Samstag, 31. Dezember 2011

die Lenzburger Krone

(Fortsetzung)

Re: Happy New Year
...

So haben wir den Silvester Nachmittag in der Krone verbracht.

Vielleicht muss ich dir dazu erklären, dass das Hotel Krone, das beste Haus in Lenzburg, gerade unterhalb unseres ehemaligen Wohnhauses steht. Als Junge habe ich aus dem Fenster oder dem Garten immer auf diese Krone heruntergesehen. Ich war im Kindergartenalter, als sie die Gartenwirtschaft hinter dem Haus zu einem grossen Fest- und Theatersaal umgebaut haben. Ich habe stundenlang den Arbeitern zugeschaut, wie sie den Beton in diesem zweiräderigen Karren in die Höhe gefahren haben. Ich glaube damals gab es noch nicht diese grossen Kranen. Nein, sie haben überall aus Holzbrettern Fahrbahnen auf Gerüsten gebaut, um mit diesen Karren den Beton zuführen zu können. Das fand ich faszinierend. Und ich glaube, diese Erlebnisse von meinem Kinderfenster aus haben auch ein wenig mitgewirkt, dass ich dann später erst einmal Architekt werden wollte.
Gleich zwischen unserem Garten, der am Schlossberg oben erhöhht lag, und der Krone führte in einer tiefen Schlucht die Hauptstrasse von Zürich nach Bern. Und die Krone war bekannt, weil hier die Strasse eine Ecke von 90 Grad schlug. Man kann nicht sagen, eine Kurve, damals war es wirklich eine Ecke. Und an Sonntagen wälzte sich eine Kolonne von Fahrzeugen um diese Kronenecke. Und wir Kinder standen mit den Nachbarn, Herr Senn, oben am Geländer und schauten hinunter. Er rauchte seine Zigarre und wir zählten die Autos oder merkten uns die Kantonswappen auf den Nummerschildern. Damals hatte man den motorisierten Verkehr noch nicht mit so viel Misstrauen betrachtet.
Und gelengentlich, wirklich nur ab und zu – aber es waren für einen Jungen die Höhepunkte – gelegentlich also kam ein Lastwagen mit einer langen Ladung Baumstämmen. Und die hatten immer ihre liebe Not, die Kurve um die Kronenecke zu krigen. Manchmal mussten sie vor- und rückwärts „sägen“, um nicht die Hauswand zu demolieren. Das war immer eine interessante Angelegnheit.
Und einmal, ich bin immer noch bei der berühmten Lenzburger Krone, einmal turnte auf dem Dach der Krone ein verrückter Mann herum. Das Dach lag etwa auf gleicher Höhe unseres Gartens. Ich war damals wohl in der ersten Schulklasse. Und so sah in vis à vis diesen Mann, und aus dem Dachfnester stieg ein zweiter, der notdürftig mit einem Seil befestigt war und sprach dem anderen zu. Ich verstand eigentlich nicht, was da los war. Ich glaube, ich hatte das Gefühl, das wäre jetzt ein Kriminalfall. Die Polizei verfolgt einen Täter, der auf das Dach geflüchtet war. Aber später sagte man mir, dass der Mnn verrückt sei.
Onkelchen erinnert sich auch noch an diesen Vorfall. Er war lange Jahre Kommandant der Lenzburger Feuerwehr und damals mussten sie mit einem Falltuch (nennt man das so?) ausrücken und das ganze Spektakel absichern. Immerhin ist die Krone drei Stöcke hoch. Ich kann mich bloss noch erinnern, dass ich sehr aufgewühlt war nach diesem Schauspiel. Nun ja, dass Menschen auf Dächern herumklettern und sich von anderen Menschen wieder herunterholen lassen, das war nun wirklich eine Neuigkeit. Und vielleicht hat das ja mitgespielt, dass ich später dann doch das Fach Psychologie gewählt habe. Denn neuerdings sind es die Psychologen, die andere Menschen von den Dächern herunterreden.

Siehst du Marlena, man kann immer einen roten Faden konstruieren, wenn man denn möchte. Das vielleicht, wenn überhaupt etwas, gibt der eigenen Biographie einen Sinn. Denn Sinn ist ja heute Mangelware.
Alles in allem, meine liebe Marlena, wenn du so mit Informationen aus der Krone in Lenzburg kommst, dann triffst du mich mitten ins Herz. Das vielleicht war es, was ich dir sagen wollte.

Ich hoffe, dass du noch ein schönes und ruhiges Wochenende hast, um dann am Montag wieder frischgemut mit der Arbeit anzufangen. Ich glaube, der Militär setzt auf dich? Das kannst du nutzen. Nicht wahr? Militärs sind ja entweder homoerotisch, oder sie werden leicht schwach gegenüber Frauen. Und du mit deiner Ausstrahlung und Stärke wirst ihn sicherlich beeindruckt haben.

Ach, ich würde dich gerne sehen mit deiner neuen Frisur. Du hast Mut, das neue Jahrtausend mit einer neuen Frisur anzufangen. Ich hoffe das hält die nächsten 500 Jahre hin. Und dann werden wir weitersehen.
Ich küsse dich mit einem Ding, das sich anhört wie ein Champagner-Korken.
...

Freitag, 30. Dezember 2011

Re: Happy new year

.
Liebe Marlena
Nun ja, dass du mir gleich das Silvester Menue aus dem Hotel Krone in Lenzburg schickst, das wirft mich wirklich in den Stuhl zurück.Man fühlt sich wie bei big brother. Everybody watches you. Und man wird gänzlich steif und achtet darauf, keine falsche Bewegung zu machen. ;--)
Nein, so schlimm ist es nicht. Aber in der Tat haben wir schliesslich nicht das Silvestermenue gegessen. Onkelchen hatte für uns einen Tisch am Mittag reserviert. Das war ganz feierlich. Und das Hotel war nicht überfüllt. So haben wir in Ruhe à la carte gegessen. Ich habe mich ein wenig zurückgehalten und das empfohlene Menue genommen. Das war Wild mit Gerste und gebratenen Äpfeln. Das Fleisch war so zart und fein, wie ich es bei Wild noch nie gegessen habe. So „wild“ war das eigentlich gar nicht mehr. Dazu haben sie mir einen wunderbaren Salatteller gemacht, dass alle ganz neidisch geworden sind. Es war ein wirkliches Kunstwerk. S hat Krebse gegessen, wenn ich mich richtig erinnere auf Wildreis. Sie war ganz begeistert. Und Onkelchen hat Fisch gehabt, Sole auf einem schön dekorierten Teller. Sie haben ihm den Fisch gleich tranchiert. Und als sie ihm die zweite Hälfte bringen wollten, hat er erstaunt abgewunken. S hat in ihrer weiblichen Geistesgegenwart verlangt, dass sie das alles einpacken. So hatte er am nächsten Tag noch eine schöne Portion Fisch im Kühlschrank.

