Freitag, 25. Januar 2019

Geschichten erzählen



Liebe Marlena
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Wir haben heute im Club unseren NN aus
Rom gehört. Er war früher mal Radio-
korres pondent in Rom. Und er will, wie
er zugibt, seine Pension aufbessern, indem 
er jetztjährlich einmal in die Schweiz
kommt, und in den Kiwanis, Lyons und
Rotary-Clubs Vorträge hält. Er war schon
zum dritten mal bei uns, und ich muss
sagen, er wird langsam alt. Aber die
Geschichten, jährlich etwa dieselben, aber
anders, werden immer wahrer! ;-)

Ich finde ihn gut, zwar nicht mehr so wie
zum ersten mal, aber gut. Er weiss, wie
man eine Geschichte erzählen soll. Und
das ist ja heute leider selten geworden.
Aber die Geschichten sind gleich, und
doch ein bisschen anders. Und man findet
sich in der Rolle des kleinen Kindes wieder,
welches reklamiert, wenn die Geschichte
sich von mal zu mal nicht dieselbe bleibt.
Ich glaube, er kommt vor allem wegen der
warmen Mahlzeit. Und natürlich kriegt er
seinen kleinen Vortrag bezahlt. Wenn ich
mir überlege, wie teuer in Rom ein Kaffee
ist, so kann ich verstehen,
dass er knapp bei Kasse ist. 

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Dienstag, 22. Januar 2019

Unsere Einladung

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Und im RL haben wir unsere Einladung mit den nahezu
30 Personen überstanden. Das war natürlich S's  Idee, und
ich konnte das ganze Projekt nicht direkt und ohne schwere
Schuld aufzuladen, boykottieren. So habe ich versucht, gute
Miene zum bösen Spiel zu machen, obwohl ich solche
Grossveranstaltungen überhaupt nicht mag. Das fängt alles
mit einer Aufregung schon 14 Tage vorher an. Die Möbel
werden umgestellt, Teppiche aufgerollt, Lampen 
umgehängt, Fenster geputzt, Terassen gefegt und so weiter
und so fort. Und dauernd köchelt auf dem Herd ihrgend ein
würziges Gericht, das dann am bestimmten Tag bereit sein
soll. Sowas bringt mich aus dem Häuschen. Den Lärm eines
Staubsaugers kann ich ohnehin nicht ausstehen. Man geht
mit düsterer Miene auf und ab und denkt ans Exil. Korsika?
Amerika? Es ist wirklich eine Qual, und die paar Stunden
netter Gesellschaft gefrässiger Leute wiegt das alles kaum
auf. Nein, sowas würde ich allein für mich nicht tun. Wenn,
dann könnte ich mit 20 Personen ein einfaches Mahl mit
absolutem Self-Service aufziehen. Jeder holt sich selbst,
was er braucht. Und wer will, kann den Wein auch gleich
aus der Flasche trinken. Noch eher sowas, als ein
aufwendiges Buffet und ein serviertes Essen mit drei
Gängen und Männern im Anzug und Damen im Jacket-
Kleid. Aber ich habe es überlebt, knapp. Was mich nicht
umbringt, das stärkt mich.
So ein Fest ist - sagen wir - wie der 14. Juli in Frankreich.
Es gibt grosse Militärparaden. Man zeigt alles, was man
hat bis hin zu den Atomwaffen. Bei uns war es das
Familiensilber, ganze Panzerkolonnen von schwerem
Porzellan, grosskalibrige übergewichtige Karaffen mit
südfranzösischem Wein, silbrig gleissende Platten und
Plättchen und Accessoires bis in die Tischecken hinaus.
Ach, ich weiss wirklich nicht, wozu das alles gut ist. Das
ist wohl diese vielgerühmte Zivilisation, für die die Frauen
zuständig seien. Sagt das nicht Schwanitz in seinem
Männerbuch? Zivilisation ist die Tatsache, dass wir mit
Silberlöffel essen und die Nägel schneiden, dass wir uns
die Bäuerchen untersagen und die Nachbarin nicht in die
Seite kneifen. Nein, das ist vielleicht alles sehr
lebensstabilisierend, aber das Leben selbst ist es bei weitem
noch nicht. Na ja, A und B waren auch dabei, und
zusammen mit S  haben sie bei persischer Musik getanzt.
Das vielleicht war der einzige Pluspunkt in diesem
Sommernachtstraum, diese 10 Minuten reizvollen
orientalischen Tanzes der Frauen.
*
Jetzt muss ich wieder in den Stollen.
Mit einem lieben Gruss
...

