



Ämne: Sunday evening blues
Datum: den 15 oktober  21:37


Lieber ...,

Nun ist sie endlich da, die lange ersehnte Stunde wenn ich mich eine Weile zu dir setzen kann. Sicher weisst du, dass ich an dich denke auch wenn ich aus irgend einem Grund nicht zum Schreiben komme. Aber ich weiss dass es trotzdem nicht schön ist eine 0 in der Mailbox zu finden. Das Leben ist im Moment ein wenig hart zu uns Mausfreunden.

Ja, es ist schon so, wie du sagst. Eigentlich ist es schön wenn Leute unerwartet zu Besuch kommen. Hier im Süden kommt das ja nicht so oft vor wie oben in Norrland, wo es fast zur Regel geworden ist. Man taucht ganz einfach auf wenn man den Weg vorbei hat. Diesmal war es eine Freundin von mir und ihr Mann mit denen wir seit Jahren gut befreundet sind. Wie immer hatte K auch an diesem Samstag ein gutes Festessen vorbereitet und so konnten wir ein paar gemütliche Stunden miteinander verbringen. Aber dann hat mir doch die Zeit gefehlt und ich musste heute den ganzen Tag fest arbeiten. Nur manchmal habe ich mir eine kleine Pause gegönnt und wenn es möglich war, in die Mailbox geschaut nach einem Lebenszeichen von meinem Mausgeliebten. Und es hat mich sehr gefreut wie immer als ich dann schliesslich ein Mail entdeckte.

Und nun, chéri, sehe ich dich vor mir wie du dich nett mit deinem lieben Onkel unterhältst und ihm einen schönen Geburtstag machst. Ach, wie hat er es gut, der alte Onkel und ich beneide ihn, weil er in deiner Nähe sein darf. Es ist schön, was du sagst über seine Freundinnen. Ja, die Männer die ein hohes Alter erreichen haben es meistens ganz gut und werden von vielen Frauen verwöhnt. So war es auch mit meinem lieben Schwiegervater. Aber er hatte wohl sein ganzes Leben lang Verehrerinnen gehabt. ;-) Sicher habt ihr zu diesem Coq au vin auch einen guten Rotwein getrunken. :-)

Heute habe ich im Fernsehen Bilder von einer grossen Überschwemmung in der Schweiz gesehen. Es war in Gondo (in der Nähe von Brig) und hat ganz schrecklich ausgesehen. Durch die Klimaveränderungen auf der Erde werden wir wohl in Zukunft immer mehr Naturkatastrophen erleben. In Südschweden wird es morgen an manchen Stellen bis zu 20 Grad warm sein. Das haben wir auch noch nicht erlebt zu dieser Jahreszeit.
*
Zu deinem Artikel über die Ehe möchte ich dir sagen dass in Schweden mehr als 50% der Haushalte "Singels" sind. Und in Stockholm bestehen sogar 2/3 aller Haushalte aus nur einer Person. Es scheint ein neuer Lebensstil zu werden. Aber wahrscheinlich wohnen die Leute doch ab und zu ein wenig zusammen.. ich kann es mir nicht anders vorstellen :-)
Aber bei euch gibt es doch diesen "Zeitabschnitt-partner" und das finde ich wirklich ein wenig schockierend. Man sagt sich also schon wenn man zusammenzieht, dass es nur für eine Zeit gedacht ist. Sag, wer tut denn sowas, wenn die Liebe mit im Spiel ist?
*
Ach, mein Liebling, wie schade dass ich dir immer nur mit Worten sagen kann wie lieb ich dich habe. Ich gäbe was drum wenn ich dir nur einmal mit der Hand über die Wange streichen könnte und fühlen dass du aus Fleisch und Blut bist.  ...

Deine Marlena

PS Ich möchte wieder einmal mit dir in die "Italobar" gehen.

---

Besuch bei Onkelchen


Ämne: Re: sunday morning
Datum: den 15 oktober  12:47


Liebe Marlena
Der Abend gestern war nicht ein Superlativ. Wir haben zuviel über Geschäfte und EDV und Diebstahl und solch profane Dinge diskutiert. Das hat mich nicht sosehr interessiert. Und im übrigen war ich den ganzen Tag im Büro gewesen und ein bisschen müde.
Wir sind dann erst um 2 Uhr ins Bett gekommen. Ich habe noch das Geschirr gespühlt und alle Gläser gewaschen. Die kann man ja schlecht einfach in die Maschine stellen. Und heute bin ich an der Traktandenliste für Montag. Sie ist ziemlich lange, weil wir einen 14 Tage Unterbruch hatten.
Und bald fahre ich ab zu Onkelchen. S hat nochmals ihre Freundin im Spital Chur besucht. Wir treffen uns am Bahnhof in Lenzburg. Und dann gibt es ein kleines Geburtstagsessen: Coq au vin. Das mag er am liebsten. Und nachher einen Pariserring von Beschle. Auch den mag er sehr gerne. Der Geburtstag ist dann aber erst am Dienstag. Aber dann haben wir kaum Zeit hinzureisen. Dann kann er seine vielen Freundinnen empfangen, die ihn besuchen werden. Es ist lustig, weil ja die Frauen etwas länger leben als die Männer, hat er wirklich sehr viele ältere Damen, die er kennt. Und weil er sehr lieb ist, besuchen sie ihn gerne. Er kann sehr gut mit Leuten reden.
Schön, einen unerwarteten Besuch zu erhalten. Ich hoffe, ihr habt das genossen.
Ich wünsche Euch noch einen schönen Sonntag.
Mit einem grossen Kuss
...

Unerwartete Gäste


Ämne: Unerwartete Gäste..
Datum: den 14 oktober  16:48


Lieber ...,

Ich habe unerwarteten Besuch bekommen und komme im Moment nicht zum schreiben. Wünsche dir einen schönen Abend.