Wir hatten ein Glas Champagne zum Anfang. So waren wir guter Dinge. Und zum Essen haben wir einen roten Wadtländer gewählt. Ich glaube, es war Aigle. Ich habe bei Onkelchen ein wenig die Wadtländer Weine entdeckt. Er hat sehr guten Weissen aus der französischen Schweiz. Und ich hatte ja früher den Eindruck, es gäbe nur im Wallis trinkbare Weine. Aber die Wadtländer sind auch recht gut. Der Höhepunkt meines Essens war der Nachtisch. Ich habe eine Zabaione gewählt. Das ist eine Weinschaumcrème. Meine Mutter hatte gelegentlich an einem kalten, verschneiten Sonntag nach dem Spaziergang ein solch feines warmes Geschleck bereitet. Man bereitet die Crème in einem warmen Wasserbad, indem man das Eigelb mit dem Besen lange rührt. Und dann fügt man irgendwie noch Zucker und weissen Wein dazu. Ich glaube, so ähnlich wird die Zabaoine zubereitet. Und wenn es kalt ist, z.B. nach dem Skifahren, ist sie einfach wunderbar. Fast eine Medizin wie ein Irish-Coffee. Aber nicht rezeptpflichtig.
So haben wir den Silvester Nachmittag in der Krone verbracht.
Vielleicht muss ich dir dazu erklären, dass ...

Silvestermenu.. oder?

Ämne: Re: happy new year
Datum: den 1 januari 2001 07:15

01-01-01

Lieber ...,
Ein schönes Fest ist vorüber und das erste Jahr des neuen Jahrtausendes hat gerade begonnen. In Gedanken war ich auch eine Weile bei dir und habe mit Dir angestossen.
Schau mal hier was ich gerade gefunden habe im Internet :-)
Da hast du wohl gefeiert, oder? Und hat nun Onkelchen auch getanzt? Erzähl mir ein wenig davon, bitte.
Hoffentlich hast du dich gut ausgeruht und bist wieder in Form. Ich wünsche Dir nochmals alles Gute für das kommende Jahr.
Mit lieben Grüssen und ein wenig.. du weisst schon..
Marlena

\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \

Silverstermenu des Hotel Krone, Lenzburg:

Rauchlachs-Roulade im Crêpemantel auf leichter Kaviarsauce
***
Enten-Essenz mit Kürbisperlen
***
Hausgemachte Trüffel-Tagliatelle mit frischen Steinpilzen und Reggiano-Chips
***
Kalbssteak "Double" auf Armagnac-Rahm Hausgemachte Schupfnudeln Winterrüben-Duett
***
Grosses Dessertbuffet mit Käsebrett
***
Mehlsuppe zum Einstieg ins neue Jahr

(R)

Dienstag, 27. Dezember 2011

27 Dezember

date 27 December 2004 09:44
subject Re: Danföredanföredopparedan..


(ungekürzt)

Liebe Malou
Ist das wirklich ein Wort, respektive ein Name:
'Danföredanföredopparedan'. Das dürftest Du keinem Femdsprachler
erzählen, denn das bewirkt ein Schock und eine Höllenangst vor dem
Schwedischen. Damit kann man ganze Armeen in die Flucht treiben.

Wir haben ruhige Weinhachtstage gehabt. Ich war mehrheitlich krank und
habe im Bett gelegen, gelesen, geschwitzt und dazu auch heissen Tee
getrunken. Na ja, es war nicht so übel. Ich habe mich nicht sooooo
schlecht gefühlt, dass es eine Qual gewesen wäre. Und am 24., als wir
mit unseren Jungen unser Fondue Chinoise gehabt haben, ging es ganz
gut.

Heute sind ja die Läden schon wieder offen und es scheint, das Leben
geht seinen gewohnten Gang. Zu Mittag sind meine Eltern eingeladen.
Und nachmittags kommt noch mein Patenkind, der Architekt aus Berlin
mit seiner Frau und den Zwillingen dazu. Der Tag ist besetzt, darüber
besteht kein Zweifel.

Und dann geht es in eilenden Schritten dem Neujahr zu. Ich glaube, je
älter ich werde desto rascher gehen diese Tage und diese Jahre. Aber,
das zu sagen ist bestimmt nichts Neues. Man sollte bloss die Techniken
verfeinern, womit sich die Zeit dehnen und strecken lässt. Wie kann
man Zeit vermehren?
Ich glaube, früher hatte ich immer gedacht, die Zeit fliesse am
langsamsten, wenn einem langweilig ist. Das Wort Langeweile heisst ja
schon, dass darin die Weile lang sei. Um also viel Zeit zu haben,
müsste man alles vermeiden, was aufregend und interessant sei. Bloss
müde herumhängen, das mache die Zeit am längsten, so glaubte ich. Und
ich kann Dir sagen, Malo, daran ist was Richtiges. Die Zeit ist dann
wirklich lang, manchmal endlos lang. Wenn man im Moment drin steckt,
dann geht sie endlos zähl und schneckenhaft über die Bühne. Es ist
mehr oder weniger die Art, wie Zeit auf dem Dorf vergeht.
Aber diese Art der Dehnung hat einen grossen Haken. In der Erinnerung,
im Blick zurück verschwindet jene Zeit, die damals so endlos lang war,
in ein pures Nichts. Damals viel und heute nichts, das ist die
Quintessenz jener Technik, die man im Dorfe übt.
Die Stadt arbeitet mit anderen Mitteln. Die Stadt sorgt für viel
Ereignisse im Moment, für Kurzlebigkeit und Rasanz. Die Zeit vergeht
im Fluge. Doch später hat man viele Erinnerungen und Erlebnisse, auf
die man zurücksehen kann. Sie erscheint dann als mehr, als sie
wirklich war.
Ist daran nicht was Wahres.
Und gleichzeitig sind diese zwei Methoden, wie mir scheint, zwei
biologische Notreaktionen. Ich glaube, Freud erwähnt sie irgendwo. Es
gibt Tierarten, die erstarren bei Todesgefahr zur unbeweglichen Figur.
Sie gleichen sich sozusagen der unbelebten Natur an. Es ist natürlich
eine Art Mimikry mit dem Ziel, so unsterblich zu werden wie der Stein.
Und der andere Reaktionstyp ist der Bewegungssturm, der die
Lebensgefahr in einem Übermass an Bewegung und Reaktionsvarianten zu
überwinden versucht.
Ist das nicht ein guter Vergleich?
Du siehst, Malou, wenn ich etwas Zeit habe, bricht meine
philosophische Seite durch. Dann werde ich gänzlich kontemplativ und
hänge in den Wolken.
Dann gehe ich in der Stube auf und ab, trinke Kaffee und wühle in den
Papieren. Und wenn ich noch ein paar Jährchen jünger wäre, würde ich
dazu Pfeiffe paffen, dass der ganze Raum im Nebel verschwinden könnte.
Das mindestens hat man mir früher immer vorgeworfen. Im Studentenheim,
später im Büro oder in meinem 'Rauchzimmer' zuhause.
Wie geht es bei Euch. Habt ihr den Weihnachtsbraten genossen? Und die
Geschenke ausgetauscht?
Da erinnere ich mich an ein Kapitel aus Kästners 'Als ich ein kleiner
Junge war'. Er erzählt, wie es bei ihm zu Weihnachten zu- und herging.
Das musst Du mal lesen, ist eine sehr intelligente psychologische
Studie. Aber dazu hast Du ja nunmal ein gutes Jahr Zeit.
Ich wünsche Dir eine schöne Zeit.
Mit lieben Grussen
...

Montag, 26. Dezember 2011

Vorweihnachtszeit

date 22 December 2004 12:58
subject Re: Ja, ich fühle es..

Liebe Malou
Ich höre nichts von Dir. Bist Du wirklich krank geworden. Aber dann
wärest Du ja dauernd zuhause und könntest jede Menge mailen?
Ich habe hier nochmals Arbeit gefasst und werde die nächsten Tage noch
sehr beschäftigt sein. Es kommt imme r anders, als man denkt.