Biographie Stendhals


...

Momentan beschäftigt mich die Biographie Stendhals. Das
ist ein Mann, den man trotz seines klingenden Namens
kaum kennt. Ach, ich habe Dir bereits erzählt, wie ich zu
ihm gekommen bin.
Er stammt aus Grenoble, aus der französischen Provinz 
und hat  - weiss Gott - ein kompliziertes Leben in seinem
komplizierten Charakter. Im Wesentlichen scheint es mir
ein Lebenslauf aus der Zeit der Romantik. All diese
exaltierten Gefühlsmenschen wurden von den Wellen
ihrer Emotionen hin und her geschleudert, dass bei der
Lektüre fast nur Mitleid aufkommen kann. Stendhal,
mit bürgerlichem Namen Beyle oder ähnlich, war da nicht
anders. Er hat sich an immer neuen Liebesabenteuern
entzündet, die dann aus seiner Scheu und Ängstlichkeit
doch zu nichts führten, oder die er selbst aus schliesslicher
Enttäuschung und Langeweile wieder aufgegeben hat.
Ich glaube, die Wunsch-Gefühle entzünden sich am besten
an Sehnsüchten und Fantasien, die weit Entferntes vor
unserer Nase aufbauen. Ihr schliesslicher Besitz ist keinen
Deut mehr wert. Das heisst ja wohl, dass man mit Verzicht
die intensivsten Leidenschaften und Gefühlsaufwallungen
erleben können sollte. Immerhin hat sich Stendhal auf den
ersten 100 Seiten des Büchleins schon zweimal duelliert.
Das ist doch eine respektable Leistung. Beide Male ging es
um Lappalien, letztlich um eine Frau. Nein, beim ersten
Mal ging es um einen Sitzplatz in der Zeichnungsstunde
des Licées. Du siehst, er war etwas überspannt, und soll
auch sehr hässlich gewesen sein. Auf dem Porträtbild des
Buchdeckels sieht er zwar ganz stattlich aus. Aber - so
verrät uns der Text - aber er soll ein Toupet getragen
haben, nachdem er durch die medizinische Behandlung
seiner Lues oder seines Trippers, man weiss das nicht so
genau, viel von seinem "Pelz" verloren hatte. Und
offenbar hat er Wesentliches zur Entwicklung des
bürgerlichen Romans beigetragen. Das ist doch einen
Moment der Aufmerskamkeit für diesen rührigen
Typen wert.
*
Und im RL haben wir unsere Einladung ...



Sempé





Liebe Marlena
Ja, Du hast ein strenges Leben. Und die Hektik des Alltages
wirft Dich förmlich aus der kontemplativen Position der
Studienrätin am Feierabend in die Turbulenzen dieser
wilden Welt. Aber sei getrost, Marlena, wir kennen das
alles auch.

