Sonntag, 30. August 2020

Mittwoch, 19. August 2020

Heute morgen ...



Liebe Malou
Ich bin noch nicht in Tagesform und möchte mich ein bisschen warm-schreiben. Deine Mails sind so unregelmässig geworden, dass ich mir schon langsam Sorgen mache. Aber du wirst bestimmt deine Gründe haben.
Heute Morgen ist in unserer kleinen Küche das Thema: Fussball. Die Engländer sind offenbar rausgefallen. Hast du das mitbekommen Malou? Und die Schweden sind dabei, das hatte ich auch gehört. Unsere Helen vom Sekretariat ist nahe dran, den Notstand auszurufen. Nein, eigentlich hat sie ihn schon ausgerufen. Sie denkt, eine WM ohne Engländer sei keine WM. Ich kann ihre Sorgen ein bisschen nachempfinden. Als die Meldung gestern über das Radio kam, war eigentlich mein erster Gedanke auch, dass die Engländer doch sonst immer vorne mitgemischt haben. Aber ich bin nicht gut informiert.
Dabei erinnere ich mich an AT, meinen Banknachbar in vielen Jahren im Gymnasium. Er hatte einen langen Schulweg, mindestens 30 Minuten Bahnfahrt. Und das brachte es mit sich, dass er morgens, wenn wir noch etwas verschlafen in unseren Bänken sassen, AT immer schon alle Sportresultate der englischen Liga wusste. Er hat während der halben Stunde von Goppenstein über Hotenn, Ausserberg, Lalden bis Brig den 'Sport' gelesen, die Zeitung mit allen möglichen Sportresultaten. Und dabei hat er schon geraucht wie wild. Er war eigentlich selbst gar kein Sportler, war klein, hager und stand im Turnen, wenn wir uns zu Beginn aufstellen mussten, am Schluss der Reihe. Aber er hatte ein gutes Organ. Ich habe dir schon mal erzählt, dass er meine Witze und Kommentare zum Unterricht, die ich ihm zuzuflüstern pflegte, lautlachend in die Klasse hinausposaunte.
Ich habe Helen versprochen, dass wir eine Lösung suchen würden. Und dabei sind mir die Emissionszertifikate des Umweltschutzes in den Sinn gekommen. Man fängt doch jetzt an, damit zu handeln. Firmen, die weniger CO2 ausstossen, können ihre Zertifikate verkaufen an umweltverschmutzendere Firmen.  Und so sollte es doch möglich sein, dass die Schweiz, die ja offenbar 08 automatisch an den WM dabei sein soll, ihr Recht der Teilnahme an die Engländer weiterzuverkaufen. Gegen gutes Geld, versteht sich. So sind wir Schweizer! Aber vielleicht würden mich meine Kompatrioten auch lynchen, wenn sie hören, was ich hier denke. Nun ja, Fussball ist nicht so wichtig, auch wenn unser Sepp Blatter da ganz vorne dabei ist und viel Geld verdient.
Heute Morgen habe ich eine Sitzung in der Finanzdirektion. Sie liegt ein bisschen weiter unten an der Rheinstrasse. Und die Eingänge sind gesichert. Es kann also nicht jeder Passant einfach hinein. Bei unserer Direktion ist das möglich. Nach diesen tragischen Ereignissen in Zug, als ein Irrer im vollbesetzten Parlamentsraum herumgeschossen hat, hatte man sich schon Überlegungen gemacht, wie die Verwaltung zu sichern sei. Aber ich glaube, das ist alles wieder ein wenig eingeschlafen. Ich werde mich in nächster Zeit mit einem Psychologen treffen, der sich auf Deeskalation spezialisiert hat. Bei uns geht es vor allem darum, dass wir wissen, wie wir Leute beruhigen können, die sich wegen irgend einer Frage erregt haben. Ich denke, ich organisieren mal einen Kurs für meine Leute.
Eigentlich ist es fahrlässig, keine Sicherung einzubauen. Irgend einmal wird wieder ein Irrer auftauchen und eine Katastrophe veranstalten. Man kann das heute nicht mehr ausschliessen. Es leben auch viele Leute hier in der Schweiz, die Krieg und Greuel erlebt haben. Für sie sind solche Ereignisse nicht dasselbe wie für uns. Ich meine, für sie sind blutige Katastrophen Teil ihres innersten Seelenlebens. So müsste man es irgendwie sagen. Und das macht sie gefährlich.
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Ich wünsche dir einen schönen Tag.
Liebe Gs und Ks in Qs
...

Sonntag, 16. August 2020

"... das zweite, nennt man dann Liebe"


 Fenyletynamil und Oxytocin

Lieber ...,
Es war schön mit dir heute Nachmittag eine Weile in den kühlen Dom zu verschwinden. ;-) Und ich muss lachen über deine Wahrnehmungen. Ich habe nie mit Worten daran gedacht aber gewiss ist es so dass man den Körper von Kristus oft sehr wohltrainiert darstellt. Wie ein Waschbrett. Erotisch, wie du es nennst. (---)

*

Übrigens scheint nun das Geheimnis der Liebe bald gelöst zu sein. Die neueste Forschung auf dem Gebiet sagt: eine Verliebtheit (Passion) hält 18 Monate bis zu 4 Jahren an. Wenn wir uns verlieben, bildet der Körper Fenyletylamin (nicht zu verwechseln mit Testosteron). Hier gilt es nämlich wirklicher Liebe. Fenyletylamin hat ähnliche Eigenschaften wie cannabis und amfetamin. Man wird „hoch“ davon.

Leider hat diese körpereigene Passionsdroge noch mehr Ähnlichkeiten mit Narkotika. U.a. bildet der Körper allmählich eine Toleranz dagegen. Der Effekt verschwindet und damit auch die Passion. Und höchstens vier Jahre lang hält die Verliebtheit an. Aber das Ende der Passion braucht nicht das Ende einer Beziehung zu bedeuten. Die Molekylärbiologie hat gefunden, dass Paarbeziehungen auch das morfinähnliche, beruhigende Oxytocin bilden, das nicht so stark ist wie die Passionsdrogen, aber das „habit-forming“ (weiss nicht auf deutsch) ist und auch nach der Verliebheit anhält.