Auf bald, hoffe ich
Marlena

PS I love you!

Sonntag, 26. Januar 2014

Illusionen auf dem Kartoffelkarren



Ämne: die Illusionen auf dem Kartoffelkarren
Datum: den 13 oktober  14:42

Liebe Marlena

Wo ich meine Illusionen verloren habe? Illusionen über die Menschen?
Na ja, das ist wie wenn Du mit einem Karren voller Kartoffeln über einen holperigen Weg rollst. Sie fallen ja nicht gleich alle zusammen vom Karren, sondern springen einzeln da und dort herunter.
Aber ich habe nicht ein schlechtes Bild von den Menschen. Das bestimmt nicht. Und ich habe im Leben wirklich eine Menge Menschen kennengelernt.
Weißt Du Marlena, ich habe den Eindruck, dass es sehr von der Distanz abhängt, wie man Menschen wahrnimmt. Kennt man sie nur aus Entfernung, oder kennt man sie in einem sehr persönlichen Rahmen. Das ist die Frage. Es gibt doch auch diesen merkürdigen Riss durch die Welt, den jeder von uns selbst erleben kann, diese unüberbrückbare Diskontinuität zwischen meiner Innenwelt und der Aussenwelt. Man könnte grob sagen, das eine sei die private, das andere die öffentliche Welt. Aber es stimmt hier auch nicht ganz. Die Sprache, nota bene, wie Wittgenstein nachweist, ist eine durch und durch öffentliche Angelegenheit. Es gibt nicht die Privatsprache, nur für mich selbst, so, wie sie Bichsel in der Kindergeschichte "Ein Tisch ist ein Tisch" vorgeführt hat. Das ist keine Sprache mehr.
Ich habe in den letzten Jahren einige Biographien gelesen und ein wenig studiert. Am liebsten hatte ich die Lebensgeschichten von Malern, die auch illustriert waren mit ihren eigenen Gemälden. So konnte ich irgendwie die Werke mit dem Leben des Malers in eine Verbindung bringen. Kunstgeschichtlich ist ja das Leben des Malers ziemlich irrelevant. Aber psychologisch ist es interessant. Und wenn man dann diese Lebensläufe, diese Krisen und Stürme und Liebschaften und Katastrophen und Höhepunkte und Seligkeiten sich anhört, und daneben die öffentliche Rolle sieht, die sie gespielt haben und die mit Gemälden belegt ist, dann gibt es doch sehr erstaunliche Phänomene.
Schau mal Dali an, dessen Biographie ich gerade auf meinem Nachttischchen habe! Er war ein armer Wurm. Er hatte soviele Ängste und Unsicherheiten. Er war ganz und gar von seiner Frau Gala abhängig, die ja auch in seinen Bildern immer wieder auftaucht, eine Russin, die ein sehr extravagantes Sexualleben geführt haben soll, während von Dali gesagt wird, er wäre ein Autoerot gewesen. Das heisst wohl, er hat sich meist selbst mit sich selbst befriedigt. Das ist ja doch schon eine echte Kunst, würde ich sagen. Und er muss seiner Gala echt hörig gewesen sein. Sie haben viele Bilder gemeinsam signiert, obwohl er sie gemalt hat, er im engeren Sinne sozusagen. So ist der arme Kerl stets am Trichterrand zur Psychose gewandelt, hat diese Tatsache genutzt für seine Bilder. Aber ich bin sicher, das war nicht das reine Vergnügen. Er war ein echter Spinner und hat sich mit seinem Vater schwer verkracht und hat offenbar auch enorm darunter gelitten.
Und wenn man bloss Dalis öffentliches Leben anschaut, hat man den Eindruck, er wäre ein berühmter Maler gewesen, der sein Leben geschäftstüchtig inszeniert hat, jede Menge vor dem Publikum der Oeffentlichkeit Theater gespielt, aber alles in allem ein genialer Held, der diese fantastischen und eindrücklichen Bilder gemalt hat, die jeder im Gedächtnis hat. Man denkt, er sei der grossartige und selbstbewusste Schöpfer dieser Ikonen des frühen 20. Jahrhunderts.
Was jetzt nun, ein genialer Held oder ein armer Wurm? Ist eben eine Frage der Distanz der Wahrnehmung. Und in der Oeffentlichkeit verzerren vielleicht die öffentlichen Vorurteile und Legenden unseren Blick und im Privaten sind es dann wohl unsere persönlichen Gefühle und überwertigen Ideen und familiären Neurosen, die das Bild trüben.
Ich habe kein schlechtes Bild von den Menschen. Und ich bin immer wieder berührt und beeindruckt von der Liebe der Mütter zu ihren Kindern. Ich glaube, das ist die stärkste Kraft auf unserer Welt. Bei Vätern merkt man gelegentlich auch viel Liebe, aber nicht so oft wie bei den Müttern. Und wenn diese Mutterliebe nicht wäre! Stell Dir die Welt vor. Es wäre der wahre Dschungel und Krieg und Egoismus! Die Menschen hätten kein Feingefühl und keinen Respekt und auch keinen Zusammenhang. Es sind bestimmt die Frauen, die dieses Positivum in der Welt vertreten und unterstützen und pflegen. Und es ist wohl in allen Kulturen so. Die Leistungen der Frauen für den Bestand unserer Welt sind bei weitem höher einzuschätzen als diejenigen der Männer. Wenn man das mal so auf eine einfache Buchhaltung reduzieren will. Und es ist, nach all dem, was wir hier unten wahrnehmen, überhaupt nicht einzusehen, weshalb der liebe Gott denn nun unbedingt so etwas wie ein Mann sein sollte.
Wir haben in unserem Dienst vor Jahren mal eine Fortbildung gemacht mit einer Feministin. Und sie hat erzählt, dass sie mit ihrer kleinen Tochter abends "zur Göttin" betet. Fand ich lustig, instruktiv und auch mutig.
*
Kurz und gut, meine Illusionen liegen an den Rändern meines Lebensweges wie Kartoffeln, die vom Karren heruntergekollert sind. Aber ein paar sind wohl immer noch oben geblieben. Und das spricht doch auch für den Karren, oder nicht?
Ich küsse Dich innig, meine barocke Mausfreundin
...