Ich bin froh, dass Du Sempé kennst, und wäre sehr
verwundert gewesen, wenn Du bloss Fragezeichen in
die Luft gekuckt hättest. Ich habe mal ein Büchlein, eine
Ausgabe von Der kleine Nick rezensiert, das er zusammen
mit dem Astérix-Autor Goscinny gestaltet hat. Das ist nicht
so lange her. Und ich hatte der Eindruck, er sei schon etwas
alt geworden, der gute Sempé.
Diese Zeichnungen aus der Schule von damals sind ganz
der alte Stil. Sie sind zwar süss, mit Charme, aber eigentlich
eben doch Wiederholung dessen, was wir längst von ihm
kennen, und ohne die neuen Ideen, mit denen er uns früher
doch immer wieder überrascht hatte. Aber Sempé ist ein
schönes Andenken des 20. Jahrhunderts vor den Pariser
Architektur-Kulissen des 19. Jahrhunderts und einem
immer noch in der Luft schwebenden, hartnäckigen
Geist des 18. Jahrhunderts. Also fast ewig! Und das ist
doch schon etwas.
Ich habe mir immer vorgestellt, dass er die Zeichnungen,
zumindest die Ideenskizzen bei einem Glas Rotwein in
einem der berühmten Pariser Cafés zeichnet. Und dazu
natürlich Gauloises raucht. Da siehst Du, wie sehr ich
von Klischees lebe. Na ja, vielleicht tut er es ja mit einem
Pastis. Und raucht dazu Gitanes meinetwegen. Wenn er
sowas mit 70 noch erträgt.
Allerdings konnte ich mir nie vorstellen, dass er schon
70 wäre. Seine Zeichnungen wirken irgendwie jung. Und
wenn man ab und zu ein Porträtfoto sieht, so würde man
ihm auch noch keine 70 geben. Da sieht man, wie Rotwein
jung hält, und gegen den Herzinfarkt schützt, wie man
immer wieder hört.
Eine der Zeichnungen Sempés, die mir am besten gefällt,
stellt die Situation mitten auf einer Kreuzung eines grossen
Pariser Boulevards dar. Ein Flic, ein französischer Polizist
hält gerade einem Autofahrer eine Standpauke. Weil der
arme Kerl mit seiner Begleitung aber in einem kleinen
2-CV sitzt, und diese Büchschen - wie man weiss - 
besonders weich gefedert sind, neigt sich das winzige
Gefährt vom Polizisten weg auf die andere Seite wie ein
scheues, ängstliches Tier. Das ist alles so gut und
sympathisch gesehen in der Perspektive des
stattlichen Boulevards, dass man dabei an nicht
 anderes als an Paris denken kann. Ich glaube, das
Bild war das Umschlagbild des Bandes "Rien n'est facile ..."
War ja doch auch ein patenter Titel!
*
Momentan beschäftigt mich die Biographie Stendhals. ...




Montag, 21. Januar 2019

Gedanken über das Lebensglück



Liebe Marlena

(---)

Tut mir leid um Deinen kleinen Vogel. Ja, sowas erinnert uns
immer an die Vergänglichkeit und an die Tatsache, dass wir nicht
ewig leben. Das ist, wie die Philosophen sagen, der Skandal
unseres Lebens. Was sollen wir tun? DieLebenskunst scheint eine
angemessene Antwort auf diese Anforderung zu sein, das Bemühen
also, aus dem Leben das meiste an Möglichkeiten und Erleben zu
gewinnen. Ach, das versuchen wir ja doch mit allen Mitteln.
Ich habe kürzlich ein paar interessante Gedanken über das
Lebensglück gelesen. Ich weiss nicht mehr, wo es war. Aber es
hat mich doch verblüfft. Man hat Menschen befragt über ihre
Zufriedenheit im Leben. Und zwar hat man  zwei Menschengruppen
verglichen. Die einen hatten durch einen schweren Unfall ein hartes
Schicksal zu tragen. Sie waren querschnittgelähmt und damit behindert,
wie wir sagen würden. Die anderen Menschen waren Glückspilze,
hatten kürzlich einen grossen Gewinn an einer Lotterie gemacht.
Und verblüffend dabei ist, dass die beiden Gruppen sich nach einer
gewissen Zeit (nach dem Unfall, nach dem Lottogewinn) sich in ihrer
Lebenszufriedenheit nicht mehr wesentlich unterscheiden. Mit anderen
Worten: ein Lottogewinn macht nicht glücklich, ein schwerer Unfall
mit Lebensbehinderung macht nicht unglücklich. Der Mensch ist sehr
flexibel, sein Schicksal zu bewerten. Und er kann sich in einer relativ
kurzen Zeit an einen Zustand gewöhnen, und ihn als normal empfinden.
Jede Abweichung davon ist dann erst ein Glücks- oder ein
Unglücksmoment.