Gestern hatten wir das Essen mit der Redaktionskommission. Es war sehr
durchschnittlich mit durchschnittlicher Unterhaltung in einem
durchschnittlichen Restaurant mit überdurchschnittlich viel Durchzug
und Lärm. Also, da gibt es nicht viel zu erzählen.

Und heute haben wir hier kalt wie anton. Ich habe gehört, es wäre -10°
gewesen heute morgen. Das ist steifes Winterwetter, nicht wahr? Und da
sitzt man gerne hinter dem Ofen, knabbert an den Nüssen, trinkt warmen
Tee und erzählt sich Gespenstergeschichten.

Ich habe noch einige Bücher, die ich rezensieren sollte. Ich bin in
der letzten Zeit ein wenig in Rückstand gekommen. Es gab auch einige
aufwendige Bücher: eine Biographie von Goethe, eine Biographie von
Olympia Morata, 3 Biographien über weibliche Astrologinnen etc. Und
dabei hatte ich gedacht, dass ich in dieser Vorweihnachtszeit etwas
Zeit hätte.

Ss Hexen-Party war ein Erfolg. Sie waren alle begeistert. Sie lieben
es offenbar, einmal ohne Männer unter sich zusammen zu sitzen und
sogar zu tanzen. Sie fühlen sich leicht ohne das schwere männliche
Anhängsel. Und viele tanzen, was sie in Anwesenheit ihres Kerls nicht
tun würden. Es waren viele Südamerikanerinnen dabei, aber auch
Schweizerinnen. Es ist eigentlich richtige Integrationsarbeit. Und ich
bin froh, dass es in der Schweiz soviele Mischehen gibt. Wir brauchen
etwas Blutauffrischung. Du weisst ja, wie langweilig die Schweizer von
Natur aus sind. Ich bin erst nach Mitternacht heimgekommen und da
sassen sie noch zu Acht am Tisch. So haben wir ein wenig geplaudert,
und dann das Wichtigste abgewachsen und sind um etwa 2 Uhr in der Früh
in die Federn gekommen. .

Jetzt muss ich mich beeilen. Ich will heute früher heim, etwas essen,
etwas schlafen und dann noch ein wenig am Tisch in der Stube arbeiten.
Ich wünsche Dir gute Besserung.
Mit lieben Grüssen

Freitag, 23. Dezember 2011

...




God  Jul

Frohe Weihnachten

.

23 Dezember

Ämne : God Jul

Lieber ...,

Jetzt ist alles fast fertig. Der Weihnachtsbaum ist geschmückt und ich bin mit meinem Werk zufrieden. Wunderschön sieht er aus! Ich tue es jedes Jahr und dabei gehen meine Gedanken zurück in meine Kindheit wo man mir und meiner Kusine diese "wichtige" Aufgabe anvertraute. . Wir bemühten uns den allerschönsten Baum zu machen und hatten einen riesigen Spass bei der Arbeit. Es gab schöne farbige Kugeln, Lametta u.s.w. Unten hängten wir dann noch kleine Körbe mit Gebäck und anderen Süssigkeiten, damit die Katzen auch was gutes bekommen sollten. Mein kleiner Tusse war ganz vernarrt in Weihnachtsgebäck und sogar Feigen ass er mit grossem Genuss.
Eigentlich habe ich nie einen typisch schwedischen Baum gemacht sondern etwas mehr wie ich sie mal als Kind in Wien gesehen hatte. Und wenn wir Besuch bekamen staunten die Leute darüber und beschlossen in Zukunft ihren Baum auch so zu schmücken.

Und nun bin ich also fertig mit dem Kunstwerk und habe Zeit meine e-post zu erledigen. Leider ist es auch Weihnachtspost. Eigentlich liebe ich es nicht so sehr e-cards statt richtige zu senden. Es ist etwas unpersönlich. Aber die Freude schöne Karten (richtige also) auszuwählen habe ich mir nicht nehmen lassen.. Sie liegen hier und erinnern mich an mein Versäumnis. Nächstes Jahr vielleicht.. ;-)

...

Donnerstag, 22. Dezember 2011

22. Dezember

.
Danföredanföredopparedan




Ja, so heisst er dieser Tag.:          
Der-Tag-vor-dem-Tag-vor-dem- Eintunktag...   

Es hat mit dem Weihnachtsschinken und der
Brühe zu tun, in die man Fladenbrot (?) eintunkt.
Ich bin froh, dass ich alles, oder fast alles, was mich aus dem
Haus treibt, hinter mir habe. So spät wie gestern Abend haben
Anna und ich noch an mehreren Tankstellen in der Region
nach einem Baum gesucht. Und schliesslich haben wir zum
Glück einen akzeptablen gefunden. Es gab sonst nur noch
schreckliche Monster.
Heute werden wir Weihnachtsgebäck machen. Ein Stollen,
ein Rosinenpfefferkuchen und Vanillekipferl (altes
österreichisches Rezept) gehören dazu. Das Saffronsgebäck
habe ich ja schon zu Lucia gebacken. Und morgen wird dann
der Baum geschmückt. Wir setzen immer eine Ehre darin
den "Allerschönsten" zu haben.. *s*
Ich schicke dir ein paar Bilder mit von aktuellen Dingen.
Der Baum (von vorigem Jahr), das Schneebild, weil es
wahrscheinlich am "julafton" (Weihnachtsabend) so hier
aussehen wird.. *hoffentlich* und dann der Schinken, ein
absolutes "muss" auf jedem schwedischen "julbord".
....
(R) Dezember 2004

Mittwoch, 21. Dezember 2011

Nostalgie

.
.
mein Bild


Wenn ich an die Zeit im Wallis zurückdenke, werde ich ganz und gar
melancholisch. Es geschieht mir immer wieder. Und es ist mir nicht klar, ob
das gut oder ob das eher schädlich ist. Es ist diese spezielle Landschaft,
die eine ästhetisch sehr schöne und übersichtliche Welt damals gewesen ist.
Aber es ist natürlich auch die Erinnerung an die eigene Jugend, diese
grossen Erwartungen und Hoffnungen ans Leben, die ich damals gehabt
habe. Es sind die starken Gefühle und die Vorstellungen von einer weiten,
wunderbaren offenen Welt, an die wir damals geglaubt hatten.

Das Land, woraus wir vertrieben worden sind, das ist das Paradies. Die
Vertreibung produziert die Paradiese. Die Jugend ist ein Paradies,
allermeist. Ich habe dann auch neue Paradiese gesucht. Den Orient
einerseits, die Psychologie andererseits. Beides waren für mich unbekannte,
geheimnisvolle Landschaften, die mit meinem bisherigen Leben und der
Philosophie meiner Familie wenig zu tun hatten.

Lange Zeit habe ich versucht, mit Malen diese alten Welten und alten Zeiten
wieder zurückzuholen. Ich habe einige Landschaftsbilder im Wallis gemalt.
Eines davon hängt in unserer Stube. Es ist eine Ansicht vom lac de Géronde
in Sierre, das ich sehr liebe. Ich glaube, ich habe Dir schon einmal über
diesen wunderbaren See inmitten der Hügel von Siders erzählt. J., mein
Freund aus dem Club, der Moderedaktor, meint, das Bild sei in mystischen
Farben gehalten. Ich sei ein Mystiker, meint er.

