Sonntag, 31. März 2024

Sehnsucht

 

 Sehnsucht von Heinrich Vogeler 

   

     Motto            

Das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewoge
und keine Heimat haben in der Zeit.
Und das sind Wünsche: leise Dialoge
täglicher Stunden mit der Ewigkeit.

Und das ist Leben. Bis aus einem Gestern
die einsamste von allen Stunden steigt,
die, anders lächelnd als die andern Schwestern,
dem Ewigen entgegenschweigt.



Rainer Maria Rilke, 
3.11.1897, Berlin-Wilmersdorf





Donnerstag, 28. März 2024

Tropfnasserdonnerstagmorgen

 

Ämne: Tropfnasserdonnerstagmorgenumsiebeninderfrüh

Datum: den 25 mars 08:10


Liebe Malou
Höre ich richtig? Du hast wieder ein Mail in den Wind gesetzt? Das hört sich an wie Flaschenpost, die man, wie Du weist, irgendwo und irgendwann aussetzt, in der Hoffnung, irgendjemand würde sie dann finden. Nein, soviel Gottvertrauen sollte verboten sein.

Lustig der Name Marienberg. Klingt wie ein Pilgerort mit einer grossen, schönen Kirche auf dem Berg oben, wohin die Menschen an hohen kirchlichen Feiertagen herpilgern, um in sich zu gehen und den lieben Gott wieder einmal zu fragen, was er denn meint zum bösen Lauf unserer, oder vielleicht besser ‚seiner’ Welt. Wenn man denkt, dass in der alten Zeit viele christliche Kirchen an Standorten und auf den Mauern von alten Gebäuden des Mitrakultes gebaut worden waren, und wenn man bedenkt, dass nach der französischen Revolution Kirchen in Ställe und Munitionslager umgebaut worden waren, so kann man sich heute leicht vorstellen, aus einer hübschen gotischen Kirche ein grosses Einkaufszentrum zu gestalten. Na ja, es wäre vielleicht ein bisschen hoch mit seinen Spitzbogenfenstern. Und in die Türme könnte man je einen geräumigen Lift einbauen, mit dem man oben das gemütliche Turmcafé erreichen kann. Man hat von dort oben einen hübschen Ausblich über die Stadt, die sich den Marienberg hinunterzieht. Und die Beichtstühle im Erdgeschoss werden als Kuschelecken von den jungen Kunden geliebt, wo sich die Neuverheirateten oder solche, die es werden wollen, eng an einander schmiegen können, um sich von den Strapazen des Einkaufs ihrer Haushalteinrichtung zu erholen.

Was Du über die Wahrheiten sagt, zeigt, dass Du echt platonisch denkst. Das haben wir ja schon bei der platonischen Liebe festgestellt. Platonische Liebe, platonische Wahrheit, ist alles einerlei. Auf jeden Fall ist es natürlich auch tief katholisch, so wie das alles eben nur auf dem Marienberg sein kann.

Wenn ich Dich heute nach L. einladen würde, müsstest Du den Perlzmantel einpacken. Und vielleicht ein paar hohe, wasserdichte Stiefel. Es ist fotzeliges Wetter, so dass man keinen Hund auf die Strasse lassen würde. Heute Morgen, als ich mir mein Frühstück bereitete, hat es sogar geschneit. Jetzt regnet es unverdrossen. Vom Kamin im Haus gegenüber steigt ein kleines Räuchlein. Dort wird offenbar tüchtig geheizt. Und die Strassen sind leer. Kein Mensch geht bei einem solchen Wetter vor die Tür. Keiner!

Heute habe ich um 10 eine Sitzung in Basel, deshalb bin ich mit dem PW hergefahren. Und so konnte ich auch vermeiden, all zu lange durch die Nässe zu gehen. Als ich früher ab und zu bei meiner Oma in Liestal in den Ferien weilte, war ich stets erfreut über die feuchten Strassen nach dem Regen, die kleinen Weglein, die oft mit Moos und oder feuchtem Laub belegt waren. Das fand ich ganz ausserordentlich angenehm und komfortabel weich, denn vom Wallis her waren wir Feuchtigkeit nicht gewohnt, dort war alles trocken, hart und spitzig

Was in aller Welt ist Distanzunterricht? Lass mich raten. Dort lernt man die Distanzen im Wiestaleltall, die Kilometerzahl von der Erde zum Mond beispielsweise, oder jene bis zum Mars. Solch einen Unsinn mussten wir mal lernen. Ach nein, jetzt erinnere ich mich: Distanzunterricht ist Unterricht zuhause, damit die Schüler, die einen weiten Weg haben, zuhause bleiben und von der Zeit profitieren können. So was gibt es bestimmt auch in Australien, wo Kinder über das Radio instruiert werden. Ach wie wünschte ich mir Distanzunterricht. Ich würde mich im Bett unterrichten und vorerst mal alle meinen alten Träume repetieren. Vielleicht sogar auswendig lernen, wenn das gefragt wäre. Und um 10 liesse ich mir - am Bett - einen süssen Espresso servieren, um so organisch zur Lektüre der Tageszeitung über zu gehen, und um schliesslich bei irgend einer hübschen Lektüre zu landen. Wenn es hoch kommt, würde ich zum Mittagessen aufstehen. Aber dann gleich für die Siesta wieder abtauchen. Siesta ist auch eine Art Distanzunterricht. Man versucht dabei, von der Hektik des Tages ein wenig Distanz zu gewinnen. Und nach 16Uhr würde ich mir die Freiheit nehmen, schulfrei zu machen. Denn die Zeit brauche ich natürlich für meine Hausaufgaben. Ach, wie wünschte ich mir Distanzunterricht, und warum - zum Teufel - ist die Schweiz ein so kleines Land, wo jeder kleine Lausbube in einer halben Stunde auf dem Schulhof sein kann, um die Fenster des Schulhauses mit Schneebällen zu bewerfen.

Von den Tauben heute morgen natürlich keine Spur. Wo wohnen sie bloss? Ich meine, haben sie eine feste Adresse? Vielleicht in einem Gartenhaus, wo sie durch die Luke einsteigen können, um es sich in der Ecke auf den Stuhlpolstern gemütlich zu machen und ihre Orgien zu feiern? Oder in einem Dachstock, rundum behangen von Spinnennetzen, wo es trocken ist, was Tauben bestimmt mögen? Übernachten sie in grösseren Gruppen oder bloss zu zweit? Gibt es auch Singles, die sich jede Nacht woanders verkriechen und Wärme suchen? Ach die Tauben, man weiss so wenig über sie.

In Basel ist man dran, Abfalltrainer auszubilden. Sie werden später die Aufgabe haben, die Bevölkerung aufzuklären, besonders auch fremdsprachige Menschen, wie man mit dem Abfall umzugehen hat. Abfall ist ja bekanntlich geradezu zu einer Wissenschaft geworden. Die Pet-Flaschen, die Glasflaschen, die Büchsen, das Papier, die Küchenreste: alles wird separat gesammelt und recyclet. Ach, die guten alten Zeiten sind vorbei, wo man die Dinge einfach so wegwerfen konnte. Heute überlegt man sich die Probleme schon beim Einkauf, und man zögert.

Jetzt habe ich die Tauben erspäht. Es ist eine Gruppe von 15 bis 20 Tieren. Und sie fliegt in unregelmässigen Kurven grosse 8-förmige Figuren über verregneten Ort. Wahrscheinlich werden sie sich später auf dem Dach gegenüber am Wasserturmplatz über diese Frühgymnastik brüsten und sich dabei die Schnäbel zerreissen. Sie fliegen alle so überzeugt. Keine scheint zu zögern. Keine will ausbrechen und sich ausruhen. Es sieht aus wie ein eine gut verabredete Sache.

Ach, es ist schon spät. Ich muss mich meinen kleinen Sorgenkindern widmen, die hier auf dem Pult und überall im Büro herumliegen. Die armen Waisenkinder warten nur darauf, dass man sich mit ihnen beschäftigt.
Ich wünsche Dir einen schönen Tag.
Mit l GuK
...