Und es gibt doch dieses hübsche Gedicht von Theodor Storm, wenn
ich mich nicht irre, welches als Gebet gestaltet ist, wo er Gott bittet
"ihn mit Freuden und mit Leiden nicht zu überschütten ... sondern in
der Mitten liegt holdes Bescheiden". Hat mir in meiner Jugend immer
imponiert, dieser Wunsch nach einem bescheidenen Durchschnitt.
Später habe ich diese Einstellung als Quintessenz bürgerlicher
Lebensphilosophie genommen. Ich glaube wirklich, dass darin eine
tiefe Lebenserkenntnis der europäischen Kultur liegt. Und ich glaube
nicht, dass S auch so denken würde. Ich glaube, dass die persische
Oberschicht wirklich denkt, oder immer gedacht hat, dass sie das
Recht auf ein Maximum an Glück hätten. Es gelingt zwar nicht,
aber das Recht ist unbestritten. Nun ja, sie führen ihre Verhandlungen
ja auch nicht mit dem lieben Gott, sondern mit Allah. Und sie haben
es nicht mit der Erbsünde zu tun, die uns Europäern alle am Rücken
klebt. Sie haben wirklich keinen Grund, Schuldgefühle mit sich
herumzutragen. Und damit sind sie uns in Sachen Lebensglück doch
einen Schritt voraus. Und dies alles bloss, weil damals diese Eva
einen Apfel angebissen hatte. Ich stelle mir diesen Paradiesapfel
überigens als Granatapfel vor, also diese merkwürdige Frucht,
die es im Iran gibt, mit vielen kleinen Beeren im Innern. Hier bei
uns gibt es davon einen Sirup. Und als Gymnasiasten haben wir
oft ein Bier grénadine bestellt, ein rot leuchtendes Bier, das ziemlich
süss war, und welches den Alkohol praktisch verdoppelte.

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Samstag, 19. Januar 2019

"Dead Poets Society"



Ämne: Eine kleine Nachtmusik
Datum: den 12 januari  02:22


Lieber ...,
Ach wie spartanisch du lebst, nicht einmal die kleinste Süssigkeit gönnst du dir. Wäre ich S, würde ich glatt etwas misstrauisch werden obwohl du mir immer erklärst, dass alle diese neuen Ideen von ihr stammen. Aber ein süsses kleines Mail hast du mir gebracht und ich habe es langsam und andächtig verzehrt. Ich danke dir herzlich dafür.
*
Ich habe einen schönen Abend verbracht mit meinen Gästen. Zuerst habe ich sie mit Glögg (Glühwein) willkommen geheissen. Das gehört zu diesem letzten weihnachtlichen Festtag und dann haben wir uns lange und gemütlich bei Tisch unterhalten. Ich glaube es hat allen gut gefallen und jemand kam schliesslich mit dem Vorschlag wir sollten doch einen Club gründen damit wir uns öfters sehen. "Torsdagsklubben", denn der Donnerstag schien allen am besten zu passen. Na ja, wir werden sehen. Aber warum nicht.

Das erinnert mich daran wie wir vor ein paar Jahren versuchten eine Gesellschaft (oder einen Club) zu gründen in unserem Kollegium. So ungefähr wie "Dead Poets Society". Wir suchten nach einem guten Namen. "Döda pedagogers sällskap" kam uns zu morbid vor aber "Trevliga pedagogers sällskap" (trevlig=nett) klang schon viel besser. Jemand meinte, OK "nette pedagogen" klingt zwar schön aber "Trötta pedagogers sällskap" wäre doch etwas mehr realistisch (trött = müde). Schliesslich blieb man bei der Abkürzung TPS und meinte ein jeder könnte sich ein passendes Wort für das T wählen. Es gab auch

tråkig = langweilig
tokig = verrückt
tarvlig = gemein,
torr = trocken

 Und was ist daraus geworden? Ich glaube mehr als 50 Personen hatten sich dazu angemeldet aber der Mann, der ursprünglich mit der Idee kam, ist ein Kerl der gute Ideen aufs Papier bringen kann aber nicht weiter. Eine Zeit lang fragten sich die Leute, wann denn nun das erste Treffen sein würde und mit der Zeit geriet das ganze in Vergessenheit. Nur an die ausgelassene Diskussion über den Namen erinnert man sich noch heute.

(---)

A bientôt, j'espère,
Marlena



Kafka's Soup



Lieber Mausfreund,
...
Heute habe ich auch von einem neuen Buch gehört:

Kafka's Soup:
A Complete History of World Literature in 14 Recipes
,
das auch in schwedischer Übersetzung erschienen ist.