Nun ja, Marlena, Du siehst, wie leicht ich mich in eine solche romantische
Psychose hineinmanövrieren kann. Ich kann wirklich schwelgen in meinen
alten Erinnerungen. Aber eigentlich nur, wenn ich darüber schreibe. Sonst
schwinden sie vorbei wie Wolken im Sommerwind.

Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und ich hoffe, dass ich bald von
Dir höre.
Mit einem lieben Gruss
...

Montag, 19. Dezember 2011

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Ach meine Omi..

(ungekürzt)

Ämne: ach meine omi
Datum: den 28 januari 2003 11:35

Liebe Marlena
Langsam habe ich Dich im Verdacht, dass Du ein richtiger Fernsehmuffel
seist. Du erwähnst soviele Sendungen, die Du gesehen hast, sehen möchtest
oder sehen wirst, dass ich Dich schon beinahe beneide. Aber vielleicht hängt
es auch damit zusammen, dass Du allein im Haus wohnst, und nachdem auch
das Vögelchen nicht mehr mit Dir plaudert, hälst Du grosse Konservationen
mit den Fernsehansagern.
Dass es uninteressant sei, für sich selbst zu kochen, und schon gar zu
essen, das hatte meine Grossmutter auch immer gesagt. Und wenn wir
Buben bei ihr zu Besuch waren, dann hat sie feine Menues gekocht, hat
uns gar gefragt, was wir gerne essen wollten. Eine solche Ernährung
à la carte, das waren wir nicht gewohnt. Und sooft musste sie dann
Pommes backen, die wir am liebsten assen. Sie hat mit ihren sehnigen,
etwas zittrigen Händen stundenlang Kartoffeln geschnitten und die Dinge
auf ihrem kleinen Herd im Öl gebraten.
Wir Buben sassen in der halbdunkeln Stube, zeichneten meistens, oder
schauten uns alte Heftchen an, die sie hinter dem Radio oder unter dem
Tischchen vor dem Sofa stapelte.
Ihr Mann, der Ingenieur und Direktor der beiden Regionalbahnen hier im
Kanton gewesen war, hatte als Mathematikgenie und als ziemlich autoritär
gegolten. Er starb - soviel ich weiss - im Jahre, als ich geboren wurde. Und
so hatte die lebenslustige und recht hübsche und weltoffene Frau noch mehr
als ein halbes Leben als Witwe. Manchmal, wenn sie uns von ihm erzählte,
kam ein Anflug von Klage, weil er wirklich sehr autoritär und eigensinnig
gewesen sein muss.
Dann aber wieder hatte man auch den leichten Eindruck, dass sie eigentlich
froh war, nicht mehr unter ihm zu leiden. Doch sie war eine
menschenfreundliche Person und litt im Grunde unter ihrem Alleinsein. Im
Parterre hatte sie die Wohnung an zwei ledige Schwestern vermietet, die
hier bei der Kaserne eine sogenannte Soldatenstube führten, also eine kleine
Kantine für das Militär, von dem es hier nahe der Grenze während des
Krieges immer viel gegeben hat. Ich kann mich noch an die eine von ihnen
erinnern, wenn sich ihre Silhouette hinter der Glasscheibe der Eingangstür
aufbaute. Sie war dicklich, hatte graues, hochgebundenes Haar und wirkte
auf mich als Knabe irgendwie mehlig. Vielleicht war es ihr Make up. Auf
jeden Fall hatte ich den Eindruck, sie sei verstaubt. Aber ich gab mir Mühe,
nett zu sein, denn immerhin musste meine Grossmutter mit ihnen leben.
In Wahrheit waren die beiden Partien gut befreundet und meine
Grossmutter soll sogar gelegentlich in dieser Soldatenstube ausgeholfen
haben. Das wiederum, so glaubte ich im Gesicht meines Vaters zu sehen,
mochte dieser gar nicht. Wahrscheinlich fand er es nicht sehr
standesgemäss, in einer solchen Kantinezu arbeiten. Aber meine
Grossmutter suchte irgendwelche Tätigkeiten, um unter die Leute zu
kommen. Sie war über lange Jahre beim Samariterverein, eine
Organisation, die Leute in erster Hilfe und in medizinischen Grundfragen
ausbildete. Sie arbeitete für das Rote Kreuz und sicherlich für andere
karitative Organisationen, um aus ihren vier Wänden zu kommen. Als in
den 60er Jahren rund um den Ungarnaufstand viele Flüchtlinge in die
Schweiz kamen, hatte sie sich sehr für eine Familie eingesetzt und diese
praktisch adoptiert. Ich erinnere mich schwach an das Paar. Er war
Chemiker mit schwarzem, pomadisiertem Haar, sie eine blasse Person
mit sehr schlechten Zähnen. Ich hatte mich schon als kleiner Bub gefragt,
was er wohl an ihr gefunden habe, wo doch meine Omi viel hübscher
war als diese junge Person.