PS: wollen wir doch keinen Indizienprozess beginnen, wer wem zuerst die Liebe angedeutet habe. Es geht mir da wie den alten Römern, die in ihren Zitaten immer sehr ungenau waren, einfach weil sie die Mühe scheuten, ihre Pergamentrollen aufzurollen und das Zitat wörtlich zu suchen und nachzulesen. Es ist einfach schön, sich zu erinnern, wie das ganz zart und sachte entsteht, und wie man auf jede Geste und Wendung achtet, die auf ein Mehr hindeuten könnte. Und wenn solche Ahnungen und Gefühle entstehen, ist man ganz zufrieden und hell. Aber es ist doch nicht Geschichte, Marlena! Es ist die nackte Gegenwart, ...

Hello.. is it me you're looking for..?



Subject : Hello.. is it me you're looking for..?
Date : Wed, 11 Oct  19:54:26 GMT

Lieber ...,

Es ist schön dass du mich so lieb zu Hause Willkommen heisst. Ich habe es überstanden. Nur das Maulhalten ist mir nicht 100 %ig gelungen. Aber natürlich habe ich versucht deinen Rat zu befolgen. Ich würde dir gern erzählen was mich so stört aber ich möchte es lieber vergessen. Du weißt, dieser Mann tut alles andere als unterrichten und verzweifelte Schüler fragten mich Anfang der Woche ob er denn überhaupt eine Ausbildung hat und sein Fach beherrscht. Sie hätten bisher noch nichts gelernt und er macht immer alles falsch und sie müssen ihn korrigieren u.s.w. Ich versuchte sie zu beruhigen und sagte ihnen sie müssen mit ihm selbst darüber sprechen wenn sie irgendwelche Probleme haben. Und dann versuche ich ihnen auch beizubringen dass es immer klüger ist eine Sache freundlich vorzubringen. Ach, Schatz.. ich will nicht davon sprechen.
*
Nun, wir haben eine gute Zeit gehabt und die jungen Leute auch. Ein paar konkrete Probleme sind natürlich entstanden aber sie gingen zu lösen. Was tut man z.B. wenn statt ein Bus nur zwei grosse Taxis auftauchen weil normalerweise nur wenig Passagiere diese Strecke fahren und 8 Personen schnell eine andere Transportweise finden müssen, oder wenn spät am Abend wenn das ganze Personal schon verschwunden ist plötzlich die Tür zu dem Schlafraum, wo die Jungen schon alle ihre Sachen untergebracht haben, von der Zugluft zuknallt und der Schlüssel fehlt. Nun, jedenfalls waren die Schüler sehr lieb und ich fühle dass ich sie nun besser kenne als vorher und sie mich auch. Und alle haben sich gut amüsiert.
*
Ja, ich kenne die Diskussion in der Schweiz über die Sprachen. Habe davon im Flugzeug in den schweizerischen Zeitungen gelesen. Und meine Meinung dazu? Natürlich sollen die Kinder Englisch lernen. Sie wollen sich ja mit dem Rest der Welt verständigen. Und wer heute nicht englisch kann ist so ziemlich "out". Aber ich gebe auch deinem Chef recht. Französisch sollte man lernen um Zugang zu haben zu dem riesigen Kulturschatz den es in dieser Sprache gibt.
*
Ach, weisst du, ich bin eigentlich etwas zu müde heute um zu schreiben. Die Worte wollen nicht richtig kommen.

"Schau mal hier!" bildet keine Realität ab aber es vermittelt eine Realität, nämlich meinen Willen dir etwas zu zeigen. Der sanfte Stoss und der Zeigefinger sind nur da um meinen Satz zu unterstreichen und dich darauf aufmerksam zu machen. Nein, ich habe nie Wittgenstein gelesen. Aber ich verstehe dass er seine Argumente auf eine sehr intelligente Weise vorbringt, sonst würdest du, mein lieber Schatz, dich nicht davon verführen lassen. ;-))
Es gibt doch so viel Realitäten die nicht unbedingt durch das Rohr der Sprache müssen. Wenn ich z.B. die Schönheit in der Natur geniesse oder ein gutes Musikstück. Ich kann es ganz ohne Worte tun und es ist Realität für mich. Es existiert ohne dass ich es erst mit Worten schaffen muss.
Dagegen glaube ich Gefühle kann man mit Worten schaffen und am Leben halten. Vielleicht nicht "schaffen" aber vermitteln. Und es ist wichtig dass man sie vermittelt...
*
Die Verzögerung deines Briefes hat wohl nicht mit den grossen Mengen Luft zwischen uns zu tun, sondern eher mit dem schweizerischen Postwerk. Ein Brief aus Zimbabwe nimmt ungefähr dieselbe Zeit wie ein Brief aus Basel. ;-) Nein, er war natürlich nicht geöffnet. Und Post von dir wird auch nie in falsche Hände geraten. Aber wozu überhaupt "snail-mails" senden wenn man sich doch hier so schnell und gut (und kostenlos?) verständigen kann? Nur wenn du mal etwas gezeichnet hast das du mich sehen lassen willst kannst du es mir zum Ansehen schicken.Ich kann es nachher wieder zurücksenden, falls du willst.
Ich habe heute Nacht ein paar Stunden wach gelegen und dabei habe ich dauernd deine lustigen Illustrationen zu deinem Artikel vor mir gesehen. Das Mobil hat sich vor meinen Augen gedreht und die Eltern in dem "Laufställchen?" haben unruhig Ausschau gehalten nach ihren Abkommen. Und dann unser Turm.. und der dahinter, in dem man nie Sprachverbisterungen finden wird da ja alle nur Englisch sprechen.
*
Liebling, ich hoffe dass du verstehst wenn ich manchmal ein wenig mit Worten spiele. Dieses "Internetehe" z.B. warum sollte man es nicht so bezeichnen können? Viele Männer im Swisstalk sprechen sicher viel mehr mit anderen Frauen als mit ihren eigenen. "Seelische Emigranten" wie du es einmal genannt hast. Manchmal habe ich Angst dass du glaubst ich will zu viel von dir.. Es ist wahr.. ich möchte dich nie aus meinem Leben verlieren und wie man das Verhältnis zwischen uns nennt ist eigentlich egal. Du bist zwar nicht mehr dieser ruhige, ausgeglichene Mann, den ich anfangs zu kennen glaubte, aber ich schenke dir trotzdem immer mehr Vertrauen. Ich weiss, ich suche viel in dir.
Sag, warum bezeichnest du deine wunderschöne Schilderung deiner Kindheit plötzlich "regressive Trance"? Es hat mich sehr gefreut dass du mir so geschrieben hast. Dann fühle ich dass du mir wirklich nahe bist .. und nun scheinst du es fast zu bereuen.. warum?
*
Eine "zufriedene, in sich ruhende Frau" würde ich gern sein. Dazu brauchte ich wohl ein anderes Schicksal :-) Aber vielleicht machst du auch nur Spass und merkst wie "zerrissen und disharmonisch" ich eigentlich bin. Und vielleicht ist es doch ein veritables Kunststück von mir der Umwelt ein solches Bild vermitteln zu können. Ja, sie kennt mich nicht, die Welt. Nach vielen Jahren sagte mir eine Kollegin, die ich sehr schätzte, sie hätte sich lange vor mir gefürchtet weil sie nie herausfinden konnte wer ich eigentlich sei.
*
Ach, chéri, wenn ich alle Dummköpfe in ein Schliessfach stecken müsste, dann wären die längst schon alle überfüllt. Wir lassen sie herumlaufen. Man kann ihnen ja meistens aus dem Weg gehen. Leider nur "meistens".