Dienstag, 26. März 2024

Oh Sweet song




Blauer Geiger Marc Chagall

LIEBESLIED

Wie soll ich meine Seele halten, dass
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
 nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich
der aus zwei Saiten e i n e Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süsses Lied.


(Rainer Maria Rilke)

 (Capri 1907)






                                           




Montag, 25. März 2024

Waffeltag

 

Lieber ...,

(---)

Am 25. März ist in Schweden der Waffeltag, "Våffeldagen", und überall werden die Waffeleisen hervorgeholt. Ich habe mir gerade ein neues gekauft, das ich schon heute ausprobieren möchte. Waffeln mit Multbeeren-sylt und Schlagsahne drauf... hmm wie lecker! Ich zitiere einen Artikel:

"Ein Blick in einen deutschen Kalender zeigt, dass heute auch "Mariä Verkündigung" ist, und die Vermutung, dass es da einen Zusammenhang gibt, ist in der Tat richtig. Denn eine alte Bezeichnung für diesen Tag ist "Vårfrudagen", also in etwa "Tag unserer Frau". Ein schlichtes Missverständnis oder Verschleifung hat dann aus dem "Vårfrudagen" den "Våffeldagen" gemacht.
Ein schönes Beispiel, wie christliche Traditionen in Schweden ihren religiösen Charakter verlieren und in den Alltag übergehen, in dem Religion im Allgemeinen eine sehr geringe Rolle spielt."

Ich schreibe dir mehr später heute.
Bis dahin alles Liebe und Gute
mit Gs und Ks und Qs
Malou

Samstag, 23. März 2024

Amsel

 

Kolstrast

Lieber...

Danke für dein liebes Frühlingsmail. Ja, die Amsel. Kein anderer Vogel singt so schön wie sie... oder lass mich sagen er. Denn er ist es, der uns mit seinem schönen Gesang begeistert.
Erinnerst du dich noch an das Bild damals zu Weihnachten. K wollte den Baum etwas unten absägen und neben ihm stand eine kleine Amsel, die ihren Apfel bewachte. Sie wich nicht von seiner Seite.

Ja, es gibt sie auch bei uns in Schweden. Aber nicht im ganzen Land, wie du auf der Karte sehen kannst. Sie ist sogar unser Nationalvogel.

Du kannst sie auch hören:   ♫ Koltrast - lyssna till sång / läte / ljud. (xn--fgelsng-exae.se)

Leider kann ich sie selten live hören wie du. :-( 

Ich grüße dich lieb und wünsche dir einen guten Start in die neue Woche. 

Kuss
Malou

https://sv.wikipedia.org/wiki/Koltrast#/media/Fil:Regenwurm1.jpg




Donnerstag, 21. März 2024

Re: Kleiner Schmunzler ...

22 febr. 

Re: Kaffe Fertig gefällig ?

Liebe Malou

Ich habe wirklich geschmunzelt bei diesem Berner Oberländer Witz. Es gibt davon sicherlich noch viele. Aber dieser ist gut, weil er durch seine Länge eine gewisse Spannung erzeugt. Allerdings ist er nicht einfach zu erzählen mit gleich drei verschiedenen Deutschvarianten von Ausländern. Ich werde ihn mit B ausprobieren. Ihre Mutter war Berner Oberländerin. Sie wird ihn sicherlich geniessen. Merci dafür Malou. Woher hast du ihn gefunden?

Was die Rechtschreibung betrifft, so ist alles korrekt - mit all den Unkorrektheiten der Emigranten-Idiomen. Aber 'Berner' Oberländer, oder 'Berneroberländer' schreibt man gross. Das ist auch für uns immer eine Tücke. 'Berner' schreibt sich gross, aber 'bernerisch' beispielsweise nicht. So mindestens glaube ich, mich an die Instruktionen des Duden und der Schule zu erinnern.

Heute morgen habe ich sie gehört. Schon um 6 Uhr, als ich mein Schlafzimmer gelüftet habe. Ja, man kann es kaum glauben. Es war noch stockdunkel draussen. Und wenn ich die gegenüberliegenden Häuser und Strassenzüge beobachte, muss ich feststellen, dass ich wohl in Basel der einzige bin, der schon vor 6 Uhr aufsteht. Ausnahme ist eine Person gleich gegenüber. Ich glaube, sie ist blind oder doch mindestens sehbehindert. Deshalb lässt sie auch stets ihre Storen und Läden offen. Sie ist auch eine Frühaufsteherin. Ich kann sie manchmal sehen, wie sie in ihrem Büro herumtastet und Dokumente liest mit der Nase praktisch auf dem Papier.

Und dann habe ich meinen Zug nach Visp und Milano erreicht. Er ist immer gut besetzt. Viele Menschen scheinen heute längere Arbeitswege zu haben. Ich denke, die meisten von denen arbeiten in Bern. Die Reisezeit beträgt ca. 1 Stunde. Auch die Visper erreichen Bern jetzt innerhalb einer Stunde. Sie können also gut dort arbeiten. Und es scheint mir wirklich, als ob man in Bern oft Walliserdeutsch höre. Ich höre es rasch, oft bloss schon aus der Melodie der Sprache.

Ach ja, was ich sagen wollte. Heute morgen habe ich erstmals eine Amsel singen hören. Natürlich war es ein Amselrich. Er war laut und deutlich. Habe ich so nicht erwartet, denn meine Fenster gehen auf die Quartierstrasse hinaus. Ich muss - wenn ich mal mehr Zeit habe - herausfinden, wo sie sitzt. B hat eine Amsel in ihrem kleinen Garten hinter dem Haus, auf ihrem alten Quittenbaum. Das ist sehr schön. Und früher habe ich sie auf dem Hausfirst gegenüber gesehen, wenn ich aus dem Haus in Itingen getreten bin. Ich habe das erst in den letzten Jahren schätzen gelernt. Früher hatte ich kaum ein Ohr dafür. Eigentlich schade. B weiss sogar das genaue Datum, wann die Amsel anfängt zu singen. Und auch das des Schlusskonzertes, im frühen Sommer glaube ich. In ihrer Familie hat man die Natur eingehend und aufmerksam beobachtet. Dazu gehört auch die Kenntnis der Pflanzen, Vögel und natürlich Schmetterlinge.  Gibt es auch Amseln in eurer Region?

Heute habe ich ein ziemliches Programm hier im Büro. Abends fahre ich nach Bern. B hat ein paar Freunde zum Nachtessen eingeladen. Ich muss mich sputen, um rund um 19h dort zu sein.

Ich wünsche dir ein feines Wochenende.
Liebe Gs und Ks

...

Mittwoch, 20. März 2024

Kleiner Schmunzler gefällig?

 

Lieber ... ,

Hier ein kleiner Gruss bevor du Feierabend machst.
Viel Spass!
Malou


Die Berner Oberländer sind schnell zufrieden.


Ein Albaner, ein Berner Oberländer, ein

Pole und ein Türke retten eine Fee und
jeder hat einen Wunsch frei.


Der Pole:

"In Polän wir haben nich alle Auto. Ich wollen, das ale Polen haben eine Mercädäs."
Die Fee schnippt mit den Fingern und alle Polen haben einen Mercedes.



Der Albaner:

"Konkret seit Krieg geht's uns immer  schleschter. Viele haben Problem weil kein Geld und keine Abeit, alles wird deurer und de Politik ist schlechter als vor dem Krieg und alle Häuser sind Ruinen. Wir brauchen konkret mehr Geld. Oder hasch  Problem damit?"
Die Fee schnippt mit den Fingern und die Häuser glänzen in frischen Mauern und jeder Albaner hat genug Geld auf seinem Konto.


 
Der Türke:

"Ey, isch bin de krasse Mehmet. Isch wünsch mir für jede Türken oberkrasse Harem mit 1000 korrektgeile Frauen mit rischtig dicke Dinger.  Ey... und solln koche könne!"
Die Fee schnippt und alle Türken sind stolze Besitzer eines solchen Harems.


 
Dann ist der Berner Oberländer an der Reihe. Er grübelt einen Augenblick und meint dann:


 "Tja, mau luägä......... d'Polä chlauä keni Outo meh, 
d'Türggä löh üsi Wyber i Rueh, u d'Albaner göh aui hei..... Auso, ig nimä es Kafi-fertig, merci!"