Ich glaube, für meine liebe kleine Omi wäre ein Fernseher sehr gut gewesen.
Und mangels eines solchen Gerätes, was es damals noch nicht gegeben
hatte, sass sie stundenlang an einem kleinen Tischchen am Fenster, schaute
die kleine, von Tannen gesäumte Allee hinunter bis zum Gartentürchen und
beobachtete, wer die Strasse hoch oder hinunter ging. Sie strickte Socken
und Pullover für ihre Enkel, sie nähte, und sie war eine wahre Meisterin der
Kreuzworträtsel. Ich hatte mich oft gefragt, wie man auf sowas Unnützes wie
Kreuzworträtsel soviel Zeit verwenden konnte. Aber sie war geradezu
versessen darauf, kaufte deswegen ihre Illustrierten, die wir dann als Buben
später anschauen konnten, und überlegte sich stundenlang irgendwelche
Nebenflüsse der Donau.
Sie konnte überigens sehr gut Klavier spielen, unsere Omi. Und manchmal
spielte sie ein Stück, das hiess - wenn ich mich sehr irre - das
Schwedenmädel. Sie spielte es mit etwas zittrigen Fingern, musste
manchmal wieder zurückgehen und abtasten, wie die Melodie weiterging.
Als Knabe war ich sehr von ihrem Anschlag auf diesem schönen, schwarz-
glänzenden Klavier beeindruckt. Ich meine, weißt Du Marlena, sie spielte
diese Melodie nicht einfach in einem fixen Takt, sondern legte viel Gefühl
hinein, kam an gewissen Stellen mit der Melodie sehr gekonnt in eine kleine
Verzögerung, was überaus menschlich und sehr melancholisch klang. Sie
spielte nur selten, eigentlich nur für uns Buben, und meines Wissens war
dieses Schwedenmädel das einzige Stück, das sie noch einigermassen
konnte. Und auch das nur passagenweise. Auch mein Vater hatte in den
Jugendjahren Klavier gespielt. Er erzählte wiederholt von der alten
Lehrerin, die während der Lektion daneben sass, und die nach ein paar
Minuten einzuschlafen pflegte. Er musste bloss immerzu weiterspielen,
falsch oder richtig, das spielte keine Rolle.
Nur wenn er sein Spiel unterbrach, wachte sie wieder auf. Man kann sich
fragen, weshalb er es nicht bis ins Guiness' Buch der Rekorde gebracht
hatte?
Ja, unsere kleine Omi, die ein halbes Leben in diesem Haus sass, was sie in
ihren jungen Jahren noch Villa genannt hatten, zwischen den Tannen und
über den beiden Damen, die in der Soldatenstube für die armen und
einsamen Soldaten wohl eine Art Mamas gespielt hatten. Unter dem Dach
gab es zwei Mansardenzimmer. Als ich mal in den Ferien bei ihr weilte,
hatte sie eine Untermieterin, eine Italienerin. Abends kamen die Italiener
und pfiffen vom Gartenzaun her nach der Bellezza, und am Morgen hörte
ich noch im Bett, wie die Omi mit dieser Person quer durchs Treppenhaus
laut und vergnügt und italienisch parlierte. Italienisch hatte sich Oma
offensichtlich selbst beigebracht. Als ich dann aufstand, ging eine
schwarzhaarige, ziemlich muntere Italienerin in einem durchsichtigen
Morgenrock in unserer Wohnung auf und ab. Diesen transparenten feinen
Stoff, der so in Rüschchen von ihrem Körper hing, ähnlich, wie man es
vielleicht auf Theaterfotos gesehen hatte, den fand ich ziemlich wenig solide
und einigermassen unseriös. Es war wohl das erste mal in meinem Leben,
dass ich eine Frau in solch privatem Aufzug gesehen hatte.
Aber die muntere Italienerin verzog sich dann bald wieder in ihre
Mansarde, und ich hatte alles bald vergessen an diesem schönen, sonnigen
Sommermorgen in den Ferien. Nur die Stimmung war mir geblieben, die
Atmosphäre eines fröhlichen, vergnügten Hauses in der sommerlichen
Morgensonne.
Ach, wie komme ich dazu, Dir soviel von unserer Omi zu erzählen, die eine
ziemlich temperamentvolle Person gewesen war? Mein Vetter, der heute als
Arzt in der Nähe Zürichs arbeitet und lebt, liebte sie sehr und war
regelmässig bei ihr in den Ferien. Er hatte sogar noch während des Studiums
in Basel bei ihr gewohnt. Wahrscheinlich war er geprägt von ihrer
Sympathie für die ungarischen Flüchtlinge. Auf jeden Fall heiratete er früh
eine Ungarin zweiter Generation und hatte noch während seines langen
Medizinstudiums zwei Söhne, für die seine junge Frau mehr oder weniger
aufkam. Doch heute sind die beiden geschieden, nachdem sie über lange
Jahre im Haus meiner Grossmutter nach ihrem Tode gelebt hatten, das ihne
 mein Vater überlassen hatte.
Manchmal habe ich den Eindruck, unsere Omi und S haben nicht wenig
Gemeinsamkeiten. Der Stolz, die Freude am Spiel, am Tanz, am Kontakt,
an der Mode, ihre Art Unerschrockenheit und Mut, dem Leben ins Gesicht
zu sehen. Sie hatten sich aber nicht mehr kennengelernt. Ich habe meine
Oma bloss noch im Ohr, wie sie mehr rhetorisch als wirklich gefragt hatte,
wie denn ein Schweizer Offizier eine persische Frau heiraten könne? Sie
wollte das nicht verstehen, verstand es aber bestimmt insgeheim sehr gut,
nachdem sie mich jahrelang vorher immer wieder nach diesem jungen,
jüdischen Mädchen aus Wien gefragt hatte, welches ich in einer Rotary
Woche in Frankreich unter vielen anderen kennengelernt, und von welchem
ich ihr erzählt hatte. Diese Christa war wirklich ein hübsches Mädchen, sie
war eigentlich schon eine Frau mit grossen dunkeln Augen. Als wir zum
Schluss Adressen austauschten, hatte sie (wie Du einmal) gewarnt, dass
sie eine schlechte Briefeschreiberin sei und die Leute jahrelang mit ihrem
langen Schweigen hinhalte. In Genf, auf unserer Rückreise, die ich mit ihr
zusammen im Zug dann gemacht habe, wurde sie von einem grossen
Luxuswagen, einem Rolls Royce abgeholt. Meine Omi hätte es nur zu gerne
gesehen, wenn ich mir eine Frau aus Wien geholt hätte, auch als rühriger
Offizier der Schweizer Armee. Und ich muss zugeben, es wäre bestimmt
keine schlechte Partie gewesen. C. lebte in Wiener Neustadt bei ihren Eltern,
und sie hatte damals darauf hingedeutet, dass sie wahrscheinlich Medizin
studieren würde. Meine Omi liebte Wien, liebte den Wienerwalzer, den sie
mir beibrachte zwischen dem sperrigen und schweren Stubentisch mit der
unverwüstlichen, dicken Tischdecke und dem alten, etwas scheppernden
grünen Plattenspieler, liebte Schönbrunn und diesen alten Pomp und den
Wiener Schmäh und das ganze aristokratische Getue. Wenn sie in Laune
war, sprach sie einige Sätze in Wienerdialekt, oder brauchte besondere
Redewendungen wie gnäd'Frau und Küssdiehand solch abwegige Dinge.
Ich glaube, ich hätte es als 10 jähriger Knabe bei unserer Omi in den Ferien
leicht fertig bringen können, sie zu überreden, gemeinsam nach Wien
durchzubrennen. Ist das nicht ein hübscher Gedanke, als Bony and Clide mit
der Oma abzuhauen? Sie hätte dazu bloss ihre kleine Handtasche bis zum
Rand mit Kafa-Packungen füllen müssen. Unsere Omi hatte nämlich immer
wieder Migräne, und ich glaube, sie war gewohnt, abends zum Einschlafen
stets ein Kafa zu schlucken. Heute müsste man sagen, sie sei medikamenten-
süchtig gewesen. Aber damals hatte sie alles von ihrem Arzt verschrieben,
und ist ja dann doch mit klarem Verstand über 80 geworden. Heute glaube
ich, ihre damalige rhetorische Frage hatte mehr zum Ziel, mich dazu zu
bringen, ihr meine S. vorzustellen. Bestimmt hätte sie sie sehr gerne
kennengelernt, und ich bin überzeugt, sie hätte sie auch gut akzeptiert.
Die beiden Frauen hätten sich wahrscheinlich sehr bald gegen mich
zusammengetan.