Publisher Comments:
I needed a table at Maxim's, a hundred bucks, and a gorgeous blonde; what I had was a leg of lamb and no clues. I took hold of the joint. It felt cold and damp, like a coroner's handshake. I took out a knife and cut the lamb into pieces. Feeling the blade in my hand I sliced an onion, and before I knew what I was doing a carrot lay in pieces on the slab. None of them moved.

—from
"LAMB WITH DILL SAUCE À LA RAYMOND CHANDLER"
Na, du siehst so ungefähr den Stil... und dazu ganz wunderbare Fotos. Denn der Autor ist ein Londoner Fotograf.

Ich glaube ich muss mir dieses Buch besorgen, denn ich bin neugierig geworden, wie man Kafkas Lieblingsspeise beschreiben wird. ;-)




Freitag, 18. Januar 2019

Re: Malen oder schreiben?



Lieber ...,
Ich hatte eigentlich von diesem Tag nichts mehr gutes erhofft, als ich mich an den PC setzte und in meine mailbox schaute. So kam dein Mail als eine grosse freudige Überraschung. Ich brauchte eins.
Manchmal (so heute) zweifle ich nämlich an allen meinen gutenVorsätzen. Die Bekannten von mir, diejenigen, die schon ihre volle Freiheit geniessen und denen ich gesagt habe, dass ich jeden Tag etwas wichtiges tun möchte, sagen mir lachend ins Gesicht, dass ich das vergessen kann. Es wird ganz einfach nichts daraus. Sag, sind wir Menschen wirklich so sehr auf äusseren Zwang angewiesen?
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Ja doch, ich kenne diesen Houellebecq oder wie er sich nun schreibt. Ich habe ihn hier in der Bibliothek introduziert. Wenn ich gewusst hätte, welche Themen er behandelt, hätte ich es wohl nicht getan. Aber ich wusste nur, dass man ihn sehr lobte und mit Sartre verglich und ich war neugierig geworden auf ihn.

Es freut mich, dass du schreiben möchtest.  Ich meine, wenn du so schreibst, wie du mir schreibst, dann kann es nicht besser sein. Natürlich machen sich viele einen Namen, indem sie etwas Schockierendes bringen, das bisher Tabu war. Aber das hast du nicht nötig.

Wenn ich einen Roman schreiben würde, dann würde er von einer älteren Frau handeln, die von ihrem Leben enttäuscht, in eine Cyberwelt flieht. Ein Roman mit demselben Thema, wie es Bichsel in seiner Kurzgeschichte "Ein Tisch ist ein Tisch" verwendet. Du kennst sie sicher. Der alte Mann findet sein Leben so öde und langweilig bis er eines Tages auf den Gedanken kommt alle Wörter mit anderen zu ersetzen. Er glaubt, dass sich sein Leben nun ändern wird und er hat viel Spass dabei. Doch er verlernt darüber seine eigene Sprache und kann sich am Ende mit niemandem mehr verständigen.
Es ist eine wunderbare aber auch sehr traurige kleine Geschichte, die ich die Jahre hindurch im Unterricht verwendet habe. Bichsel hat sie sogar selbst für den schwedischen Schulfunk vorgelesen. Aber das habe ich dir vor langer Zeit schon einmal erzählt.

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In der Zeitung habe ich gerade wieder von einer Person gelesen, die das Buch "Blonde" über alles preist, und ich frage mich warum ich nicht darin weiterkomme. Ich kämpfe wirklich damit. Am liebsten möchte ich es nur liegen lassen, aber dann bin ich wiederum neugierig, was Leute so gut daran finden. Aber da, wo ich mich befinde, ist M. Monroe immer noch ein Kind, obwohl ihr tragisches Leben eigentlich schon begonnen hat. Hast du das Buch gelesen?
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Nun verabschiede ich mich für heute.
Mit lieben Grüssen,
Malou

Donnerstag, 17. Januar 2019

Malen? .. oder schreiben?



...