Donnerstag, 14. März 2024

Last call this week


Liebe Marlena

Jetzt bin ich gerade vom Mittagessen zurückgekommen und eigentlich in ganz lockerer Laune. Du sollst davon profitieren. Eigentlich war es Ss Geburtstagsessen. Aber wir haben es nicht allzu gross gemacht. Wir sind in einem Alter, da man sich nicht mehr zu sehr vorfressen sollte. Und so sind wir in ein Chinesisches Lokal hier in L.. gegangen. Eigentlich ist es gleich hier vis à vis. Ich habe nicht mit Stäbchen gegessen, denn so sehr ist meine Linie auch wieder nicht gefährdet. Und S. schliesslich auch nicht. Wir haben ein kleines Menü genommen und uns dabei erinnert, dass wir zum erstenmal vor 30 Jahren in London chinesisch gegessen haben. Ich glaube, es war die Gegend Soho, ein etwas dunkles Lokal im ersten Stock. Man musste eine enge Treppe hinaufsteigen, und ich hatte den Eindruck, das wirke dort alles wie in einem Hintertreppenroman. Aber es war dann ganz ordentlich und eigentlich war das Essen damals auch nicht so sehr wichtig. Zu jener Zeit haben wir noch hauptsächlich von Luft und von Liebe gelebt. Wer weiss, wie dick die Stadtluft sein kann, der wundert sie nicht, dass sie - gut gekaut - eine üppige Zwischenmahlzeit abgeben kann.
*
Habe ich Dir mal von meinem London-Aufenthalt mit Victor erzählt? Wenn nicht, muss ich das bei Gelegenheit mal machen. Das war wirklich eine grosse Zeit und von daher stammt auch meine Liebe zu den britischen Inseln. Mittlerweile hat diese Liebe ja ein bisschen gealtert und Furchen abbekommen. Aber im Tiefsten ist sie immer noch ein klein wenig da. Und sollte ich sie brauchen, so könnte ich sie jederzeit wieder hervorkitzeln. Sie wartet eigentlich nur darauf, wieder mal wachgeküsst zu werden. Aber zur Zeit gibt es danach keinen Bedarf.
*
Ich hoffe, wir werden ein hübsches Wochenende haben mit ein bisschen Sonnenschein und guter Laune. Und das wünsche ich Dir und den Deinen dort oben auch.
Mit lieben Grüssen
...

Dienstag, 12. März 2024

Re: Weekend

Ämne: Re: weekend
Datum: den 9 maj  13:14


Lieber...,
Bin ich wirklich schon mal wortkarg gewesen? Kann ich mir garnicht vorstellen. Und ich bin mir auch garnicht bewusst, dass ich dir diesmal viel geschrieben hätte.
Ja doch, es ist wirklichlich bald vier Jahre.. naja genauer gesagt 3,5 Jahre her, das wir uns kennengelernt haben. Man sagt dass das ungefähr 25 Jahre im RL entspricht. Und es freut und wundert mich zugleich, dass wir immer noch so beharrlich miteinander korrespondieren.
Aber weisst du, neulich einmal, als du geschrieben hast du hättest dir vorgenommen "ein Mail pro Tag" zu schreiben, da bin ich etwas erschrocken. Wenn ich mir so was vornehmen würde, würde ich es sofort als eine Pflicht betrachten und es würde mich in Stress bringen. Es klingt auch etwas ähnlich wie "eheliche Pflicht" oder lass uns sagen "virtuelle Pflicht". Gott sei Dank habe ich immer noch grosse Lust dir täglich, manchmal sogar mehrmals täglich, zu schreiben. Und es ist mit der Zeit sogar etwas leichter geworden. Wie kann ich dir das erklären? Früher waren meine mails immer viel länger als die, die du schliesslich an deinem PC gefunden hast. Es stand unendlich viel zwischen den Zeilen. ;-) Ich habe gelernt mich etwas leichter zu zensurieren..
*
Ach, oben unter dem Dach also? Genau wie ich. Sogar ein schräges Dach, das dem Schlafzimmer ein bisschen den Eindruck von einer Hütte verleiht. Irgendwie kuschelig und gemütlich. Und mein Fernseher steht in dem grossen Allraum, der fast das ganze obere Stockwerk ausmacht. Neben dem Schlafzimmer liegt dann noch Annas Zimmer (heutzutage meine Rumpelkammer, ja leider!) und ein kleines Badezimmer samt Garderobe. Eigentlich eine Kammer. Und vom Fenster im Allzimmer habe ich Ausblick über die Felder und den Garten. Es gibt auch einen Balkon. Du siehst, ich habe ein eigenes kleines Appartement, nur für mich allein. Aber wenn ich dir schreibe tue ich es hier unten in K's Büro an dem kraftvollen PC. Oben habe ich auch nicht Internetanschluss.
*
Ja, du hast Recht. Das Wort "bohemisk" gibt es nicht im Deutschen. Eines von den schönen Wörtern die kein direktes Gegenstück haben afu deutsch. Und doch ist es ein so vielsagendes Wort. Du solltest es ganz einfach importieren. :-) Ich habe übrigens schon öfters Wörter verwenden wollen, die keine direkte Übersetzung haben. Sie zu beherrschen ist die Seele einer anderen Sprache zu kennen.
*
Ach, eigentlich hatte ich ja nicht Alva Myrdal als Vorbild. Aber diese Ehe, mit zwei freien Persönlichkeiten, die trotz der räumlichen Entfernung (kam ja öfters vor) zusammenhielten, hat mir imponiert. Vielleicht ein Bisschen wie Sartre und de Beauvoir, aber die späteren hatten wohl keine sexuelle Beziehung. Das finde ich auch etwas komisch. Du nicht?
*
Es ist lustig, wie ich dich konkret vor mir sehen kann. Du schreibst mir so schön von deinem Alltag, dass ich dich wirklich beobachten kann. Ich sehe dich auf den Strassen von Basel, in der Sonne, ein wenig von Wind umweht und ich schmunzle wenn du plötzlich vom Weg abweichst und in einen Bücherladen hineinschlüpfst. Wie lustig du das beschrieben hast, wenn du ein Buch herausnimmst aus dem Regal.. Für solche und ähnliche Schilderungen sollte man dir einen Nobelpreis in Literatur verleihen. Kümmere dich nicht um die Sils-geschichte. Sicher waren nicht besonders begabte Leute in der Jury. Persönlich finde ich du solltest deine Memoiren schreiben. Tust du ja übrigens schon und ich hebe sie auf. Denn ich bin ganz sicher, dass sie einmal später gelesen werden, als ein literarisch hochstehendes Zeitdokument wenn nicht anders.
*
Ja, die Kinder sind  unsere Achillesferse. Das ist sehr gut ausgedrückt.

So lasse ich dich nun, mein lieber Mausfreund. Und ich hoffe, dass du mir bald wieder schreibst und nicht nur aus Pflicht.

Mit lieben Grüssen
Marlena 

PS Will nicht unser zweites Thema vernachlässigen: Sonne und leichter Wind!