Draussen schmettert der Regen nur so gegen die Fensterscheiben. K hat an diesem Wochenende fleissig im Garten gearbeitet und Anna hat zufrieden festgestellt: "Jetzt tut Pappa etwas, was Väter tun sollen". Es war ein vielsagender Satz.

Ich verlasse dich nun für heute. Bitte, lass mich bald wieder von dir hören.
In Liebe
Marlena

Roman-is-tik


Ämne: Roman-is-tik
Datum: den 9 oktober  21:27

Lieber ...,

Danke für deine schnelle Antwort. Aber chéri, du musst dir wirklich keine Sorgen machen wegen deinen Fantasien. Ich liebe es wenn du so direkt drauflosschreibst ohne Korrektur und ich lache herzlich über deine manchmal etwas lustigen Gedanken. Natürlich bin ich ein wenig so wie du schreibst.. aber eigentlich nur wenn ich verliebt bin. Dann werde ich ein bisschen barock, das muss ich zugeben. ;-)
Ein Text ist ein Text sagst du wieder. Und das klingt irgendwie als ob du sagen würdest: Worte sind nur Worte. Dahinter keine Realität. Ich meine, zuerst ist die Realität und die Worte sind nur dazu da diese an einen anderen Menschen zu vermitteln. Ich kann nicht Realität mit Worten erzeugen. Oder was meinst du, mein lieber Mausfreund? Ich kann Gefühle hervorrufen damit, das stimmt sicher aber.. OK ich lasse es.. wir müssten es vielleicht mal in der Italobar diskutieren.
*
Ich schreibe dir noch heute weil ich morgen Nachmittag wegfahre mit meiner Klasse und "dem" Kollegen und erst am Mittwoch Abend zurückkomme. Zuerst war mir der Gedanke sehr zuwider aber da ich nicht davonkommen kann habe ich mich entschlossen das ganze als eine Herausforderung zu sehen und eine Möglichkeit dieses komische Exemplar von Homo Sapiens etwas näher zu studieren. Meine grösste Aufgabe wird sein nicht zu sagen was ich denke.. nach dem Motto: "Aushalten, Haushalten, Maulhalten"
*
Ich muss immer wieder an deine lustige Schilderung von eurer Schule denken und dabei sehe ich euch unbemerkt unter den Bänken aus dem Klassenzimmer kriechen. Vielleicht war es eine sehr liebe Lehrerin, die ein Auge zugedrückt hat, weil sie euch ein wenig Freiheit gönnen wollte.. :-) Jedenfalls muss ich mich beherrschen damit ich nicht plötzlich anfange zu lachen wenn ich daran denke. Es ist wirklich zu drollig.

Nun werde ich mir eine Tasse Tee machen und dann für morgen ein wenig packen. Es sieht aus nach Regen aber die Aktivitäten werden ja meist "indoors" stattfinden. Also kein Problem.

Danke nochmals für den Brief mit dem Artikel. Ich werde ihn im Bett heute Abend noch ein wenig studieren. Deine Zeichnungen sind auch so treffend. Ich gratuliere dir dazu.
So mein Liebling, ich muss langsam gehen. Habe noch nicht meine Stunden für morgen Vormittag vorbereitet.
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Ti voglio tanto bene.
Marlena

Ein Büffel meldet sich








Ämne: Ein Büffel meldet sich
Datum: den 9 oktober  10:40


Lieber ..,

Ich wollte eigentlich erst ein wenig Ordnung ins Haus bringen bevor ich mich zu dir setze aber nun habe ich deinen Brief nochmals durchgelesen und kann es nicht so lange aufschieben. Am schönsten wäre es wir könnten einander gegenübersitzen und uns unterhalten. Wir würden wohl bis spät in der Nacht beschäftigt sein.