Und nun zur nächsten CD-ROM, meinem Roman. Weisst Du, Malou, ich hatte vor etlichen Jahren mit meinen Bildern eine, nein sogar zwei Ausstellungen gemacht. S hatte sie initiiert. Es ging alles gut, und ich habe einige Bilder verkauft. Aber es war - wenn ich zurückblicke - zu früh für micht. Ich hätte damals gerne bei einem Profi Malstunden genommen. Aber ich fand keinen, dessen Bilder mir so gefallen hätten, dass ich ihn als Lehrer akzeptiert hätte. Nur einmal hatten wir - sie war eine Künstlerin - gefragt. Irene Zurkinden, eine bekannte Basler Malerin, hatte lange in Paris gelebt und malte irgendwie mit impressionistischem Einschlag. Ihre Bilder haben mir immer zugesagt. Aber sie wollte keine Stunden geben. Sie sei zu alt dafür, meinte sie damals. Heute ist sie - so glaube ich - gestorben. Kurz und gut: mit der Malerei hatte ich einige Erfahrungen gemacht. Und so bleibt der Wunsch, mit Schreiben irgendwie eine Darstellung zu gestalten. Das Ideal wäre, zwischen den beiden Leidensarten zu pendeln, so wie das Dürrenmatt köstlich getan hat. Auch Varlin war übrigens ein exzellenter Schreiber, witzig und pointiert. Aber ich glaube, ein Roman benötigt eine hohe Konzentration, mindestens wenn man ihn sich in konventioneller Weise vorstellt. Deshalb glaube ich, sollte man eine neue Form finden, die der heutigen Zeit entspricht, die eben nicht mehr soviel Konzentration aufzubringen vermag wie dies Henry James noch getan hatte, diese oberflächliche und flatterige, schnellebige Zeit heute. Kennst Du Houellebecq, den französischen Skandal-Schriftsteller? Er schreibt sehr salopp und geradezu obszön hässlich. Vielleicht ist das der neue Dreh? Man sollte sich ja auch nicht gleich einen Roman vornehmen. Ein paar Geschichten würden es auch tun. Ich hatte in Spanien ein kleines Büchlein mit einigen Geschichten des spanischen Erfolgschriftstellers Javier Marias. Sie stammen aus einer Zeit vor ungefähr 10 Jahren und ich war einigermassen erstaunt, wie umständlich seine Sprache und seine Gedankengänge damals bisweilen waren. Es ist wirklich kein Meister vom Himmel gefallen. Marias ist heute natürlich absolut routiniert und professionell geworden. Aber - und das darf man vielleicht auch nicht verschweigen - ich glaube, ein erfolgreicher Romanschriftsteller hat einen ziemlich monotonen Beruf. Dem wäre nur die Reiseschriftstellerei vorzuziehen, wie sie Noteboom betreibt. Noteboom kann immerhin die Hälfte des Jahres in der Welt herumreisen, um die andere Hälfte in seiner Villa im Mittelmeer darauf zu verwenden, seine Zettelchen zu ordnen und in eine sinnige Reihe zu bringen. Ich bin sicher, Schreiben erfordert noch mehr Selbstdisziplin als Malen. Meine Selbstdisziplin ist nicht mehr so hoch, wie sie früher war. Und ich hatte mich in all den Jahren nicht besonders um die Endprodukte bemüht. Ich habe Zeichnen, Malen und Schreiben immer mehr zum eigenen Vergnügen gemacht und nie auf ein Werk gezielt. Aber heute denke ich, es wäre schön, wenn etwas Bleibendes resultieren könnte. Die Bilder, die ich vor gut 10 Jahren gemacht hatte, gefallen mir heute besser als damals. Damals hatte ich sie stets mit hyperkritischen Augen angeschaut. Ein Freund aus dem Club, Modejournalist und sehr künstlerischer Typ, ermuntert mich immer wieder, zu malen. Aber, das ist vielleicht mein Schicksal, ich bin kein Monomane. Ich kann mich nicht bloss auf ein Ding konzentrieren. Ich liebe die Abwechslung. Ich lasse mich gerne ablenken. Ich bin - um es in einem Wort zu sagen - ein bisschen flatterhaft. In dieser Hinsicht bin ich ja auch noch ziemlich modern.



Montag, 14. Januar 2019

Sonntag, 6. Januar 2019

Wieder hier ...