Für denjenigen, der nicht ohne Passion leben kann gibt es nur einen Ausweg: einen neuen Partner zu finden in den man sich verlieben kann. Mit einem neuen Objekt für die Verliebheit beginnt die Fenyletynamilproduktion und die Passion von neuem.

Ha.. nun wissen wir wie es sich damit verhält.. und ich frage mich gerade, wo auf dieser Stufe ich mich im Moment befinde. ;-) Vielleicht wird man auch bald ein Mittel dagegen erfinden. Eine Antiliebepille.. Was sagst du dazu?
...
G+K
Marlena


Samstag, 15. August 2020

Im Basler Münster - persönliche Führung






Liebe Marlena

Ich war über Mittag rasch in der Stadt. Es ist wie im Sommer, im Ursommer. Deshalb bin ich einige Zeit im Münster verschwunden. Dort zumidest ist schön kühl. Ich habe mir die hübsche Kanzel angeschaut, ein gotisch geschnitztes Wunderwerk aus rotem Sandstein, wie die Aussenmauern. Das sieht so possierlich und hübsch aus, dass die Menschen früher nicht umhin kamen, den Worten von dort oben zu glauben. Im Querschiff gibt es hoch oben ein hübsches, rundes Glasfenster. Es zeigt Christus mit einer roten Tunika , die mit einer Goldbrosche vorne zusammengeheftet ist, und einem erotischen Waschbrettbauch. Er sieht ziemlich königlich aus, und er wird von vier Engeln mit Posaunen gesäumt. In der Krypta gibt es einige Tafeln an den Wänden. Damals hat man versucht, alles in Latein zu schreiben, auch die Namen zu lateinisieren. Das schaut manchmal eher komisch aus. Aber immerhin ist es in der Krypta noch kühler als oben. Krypta ist sozusagen das komfortabelste Zimmer der Kirche. Es gibt dort unten auch eine spezielle Beleuchtung, die ganz eigenartig ist. Schliesslich gibt es oben auf der Empore noch ein Grab. Das ist ein steinerner Sarkophag, und darauf liegen Königin Getrud Anna, Gemahlin Rudolfs von Habsburg, geborene Gräfin von Hohenberg, gestorben 1281 und Graf Karl von Habsburg, deren Söhnlein, gestorben 1276. Ihre Steinfiguren liegen schön nebeneinander. Sie schauen ziemlich friedlich und steif aus. Es ist so, als ob man einfach die Figuren, die vorher aufrecht standen, niedergelegt hätte. Der Königin hat man ein Kissen unterlegt. Dem Karl, vieleicht 4 oder 5 Jahre alt, einen kleinen Löwen beigegeben, auf dem er steht. Respektive er liegt, aber er hält seine Füsse so, als ob er auf dem Tier steht. Die Königin hält ihre Hände betend von ihrer Brust nach oben gegen den Himmel, so wie Anfänger beim Schwimmen ihre Hände zusammenpressen, um gleich einen ersten Zug zu machen. Und dann gibt es im Seitenschiff am anderen Ende noch einige Gräber mit Grafen, Ritter und einem Domprobst. Die Ritter liegen in voller Rüstung da, stell Dir vor, wie unbequem, für mehr als 600 Jahre. Alle stützen sie ihre Beine auf einen Hund, einen Molosser, würde ich sagen, so wie der kleine Karl das oben tat. Ich glaube, man fand damals, dass diese Figuren etwas unsicher schwebend wirken würden, wenn ihre Füsse einfach ausgestreckt daliegen würden. Deshalb hat man an ihre Sohle einen treuen Hund angeheftet, um einen Abschluss zu machen. Die Typen sind kleiner als wir heute. Sie sind zwischen 1318 und 1403 gestorben. Und sie haben hier im Münster ein durchaus respektables Grab erwischt. Nebenan eine kleine Anschrift, auch alt, auf Leinwand gemalt: Almosen gebt und helft den Armen, so wird Gott Euer sich erbarmen.

*

Puh, ich glaube, jetzt muss ich heim und unter die Dusche. Ich wünsche Dir einen schönen Abend.

Mit lieben Grüssen

Mittwoch, 12. August 2020

Besuch im Wallis - Nostalgie





Liebe Malou
Nein, ich bin noch nicht im Wallis und ich habe die kleine Ausfahrt auch noch nicht geplant. Wenn ich schon fahre, möchte ich schönes Wetter. Ich finde, das Wallis ist bei schlechtem Wetter wie eine Dampfkammer. Ich glaube nicht, dass ich diese Enge, die durch eine tiefe und dichte Bewölkung entsteht, noch lange aushalten würde. Es gibt zwar im Sommer schöne Situationen, wenn die Nebelschwaden bis tief herunter hängen.. Das kann sehr malerisch sein. Aber natürlich nicht für einen Touristen wie mich, der einmal im Jahr daherkommt und alles von der Sonnenseite her sehen möchte.

Nein, das Wallis ist eine Sonnenregion, und so sollte man sie auch sehen und fotographieren. Was mich noch zögern lässt ist die Frage, ob ich mit dem Auto oder mit der Eisenbahn losfahren soll. Mit dem Auto ist es aufwendig. Es ist eine gute 3-Stunden-Fahrt via Bern und Lausanne. Aber mit dem Auto hätte ich im Wallis die Möglichkeit, in die Seitentäler hinein zu gehen, kleine Dörfer zu besuchen und die besten Photo-Punkte aufzusuchen. In der Eisenbahn fährt man ja eigentlich nur im Eiltempo durch.