Ach mein verrückter Liebling, als einen Saurier oder Büffel siehst du mich im Augenblick? Das ist ja schrecklich wo ich doch eine moderne junge Frau im 21. Jahrhundert bin. Nun "jung" ist vielleicht etwas übertrieben aber meine Kolleginnen meinen ich sehe mehr aus wie ein Teenager als eine Frau in meinem Alter.
Aber ich verstehe wie du meinst. Du glaubst manchmal dass ich in einer "spirituellen Welt" lebe eher als in der Realität. Dass ich nur deine Seele sehe und nicht dich. Aber was ist denn das "die Realität". Entfernst du alle Träume, Erinnerungen, Gedanken und Sehnsüchte von einem Menschen, was bleibt denn dann übrig?
Und chéri, ich würde wirklich nicht an dir vorbeilaufen auf der Bahnhofstrasse. Ich glaube eher du würdest mich wie ein starker Magnet anziehen wenn ich in deine Nähe käme und alle Naturgesetze aufheben. ;-)
Ich erinnere mich als ich am Flughafen in Zürich sass und auf den Flug nach Wien wartete. Neben mir sass ein Mann, vielleicht so in deinem Alter. Er war ganz in seinen Laptop versunken und ich betrachtete ihn im geheimen und dachte, dass er vielleicht auch eine Marlena irgendwo hatte. Einen kleinen Augenblick spielte ich mit dem Gedanken dass es du seist und ich versichere dir dass es nichts mittelalterliches in dieser Situation gab Übrigens wunderte es mich wie klein solche Laptops sind und du tatst mir ein bisschen Leid dass du deine Mails auf einem so kleinen Ding schreiben musst, ganz zu schweigen vom Chatten.
*
Anna schläft noch. Sie kommt immer so spät ins Bett und es ist gut dass sie einmal richtig ausschlafen kann. Ja, du hast recht. Ich glaube ich hätte das Wort "ödla" mit Echse übersetzen sollen. Es war nicht schön gemeint.
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Du hast mir wieder einmal aus deiner Kindheit erzählt und immer wenn du das tust fühle ich mich sehr nahe bei dir. Ich sehe ihn vor mir den armen kleinen Jungen der sich so fremd fühlt und ich kann mir schon denken wie es war, die einheimischen hinter sich her zu haben. Für ein Kind in dem Alter kann das schrecklich sein und sicher vergisst man es nie.
Es freut mich auch sehr dass du die Möglichkeit hattest das Leben auf dem Lande zu geniessen. Ich wünsche jedes Kind könnte es einmal erleben. Als Anna die 7. Klasse begann (neue Schule) bekam sie  eine Freundin die auf dem Lande wohnte. Sie war öfters bei ihr am Wochenende und sie hatten ihren grossen Spass. Vor allem wenn sie den Stierkälbern das "Hochspringen" beibringen wollten.. Sie bauten eine Hinderbahn und dann ging's los.Die vorbeifahrenden Autos bremsten oft ein. Sicher trauten sie nicht ihren Augen :-)

Auch ich hatte als Kind die Möglichkeit auf dem Lande zu sein und ich glaube ich trage diese schönen Erinnerungen und das Gefühl, ganz mit der Natur verbunden zu sein, noch heute in mir. Ich wusste nicht richtig was ich tun sollte um auch Anna das mal erleben zu lassen und dann kam eben diese Chance wie ein Geschenk vom Himmel.
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Nein, ich bin nicht in Uppsala aufgewachsen, sondern in Stockholm. Das Zentrum von Stockholm war mein "Revir" und dort bin ich auch 7 Jahre lang zur Schule gegangen. Zuerst in die Realschule ganz in der Nähe vom Hauptbahnhof. Dieses Stadtviertel hat man dann abgerissen um dem Verkehr Raum zu geben. Man sieht es heute fast als eine kriminelle Handlung, denn damit hat Stockholm ein Stück seiner Seele verloren. Es war das "Klaravietel" wo die grossen Zeitungen ihre Redaktionen hatten, wo es enge Strassen gab mit gemütlichen kleinen Restaurants wo wir manchmal Sonntags essen gingen nachdem wir in der grossen Markthalle eingekauft hatten, wo ich dann später vom Schulhof aus die leichte Garde beobachten konnte die sich mit ihren Kunden oder Zuhältern ziemlich laut stritten (denn es war auch ein sündiges Viertel :-) und wo "Jocke" mit einem Kasten auf dem Bauch vor dem Schultor stand (wie ein Wurstverkäufer) und Süssigkeiten an uns Schüler verkaufte. Der liebe alte Jocke, wenn er wüsste wie er uns das Leben süss gemacht hat.
Dann mit 16 kam ich aufs Gymnasium. ...  Und später habe ich noch eine Zeit in einem staatlichen Amt gearbeitet. Es hat mir  gute Einblicke in die Beamtenwelt gegeben und ich möchte nicht ohne diese Erfahrung sein.
Erst als ich so 20 Jahre alt war zogen wir, die ganze Familie, nach Uppsala und ich begann meine akademischen Studien. Zuerst Germanistik und dann Romanistik (heisst es so?) Uppsala hat die beste Universität von Schweden obwohl Lund auch immer um diesen Titel kämpft. Aber dieser schönen Stadt werde ich ein eigenes Kapitel widmen.
*
Du sagst dass ich beim Schreiben Lücken lasse, chéri. Aber dann musst du eben Fragen stellen wenn etwas unklar ist oder wenn du mehr von irgendetwas wissen willst. Es ist auch immer leichter zu schreiben wenn man etwas zu beantworten hat.