Ja, unsere Omi, sie war eine wundervolle Person und ich weiss nicht,
weshalb mein Vater zu ihr immer etwas förmlich geblieben ist. Nur wenn
ich an ihr Ende denke, werde ich traurig. Sie war im Spital und sie muss
ziemlich allein gewesen sein in ihren letzten Jahren. Die beiden Söhne mit
ihren Familien waren fern, der eine im Wallis, der andere im Nordosten am
Bodensee. Nur dieser Enkel, mein Cousin, war in den letzten Stunden des
Todes bei ihr. Diesen mehr oder weniger einsame Tod hat sie nicht verdient.
Sie war immer für uns alle, besonders für die Enkelkinder, da gewesen und
hat wohl in Gedanken am Fenster ihrer Stube stundenlang ihren Söhnen und
diesen 6 Enkelkindern nachgehängt, hat sich lange überlegt, was sie ihnen zu
Weihnachten mitbringen, zum Geburtstag schicken könnte, was sie ihnen
stricken sollte. Sie fuhr für die Weihnachtstage ein Jahr zu uns ins Wallis,
und das nächste Jahr zum anderen Sohn an den Bodensee, immer
abwechslungsweise. Und so konnte sie dann jeweils an einem Ort vom
diesem erzählen und wir erfuhren ein bisschen, was sich in unserer weit
entfernten Familie tat. Und sie gab sich Mühe, diskret zu bleiben und mit
den Schwiegertöchtern nicht in eine Spannung, gar Streit zu geraten. Ich
glaube, sie war irgendwie meine erste Freundin. Sie hat sich immer
gleichgestellt gegeben, niemals die Macht des Erwachsenen gegenüber
dem Kind aufgebaut und damals, mit vielleicht 10 oder 12 Jahren waren
wir ungefähr von gleicher Grösse. Ich erinnere mich sehr gut an ihr
temperamentvolles Profil, ihr silbern gelocktes Haar und an die vielen
Fältchen im Gesicht mit dem optimistischen Lächeln. Sie hatte schöne
Hände mit dicken blauen Venen, die die Handrücken zu überfluten
schienen. Und wenn sie im Kartenspiel dreimal hintereinander verlieren
sollte, schmiss sie die Karten auf den Tisch und verschwand für eine Zeit
in der Küche. Pech, das wollte sie nicht so einfach und in Demut hinnehmen.
*
Siehst Du, Marlena, all das kommt mir in den Sinn, wenn ich mir vorstelle,
wie Du allein in Deinem Hause lebst, Essensvorräte aufkochst und dann und
wann gedankenversunken aus dem Fenster in die Weite siehst. Da kommen
mir echt grossmütterliche Erinnerungen.
Ich grüsse Dich lieb
...

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Onkelchen erzählt

Bilder ok, merci mein Schatz

Liebe Marlena

Mein Fyrklöver
Am Sonntag abend fahren S und ich zu einem Onkel in L.. Jeden Sonntag tun wir das. Unser Onkel ist jetzt 92 Jahre alt. Vor 2 Jahren ist seine Frau gestorben. Und nun lebt er alleine in seinem schönen Haus direkt unterhalb des alten Schlosses, von dem du mir die Fotos geschickt hast. S bereitet eine schöne Mahlzeit vor, ich decke ordentlich den Tisch und öffne die Vorhänge, damit man zu fortgeschrittener Stunde frei aus dem grossen Fenster hinunter auf die Lichter der Stadt sehen kann. Man hat von hier oben eine wunderbare Aussicht auf die Ortschaft, weit hinten auf die Jurahügel und auf die untergehende Sonne. Und der alte Onkel geht mit kleinen schlurfenden Schrittchen in den Keller und holt eine schöne Flasche Yvorne. Und so essen wir zusammen am Sonntag Abend und wir plaudern ein bisschen. Am liebsten isst er gebratenen Lachs, ein bisschen Gemüse, voraus einen knackigen Salat und dazu den goldenen Yvorne, einen Weisswein aus dem Wadtland.
 ...
Mit Onkel K also sitzen wir sonntags zum Nachtessen zusammen, und er kommt ins Erzählen. Und er hat viel zu erzählen aus diesem Jahrhundert, das er fast ganz und von A bis Z miterlebt hat. Sein Gedächtnis ist noch wunderbar intakt. Und er war immer ein guter Plauderer und Erzähler gewesen. Mit ihm hatte ich mich stets bestens unterhalten, wie ich das mit meinem Vater nie gekonnt habe. Mein Vater ist ein technischer Mensch. Ihm fliessen die Gedanken nicht. Aber K. ist ein wunderbarer Erzähler mit einem fantastischen Erinnerungsvermögen für Geschichten und Episoden.

Beispielsweise erzählte er von seiner Zeit, da er als junger Mann im marokkanischen Fes, in Nordafrika gearbeitet hatte. Es muss kurz nach dem ersten Weltkrieg gewesen sein. Und Nordafrika war zu jener Zeit für Europäer, umso mehr für Schweizer ausserhalb der Grenzen der bekannten Welt, ausserhalb der Landkarte. Für ein Jahr hatte er in Fes eine Confiserie geführt und Erfahrungen mit Arbeitern aus dem Maghreb gesammelt. Und oft soll die Kinderfrau mit ihrem kleinen Zögling Hassan in das Geschäft gekommen sein, um einzukaufen. Hassan, der spätere König Hassan II. von Marokko, der damals ein kleiner Junge gewesen war, wollte in der Backstube das Feuer sehen. Kurt musste den Ofen öffnen und er warf eine handvoll (vielleicht heute Hand voll?) Salz in die Glut, so dass die Flammen aufwallten und emporschlugen. Der kleine Hassan soll jedes Mal wieder von neuem von diesem Spektakel begeistert gewesen sein.

Und er erzählt von seiner Elisabeth, mit der er ein Leben lang gemeinsam dieses Geschäft in L. geführt hatte und die immer eine etwas eigensinnige Frau gewesen war. Er sagt, und das fand ich rührend, er sagt, dass er sich heute besser mit ihr unterhalten könne, da sie gestorben sei. Früher seien sie immer wieder in Streit geraten, weil Elisabeth partout auf ihre Meinung zu beharren pflegte. Aber heute, da sie tot ist, sei das alles viel leichter und besser geworden. Sie sei jetzt umgänglicher.
Es ist schön zu hören, wie zwei Menschen zusammen in Loyalität und Liebe gelebt haben, und zu hören, wie relativ Liebe im praktischen Alltag ist. Wir jüngeren Generationen halten die Liebe für eine rein romantische, rein gefühlsmässige Angelegenheit. Doch früher war das primäre Ziel der Ehe die nackte materielle Existenz und das oekonomische Überleben. Gerade die höheren gesellschftlichen Kreise haben nicht aus Liebe geheiratet, sondern um die Interessen ihrer Familien zu wahren. Wenn sich daraus Liebe ergeben haben sollte, so war es ein Glücksfall.

Und dabei fällt mir bei K. und E. die schöne Geschichte von Philemon und Baucis ein, die man in Ovids Metamorphosen finden kann. Die alten und armen Eheleute Philemon und Baucis haben sich mit der gastlichen Aufnahme von Jupiter und Merkur (waren es diese beiden?) einen Wunsch verdient. Und sie wünschten sich, dass keiner den anderen überlebe, dass keiner das Schicksal zu ertragen habe, den Tod des andern betrauern zu müssen. Dieser Wunsch wurde ihnen gewährt und sie sind beide in je einen Baum verwandelt worden, die in naher Nachbarschaft noch heute beisammen stehen sollen.

Ich danke dir für die ...

(R)

Dienstag, 13. Dezember 2011

N o b c i a

date 13 December 2007 13:46
subject: N o b c i a


Liebe Malou
Ja, die Nobelfeier. Vielleicht ist sie doch interessanter am Fernsehen
anstatt bloss auf Bildern, wo die Leute so steif dasitzen vor leeren
Tellern. Ich kann mich erinnern, dass einer unserer Clubmitglieder
einmal erzählt hat, wie er mit dem schwedischen König zusammengesessen
habe. Es ging offenbar um Umweltschäden und Nachhaltigkeit der
Entwicklung. Er selbst ist Biologieprofessor und ein Spezialist auf
diesem Gebiet. Er hat damals den König sehr gelobt, wie offen er
gewesen sei im Gespräch und wie unkompliziert.
Und heute feiert ihr Lucia? Du hast mir davon erzählt und geschildert,
wie schön dieses Fest eingangs Winter ist.
...