Und so würde ich wohl oder übel schliesslich in Brig landen, die Bahnhofstrasse hinauf schlendern, vielleicht auch noch die Burgschaft, dieses alte Pflaster unter die Füsse nehmen, auf dem wir so viele male auf und heruntergerannt waren, und ein paar Blicke vom alten Kollegium und vom Pensionat, der damaligen Mädchenschule, nehmen. Ach, ich weiss schon heute, wie sich das im Herzen anfühlt. Es ist so ähnlich, wie wenn du dich an einer alten Wunde kratzest. Irgendwie tut es wohl, aber die Wunde schmerzt auch wieder. Und wenn du dann abends wieder abreist, hängst du irgendwie in der Luft und bist mehr oder weniger enttäuscht über all die Dinge und Menschen, die nicht mehr sind. Ich weiss nicht, ob ich mir soviel Melancholie leisten kann? Mit dem Auto wäre ich natürlich freier und würde vielleicht eine kleine Fahrt bis hinauf ins schöne Goms machen. Das ist ein einmalig schönes Hochtal mit wunderbaren kleinen Dörfern, die noch das alte Bild erhalten haben mit den Holzbauten. Ich würde vielleicht in der Nähe Visps hinüber gehen nach Baltschieder, wo am warmen Sonnenhang praktisch eine neue Ortschaft entstanden ist. Oder ich würde in Raron aussteigen und hinauf zur Kirche wandern, wo ich schon in jungen Jahren gerne war, um über das Tal hinweg zu blicken bis hinunter zum Pfinwald.

Es wäre alles ein bisschen so, wie wenn Du nach vielen Jahren das Elternhaus wieder besuchst. Du kommst in die alte Stube, alles steht da wie in einem Traum, du siehst, dass in der Küche noch dieselbe Ordnung mit denselben Küchengeräten herrscht, und auch in Deinem Zimmer ist das meiste so geblieben, wie es war. Es ist alles noch so, wie es damals war, und trotzdem ist es nicht mehr so. Die Bedeutungen haben sich verändert. Es ist nicht mehr deine Umwelt. Aber sie hat immer noch deinen Geruch. Mindestens glaubst du, ihn zu riechen. Ach, es ist wirklich ein merkwürdig melancholisches Gefühl. Und vor allem denkst du ständig, du würdest irgendwelche bekannte Menschen treffen. In Brig auf der Strasse, die alten Figuren, die damals das Zentrum bevölkert haben. Aber nein, keinen einzigen kennst du. Das macht so ein Gefühl der Irrealität. Du fühlst dich wie in einem Film, der dir vorspiegelt, du wärst zuhause. Aber all die Leute, die herumgehen, sind bloss Statisten für deine alte Heimat. Dabei sind viele von jenen Menschen, die damals bedeutsam waren, gestorben. Und die Kollegen aus der Schule sind beschäftigt und kommen nicht auf die Idee, an einem gewöhnlichen Nachmittag die Bahnhofstrasse auf und ab zu flanieren, um sich alles ganz genau anzugucken.

Und dann kommen all die Häuser dazu, die neu gebaut worden sind. Du vermisst die alten Bauten, mit denen du immer noch gerechnet hast. Und du kannst das alles einfach nicht in solch kurzer Zeit nachvollziehen, all diese Aenderungen, die gemacht worden sind, ohne dich (!) anzufragen, ob es auch recht sei. Dies ist die Verletzung, glaube ich, die man erlebt. Es ist vieles in d e i n e r Landschaft verändert worden, ohne dass man dich vorher gefragt hätte.

Ach Du siehst, Malou, ein Besuch im Wallis ist ein kompliziertes Unternehmen. Es ist ähnlich wie die Renovation eines alten Hauses. Eine solche geht selten ohne Komplikationen ab. Und auch wenn man sanft renovieren möchte, kommt man oft nicht drum herum, das eine oder andere herauszureissen und völlig zu ersetzen. Und das Haus ist nachher nicht mehr, wie es vorher war. Vielleicht ist das die Anstrengung, die mich erwartet, wenn ich ins Wallis reise. Alle denken, er macht sich einen schönen, sonnigen Tag. Und dabei habe ich einen harten Arbeitstag mit Entbehrungen und Schmerzen und Renovationsarbeiten, so dass der Staub nur so quillt. Da könnte ich doch hier in der Region Basel bleiben und gemütlich über die Jurahöhen wandern und in irgend einem Landgasthof einen kalten Teller essen und ein Bier trinken. Etwa auf der Obetsmatt, wo ich als Kind in den Ferien hier noch den bekannten Maler Fritz Pümpin des Baselbietes gesehen hatte.
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Ach Malou, vielleicht merkst Du, dass ich eigentlich Selbstgespräche führe. Und es ist dabei schon eine kleine Not, das muss ich zugeben. Es ist das Gefühl der Not, dass man all diese Gefühle und Situationen nicht ausdrücken kann. Man kann ihnen keine Form geben. Es
schwebt alles in der eigenen Seele, ungesagt, unbearbeitet.

Dienstag, 11. August 2020

Prof. Oggier - mein Französischlehrer


Liebe Marlena
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Heute nachmittag habe ich mich an meinen Franz-Lehrer im Gymnasium erinnert. Ich sende dir den Text. Ist sozusagen eine Berufsstudie. Prof. Oggier ging die Kunde voraus, dass er eigentlich in seiner Jugend einmal hätte Priester werden wollen. Er war schon im Priesterseminar und es kursierte irgenwo ein Foto, wo man den jungen Oggier in der Sutane sehen konnte, mit einem noch etwas jugendlichen, aber doch auch grüblerischen Gesicht.