Weekend

 

Subject: weekend
Date: Fri, 9 May  08:11

Feuerwehr oder Schwemme

Liebe Marlena
Drei Mails, womit habe ich das verdient? Ist das der Frühling oder gibt es noch andere Gründe? Und dazu hast Du noch ein langes und zähes Mail gar nicht geschickt, sondern zum Teufel gejagt? Das ist nicht leicht zu verstehen. Manchmal bist Du geradezu wortkarg, dh. wohl überbeschäftigt mit anderen Dingen. Und nun dieses!
*
Aber es freut mich natürlich, dass Du Dir soviel Zeit nehmen kannst. Und ich muss zusehen, dass meine Reaktionen entsprechend sind. Sonst bist Du enttäuscht, weil Du denkst, ich würde das alles gar nicht so genau lesen. Du siehst, Marlena, ich bin in Stimmung wie in einer Schulprüfung. Das ist mich gar keine schlimme Situation. Ich kann nicht behaupten, dass ich Prüfungen liebte, dass ich sie mir gerne selbst verschrieben hätte. Aber wenn es sie gab, dann hab ich diese leichte Anspannung geliebt, diese Situation: jetzt wollen wir mal sehen, was daraus wird.
*
Den langen Lebenslauf von Alva Myrdal habe ich kurz überflogen. Er ist wirklich sehr lang und sie scheint eine ausserordentliche Frau gewesen zu sein. Ein aussergewöhnliches Paar muss man wohl sagen. Sartre und Beauvoir sind mir in den Sinn gekommen. Was an ihrem Leben auffallend ist, dass sie viele Stationen hat. Und immer wieder hat sie für einige Zeit studieren können. Das muss sehr bereichernd sein. Das Studium in Genf hängt bestimmt mit Piaget zusammen. Er war in seiner Zeit der grösste Psychologe, durchaus vergleichbar mit Sigmund Freud (der ja nun, wie wir wissen, eigentlich kein Psychologe war). Und im Alter ihr Einsatz für den Frieden, für den sie offenbar auch den Preis bekommen hat. Das war ein erfülltes Leben. Und ich bin beeindruckt, dass Du Dir eine solche Frau als Beispiel vorgenommen hast. Es ist schön und gut, einen solchen Stern zu haben.
*
Und dann kommt das Buch des Sohnes heraus .... Missgeburt finde ich ein hartes Wort. Ich sage immer, die Kinder sind die Achillessehne der Familie, respektive der Eltern vielleicht sogar. Es gibt doch Lebensarrangements, die viel verstecken können, die hinter einer wunderbaren Fassade offenbar blendend vorankommen. Die Kinder zeigen aber, wenn etwas fehlt, wenn Verzerrungen vorhanden sind. Man kann nicht sagen, dass die Kinder die Wahrheit darstellen, denn die Wahrheit ist vielleicht das Ganze. Aber sie zeigen eine Korrektur, eine Reaktion, oder wie man das immer nennen will. Dass das Gesamtarrangement jedem Mitglied der Familie die ihm eigenen Möglichkeiten lässt, das ist eben das Wichtige. Gut möglich, dass die Reaktion des Sohnes mit der Enttäuschung des Vaters einhergeht. Deshalb finde ich wichtig, dass auch die Eltern von ihren Kindern lernen. Das gesamte System muss eine Balance haben, dann können einzelne Mitglieder durchaus ein bisschen ins Extreme abgleiten. Aber vielleicht spreche ich da von einer Zeit, als die Familie noch unser Lebensmittelpunkt war. Heute ist das nicht mehr für alle Menschen der Fall, denke ich. Oder man nimmt die Freundschaften von diesen modernen Singles sozusagen als eine imaginäre Familie. Das ist nicht undenkbar. Und auch der Gedanke, dass Singles nicht asozial, sondern besonders sozial seien, ist nicht ohne. Ihre sozialen Beziehungen sind alle bewusst gewählt und nicht einfach standesmässig per Geburt entstanden. Das ist natürlich an sich modern. Bestimmt ist es ziemlich schwer, sehr erfolgreiche Eltern zu haben. Kinder wollen doch ihre Eltern erreichen, wenn nicht überholen. >Was mich betrifft, so bin ich mit meinen Kindern durchaus zufrieden. Gut, ich hätte mit ihnen gerne Latein gelernt und alte Autoren nochmals übersetzt. Aber dieser Wunsch war doch wohl etwas egoistisch. Damit hätte ich mir gerne alte Erinnerungen zurückgeholt. Aber dennoch: gestern Abend habe ich 4 Lernhefte von Duden rezensiert über Grammatik und Syntax mit all den Bezeichnungen sind mir noch ziemlich präsent. Ich glaube Strukturen qua Texte, dass man damit viel von Sprache im allgemeinen mitbekommt. Manchmal denke ich, ich hätte Linguistik lernen sollen. Das hätte mir auch gut gefallen.Und in anderen Aspekten weiss ich, dass meine Töchter viel mehr können als ich es konnte. Sie kennen sich im Leben viel besser auch, als ich es je getan hatte. Und sie arbeiten schon mit ihren 16 bis 20 Jahren, wie ich es wohl kaum je gemacht hatte. Natürlich hat S viel geleistet. Sie ist ein Mensch, der mehr vom Können als vom Wissen ausgeht. Sie hat die Devise: alles ist möglich. Und alles, was man will, soll man ausprobieren und sich nicht mit zuviel Wissen oder eben Unwissen verunsichern lassen.
*
Meine Morgenmails kommen wahrscheinlich aus der linken Hirnhälfte, und jene am Abend kämen von rechts. So lautet die offizielle Theorie, oder nicht? Ich glaube nicht so sehr daran, obwohl ich manchmal auch von diesen Vorstellungen rede. Aber vielleicht sind sie eine Möglichkeit, sich mit diesem hochabstrakten Gebilde, wie das Gehirn eines ist, zu beschäftigen. Es sind so gewissermassen Trends, davon zu reden. Wer ein Buch über Lerntechniken redet, der muss diese Ideen berücksichtigen. Vielleicht ist das auch nur eine Reaktion, um die Nachteile der Linkshänder zu korrigieren, so wie man vor Jahren die Devise aufgebracht hatte: Black is beautiful, oder small is great oder so ähnlich. Man will einen Wechsel der Optik herbeiführen, einen Paradigmawechsel, wie man heute sagen würde. Aber die Ideen wirken natürlich auch, wenn man nicht daran glaubt .... Ich habe mich selbst immer für einen Ambitexter gehalten, also schliesslich einen, der beide Hirnhälften in Bewegung bringen kann. Aber das habe ich allermeist an meine Vorliebe für Malen und Zeichnen und Bilder im allgemeinen geknüpft. Auf jeden Fall war ich nicht einseitig wie viele junge Menschen heute, die entweder mathematisch-technische Fächer lieben oder dann sprachliche. Ich war erstaunt, als ich kürzlich mein Maturazeugnis wieder angeschaut hatte, dass ich doch in sprachlichen Fächern leicht besser war. Von meinem Selbstverständnis her, und wahrscheinlich auch vom Einfluss meines Vaters, hatte ich mich damals für einen homo technicus genommen. Ich liebte Latein, Englisch, Sprachen, Kunstgeschichte, aber das waren nur kleine Hobbies. In meiner Vorstellung waren Mathematik, Geometrie, Physik die eigentlichen Aufgaben des Lebens. Aber was wir in Biologie beispielsweise lernten, war lächerlich. Und Chemie habe ich nie begriffen. Wirklich nicht begriffen.

*
Ja, bohemisch ist ein gutes Wort. Obwohl wir das im Deutschen kaum hören. Gibt es das Wort überhaupt? Aber es sagt genau das Richtige. Das ist ein hübsches Wort für die Unordnung, die oft damit zusammenhängt. Ich schlafe im Fernsehraum unter dem Dach. Das ist nicht das Wohnzimmer. Wäre doch wohl etwas krass, wenn ich im Wohnzimmer schlafen würde. Das wäre zu absolutistisch, vor allem in unserem offenen Haus, wo alles durch das Wohnzimmer geht.
*
Ich kämpfe um stabile Gewohnheiten. Und ich fange an, sie zu beachten, bis mir wieder neue Ideen kommen. Sicher habe ich einige Konstanten in meinem Leben. Aber ich lebe eben auch sehr aus dem Bauch. Ich liebe es, in die Stadt zu gehen ohne irgendwelche genauen Pläne, einfach so. Dann lande ich in den Buchladen, beim Zeitungslesen in Café, vielleicht in einem Museum, im Basler Münster, am Rhein. Es ist nicht besonders extravagant. Aber es ist nicht geplant. Wenn ich lese, habe ich gerne zwei oder drei Bücher vor mir, damit ich auswählen kann, wonach ich gerade Lust habe. Ich bin nicht launisch. (Unter launisch verstehen wir Menschen, die gelegentlich mit schlechter Laune herumgehen, die unerträglich sind, die in solchen Momenten ohne speziellen Grund widrig anzuschauen und nicht auszuhalten sind). Aber ich brauche Abwechslung. Die reine Repetition, sogar der Gedanken daran, macht mich krank. Strenge Gewohnheiten halte ich für etwas Tierisches. Es gibt doch diese hübschen Bilder v.a. Bonnards, der seine Frau bei der Toilette gemalt hat. Diese monotonen Gewohnheiten, die jeden Tag kommen und soviel Zeit in Anspruch nehmen, ich halte sie wirklich für animalisch, ein reines Ritual mit dem eigenen Körper ohne produktiven Sinn, reine Wiederherstellung. Das macht auch den Reiz der Bonnard-Bilder aus: die Frau bei ihrer eigenen Wiederherstellung
*.
Und eine 4 Jahre dauernde Korrespondenz? Ist es 4 Jahre? Du jagst mir einen Schrecken ein! So lange? Nein, das glaube ich nicht. Wir haben gut drei Jahre, mehr nicht. Vier Jahre, das wäre ja bereits ein Gewohnheit! Das wäre ja schrecklich. Das wäre ja die Hölle des Alltages! Na ja, aber eben, die Abwechslung besteht darin, dass ich eine Zeitlang immer abends geschrieben hatte. Kannst Du Dich erinnern? Bestimmt waren die Mails, linkshirnisch viel romantischer. Jetzt haben wir die bläuliche Morgensonne, die das Leben eher entlarvt und nicht bloss verzaubert. Und dann wechseln wir ab mit Themen und Sujets. Im Moment haben wir die Lebensphilosophie und das Wetter, zwei Top-Themen, wenn man so will.
*
Habe ich Dir erzählt, dass die Silser mir für den Artikel gedankt haben. Es waren 230 Teilnehmer. 10 haben sie ausgewählt. Mir haben sie bloss gedankt. Das ist hart. Aber mit solchen Situationen muss jeder grosse Schriftsteller leben ;----))). Ich glaube, man sucht eher junge Leute. Junge Leute wissen weniger, sehen aber mehr. Das ist gesucht in der Literatur, wie mir scheint.