Montag, 12. Dezember 2011

Lucia 13. Dezember


"Semblable à une apparition céleste, Sainte Lucie vient illuminer les
ténèbres des nuits de décembre. À travers tout le pays, aux premières
heures du jour, les écoles, les hôpitaux, les maisons de retraite et
les lieux de travail reçoivent, dans une atmosphère baignée de magie,
la visite d'une Sainte Lucie et de son cortège. Vêtues de longue robe
blanche, précédées de la Sainte coiffée d'une couronne de bougies, les
jeunes filles s'avancent solennellement, chacune portant une bougie à
la main et chantant des refrains traditionnels. "

Besonders die Worte ".. dans une atmosphère baignée de magie.."
gefallen mir daran, denn diese Feier hat etwas Magisches an sich.

Lussekatter



Liebster Mausfreund,

Nun ist auch mein Haus für Advent geschmückt. Die Weihnachtsgardinen sind aufgehängt und in den Fenstern stehen Leuchter (mit sieben Kerzen) Auch habe ich ein paar Adventssterne aufgehängt. Zwei sind aus Holz und verbreiten einen warmen gelblichen Schein, aber mein Lieblingsstern hängt oben im "allrum". Er ist aus Papier und leuchtet am allerschönsten von allen. Genau solche gab es schon in meiner Kindheit und ich kann mich nicht davon trennen.
...........
Und morgen feiern wir Lucia. Ich bin gerade am Backen. Lussekatter ist ein Muss am Luciatag.

Liebe Grüsse und
KKK
Malou

Sonntag, 11. Dezember 2011

Samstag Abend

Ämne: Samstag Abend
Datum: den 2 december  17:07

Lieber ...,
Es ist Samstagabend. Anna wartet auf den zweiten Teil eines blutigen Films. Von unten tönt irgendwelche moderne Musik herauf und ich werde bald zu Bett gehen. Eigentlich müsste ich auch noch heute etwas berufliches tun, da ich weiss dass die Zeit morgen kaum ausreichen wird. Aber ich kann mich nicht daran machen. Ich will es ganz einfach nicht. Der Samstag soll mein privater Tag sein.
Als ich gestern nach Hause kam fühlte ich mich herrlich erleichtert. Vielleicht weil ich mein Wochendende noch ungraviert vor mir hatte aber auch weil ich spürte dass nun eine arbeitsame Peridode bald zu ende geht. Eine meiner Klassen macht im Moment die Abiturprüfungen in Französisch und es sind die letzten Stunden mit dieser Klasse. Ich werde also von Januar an etwas weniger zu tun haben. Ausserdem haben mich die Geschehnisse in letzter Zeit irgendwie befreit. Ich weiss nicht richtig wie ich es erklären soll aber ich werde das berufliche etwas leichter nehmen und ein wenig mehr sozial werden, d.h. wieder ein bisschen mehr an mein Privatleben denken und an meine Freunde die ich wirklich sehr vernachlässigt habe.
Und sicher war es auch dein liebes Mail das zu diesem schönen Wohlbefinden beigetragen hat. Ach, chéri, du hast einen harten Tag gehabt. Und du beschreibst es so realistisch und so lustig dass ich lachen muss wenn ich dich im dunkeln wie ein Dieb aus dem Zimmer schleichen sehe.
Es ist schön manchmal mit dem Auto unterwegs zu sein. Es gibt so viel Zeit zum denken weil man am Steuer ja eigentlich nichts anderes tun kann. Ich liebe es, so durch die Landschaft zu fahren. Dann fühle ich wie es ganz still wird in mir. Ich geniesse die schöne Natur und die Einsamkeit. Und oft denke ich auch, wie schön die Welt wäre ohne Menschen. Dazu bekomme ich öfters eine unbändige Lust nur immer weiter zu fahren und alles hinter mir zurückzulassen. Aber es ist nicht so schlimm wie es klingt. Es ist vielleicht mehr Abenteuerslust als Flucht.. und vielleicht werde ich es einmal tun...
*
Gestern Abend hatte ich keine solche Gedanken. Ich war ganz zufrieden mit meinem ruhigen Leben und während ich die Gardinen bügelte (Schatz, du wirst glauben dass ich nichts anderes tue in meinem Leben :-) dachte ich an dich und an dein liebes Mail. Ja, ich liebe sie auch, unsere ”stille Mausfreundschaft” obwohl sie bei mir noch nicht so ganz still und vielleicht auch nicht nur Freundschaft ist. Aber es ist gut so wie es ist. Und es gibt uns die Möglichkeit unsere §§§ zu respektieren, wie wir es einander einmal versprochen hatten.
*
Hast du dein Bild bereits abgeschickt? Ich bin schon sehr neugierig. :-)
Und wann wirst du operiert werden? Bitte vergiss nicht mir deine Telefonnummer zu geben. Ich würde gern wieder einmal deine Stimme hören.
*
K ist trotz einer riesen Erkältung gut gelaunt. Er und seine Projektgruppe haben wieder Geld von EU bekommen und träumen nun von einer Reise nach London, vielleicht schon im Januar. Sie wollen dort (wie voriges Mal) eine grosse Computermesse besuchen. Aber das ist natürlich nur eine Ausrede, denn die Pubs und die Musicals sind doch viel interessanter ;-) Aber es freut mich und ich gönne es ihnen. Bei der vorigen Reise zur Messe in Hannover war eine Kollegin dabei, die nun allen erzählt dass sie sich nie im Leben auf einer Reise so gut amüsiert hätte wie auf dieser. Und ich bin ganz sicher dass es so ist obwohl ich weiss dass die Jungs alles taten um ihr zu entwischen. ;-)
*
Hast du den Bericht über unsere Weihnachtsfeier schon gelesen? Ist es sehr anders als bei euch? Wie geht es dir nun gesundheitlich, chéri? Hast du die Karte gesehen die ich dir geschickt habe? Genau so habe ich die Adventszeit in Erinnerung. Dieses warme Licht und der schöne weisse Schnee und dann noch dieser typische Schlitten, den man, jung wie alt, im Winter anstatt Fahrrad benutzte. Ich glaube diese Sorte kennt man garnicht unten am Kontinent. Es ist übrigens ein Bild von Carl Larsson. Kennst du den Namen?

So Liebling, ich muss nun ins Bett. Lass bald wieder von dir hören wenn du Zeit dazu findest.
Ich wünsche dir einen schönen Sonntag
und sende dir liebe Grüsse
SKH
Marlena

Samstag, 10. Dezember 2011

Nobelfest




10 Dezember 2011




auf dem Dach gegenüber

---
Bei mir hier sitzen die Tauben gelangweilt oben auf dem hohen Dach gegenüber
und feilen an den Fingernägeln. Manchmal geht eine Bewegung durch die Reihe,
die nur mit Erotik oder vielleicht Eifersucht zu tun haben kann. Dann fliegt
eine weg, steuert irgend einen hohen Punkt an, den ich nicht mehr
übersehen kann, wo sie sich schmollend niederlässt und lässt so in der
wohlkalkulierten Reihe eine Lücke zurück. Aber ich bin überzeugt, Tauben
sind ziemlich monogam und beobachten eifersüchtig, was in ihrer Gruppe da
oben geschieht. Wahrscheinlich sprechen sie miteinander mit den Augen,
schauen nachsichtig oder scharf in die Welt und versuchen sich so, es ihren
Nächsten verständlich zu machen. Manche sind auch ziemlich eitel. Sie putzen
und scheuern sich stundenlang. Aber gelegentlich stehen sie auch bloss dort
oben, krallen sich an die Dachziegel und schauen auf die kleinen Menschlein
hinunter. Ich weiss nicht, was sie tun. Vielleicht zählen sie die Autos?
Vielleicht suchen sie eine spezielle Marke heraus, etwa Volkswagen oder
Merzedes, und verfolgen sie bis an den Horizont. Oder vielleicht ist es
schieres Mitleid, das sie für Fussgänger haben, die sich eilig durch den
Verkehr quälen. Wenn Kästner meint, die Möwen schauten aus, als ob sie Emma
hiessen, dann heissen die Tauben wohl Maria. Und wenn sie oben auf der
Dachkante hocken, spielen sie Rosenkranz.
*