Es war etwa im 4. Jahr, dass wir Oggier für Französisch hatten. Also in der Grammatik, so hiess die Klasse. Er pflegte mit in einem dunkeln Anzug daherzukommen. Und in den letzten Jahren trug er auch eine grosse, schwarze Sonnenbrille. Wir dachten immer, dass er damit einen Scherz treiben wolle. Und weil er, wenn er mit seiner Mappe daherkam, etwas steif ging und den Kopf nicht links und nicht rechts drehte, so sah er aus wie ein Maffia Boss. Unter jungeren Schülern erregte das einen gewissen Respekt, eine Art Ehrfurcht, wenn nicht fast Angst, weil man bei Oggier, wenn er daherkam in seinen etwas kurzen Schritten, weil man nie genau wusste, wohin er blickte. Man wusste nicht, zu welchem Zeitpunkt man wirklich grüssen sollte. Und es gab die Anweisung, dass man die Lehrer grüssen musste. Man sollte sogar die Studentenmütze vom Kopf ziehen. Aber da wir diese ohnehin nie trugen, erüberigte sich diese noble Geste. Schaute er jetzt schon oder schaute er noch nicht? Es gab immer dieses Moment der Unsicherheit. Und ich für mich war sicher, dass Oggier dies ganz bewusst und willentlich so einsetzte. Ich glaube nicht, dass er diese Brille seinen Augen zuliebe auf die Nase setzte. Er brauchte sie bloss, um uns Schüler zu beeindrucken.

Denn er setzte durchaus auf Eindruck. Die Stunden mit ihm waren fantastisch unterhaltsam. Er kam in eiligem Schritt herein. Meist riss er die Türe richtiggehend auf, dass man erschrecken konnte. Ich glaube, er wollte schockieren. Dann zückte er sein Buch und machte eine sogenannte Blitzprobe. Das hiess, er fragte aus der letzten Lektion vielleicht 6 Wörter oder Begriffe oder französische Redensweisen, die wir behandelt hatten. Wir mussten sie aufschreiben und den kleinen Zettel mit Datum und Name sofort abgeben. Dann stand er am Pult und korrigierte in Windeseile diese kleinen zerknitterten Zettel. Für 6 richtige Lösungen gab es eine 6. Für 5 eine 5. Und so weiter. Ich war sehr oft ungenügend, weil ich diese Französischlektionen nicht konsequent vorbereitete. Und Oggier pickte wirklich die Schwierigkeiten aus dem Buch, er wählte nicht einfach irgendwelche Fragen, die man ohnehin oder zufällig vielleicht beantworten konnte. Man musste lernen, wenn man hier eine 6 zu erreichen die Absicht hatte. Andererseits wusste jeder von uns Gymnasiasten, dass er diese Noten nicht fürs Zeugnis zählte. Also, was sollte es? Wie oft hat er mich abschätzig angeschaut, weil ich eine ungenügende Note hatte!!!

Und dann folgte der Unterricht. Er nahm die nächste Lektion gemäss Buch in Angriff. Meist beinhaltete dies eine Regel, eine grammatikalische Form oder so etwas. Und in dieser Phase seiner Lehrätigkeit war Oggier Spitze. Um uns diese Regel so anschaulich wie möglich zu machen, hatte er eine kleine Geschichte, einen Sketch oder auch bloss einen Dialog erfunden. Den spielte er uns jetzt vor, indem er sich richtig rührte und bewegte und heftig gestikulierte, fast wie auf einer Bühne. Er hatte echt schauspielerische Qualitäten. Und es war sehr vergnüglich, ihm zuzuschauen, er hatte - was im Unterricht sonst selten ist - 100% Einschaltquoten. Und die Quintessenz seiner Bühnendarstellung war dann dieser Satz, der die behandelte Regel erfüllte, dieser alles illustrierende, vor allem die Regel illustrierende Satz. Dieses Satzbeispiel konnte man beim besten Willen nicht mehr vergessen, weil man sonst das ganze Theater rundum auch hätte vergessen müssen. Und das war schlechterdings unmöglich. So hämmerte uns Oggier die Französische Grammatik mit seiner Schauspielerei in unsere zerstreuten Köpfe ein. Ich habe ihn oft bewundert, ob seiner Originalität und auch ob seiner Energie, die er darauf verwendet hat.

Einmal hatte ich mit Oggier einen Riesenkrach. Das kam so. Unser schauspielerischer Professor war wütend, ob unserer schlechten Leistungen in einem seiner Blitztests. Und so entschloss er sich, uns die Noten, die wir am Schluss des Semesters zu erwarten hätten, uns diese Noten coram publicam sozusagen vorzulesen. Und er begann gleich mit A, der nun wirklich der schlechteste Schüler in Französisch war, der arme Kerl, der, obwohl er gleich neben der Sprachgrenze wohnte, seine Zunge einfach nicht nach diesem fremdländischen Muster biegen liess. Oggier kramte also seine Zettel hervor und wollte Noten vorlesen. Da habe ich protestiert und habe ihm gesagt, uns würden die Noten der Mitschüler absolut nicht interessieren. Noten seien jedermanns persönliche Sache. Da stieg Oggiers Blutpegel langsam, er holte Luft, sein Hals wurde dicker und dicker, die breite Stirn immer röter und dann schrie er mich an, dass ich es wage ..., und ich hätte auch schlechte Noten ..., und ich sollte bloss nicht meinen ...., und überhaupt. Ich erschrak zu Tode, denn ich hatte nicht gedacht, dass meine kleine Intervention ein solches Spektakel abwerfen würde. Und nun stieg meinerseits der Blutpegel und ich merkte wie ich heisser und heisser und röter und röter wurde. Ich weiss nicht mehr, wie lange dieser Blitzkrieg dauerte. Auf jeden Fall kam er nie mehr auf seine Noten zurück. Andererseits nahm ich es ihm nicht übel, dass er mich vor der Klasse solcherart angeschrieen hatte. Und wir lebten friedlich nebeneinander weiter. Ich grüsste ihn immer höflich hinter seiner Mafia-Brille und er grüsste mich zurück. Und man wird es glauben oder nicht. Bei der Französisch-Abiturprüfung hatte Oggier zufällig Aufsicht. Er wanderte unruhig im Zimmer auf und ab. Und drei oder vier mal hielt er hinter meinem Rücken und zeigte stumm und ohne dass ich ihn ansehen konnte da und dort auf einen Fehler, den ich in meinem Text hatte. Er half mir ein bisschen vorwärts, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hätte mein Abitur auch ohne Oggier bestanden, aber immerhin, er meinte es gut mit mir.