*
Gratulation für den Schwedischen Sieg gegen die Finnen. Ihr Schweden seid eine grosse Eishockey-Nation, das haben wir immer gewusst. Ich erinnere mich an alte Zeiten, da die Russen und die Tschechen, die Amerikaner und die Kanadier und die Schweden die Sache miteinander ausgemacht haben. Und die Schweden waren immer ein junges Team mit einem frischen Spiel. Man hat ihnen nachgesagt, sie wären erstklassige Trinker. Die Sache auf dem Eis ging mehr oder weniger nebenher. Aber das war bestimmt bloss üble Nachrede. Sie waren uns überaus sympathisch, weil sie unter den Goliaths sozusagen den David spielten
*
Ja, das Post-Beruf-Leben ist auch noch ein Thema, das wir behandeln müssen. Aber das nehmen wir uns in den nächsten paar Mails vor. Das hat noch etwas Zeit.
Ich wünsche Dir einen schönen Tag
Mit lieben Grüssen
...

Sonntag, 10. März 2024

Wieder zurück



Subject: Nochmals...
Date: Thu, 19 Feb 14:04

Lieber ...,
Ich warte immer noch auf die Handwerker. Das gehört wohl dazu. Habe eine Weile auf der Terrasse gesessen. Der Himmel ist leicht beschleiert, also kein scharfes Sonnenlicht. Im Blumenbeet leuchten Schneeglöckchen. Ich versuche mir einzubilden, dass ich nie mehr in den Beruf muss. Es will mir nicht richtig gelingen. Ich glaube man sollte sowas beizeiten üben.

Lustig, wie du über Rilke schreibst. Ich glaube nicht, dass man einen Menschen so sehr mit seinem Werk gleichstellen sollte. Tust du ja auch nicht. Denn Rilkes Werk ist viel mehr als er selbst je sein könnte. So war es doch auch mit Mozart. Die schönen tiefen Gedanken, die seine Musik bei uns erweckt, waren sicher nicht in seinem Kopf als er sie schrieb. ... Die schönsten Gedichte, die ich kenne, hat Rilke geschrieben.

Warum traust du ihm nicht zu eine Frau mit Fleisch und Blut geliebt zu haben?
Er hatte doch die Auffassung "... dass Liebe eigentlich Ferne und Verzicht ist." Ich würde es vielleicht nicht Liebe nennen, das was er da beschreibt.. aber vielleicht "maladi". ;-)) Denn Maladi ist Sehnsucht nach einer Liebe, die nicht möglich ist.  ...
*
Jetzt war der Handwerker endlich hier und hat ein bisschen gemessen. Und jetzt ist er verschwunden um das notwendige Material zu kaufen. Handwerker sollte man sein. Dann ist man König.. und verdient sicher auch königlich. :-)

So lasse ich dich nochmals. Kommst du eine Tasse Kaffee mit mir trinken?
Gruss und Kuss,
Malou

Noch ein Bild ...


Date: Thu, 19 Feb 09:44


Lieber ...,
Es freut mich sehr, dass du das Bild von Kröyer genau so magst wie ich. Und du hast es wirklich gut beschrieben. Die Harmonie und Lebensfreude, die es zeigt, gehen direkt ins Herz. Ich glaube sie müssen dort eine herrliche Zeit zusammen verbracht haben.. und sicher hat die Freude in flüssiger Form auch dazu beigetragen.

Hier noch ein Bild bei aus der Künstlerkolonie. Links Kröyer mit seiner hübschen Frau und rechts der Schriftsteller Otto Benzon.



Ich möchte dir vor allem auch danken, dass du mich auf Ungerer aufmerksam gemacht hast. Habe eine wunderbare Site gefunden, wo man über ihn und sein Werk lesen kann. Du musst dir auch die französische Variante ansehen. Dort gibt es ganz herrliche Aphorismen von Ungerer.
Ich bin etwas in Eile, komme aber später wieder. Bis dahin liebe Grüsse,
Malou


Samstag, 9. März 2024

Re: Skagen - Rilke und Ungerer


Liebe Malou

Ja, das Bild ist sehr schön. Ich mag solche Bilder, wenn ich auch weiss, dass der Stil längst vorbei ist. Er ist wohl postimpressionistisch, ungefähr so wie Bonnard und andere. Alles schaut so sinnlich und lebensfreundlich aus. Das gute Licht, der volle Tisch, die plastisch gemalten Gesichter. Es ist eine durch und durch bürgerliche Malerei, die das bürgerliche Leben geniesst. Und vielleicht sieht man auch ein bisschen von dem speziellen Licht in Skagen, wie Du darauf hinweist. Man hat ja wohl den Eindruck, das sei alles sehr realistisch gemalt, inklusive die Jungendstil Lampe, die oben hängt. Aber ist im Gegenteil sehr gut durchkomponiert. Wenn man sich die Wandaufteilung im Hintergrund anschaut, muss man feststellen, dass sich der Maler viel dabei überlegt hat. Es gibt einen guten Rhythmus quer durch das Bild hindurch. Und die schöne Rückensicht des Typen links im Vordergrund. Das schafft den Eindruck der Tiefe ins Bild hinein. Ja, man hat den Eindruck, dass man selbst auf einem Stuhl in der Runde dieser Geniesser sitzen würde. Und das Glas Rotwein im Vordergrund ist zum Greifen nahe. Daneben die dunkle Person im Gegenlicht. Schön, wie der Bart scheint. Ja, gefällt mir sehr gut. Man möchte doch dabei sein, nicht wahr. Und man fühlt etwas von der Lebendigkeit einer vergnügten Diskussion in freundschaftlichem Kreis. Muss ich mir merken, die Skagen Maler, auch wenn Du sie schon in historischer Zeit mal erwähnt hattest.

Nein, von einem Taric Ramadan habe ich nie gehört. Und er soll ein Imam sein? Das klingt doch alles eher merkwürdig. Aber so ist das in diesen multikulturellen Zeiten. Wenn man sich in fremden Kulturen aufhält, ist man vor Überraschungen nie gefeit. Ein Imam ist einer der höchsten kirchlichen Positionen in der Schia, und ich kann mir nicht vorstellen, dass einer in die USA gehen würde, um im Land des Teufels mit den Leuten des Teufels zu leben. Das muss ein echter Irrgänger sein. Oder eine Zeitungsente?