Fortsetzung

So, mein lieber Mausfreund, ich bin wieder ganz bei dir. Natürlich hätte ich noch einiges zu tun aber ich würde sowieso an dich denken und wenn ich dir zuerst schreibe dann kann ich nachher mehr ungestört arbeiten. :-)
Das Essen hat sehr gut geschmeckt. Auch die Nachspeise ;-)

Du bist sehr schlau glaube ich. Schreibst mir welchen Rat du deiner Tochter gibst. "Eine Frau muss die grenzen setzen u.s.w. " und ich denke vielleicht ist es auch an mich gerichtet. Du willst dass ich unsere §§§ überwache und dir helfe sie zu respektieren ;-) Nun glaube ich doch, dass einiges erlaubt ist in einem Mausleben was man vielleicht nicht in dem "real life" tun würde. Und wozu überhaupt ein Mausleben leben wenn es dem anderen genau ähnlich sein soll?

Ich mache so gern Ausflüge mit dir in unseren Favoritstädten, verbringe ein paar Stunden mit dir auf der Champs-Elysées, ruhe mich nach dem wandern etwas aus auf einer Bank im Jardin du Luxembourg, gehe in Muséen und lasse mich von dir unterrichten. Vielleicht gehen wir am Abend in die Oper oder in eines der vielen Theater. Nachher spazieren wir durch die Tuilerien, wo die Bäume in der Nacht so schön von unten beleuchtet sind, zurück zu unserem Hotel...
Am Tag gehen wir auch in verschiedene "librairies" die du so gern magst und besuchen die rue Mouffetard wo wir uns Obst und Gemüse kaufen, das wir dann am Nachmittag mitnehmen zu einem Ausflug in den Bois de Boulogne. Du hast dazu eine Flasche guten Wein besorgt. Es ist schön davon zu träumen..
*
Damals als wir nach Luleå flogen übernachteten wir zuerst in der zentral belegenen Wohnung meines Schwiegervaters. Am nächsten Morgen nahmen wir den Bus in nördlicher Richtung. Noch 70 Kilometer mussten wir fahren. Es war ein schöner sonniger Tag als ich zum ersten Mal zu dem Haus kam wo ich seitdem so viele schöne Sommer verbracht habe. Ein Mann kam uns auf dem Hof entgegen und schloss mich in seine Arme und sofort fühlte ich mich zu Hause. Es war mein lieber Schwiegervater.

Vom Bus aus fand ich wohl die Landschaft etwas karg. Platt und steinig kam sie mir vor. Viel Wald. Aber als ich den Fluss sah war ich überwältigt von der Schönheit der Natur. Von der grossen Bauernküche sieht man direkt hinunter auf den Fluss hinter dem Haus.



Man muss einen steilen Hang runter gehen.



Da stehen grosse Kiefern, Tannen und Birken und man kann Heidelbeeren und später im Herbst auch Preiselbeeren direkt hinter dem Haus pflücken.



Es dauerte viele Jahre bevor ich begriff warum das Licht dort so besonders ist. Der Fluss reflektiert nämlich die Sonnenstrahlen und beleuchtet somit das Laub der Bäume auch von unten. Deswegen badet die ganze Natur in Licht. In einem späteren Mail werde ich dir erzählen wie wir dort unsere Ferien verbringen.
*
Du hast mich gefragt was ich mit dem Turmbauen meine. Ich glaube du weisst es schon, aber kann es natürlich trotzdem erklären. Du machst dir ein Bild von mir, verleihst mir verschiedene Eigenschaften und ich werde dadurch immer "vortrefflicher" in deiner Fantasie. Wenn ich dir dann schreibe kann es passieren dass du einiges wieder streichen musst also könnte man sagen dass ich mit meinen "Steinen" dein Gebäude etwas zerstöre. Ich glaube wenn du mich selbst "bauen" könntest, würde es ein sehr schöner Turm werden.
Und an diesem schönen Traumgebäude würdest du dann hochklettern und versuchen den Himmel zu erreichen..

Kennst du dieses Rilkegedicht?

Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden
in welchen meine Sinne sich vertiefen;
in ihnen hab ich wie in alten Briefen,
mein täglich Leben schon gelebt gefunden
....

Ich verlasse dich nun für heute (d.h. den PC aber sicher noch nicht dich)
Gute Nacht, mein lieber Mausfreund
Marlena


Samstag, 5. Januar 2019