Ja, er war eine merkwürdige Gestalt, dieser Professor Oggier. Viele zogen ihn bei Diskussionen heran als Musterbeispiel und legendige Verwirklichung eines echten Neurotikers. Doch andererseits war er in Sprachen sehr begabt, und in Brig, wenn immer jemand eine italienische oder eine französische Rede zu halten hatte, holte sich seinen Rat bei Heinrich Oggier. Er hatte manche dieser Reden selbst geschrieben, aber sie wurden dann von anderen gehalten. Und später hatte ich irgend einmal herausgefunden, dass er als Sternzeichen den Skorpion hatte. Behüte Gott, ein Skorpion!

Du siehst, die Skorpione.

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Montag, 10. August 2020

Re: italienischer Himmel


Foto: Chris

Lieber ...,
Ach, was bist du lustig.
Interessiert dich der Himmel so sehr? Ich kenne keinen einzigen Menschen, der das irdische Leben gern gegen einen Himmel austauschen würde. Und gute Käsefondues oder Geranien kann ich doch auch in der Schweiz haben.

Aber deine Vorstellung von dem italienischen Himmel fand ich so lustig, dass ich sie auch Anna habe lesen lassen. Ich schicke ihr manchmal speziell lustige Produkte deiner Fantasie als erbauliche Lektüre. Ich weiss, dass du nichts dagegen hast. Sie braucht etwas Übung in der deutschen Sprache, sonst vergisst sie alles, was sie in der Schule gelernt hat.

Ja, die Italiener. Ich kann mir gut vorstellen, was sie aus einem Himmel machen könnten. Chaos ist dabei ein mildes Wort.
Meinen ersten Einblick bekam ich damals, als ich als 15-jährige meine Sommerferien in Saalbach bei einer Bekannten meiner Eltern verbrachte. Sie arbeitete dort im Sommer als Ärztin. Meistens machte sie Hausbesuche bei ihren Patienten. Doch eines Tages kam ein Italiener, der im Hotel nebenan Urlaub machte, in ihre Praxis, die zugleich unsere Wohnung war. Er hatte sich etwas gebrochen oder vielleicht nur verstaucht. Aber er kam nicht allein. Hinter ihm drängte sich eine ganze Sippe herein, die bald den ganzen Raum füllte. Man hörte sie laut „herumlamentieren und palavern" wobei sie wild gestikulierten. Die Situation war ähnlich wie wenn ein Fuchs in den Hühnerhof kommt.

Aber, na ja, vielleicht könnte ich es akzeptieren, wenn ich wüsste, dass ich dich dort wiederfinden würde. :-)


Sonntag, 9. August 2020

Ein italienischer Himmel



Liebe Malou

(---)

In deinem nächsten Leben wirst du also italienisch parlieren. Und wenn es kein zweites Leben gibt. Dann wirst du im Himmel auf italienische Weise herumlamentieren und palavern? Das stelle ich mir lustig vor. Überhaupt, sich den Himmel italienisch vorzustellen, führt bereits zu einem kleinen Lachanfall. Ja, ich glaube, die Italiener könnten den Himmel sehr gut übernehmen. Sie würden ihn mit ihrem Chaos bereichern. Ich würde mich dann auch sehr gerne an der Türe anstellen, schon nur wegen der vielen schönen Italienerinnen, respektive der dunkelhaarigen Engelein. So könnte ich mir den Himmel durchaus auch vorstellen. Und zu Mittag tragen die ehrwürdigen Erzengel grosse Schüsseln mit Spaghetti auf. Herrlich! Und herrlich auch die Tomatenflecken, die sich auf all den himmlischen, leuchtendweissen Hemden und Röcken ergeben. Wunderbar! Ich glaube, ein italienischer Himmel wäre prima. Und nach all dem Durcheinander und einem Schluck Chianti gäbe es eine himmlische Siesta.


Ich glaube, ich melde mich gleich an.



Buongiorno Italia



Lieber ...,
(...)
Ich habe mir gerade ein paar italienische Lehrbücher bestellt. Es war nicht so leicht sie zu finden, denn sie sind schon an die 10 Jahre alt. Bisher hatte ich sie mir in der Bibliothek geliehen aber ich möchte sie gern selbst besitzen. Es ist ein wunderbarer Kurs. Eigentlich stammt er von BBC und ist sehr intelligent gemacht. Ich glaube, ich habe dir das schon mal erzählt. Ich habe mir auch schon die Kassetten dazu besorgt, damit ich die richtige Aussprache lerne. Und wozu das alles? Mein nächstes Leben möchte ich in Italien verbringen. ;-)))

Ich wünsche dir einen feinen Tag.
Mit lieben Gs und Ks in Qs
Malou

Freitag, 7. August 2020

Regnerischer DOMO

Liebe Malou

Ja, wir haben uns wirklich in einem Thema verstiegen! In der Religion nämlich. In dieser Doppelbiographie über Peter von Roten ist auch viel davon geschrieben. Offenbar hat er mit seiner Iris über viele Briefe darüber diskutiert. Es ist erstaunlich, wieviel Material die Religion liefert, um zu diskutieren.  (Peter von Roten und Iris)

Und die Maikäfer? Sind sie wirklich unsterblich? Vielleicht.


Ich weiss nicht, ob ich ein schönes Leben habe Malou. Manchmal zweifle ich daran. Und manchmal auch wieder nicht. Im Moment lese ich ein Buch über das Lebensglück von einem gewissen Seligman. Das ist die neue Psychologie, die sogenannte 'positive Psychologie'. Seine Argumentation finde ich interessant. Ich glaube, wir müssen einige Dinge in unserer Arbeit hier in Zukunft neu anpacken. Aber ich weiss noch nicht genau was. Erst will ich mich mit diesen neuen Ideen beschäftigen. Und dann kann ich vielleicht, zu meinem Abschied, damit eine Art Geschenk machen.


Ja, man sollte nicht zulassen, dass das leben eintönig und langweilig wird. Das ist nicht gut für die Nerven. Und, das sagt übrigens Seligman, glückliche Menschen haben viel Kontakt mit andern Menschen. Vergiss das nicht Malou. Darin liegt ein grosser Glücksfaktor. ... 