Ja, genau der Anfang des Artikels hat mir auch gefallen. Deshalb wollte ich ihn gerne zu Ende lesen. Man hört daraus, dass Rilke doch auch ein sehr merkwürdiger Kerl war, einer, mit dem man wohl nicht hätte zusammenleben können. Und auch ich habe mir vorgestellt, wie rege sein Briefverkehr kreuz und quer durch Europa gewesen sein muss. Da gab es keine Zeit zum Herumhängen. Er hat wohl wie in einer Tretmühle seine Briefe abgearbeitet. Aber ich glaube, dass die Briefe ihm ein gutes Medium waren, seine Lyrik zu entwickeln. Und sie waren ihm wohl auch so etwas wie sein Tagebuch. Na ja, vielleicht hat er daneben noch ein Büchlein geführt, wo er seine kleinen Tagesereignisse festgehalten hat. Aber ich denke, die Briefe waren ihm schon Hilfe genug, was immer er tagsüber gesehen und erlebt hat, in Schriftlichkeit zu überführen, in dieses Medium, womit er dann auch gearbeitet hat. Er war wirklich ein sublimer Typ. Und ein paar Tage glückliche Verliebtheit mit einer echten Frau aus Fleisch und Blut hätten ihn doch wohl aus der Balance gekippt.
Ich habe noch den Garten von Muzot in Erinnerung. Muss ein Märztag gewesen sein, kein Schnee mehr, aber noch immer dieser Duft in der Luft. Mein Bruder hatte noch die Wohnung oberhalb Sierre, und ich war am Nachmittag hinaufgewandert, zum Schluss über die halbtrockenen, vom Schnee plattgedrückten Wiesen. Es ist dieser Duft, der nach Frühling riecht. Aber der Frühling ist noch weit entfernt. Diese astmosphärische Situation dauert im Wallis ziemlich lange an. Und ich bin dann am Gartenzaun von Muzot gestanden und habe mir dieses kleine Gärtchen angeschaut. Es war so ruhig und friedlich und unberührt, dass die Zeit still zu stehen schien. Nur ab und zu ein Knacken. Ich glaube, es war die warme Sonne, die dies bewirkte, und die Natur schien sich im Erwachen zu räkeln. Das Haus selbst, der Turm, schien noch winterlich und kalt.
Es muss ein sehr einsames Leben gewesen sein, das Rilke hier geführt hatte. Die nächsten Häuser waren vielleicht einen knappen Kilometer weit. Dort, in der Kurve der Strasse nach Montana gab es einige Häuser, aber damals wohl nicht viele. Von Sierre musste der Fussmarsch bis hier hinauf eine gute Stunde gedauert haben. Na ja, vielleicht waren die Menschen damals noch etwas besser zu Fuss als wir heute.

Kurz und gut: dort oben zu wohnen und zu arbeiten, das konnte man nur einem sehr merkwürdigen, mehr oder weniger irren Menschen zutrauen. Ich frage mich, wie die Einheimischen damals über Rilke gesprochen hatten. Aber vielleicht waren die Menschen damals noch toleranter angesichts solch fremder und schillernder Vögel.

Ungerer

Ich lese gerade ein kleines Tagebuch von Ungerer, dem Elsässer Zeichner. Er hat es vor ein paar Jahren geschrieben und zusammen gestellt. Dabei konnte er viele Zeichnungen und kleine Texte aus seiner Kinderzeit verwenden. Es ist interessant, weil es die Zeit des Nationalsozialismus schildert. Und die Elsässer hatten damals eine schwere Zeit, gehörten einst zu Frankreich, dann wieder zu den Deutschen. Jedenfalls habe Petain sie den Deutschen verschenkt, so dass dann um die 100'000 Elsässer als Kanonenfutter im Russlandfeldzug der Deutschen mitgemacht hätten. Offenbar war Ungerers Mutter eine sehr hübsche Frau. Sie war früh verwitwet und musste ihre vier Kinder allein durchbringen. Und das hat sie sehr gut gemacht mit einer genialen Mischung von Rafinesse und fast aristokratischer Gesinnung. Sie konnte offenbar sehr gut schauspielern und hat damit erreicht, was immer sie wollte.

Ich mag Ungerer vor allem als Zeichner. Er hat viele gute und schöne Dinge gemacht. Daneben hat er aber auch eine mehr oder weniger perverse, sagen wir pornographische Seite. Er lebt heute in Irland, wenn ich mich nicht irre. Er schaut immer noch ziemlich jung aus, manchmal bubenhaft. Aber ich glaube, er ist um die 70. Und wenn ich seine Erinnerungen richtig lese, hatte er als Bube doch ziemliche Komplexe. Zumindest deutet er in seinen Schilderungen so was an.

Aber er ist ein lustiger Typ und er war als Grafiker in den USA sehr erfolgreich. Und er hat einen Teil seines Elsässer Charmes behalten.

Ich muss Dich lassen.
Mit lieben Ges und Kas
...

Dienstag, 5. März 2024

Re: Skagenmaler

(ungekürzt)

Subject: Kunterbunt.. unter grauem Himmel..

Lieber ...,
Skagen ist ein Ort in Dänemark. Es liegt am Meer und hat ein ganz besonderes nordisches Licht. Deswegen hat es auch viele Maler angezogen, die dort eine Künstlerkolonie gebildet haben. Der wohl bekannteste von ihnen ist Peter Kröyer, von dem ich dir vor langer Zeit mal geschrieben habe, weil ich damals ein Buch gelesen habe über seine schöne Frau Marie, die auch Künstlerin war.
Die "Skagenmaler" sind also ein Begriff für uns hier im Norden. Ich schicke dir ein Bild mit, wo sie sich selbst abgebildet haben.



Du brauchst nicht neidisch zu sein auf meine Freiheit. Nur noch zwei Tage - dann ist das ganze vorüber. Es wundert mich immer wie schnell die Zeit vergeht, wenn man frei ist. Eben vielleicht, weil man hofft dass die Tage richtig lang sein sollen.
Auch heute war ein grauer Tag und ich habe nur das Haus verlassen um einzukaufen. Hier sah es schon aus wie bei einer Kirchenmaus und ich musste mit Lebensmitteln nachfüllen.

Gestern abend habe ich "Les 400 coups" von Truffaut gesehen. Ein bisschen lustig, dass man diesen Film gerade jetzt zeigt, denn vorige Woche habe ich meine Schüler die ersten zehn Minuten dieses Films sehen lassen. Ich hatte mir diese 10 Minuten vor langer Zeit einmal als Kostprobe auf Video aufgenommen. Es passte gut zu unserem Text über die Geschichte des Films, wo gerade dieser Film als einer der wichtigsten der französischen "nouvelle vague" bezeichnet wurde.

Hoffentlich geht es deinem W bald wieder gut. So musst du wohl diese Woche auf seine Gesellschaft verzichten. Ich bin auch nicht so besonders begeistert von solchen Festen, wie die Fasnacht. 1:10.000 klingt gut. Aber ich denke es gibt mehrere, die dieselbe Einstellung haben wie du. Nur dass sich eben auch die irgendwo hinter ihren Gardinen verstecken. Hast du übrigens nun Gardinen in deinem Büro?

Ich weiss, dass du viel zu tun hast jetzt. Ich kenne schon ein wenig deinen Jahresrythmus und ich glaube um diese Zeit bist du immer ziemlich mit Arbeit überhäuft. Du bist lieb, dass du dir trotzdem Zeit nimmst mir meine tägliche Ration zu senden. "On devient responsable de ce qu'on apprivoise". :-)

Ich habe heute von einem sehr karismatischem Imam gehört, der zukünftig an einer katholischen Universität in den USA unterrichten wird. Taric Ramadan heisst er und er ist in der Schweiz aufgewachsen. Es gab einen Artikel über ihn vor kurzem in "Le Nouvel Observateur". Hast du je von dem Mann gehört?

Der Artikel über Rilke und seine zwei "Lieben" war ganz gut, aber doch auch etwas komisch. Ich weiss nicht ob es die Sprache war.. Aber die erste Passage war recht interessant. Ich dachte, vielleicht ist es auch so mit meinem Mausfreund. Korrespondenzen, die sich überlappen.. Im VL ist das ja durchaus möglich.
Siehst du, was mich gewundert hat ist, dass man auf dem Buch, das die zwei Freundinnen von Rilke, Clara und Paula schildert, das bekannte Bild von Kröyer sieht, wo er seine Frau Marie und ihre Künstlerfreundin abgebildet hat.