*
Mach dir keine Sorgen, Schatz. Ich habe nichts anderes erwartet als das was du mir schicken willst. Als ob das nicht genug wäre. Zum erstenmal werde ich etwas in der Hand halten was du auch berührt hast :-) Und deine Gedanken sind doch in dem Stück drin. Was kann man sich denn mehr wünschen? Ich bin schon sehr neugierig.
*
Die schönste Zeit des Herbstes ist nun schon vorbei und die Bäume haben schon die meisten Blätter verloren. Aber auch diese Zeit ist schön. Etwas traurig vielleicht weil sie unsere Gedanken an Vergänglichkeit führt. Nun wird es auch schon ziemlich früh dunkel. Doch das macht mir nicht viel aus  denn es ist um so schöner in der wohligen Wärme im Haus zu sein.

Fast hatte ich an diesem Wochenende den Eindruck das Schicksal will uns trennen. Erst hast du an die falsche Adresse geschrieben und dann hat K den PC zerstört. Er wollte ein neues Program installieren "Frontpage" und hat dabei etwas falsch gemacht. Es war sehr dramatisch und wir dachten schon wir würden alles am PC verlieren. Das Internet konnten wir nicht mehr anschliessen. Aber dann haben die beiden klugen Köpfe doch zusammen herausgefunden wie sie es vielleicht noch retten könnten.. und es war ein wahrhaftiger Jubel als es dann am Sonntag plötzlich wieder in Gang ging. Aber etwas ist nicht richtig wie vorher und sie werden noch ein bisschen nach Fehlern suchen müssen bevor es wieder klappt wie früher.

Ich sende dir nun dies. Vielleicht kannst du es schon in der Mittagspause lesen. Etwas zum kauen zu deiner frugalen Suppe. ;-)
Lass bald von dir hören, mein lieber Mausfreund
Ich sehne mich immer nach deinen Mails
In Liebe
Marlena

PS Ich lege dir ein Bild bei. Es ist vom Rathaus aufgenommen hinüber zur Altstadt. In dem weissen Haus in der Mitte habe ich gearbeitet.

Adresse ab Oktober



Ämne: Adresse ab Oktober 
Datum: den 8 oktober 14:26


Lieber ...,

Du hattest wirklich an eine falsche Adresse geschrieben und ich habe mich gewundert warum du so still geworden bist.
Nun habe ich deine beiden letzten Mails vor mir und sie sind so schön dass es fast weh tut wenn ich sie lese.

Ich bin heute Abend zu müde um noch zu schreiben aber morgen habe ich frei und werde dir ein langes Mail senden.

Übrigens war unser PC kaputt gestern und wir waren ziemlich überzeugt davon dass er es lange bleiben würde. Zum Glück kam es anders. :-)

Bis später, mein lieber Mausfreund
Marlena

Sonntagnachmittagsgeflüster ...



Subject: Sonntagnachmittagsgeflüster ...
Date: Sun, 08 Oct 2000 13:40:57 GMT


Liebste Marlena
Noch immer sitze hinter meiner Zeitung. Es ist empfindlich frisch geworden bei uns, und es weht ein kühler Wind. Aber der Himmel ist blau, hellblau, mit etwas verblasenen Wolken. Doch im übrigen ist jetzt jeder sicher, dass der Sommer vorbei ist. In dieser Zeit sehe ich mich am meisten nach dem Wallis. Dort gibt es tagsüber noch viel Wärme, und es riecht nach Herbst und die Lärchen brillieren wie Gold in der Sonne. Ach, manchmal habe ich wirklich Heimweh nach diesen Bergen und vor allem natürlich nach den alten Orten. Aber es ist immer auch eine Sehnsucht nach der Jugend.
Ich war ja etwa 8 Jahre alt, als wir ins Wallis umzogen. Vorher lebten wir in Lenzburg. Ich weiss noch ziemlich genau, es war um Weihnachten. Ich musste irgend ein kleines Weihnachtsgeschenklein früher beenden, weil es sonst nicht mehr gereicht hätte. Und die Lehrerin händigte es mir allein aus. Und dann fuhren wir mit dem Zug durch die Winterlandschaft und dann in diese hohen Berge hinein. Dort gab es mehr Schnee. Und in Visp, da hatte es echt hohe Schneehaufen auf den Gehsteigen und von den Dächern hingen die eiseren Zapfen. Die Häuser waren mächtig, mit schweren Platten bedeckt. Das wirkte auf mich immer italienisch. Und dann brachte uns der Vater zum ersten mal in die neue Schule. Ich war total enttäuscht. All diese Kinder waren in ein kleines Zimmerchen gezwängt. Bank stand neben Bank. Unter den Fenstern glühten die Öfen. Und der Peter W  blödelte mit Manuela H  herum. Und alle trugen diese Finken, die wir sonst nur zuhause, aber doch nicht in der Schule getragen hatten. Aber hier, auf diesem Parkett, konnten sie richtig gleiten in den Hausschuhen. Und die alte Lehrerin, sie war wirklich dünn und steinalt, hatte eine grosse Brille auf der Nase. Und wenn sie Geschichten erzählte und fast mehr in Begeisterung fiel, als wir es als Kinder konnten, dann blieb an ihren Lippen die Spucke hängen und zog so Fäden. Und das störte mich sosehr, dass ich in den Geschichten gar nicht mehr richtig folgen konnte. Und in gewissen Stunden verschwanden die Buben unter den Bänken und gingen hinaus in den Gang, wo ein WC war, bloss um dort ein bisschen zu blödeln. Manchmal war praktisch die halbe Klasse, dh. Klassen 1 bis 4, weg. Und sie merkte es nicht. Sie war sosehr in ihren Unterricht vertieft, dass sie nicht merkte, wenn die Klasse auswanderte. Och, sie war keine schlechte Lehrerin. Aber sie war ein bisschen parteiisch. Und vor allem hatten wir einen Deutschen, der manchmal in Lederhosen kam, und so einen blonden Schnitt hatte, wie man die Haare einfach hier im Wallis nicht zu tragen hatte, und mit ihm war sie manchmal sehr hart und streng.