Ich bin heute etwas müde. Die Nacht war eben leider kurz. Ich werde also abends nur kurz ein bisschen walken, und dann früh schlafen gehen. Na ja, wir sind auch nicht mehr 20!!


Eigentlich sollte ich in nächster Zeit M anrufen. Weisst du, das ist jene Frau, die ich in R   kennengelernt habe, jene mit dem schönen Dialekt. Sie hat doch bei unserem kürzlichen Treffen erzählt, dass sie sich einen neuen Freund ins Haus geholt habe. Aber der sei teilweise arbeitslos, ziemlich trinksüchtig, und hätte sie kürzlich geschlagen, so dass sie die Polizei holen musste. Es war absolut schockierend, was sie uns da erzählt hat, und ich wusste gar nicht, wie ich darauf antworten sollte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie eine solche Dummheit machen würde.  Sie meint, sie wollte ihm 'eine Chance geben'. Sie hatte mit diesem Freund einen Vertrag gemacht, so dass er bei ihr einziehen konnte.


Ja, ich wollte sie fragen, wie es ihr jetzt geht. B meint, wenn man sich nicht gut fühlt, sollte man jemanden anrufen, dem es wirklich sehr schlecht geht. Mit einem solchen Telefon hätten am Schluss beide gewonnen. Da ist was dran, nicht? Ich will sehen, was ich tun kann.


Ja Malou, ich merke, dass du nicht recht weisst, was du schreiben sollst. Aber es braucht doch nichts Spezielles zu sein. Erinnere dich, einmal hast du bloss deinen Arbeitsplatz rund um den PC beschrieben, und ich war ganz begeistert. Das ist allerdings schon lange her.


Ich lasse dich, und wünsche dir einen schönen Abend.

Liebe Gs und Ks
...

Bekehren?


Lieber ...,
Du schreibst: "Ich glaube einfach zu wenig, als dass man mich bekehren könnte." Und dazu möchte ich dir sagen: Ich glaube zu wenig, als dass ich jemanden bekehren möchte."
Und genau das habe ich dir nun schon in mehreren Mails gesagt. Doch du hältst fest an dem Glauben ich hätte jemals die Absicht gehabt dich zu bekehren. Warum sollte ich? Habe doch nicht einmal in der katholischen Kirche geheiratet. Bin also, laut meinem Glauben, nicht verheiratet.
:-)

Nein, ich will dir absolut nichts verheimlichen. Aber da in meinem RL herzlich wenig los ist, muss ich immer nach Stoff in der Vergangenheit suchen, wenn ich ein Mail füllen will. Na ja, man kann auch über verschiedene Dinge diskutieren. Wie z.B. über die Unsterblichkeit der Maikäfer... ;-)

Ich liebe dich. Wieso ich das so sage? Es will einfach gesagt werden.. oder geschrieben.

Es freut mich, dass du ein schönes Leben hast. Ja, mit dem Alter wird man etwas bequem. Du wirst sehen, wie schnell das kommt, wenn du einmal nicht mehr im Beruf stehst. Dann muss man aufpassen, damit man nicht in Passivität versinkt. Aber bei dir ist wohl diese Gefahr nicht so gross. Du wirst schreiben, malen und philosophieren. Und mailen, hoffe ich.

Nun wünsche ich dir einen weiter schönen Tag
mit lieben Gs und Ks
Malou

PS Ich muss an den Backofen. :-)
...

Re: Kurzurlaub vom Ich ??




Liebe Malou
Ach, das ist ein merkwürdiges Mail, das du da schreibst. Irgendwie willst du schreiben, aber doch nicht viel sagen. Nicht wahr? Ich kenne das von dir. Früher konntest du mich damit fast zur Verzweiflung bringen. Jetzt bin ich es schon ein bisschen gewohnt.
Na ja, klar ist die Frage des Menschen nicht gelöst. Aber das hat eigentlich - wie ich denke - mit Evolutionstheorie nichts zu tun. Ich glaube sogar Teilhard de Chardin war es, der behauptete, die Evolutionstheorie muss dem katholischen Glauben nicht widersprechen. Es ist auch denkbar, dass Gott eine Welt geschaffen hat, die sich entwickelt, entfaltet. Ihre wesentliche Seinsweise ist die Entfaltung. Natürlich denken Katholiken dann auch gerne an eine Höherentwicklung. Sie möchten ja doch, dass es aufwärts geht.
Nein, das glaube ich nicht, dass du mich in Rom hättest bekehren können. Ich glaube einfach zuwenig, als dass man mich bekehren könnte. Es gibt bei mir fast nichts zu drehen und bekehren. Ich glaube ja nur so allgemein an eine Grosses Ganzes, das uns hier alle übersteigt. Aber ich glaube nicht einmal, dass dieses Grosse Ganze so denkt wie wir das tun. Ich glaube nicht, dass es so beschränkt - um nicht zu sagen dumm - sein kann.
Ach ja Malou, was kann ich dir sagen vom Singledasein. Letztes Wochenende war ich allein. Ja, das war schön ruhig. B war in Wien mit ihrer Gruppe. Sie haben es offenbar genossen und viele Dinge gesehen. Es hatte Schnee in Wien, stell dir vor. Und von der Albertina ist sie ganz begeistert. Sie hat den Hasen von Dürer gesehen, und das Stücklein Gras. Das sind ja sozusagen Ikonen der Menschheit!



B hat den Eindruck, Oesterreich ist reich geworden. Alles sieht gut und gepflegt aus. Das stimmt damit überein, was ich in den Medien höre. Oesterreich hat mit dem Beitritt zur EU sehr viel profitiert, höre ich sagen. Es hat - wirtschaftlich - die Schweiz ziemlich aufgeholt. Und in den letzten Jahren ist ohnehin Mode geworden, dass die Schweizer nach Oesterreich Skifahren gehen.  In der Regel einfach, weil es dort billiger ist.
(---)
Jetzt sitze ich im Büro, trinke meinen ersten Kaffee und warte auf K, mit dem ich einen Termin habe. Er kommt mit seinem Mofa von einem der Dörfer hier im oberen Baselbiet.
Ich hoffe, ich überstehe den Tag ohne grössere Krisen. Und ich wünsche dir die Abgeschiedenheit, die du brauchst.
Liebe Gs und Ks

...