K hat gerade angerufen und mir mitgeteilt, falls ich es noch nicht wüsste, dass ich nun nur noch zwei Tage frei habe.. während er seine freie Woche ungraviert vor sich hat. Er ist ein richtiger Sadist, der es liebt solche Botschaften zu überbringen. Aber ich gönne es ihm, dass er eine zeitlang schöne faule Tage in seinem Heim geniessen kann. Wahrscheinlich wird er dann auch sein kleines Treibhaus einweihen. Nicht Mohrrüben, aber Tagetes wird er züchten. Du weisst, dass Rosen besonders schön blühen, wenn man Tagetes in ihrer unmittelbaren Nähe pflanzt. Sie bekämpfen die für die Rosen schädlichen Nematoden. Oder so ähnlich... ;-)))

"Il faut cultiver notre jardin"! Vielleicht hat er Recht, der alte Voltaire.
Weisst du, dass Voltaire auch Poet war? Hier ein paar Zeilen aus einem seiner Gedichte:

"On meurt deux fois, je le vois bien:
Cesser d'aimer et d'être aimable,
C'est une mort insupportable;
Cesser de vivre, ce n'est rien."

Was denkst du über das Bild mit den Skagenmalern? Impressionistisch, oder?

Ich grüsse dich lieb und wünsche dir einen angenehmen Tag,
H+K,
Malou


Skagen?


Liebe Malou
Ich verstehe das nicht ganz? Was ist Skagen, und was hat es mit den Worpswedern zu tun? Du schickst mich daran, das herauszufinden? Aber ich habe im Moment keine Ferien !!!

Zur Zeit bin ich ziemlich mit Arbeit überhäuft und komme kaum dazu, unter dieser Beige hervor den Himmel zu sehen. Aber er ist auch nicht wirklich zu sehen, denn eine trübe Wolkenschicht hängt über der Landschaft.

W. hat mir ein Mail geschickt. Er sei krank, und seine Gedanken klingen auch wirklich ziemlich delirös. Er hat gelacht über den Begriff ‚delirös’. Er ist hübsch, nicht wahr? Stammt aus der Psychiatrie und meint eine Art von pathologischem Geisteszustand, der eintreten kann unter anderem dann, wenn man lange Zeit zuviel getrunken hat. Dann ist es eben ein Alkohol-Delir. Aber es gibt auch Fieber-Delirs und ähnlich elysische Traumzustände.

Aber nächste Woche haben wir Ferien und ich hoffe, dass es etwas ruhiger und etwas sonniger wird. Das wäre uns wirklich zu gönnen. Ich glaube, während der ersten Woche werden hier auch Fasnachten stattfinden. Und die folgende Woche wird es dann in Basel sein. Aber Du weißt, dass Fasnachten nicht in mein Ressort fallen. Das ist was für junge und alkoholfeste Menschen. Ich ziehe mich dabei lieber auf ruhigere Gefilde zurück. Kürzlich hatte ich ein Foto gesehen vom Carneval in Venedig. Man sah darauf ein paar von diesen hübschen Masken, die aber von einer Unmenge an Touristen beinahe erdrückt wurden. Das Verhältnis war irre und völlig falsch. Hier in L ist es weniger schlimm. Alle feiern Karneval und ich sitze im Büro und schau ab und zu aus dem Fenster. Das macht 10'000 : 1. Ist doch ein gutes, geradezu königliches Verhältnis, nicht wahr?

Aber im Moment bin ich ein wenig knapp an Energie. Das merke ich vor allem an der Tatsache, dass ich meine NZZ Wochenendausgabe nicht genügend lesen kann. Ich lege jede Menge Artikel und Berichte zur Seite in der Hoffnung, sie dann später lesen zu können. Aber eine Woche später kommt schon wieder die nächste Ausgabe, und ich habe die letzte noch nicht gelesen. Es ist wie wenn man mit Kleinkrediten Kleinkredite finanziert. Man verschuldet sich zusehends, und zwar bei einer Kreditfirma namens ‚Zeit’.

Ich beneide Dich immer noch um Deine freien Tage. Ich würde in einer solchen Situation am liebsten herumreisen, in abgelegenen Landgasthöfen Kaffee mit Schnaps trinken und durch weite, verschneite Jurawiesen wandern. Ich glaube, dieser Wunsch kommt aus einer Erinnerung an die Militärzeit. Wenn man lange Zeit in der Nässe und Kälte draussen gestanden oder marschiert hat, dann ist ein Landgasthof mit einem Kaffee-Plus ein elysisches Geschenk, und die ganze muffige Wärme der ärmlichen Wirtschaft erscheint romantisch und gemütlich. Der Jura ist aber eine schöne Landschaft. Charakteristisch dafür sind die milden Hügel, die weiten Wiesen mit den Gruppen und Einzelexemplaren von Tannen. Dazu kommen die eher niedrigen, aber breiten Steinhäuser und die Pferde, die man zumindest im Schweizer Jura oft sieht.

Ich glaube, ich muss demnächst einen Ausflug in den Jura machen.

Ich wünsche Dir eine gute Zeit.
Mit lieben Gs und Ks
...





Montag, 4. März 2024

Re: ... ein Mensch


22 oktober 22:50



Sonntag, 3. März 2024

Was ist der Mensch?

 

Re: Schneeeee!!!! immer noch

Liebe Marlena

Ich nehme mir die Freiheit, ein kurzes Mail zu schreiben. Das kann ich, weil ich heute morgen den Kurs schwänze. Du weisst sicherlich, was "schwänzen" heisst. Die Schüler verstehen sich darauf vortrefflich. Ich muss meine Sparuebung noch zu Papier bringen, und dazu brauche ich etwas Zeit. So kommst Du in Genuss eines Mails, das Du eigentlich nicht bekommen kannst, weil ich heute gar nicht im Büro bin. Siehst Du, so virtuell ist auch das RL geworden. Es gibt Dinge, die gibt es gar nicht.

Schnee. Ich kann ihn mir noch nicht vorstellen. Es ist wirklich noch etwas früh, sich mit einem Buch in die warme Stube zurückzuziehen und der Welt den Rücken zu kehren. Aber das ist auch sehr schön. Es ist eigentlich wunderbar. In unserer alten Wohnung hatten wir einen uralten grossen Holzofen. Darauf konnte man sitzen und sich den Hintern versengen, wenn man gerade dran war, Brot zu backen. Wunderbar! Heute ziehe ich mich wirklich in meinen Sessel zurück, einen Ohrensessel aus Leder, englsiches Modell, musst Du wissen. Sehr chique (schreibt sich das so?) und sehr introvertiert. Eigentlich fehlte nur noch ein Jagdhund, der einem zu Füssen liegt, um die englische Atmosphäre voll zu machen.

Na ja, was ist der Mensch? In meinem Studium war ich ganz wild darauf, das herauszubekommen. Deshalb behaupte ich auch, ich hätte eine der interessantesten Studienrichtungen gewählt. Als Job ist es dann nicht mehr immer so spannend.

Der Mensch ist eine merkwürdige Affenart, der seine ganze darwinistische Vergangenheit in sich trägt und im Wesentlich aus Sternenstaub zusammengeklebt ist. Ein Prototyp! Eine Wundermischung! Eine Fehlkonstruktion? Und es gibt darunter ein paar ganz wunderbare Exemplare, wie Dich zum Beispiel, oder wie ein paar andere Bekannte. Den Rest könnte man getrost zurück in die afrikanische Savanne schicken. Man muss ja annehmen, dass der Mensch ursprünglich dunkelhäutig gewesen sein muss. Ich kann mir gar nicht richtig vorstellen, wie sie bei Dir die Vollbleichung angestellt haben. Aber auf jeden Fall haben sie es hingekriegt. Man könnte dann ja fast sagen, die Blonden dieser Welt seien evolutionsmässig weiter als die schwarzhaarigen, und noch weiter als die wirklich Schwarzen. Na ja, wir wollen kein Wettrennen veranstalten.