So hasste ich anfangs die Zeit im Wallis. Und ich schaute der Eisenbahn nach, die am gegenüberliegenden Berghang voranfuhr Richtung Bern und Zürich, also Lenzburg letztlich. Und ich hasste die Schule, weil es keine anständigen Schulzimmer hatte und alle so zusammengepfercht in einem normalen Raum untergebracht waren. Und die katholischen Kinder, die in der öffentlichen Schule waren, warfen Steine nach uns, wohl weil wir für sie Heiden waren. Und im Winter hatte es stehts viel Schnee und erblieb lang bis weit über Ostern hinaus. Und dann wurde es nass und pflotischig. Und im Sommer war es heiss und windig, aber es gab nicht einmal ein Bad. Man konnte einfach nichts Vernünftiges tun, als an den hohen Bergen entlang zum Himmel hinaufschauen. Oben, an den Berghängen, hockten die weissen Wolken, die Schönwetterwolken. Und im Himmel gab es manchmal Militärflugzeuge, die sehr tief über Visp einen Bogen flogen, so dass es richtig donnerte, um dann in Raron zu landen. Dort gab es nämlich einen Militärflugplatz, den mein Onkel noch mitgeholfen hatte zu bauen. Er war als Ingenieur im Krieg dort tätig gewesen. Und manchmal fuhr ich später mit meinem Velo auf der Hauptstrasse die 6 oder 7 km hinunter nach Raron. Dort hatte ich einen Schulkameraden, dessen Vater einen grossen Bauernhof hatte. Und dort konnte ich sehen, wie man Kartoffeln erntete, und wie der Stier auf die Kuh steigt und wie junge Ferkel aussehen, und wie drüben, etwa in 200m Entfernung, diese Venoms und Vampires landeten und starteten und einen höllischen Lärm machten, so dass die Hühner ganz unruhig auf dem Hof herumgingen.
Aber es brauchte ziemlich viel Zeit, bis ich mich dort in Visp heimisch fühlte. Eigentlich war es dann erst, als ich ins Gymnasium kam und mit den einheimischen Jungen Kontakt hatte. Da fühlte ich mich erst richtig zuhause, als ich anfing, Fendant und Bier zu trinken und mich nach den Mädchen umschaute, die dort alle sehr brav, aber auch nicht so hässlich waren. Ach, vielleicht ist es doch eher das Heimweh nach der Jugend, und weniger nach Visp.
Wenn ich heute nach Visp gehe, dann finde ich das alles so eng und klein, und zwischen die Berge eingeklemmt. Und ich spaziere herum und es ist irgendwie frustrierend, weil ich das Gefühl habe, ich wäre hier zuhause, und doch ist mir alles fremd. Die Strassen sehen anders aus, neue Häuser, Fussgängerzonen, Unterführungen, Überbauungen. Sie haben alles neu gemacht, ohne mich auch nur zu fragen, ob ich einverstanden sei! Ach es ist kaum mehr auszuhalten! Es ist Visp und es ist doch nicht Visp.
*
Wo bist Du aufgewachsen, Marlena. Das war in Upsala, oder? Aber doch auch nicht Deine ganze Jugend? Es ist doch merkwürdig. Wenn man jung ist, denkt man, die Erwachsenen sind weit weg, sie haben keine Ahnung von der Jugend. Sie sind letztlich fremde Wesen. Und wenn man dann erwachsen ist, merkt man, wie nah einem die Jugend immer ist, und wie all diese Erinnerungen noch frisch sind und in uns weiterleben. Aber vielleicht haben wir diese Beziehung zur eigenen Jugend mehr, als sie frühere Generationen hatten?
*
Ich wünsche Dir noch einen schönen Sonntag Abend. Ist es stiller geworden zwischen uns? Ich merke es nicht. Meine Gedanken kreisen immer noch um Dich, wie um einen "alten Turm" .. oder so ähnlich.
Ich küsse Dich, Marlena
Und ich wünsche Dir einen guten Wochenanfang
...
PS Ich glaube, ich habe etwa 3 verschiedene Adressen von Dir. Schreib mir doch ein Mail vom richtigen Box aus und schreib bei Subject Re: "Gilt ab Oktober " oder ähnlich. Dann lass ich das stehen und brauche es immer als Adressierung. Ich habe gestern schon ein Mail geschrieben, aber vielleicht an eine andere Adresse. Schau mal überall nach.

Ist das die richtige Adresse??



Subject: Ist das die richtige Adresse?? 
Date: Sat, 07 Oct 17:26:42 GMT 


Liebe Marlena
Wie war der Besuchstag? Man ist immer ein wenig gespannter in solchen Momenten, wenn man als Lehrerin so im Glashaus sitzt. Ich habe einmal einer jungen Lehrerin nach einem solchen Tag einen kleinen Brief geschrieben und sie gelobt für ihre feine Englischstunde. Und sie war ganz dankbar und hat angedeutet, dass es für sie nicht leicht ist, weil die Eltern nicht deutlich sagen, wie sie zu ihr stehen. Und das ist für einen jungen Menschen sicherlich nicht sehr einfach.
Aber Du Marlena bist ja eine alte Füchsin, wie wir sagen, und du lebst mit einem guten Ruf weitherum. Dann ist es bestimmt ein Vergnügen, eine solche Abwechslung zu haben und die Eltern der Kinder näher kennenzulernen.
*
Ich bin fleissig an meiner Lektüre. Es ist nun weitgehend eine Beschreibung der Entdeckung des Weltalls geworden, von Kopernikus über Kepler, Newton, Hubble, Einstein. Das habe ich schon an anderen Orten gelesen. Sie beschreibt es natürlich immer unter dem Aspekt des Raumes, um schliesslich beim unendlichen, relativistischen Raum Einsteins anzukommen. Ich bin neugierig auf das Kapitel Cyberspace und wie sie das mit der alten mittelalterlichen Vorstellung verknüpft.
Und zwischen der Lektüre habe ich eine kleine Zeichnung gemacht. Aber sie ist nicht so sonderlich gut herausgekommen.
*
Ist meine Post noch nicht angekommen? Du lebst ja auf einem anderen Planeten, Marlena! Aber es wird alles werden.
*
Ich wünsche Dir einen wohlverdienten, ruhigen Sonntag.
Mit einem allerliebsten Gruss
...