Donnerstag, 6. August 2020

Ferien vom Ich



Lieber ... ,
Auf diesen Titel "Ferien vom Ich" bin ich mal in meiner
Jugend gestossen und er ist in meinem Gedächtnis hängen
geblieben. Ob es der Klang der Worte war oder die Vor-
stellung man könnte sich selbst entkommen, weiss ich
nicht mehr.
Vielleicht ist es gerade das, was ich jetzt getan habe.
Schreiben verlangt immer, dass man sich mit sich selbst
konfrontiert. Wie kann man sein Inneres ruhen lassen,
wenn man darin herumgraben muss, um etwas Stoff für
ein Mail zu finden? Ich meine, wenn die Gegenwart nichts
Interessantes zu bieten hat, von dem man erzählen könnte.

OK. Ich lasse es. Eigentlich macht es mir immer noch Spass
zu schreiben. Aber ich brauche Abgeschiedenheit (heisst es
wirklich so?) um schreiben zu können. Vielleicht könnte ich
sagen "privacy". Du Glückspilz hast das sicher in Überfluss.
Hast du denn immer noch keinen Computer bei dir zu
Hause? Walo wollte dir doch einen installieren, oder?
*
Nein, du irrst dich. Ich will überhaupt nicht mit dir in einen
Religiondisput eintreten. Ich glaube wir haben ungefähr die
gleiche Vorstellung.. oder lass mich sagen, wir sind gleich
unsicher. Und dass ich sehr skeptisch gegenüber der Vor-
stellung der Evolution sei, stimmt wohl auch nicht so ganz.
Man muss eben zwischen dem Menschen als biologisches
Geschöpf und geistliches Wesen unterscheiden. Die Frage,
was ein Mensch ist, ist noch lange nicht gelöst.
*
Ach, du meinst ich hätte dich vielleicht in Rom bekehren
können? Haha.. jetzt muss ich wieder herzlich lachen.
Nein, mein lieber Mausfreund, ich hatte ganz andere Pläne
und sie hatten nichts mit Religion zu tun.  ;-)

Hier ist es grau und neblig. Trotzdem haben wir unsere
Runde über die Felder gemacht. Und ich dachte dabei an
England und dass die Frauen dort so schöne Haut haben,
wegen der hohen Luftfeuchtigkeit.
Weisst du, dass ich einmal Königin Elisabeth und ihre
Schwester Margret ganz nahe gesehen habe? Ich hätte sie
berühren können. Und dabei ist mir aufgefallen wie
wunderschönen Teint beide hatten. Ich war noch ein Kind,
habe es aber nie vergessen.

Und du? Ist es bei dir auch so grau wie hier? Hast du dein
Wochenende als Strohwitwer überlebt?
Lass von dir hören. Ich brauche ein wenig Harroin.

Mit lieben Gs und Ks
Malou

Dienstag, 4. August 2020

Offenheit u.a.m.

Lieber ...

Diese Offenheit, von der wir mal geschrieben haben, ich weiss nicht ob ich sie mir eigentlich wünsche. Immer noch möchte ich dich nur meine guten Seiten sehen lassen und wenn man sowas tut ist man natürlich nicht zu 100% offen. Ich glaube auch nicht, dass ich deine innersten Geheimnisse kennen möchte. Doch ganz sicher bin ich auch wieder nicht. Vielleicht hätte ich gern, dass du dich bei mir beichtest. :-)
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Gerade in diesen Tagen ist eine unserer bekanntesten Schriftstellerinnen, Kerstin Thorvall, mit einem neuen Buch erschienen. Sie hat sich einen Namen gemacht mit ihrer absoluten Aufrichtigkeit, ihrer totalen Auslieferung. Das gilt für alles in ihrem Leben. Ihre sexuellen Eskapaden u.a. Jetzt ist sie alt, 77 Jahre, und schreibt über die Erniedrigung und Einsamkeit eines alternden Menschen. Man vergleicht sie manchmal mit Simone de Beauvoir, wobei die letztere wohl kaum so schockierende Dinge zu erzählen hatte. Das Buch ist von den Kritikern sehr gut empfangen worden.
Du hast recht, es ist nicht leicht gute Vorbilder zu finden. Aber wozu? Das Schicksal tut sowieso was es will mit uns.
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Über das Hotel, von dem du erzählst muss ich lachen. Uns ist etwas ähnliches passiert. Es war in Deutschland, in einem kleinen wunderschönen und biederen Städtchen. Vielleicht war es Rothenburg. Und da haben wir ein kleines Hotel (oder war es ein Pensionat) gefunden. Es sah so ordentlich aus, in einem schön geschmückten Fachwerkhaus mit einem hübschen Garten drum. Aber du hättest unsere Überraschung sehen sollen als wir die Einrichtung sahen. Dunkelrote, dicke Teppiche und gepolsterte Türen. Ausserdem zwei nebeneinanderstehende Waschbecken im Zimmer. Alles sah sehr nach Sünde aus. Und als wir uns ins Bett legten sahen wir oben an der Decke ein paar schwedische Worte geschrieben, die man normalerweise in öffentlichen Toiletten finden kann. Ich fand es ein bisschen widerlich und weiss noch, dass ich am nächsten Morgen das sicher garnicht schlechte Frühstücksbuffet kaum angreifen wollte.