Der Mensch ist nur so wunderbar, weil wir, die wir ihn beurteilen, auch Menschen sind. Wir sind sozusagen von derselben Partei. Ich kann mir eine Konferenz der Tiere vorstellen, die heftigst gegen diese menschlchen Ungeheuer höhnt und sie zum Erbfeind erklärt. Aber wir Menschen sind naiv, wir merken das alles nicht, sitzen gemütlich in einem englischen Ohrensessel und lesen Zeitung, während Armeen von Tieren sich aufrüsten, um sich für den Endkampf vorzubereiten.

Ich habe in den Ferien am Strand von Side ein Buch von Tom Wolfe gelesen. Vielleicht kennst Du dieses amerikanische Grossmaul? Er hat zwei Bestseller geschrieben: "Im Fegfeuer der Eitelkeiten" sowie "Ein ganzer Kerl". Ich habe nur das erste gelesen. Und jetzt eben dieses neue Büchlein, das eine Sammlung von kleineren Texten zusammenfasst. Der Kerl findet, dass mit der Computerisierung und mit dem Internet ein neuer Abschnitt der Weltgeschichte begonnen habe. Er zitiert sogar Teilhard de Chardin, was mich sehr erstaunt hat, und meint, der hätte mit seinem Begriff der Noosphäre die Verkabelung und Vernetzung, die Globalisierung mittels Elektronik vorausgesagt. Solch ein Unsinn. Meines Erachtens meinte Teilhard mit Noosphäre die Spiritualität des Menschen als eine neue Qualität der Schöpfung. Eine solche Behauptung über Teilhard ist echter Unsinn und mehr oder weniger Wortakrobatik. Wolfe meint auch, die Amerikaner seien an der Spitze der Entwicklung und die Herren der Welt, sozusagen. Ist doch alles dummes Geschwätz, wirklich dumm und einfältig, effekthascherisch und auf Verkaufszahlen aus, aber - leider - ziemlich gut geschrieben. Es ist unterhaltsam zu lesen, besonders an einem heissen Strand im Süden der Türkei, wo einem die fettleibigen Elefantinnen und Elefanten vor der Nase tanzen  und sich im Sonnenlicht aufblasen, um ihre hemmungslosen Dimensionen zu rösten.

Was ist der Mensch?
Das ist wirklich eine gute Frage. Mit 20 hätte ich Dir eine Antwort geben können.
Vielleicht nächstes Mal.

Mit lieben grüssen
...




Re: Houellebecq

(...) 

Du hast mir einen Anstoss gegeben, mich noch ein bisschen mit diesem Houellebecq zu beschäftigen. Ich glaube, ich hatte schon zwei kleine Romane von ihm gelesen bis dahin. Und dann hatte ich eben kürzlich in der Auslage diese Sammlung mit Rezensionen gesehen, die ich mehr oder weniger wegen des Preisnachlasses mitgenommen hatte. Daran bin ich jetzt. Die Kritiken gehen wirklich von absolut positiv bis negativ. Im allgemeinen aber wird er doch als recht 'ernstzunehmend' eingeschätzt. Ein Kritiker sieht Parallelen zu Camus und Aldous Huxely, die ich allerdings selbst nicht überprüfen kann. Ein Schweizer Kritiker, dem ich im allgemeinen gut folge, bespricht ihn mit absolutem Respekt. Seine Aussage in einem Wort: der Text tut, was er sagt. Und das ist ja bekanntlich ein gutes Lob. Der Text sagt: die Welt ist ziemlich am Ende. Und der Text tut auch so. Voilà. Irgend jemand - ist es nicht eine Kritikerin - meint, die Texte des Autors signalisierten das Ende des Mannes. Nachdem man ihn mittels medizinischer und biologische Techniken gänzlich aus der Fortpflanzung ausgestossen habe, bleibe ihm absolut gar nichts mehr an Nützlichkeit. Höchstens die Schönheit. Aber wer hat sie schon. Die Texte seien auch antimodern, wird gesagt, das heisst reaktionär.
Kurz und gut, er ist ein Autor, den man nur mit einigen Selbstzweifeln zur Hand nimmt. Glücklicherweise ist er so einfach zu lesen mit seiner unbedarften Sprache, dass man sich nicht zu all den wüsten Dingen, die er sagt, auch noch anstrengen muss. Hast Du von ihm gelesen?
*
Ich wünsche Dir einen schönen Ferientag.
Mit einem lieben Gruss

...

Samstag, 2. März 2024

Ein Büffel meldet sich

 

Ämne: Ein Büffel meldet sich
Datum: den 9 oktober 10:40

...

Ach mein verrückter Liebling, als einen Saurier oder Büffel siehst du mich im Augenblick? Das ist ja schrecklich wo ich doch eine moderne junge Frau bin. Nun "jung" ist vielleicht etwas übertrieben aber meine Kolleginnen meinen ich sehe mehr aus wie ein Teenager, als eine Frau über 40.

(---)

Du hast mir wieder einmal aus deiner Kindheit erzählt und immer wenn du das tust, fühle ich mich sehr nahe bei dir. Ich sehe ihn vor mir, den armen kleinen Jungen, der sich so fremd fühlt und ich kann mir schon denken, wie es war, die Einheimischen hinter sich her zu haben. Für ein Kind in dem Alter kann das schrecklich sein und sicher vergisst man es nie.
Es freut mich auch sehr, dass du die Möglichkeit hattest, das Leben auf dem Lande zu geniessen. Ich wünschte, jedes Kind könnte es einmal erleben. Als Anna die 7. Klasse begann (neue Schule) bekam sie eine Freundin, die auf dem Lande wohnte. Sie war öfters bei ihr am Wochenende und sie hatte grossen Spass. Vor allem wenn sie den Stierkälbern das "Hochspringen" beibringen wollten.. Sie bauten eine Hinderbahn und dann ging's los.Die vorbeifahrenden Autos bremsten oft ein. Sicher trauten sie nicht ihren Augen :-)

Auch ich hatte als Kind die Möglichkeit, auf dem Lande zu sein und ich glaube, ich trage diese schönen Erinnerungen und das Gefühl, ganz mit der Natur verbunden zu sein, noch heute in mir. Ich wusste nicht richtig, was ich tun sollte, um auch Anna das mal erleben zu lassen, und dann kam eben diese Chance wie ein Geschenk vom Himmel.
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Nein, ich bin nicht in Uppsala aufgewachsen, sondern in Stockholm. Das Zentrum von Stockholm war mein "Revier" und dort bin ich auch 7 Jahre lang zur Schule gegangen. Zuerst in die Realschule, ganz in der Nähe vom Hauptbahnhof. Dieses Stadtviertel hat man dann abgerissen, um dem Verkehr Raum zu geben. Man sieht es heute fast als eine kriminelle Handlung, denn damit hat Stockholm ein Stück seiner Seele verloren. Es war das "Klaravietel" wo die grossen Zeitungen ihre Redaktionen hatten, wo es enge Strassen gab mit gemütlichen kleinen Restaurants wo wir manchmal Sonntags essen gingen nachdem wir in der grossen Markthalle eingekauft hatten, wo ich dann später vom Schulhof aus die leichte Garde beobachten konnte die sich mit ihren Kunden oder Zuhältern ziemlich laut stritten (es war auch ein sündiges Viertel :-) und wo "Jocke" mit einem Kasten auf dem Bauch vor dem Schultor stand (wie ein Wurstverkäufer) und Süssigkeiten an uns Schüler verkaufte. Der liebe alte Jocke, wenn er wüsste, wie er uns das Leben süss gemacht hat.
Dann mit 16 kam ich aufs Gymnasium.  Und ich habe auch eine Zeit in einem staatlichen Amt gearbeitet. Es hat mir  gute Einblicke in die Beamtenwelt gegeben. Ich möchte nicht ohne diese Erfahrung sein.
Erst als ich so 20 Jahre alt war, zogen wir, die ganze Familie, nach Uppsala und ich begann meine akademischen Studien. Zuerst Germanistik und dann Romanistik (heisst es so?) Uppsala hat die beste Universität von Schweden, obwohl Lund auch immer um diesen Titel kämpft. Aber Uppsala werde ich ein eigenes Kapitel schenken.
*