On my way home..



Ämne: On my way home..
Datum: den 7 oktober  05:24


Lieber ...,

Ich frage mich warum es so still geworden ist um dich.. aber sicher hast du deine Gründe.

Ich habe meinen "open house" samstag hinter mir und werde mich nun auf den Weg nach Hause machen.
Wünsche dir ein schönes Wochenende.
Marlena

PS Leider ist noch kein "snail-mail" von dir gekommen. Hast du richtig adressiert?

Repetitiones ???


Subject: Repetitiones ???
Date: Fri, 06 Oct  15:12:00 GMT


Liebe Marlena
Allzu gerne würde ich Annas Artikel "Die Eidechsen von Sorrento" lesen. Schon aus dem Titelwahl sieht man, dass sie schreiben kann. Und sie ist ja auch sehr nachsichtig. Stell Dir vor, sie hätte "Die Echsen von Sorrento" gewählt! Das klingt ein wenig nach Saurier. Und dieses Wort nehme ich auch, wenn ich eine Person als sehr alt, oder doch mindestens altmodisch bezeichnen will. Nun ja, ich zähle mich ja praktisch auch schon zu den Sauriern dieser Welt.

Nach den Erläuterungen von Wertheim komme ich mehr und mehr zum Schluss, dass Du Marlena ein mittelalterlicher Mensch bist. Bist vielleicht kein Saurier, aber doch mindestens ein Büffel oder so was Altehrwürdiges. Du glaubst sosehr an die spirituelle Welt, diese Art von Himmel, die alles Irdische verklärt, dass Du mehr nach innen als nach aussen schaust. (ich sehe, wie wir uns auf der Zürcher Bahnhofstrasse begegnen, aber Du siehst mich nicht, denn du bist sosehr in Gedanken an mich gefesselt). Im Mittelalter hatte ja alles in dieser irdischen Welt neben seiner Ersheinungsweise noch Hinweischarakter. Es deutete auf den Schöpfer hin. Und dieser Signalcharakter war wichtiger als alles andere. Das zu wissen, worauf das alles hindeutete, auf die Schöpferhand des Allmächtigen nämlich, das war entscheidend. Die Wirkung des irdischen Dinges für sich war eher nebensächlich. Deshalb wirkt mittelalterliche Malerei so symbolhaft. Das ist eine Art Zentralperspektive, aber die Fluchtlinien laufen alle auf den absoluten Augenpunkt Gottes zu. Deshalb sind Engel grösser als Menschen, und Kirchen sind grösser als normale Häuser, und die Erlösten sind grösser als die Verdammten. Das ist die göttliche Perspektive. Heute hat jeder seine eigenen Fluchtlinien und alle gehen sie auf individuelle Augen zurück.
Nein, Marlena, das Buch ist nicht schwer zu lesen, und es verlangt auch keine Kunstgeschichtlichen Kenntnisse. Es geht ja nicht um Kunst, sondern um Kosmologie, dh. um Vorstellungen, wie die Welt als ganzes, der Kosmos gebaut ist. Es geht sozusagen eher um Architektur als um Kunst. Aber weil die Künstler diese Vorstellungen in ihre Bilder eingebaut haben, sieht man sie dort wieder sehr plastisch. Und sie erklärt, warum mittelalterliche Bilder aussehen wie mittelalterliche Bilder. Wir haben ja in Europa dank Papst Gregor IV das grosse Glück, dass er Bilder erlaubt hat. Er hat ihnen die Funktion des Textes für die Analphabeten gegeben. Und damit war die Konzession gegeben, alle Kirchen mit wunderbarsten religiösen Bildern zu schmücken und die Kirche hat riesige Summen aufgewendet, solche Bilder in Auftrag zu geben. Das ist bei Juden und Moslems anders, wo ein Bilderverbot bestand. Du sollst Dir dort kein Bildnis machen. Und in der griechisch-orthodoxen Kirche waren die bildnerischen Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Die Ikonen sind sehr stilisierte und repetitive Bilder, die so bloss für das Abgebildete selbst stehen. Aber wir in Europa haben jede Menge wundervoller Bilder, vor allem in den katholischen Ländern. Es ist ein unermesslicher Reichtum. Und der liebe Gott müsste in hellste Begeisterung ausbrechen, wenn er hier bei uns sein Familienalbum anschaut. Und Allah und Jehova müssten darob eigentlich neidisch werden.
*
Nein Marlena, Du wiederholst Dich nie. Ich habe es noch nie erlebt. Wirklich nicht. Im Gegenteil, Du lässt Lücken. Und manchmal sprichst Du so, als ob Du mir etwas schon erzählt hättest, was Du noch gar nicht erwähnt hast. Es ist genau umgekehrt. Es sind eher Lücken als Wiederholungen. Bei mir hingegen ist es genau umgekehrt. Ich quatsche soviel drauflos, dass ich mich bestimmt manchmal wiederhole. Aber Du bist ja ganz und gar barmherzig!.
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Marlena, mach Dich darauf gefasst, dass mein Brief kein Brief ist, sondern nur ein Papier. Erwarte nicht zuviel Persönliches. Es ist ja nur eine Verbindungskontrolle. Nicht dass Du dann enttäuscht bist. Es wird sein wie ein Reklameschreiben von einer Firma, also nichts, worüber Du dich besonders freuen müsstest.
Dies nur zu Deiner Vorsicht.
Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende zusammen mit Deiner Familie, und ich grüsse Dich mit einigen Ks