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Der Kurs in Hypnose, den du machen willst, ist das um später es selber ausüben zu können? Vielleicht willst du eine eigene Praktik öffnen? Oder bist du so mutig, dass du dich selbst hypnotisieren lässt? Das ist etwas, was ich nie wagen würde. Habe Angst davor, was ich da sagen würde. :-) Erzähl mir mehr davon. Was sagt S. dazu, wenn du dir in Zürich ein Zimmer mietest? Ist sie nicht ängstlich, was du in dem nächtlichen Zürich anstellen könntest?? ;-) Doch ich glaube, du würdest jede Stunde davon geniessen. Es ist ein ganz eigenes Gefühl, in einer Stadt, wo man als junger Mensch gewohnt hat, herumzugehen. Das merke ich wenn ich mal nach Uppsala komme, was leider allzu selten ist.
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Nun habe ich so lange geplaudert, dass du wirklich von Wortschwall reden könntest. Will dich nicht länger aufhalten.
So wünsche ich dir noch einen schönen Abend und einen angenehmen Tag morgen.
Mit lieben Grüssen
Marlena

Montag, 3. August 2020

Onkelchen, Hypnosekurs und GV


Liebe Marlena

Vielleicht hat das was dran, dass Onkelchen sich etwas gefangen fühlt, wenn S. dabei ist. Ich merke jedenfalls, dass er manchmal mit dem Essen kämpft. Ich hatte oft den Eindruck, dass S. ihm zuviel auf den Teller serviert. Sie denkt in persischen Massstäben, wo ein alter Mensch sich jederzeit das Recht herausnehmen wird, die Hälfte auf dem Teller stehen zu lassen. Aber Onkelchen hat eine Harte Schule mit Tantchen hinter sich und weiss, dass er ausessen soll. Manchmal kaut er wirklich auf Tod und Leben, so stelle ich mir vor. Und wenn ich ihm sage, er brauche sich nicht zu beeilen, er könne es stehen lassen, dann verneint er definitiv. Wenn ich koche, serviere ich etwas weniger. Und so kommt er immer elegant über die Runden. S interpretiert die Situation anders. Sie sagt, wenn er alles isst, dann hat er doch wohl Appetit. Ich behaupte, wenn er alles isst, dann will er vor allem höflich sein. Da sieht man wieder einmal, wie widersprüchlich die Realität sein kann.
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Um Ende Mai habe ich mich für einen Hypnose-Kurs in Zürich angemeldet. Den Kursleiter kenne ich. Er kommt aus Amerika und ist NLP Spezialist. Vor Jahren hatten wir ihn hier auf unserem Dienst. Und später war ich auch schon mal in einem Hypnose Kurs bei ihm. Das war sehr interessant und auch sehr entspannend. Man lernt dabei die Psyche des Menschen gut kennen, diejenige, von der Du meinst, sie verschwinde, wenn man das Leben im Zwischen lokalisiert. Ich glaube, ich muss mich ein wenig vorbereiten auf meine Zeit der Pensionierung. Wenn ich eine Ahnung habe von suggestiven Verfahren inklusive Hypnose, so kann das nur nützlich sein. Ich werde mit Hühnern üben ;--)), denn Hühner sind offenbar ganz leicht zu hypnotisieren. Die Kunst liegt darin, einen sehr sanften, einfühlsamen Zugang zu den Menschen zu finden. Man kann keinen Menschen gegen ihren Willen beeinflussen. Aber man kann natürlich die Widerstände sanft unterlaufen. Wenn man sie dazu bringen kann, dass sie sich gehen lassen und beeinflussen lassen, dann geht es schon.

Ich weiss noch nicht, ob ich täglich wieder nach Basel zurückfahren soll, oder ob ich mir besser ein Zimmer nehme. Wenn man immer nur hier in der Gegend arbeitet, scheint Zürich so weit zu sein. Aber es ist doch gleich um die Ecke. Und wenn ich dort bleibe, könnte ich wie in alten Zeiten wieder mal das Zürcher Nachtleben geniessen. Das sind doch exzellente Aussichten.
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Gestern hatten wir eine kurze Generalversammlung. Im Frühjahr werden nur die Mitglieder nominiert, die dann im Herbst eine neue Funktion übernehmen sollen. Die Sitzung ist also meist sehr formal und sehr kurz. Im Herbst wenn man über Finanzen und über ein Neues Hotel diskutiert, gehen oft langweilige Stunden dahin. Wir denken daran , aus dem Hotel Radisson auszuziehen, weil das Essen oft so schmeckt wie in einer Kantine. Früher war es besser. Die Desserts sind auch besser. Aber allein mit Desserts hat man nicht gegessen. Leute, die sich in diesen Dingen auskennen, behaupten, Hotels dieser Art führen bloss eine Küche, um die Anzahl der Sterne zu behalten. Die Fachleute in der Küche sind aber extrem reduziert worden, so dass sie die meisten Menues halbfertig einkaufen. Sie streuen dann bloss noch etwas Petersilie darüber und servieren. Und das ist wirklich wie in der Studentenkantine damals. Es schmeckt auch so. Und das ist für einen edlen Club, wie wir es sind, natürlich nicht das richtige Niveau. Die GV gestern war in einem Lokal mitten in der Stadt und heisst Unternehmen Mitte. Ein lustiger Name, und auch das Haus ist ziemlich originell. ImParterre liegt ein grosses Restaurant, das vor allem von den Jungen frequentiert wird. Es ist sehr trendy, auf jeden Fall sind auch A und B manchmal dort zu finden. Oben ist das Basler Literaturhaus untergebracht. Es gibt dort Lesungen. Und man hat auch Zimmer, wo Schriftsteller und Künstler wohnen können. Das Essen war zwar einfach, aber nicht schlecht. Nach einer ausgezeichneten, cremigen Broccoli-Suppe gab es Spaghetti mit Meeresfrüchten, anschliessend ein Eis, zum Essen einen sehr guten Wein aus der Gegend Siena. Das war eigentlich schon alles.
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Jetzt muss ich los.
Lustig, dass Du auf meine Vermutung, Du seist im Geheimen eine Rechnerin, Deine Tochter fragst. Ist ein echter Indizienprozess, nicht wahr? Ich wünsche Dir einen schönen Tag.
Liebe Grüsse