Montag, 5. Dezember 2011

St. Nikolaus

Ämne: Re: St. Nikolaus
Datum: den 6 december

Liebe Marlena
Danke Dir, dass Du die Bilder nochmals geschickt hast... Das Bild mit den lussekatter habe ich schon bekommen. Ich kann sie mir gut vorstellen und könnte mir auch ungefähr denken, wie sie schmecken. Sie sehen sehr hübsch aus.
Ja, und Carl Larsson kenne ich auch. S hat eine Freundin, die immer Larsson Postkarten schickt. So wurde ich überhaupt auf ihn aufmerksam. Seine Bilder sind für mich typisch nordisch. Sie zeigen eine Natürlichkeit und Leichtigkeit, die ich mit den skandinavischen Ländern, natürlich mit Schweden verbinde. Es ist nichts Prätentiöses oder Lautes darin. Sie sind wirklich schön und lebendig in ihrer Liebe zum Familienleben, zum Häuslichen, zu den Kindern und so. Ich mag sie. Und ich glaube, Du musst sie auch mögen.
Und dann ist da noch die Lucia. Von ihr war im langen Artikel die Rede, den Du mir geschickt hast. Das Fest kennt man hier wirklich nicht. Wir haben heute St. Nikolaus. Den kennt ihr ja auch. Aber er kommt hier nicht mit einem Rentier, sondern allenfalls noch mit einem Esel. Es gibt zwei Arten von St-Nikolaus. Im Wallis, also einem katholischen Teil des Landes kommt der St.Nikolaus mit dem Bischofsstab. Er sieht wie ein Bischof aus, hat natürlich aber auch Bart und ein Gehabe wie St. Nikolaus. Und daneben kommt Schmutzlich, er ist ganz schwarz. Man könnte denken, es sei der Teufel, oder mindestens sonst ein nicht sonderlich vertrauenswürdiges Wesen.
Und dann gibt es den St. Nikolaus in reformierten Gebieten. Dort hat der Mann einen meist roten Anzug mit einer Kaputze und einen langen weissen Bart. Meist hat er auch noch ein riesiges Buch, aus dem er den Kindern die Sünden und Straftaten des Jahres vorhält.
*
Ich kann mich an eine Nikolaus-Szene im Kindergarten erinnern. Wir hatten
eine Bank rundum im Raum und sassen gespannt da, bis das grosse Unikum
hereintrat. Und siehe da, der Kerl hatte einen Sack auf dem Rücken, an dem
ein Sack hing. Und aus dem Sack ragte ein Bein in Strumpf und Schuh.
Natürlich wollten wir Kleinen sofort wissen, was mit dem Bein los sei. Und
der komische Kerl meint, dies sei Vreni, die eben nicht folgsam gewesen sei.

Lange Jahre konnte ich kein Mädchen ertragen namens Vreni. Ich
verabscheute sie richtiggehend, nur weil sie hiessen, wie dieses Mädchen,
von dem ich glaubte, es wäre wirklich im Sack des St. Nikolauses
weggetragen worden.
*

Americanized country

Lieber Mausfreund,
Heute Morgen habe ich mich mit der Englischen Sprache
herumgeplagt. Die Grammatik beherrsche ich so eingermassen
aber diese Sprache ist ja viel mehr als so. Es war mein Lieblingsfach
im Gymnasium und eigentlich hätte ich es dann an der Uni studieren
wollen.. aber Frankreich kam dazwischen. :-)
Ich schicke dir eine Kopie von meinen Bemühungen, damit dir nichts
von meinem "inhaltreichen" Alltag entgeht. ;-))
.....
Sweden really is a very Americanized country. (The most
Americanized country in the world. On the second place
comes the USA ;-)
...
Bis später
MlGuK
Malou

Freitag, 2. Dezember 2011

Lachen und weinen

Fri, 05 May 2000 17:43
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge


Liebste Marlena

Ich habe den PC schon abgestellt gehabt. Ich habe meine Mappe schon gepackt. Das Licht gelöscht. Kaffeemaschine gestoppt. Kopierer ausgeschalten. Schlüssel im Schloss. Ich wollte heute nicht mehr an dich schreiben. Ich war so fuchsteufelswild, wirklich sehr verärgert, dass das nicht geklappt hat.

Doch du hast mich getröstet. Mit zwei Sätzen, sie sind es, glaube ich. Im letzten Abschnitt. Sie haben mich gerührt und sie haben diesen harten Aerger aufgeweicht. In fünf oder zehn Minuten hast du es geschafft.

Ach, es gibt niemanden auf dieser Welt, der mich so tröstet wie du! Das ist nicht bloss als Kompliment gemeint, sondern als Tatsache. Und ich glaube, dass ich immer ein Kind und später Erwachsener war, der schwer zu trösten war. Ich weiss nicht woher du diese schöne Gabe hast. Das rührt mich wieder einmal sehr und ich stehe da wie jener Topdiplomat, du erinnerst dich, nein, den anderen meine ich.

Du bist lieb, dass du mir so schnell geschrieben hast. Schon beim Mail von gestern hatte ich geahnt, dass es nicht mehr klappen könnte in solch kurzer Zeit. Nehmen wir doch an, die Tschechen tragen die Hauptschuld, dass sie die Messages nicht weitergegeben haben, dass sie sich nicht bemüht haben, dass sie nicht das Notwendige versucht haben, dass sie das Telefon nicht besetzt hielten. Vielleicht war es eine sehr zweitklassige Herberge? Es tut mir leid für dich, meine Liebste, dass du so viel Umstände gehabt hast. Wenn die Tschechen – in ferner Zukunft – vielleicht einmal zu Europa kommen, können wir ihnen dann vielleicht die Absolution geben. Aber im Moment sind sie schuldig. Basta! Bist du einverstanden, Marlena?

Aber eigentlich hat mir ja das Fernsehen die Überraschung an jenem Samstag Abend schon verdorben. Als ich diese Idee hatte, war ich schon davon ausgegangen, dass du Barbara erstmals mit diesen CDs hören würdest. Zum ersten mal auf den CDs von mir, das hätte ich DIR so gerne geschenkt. Aber: erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Hat das Kästner gesagt? Kästner hat übrigens einen schönen Satz geprägt, und das ist ein sehr guter Satz, einer der besten, den ich kenne. Man hört ihn im Deutschen oft. „Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es".

Ich wollte etwas Gutes tun, nun hat es nicht getan. Ich umarme dich und schenke dir stattdessen zwei Küsse (Kategorie 3 natürlich, du könntest dich noch wundern) Das Leben besteht ja nicht nur aus Erfolgen und Siegen und Krönungen, sondern auch aus Niederlagen, kleinen und grösseren Rückschlägen. Und vielleicht erden wir nun immer an diese Aufregungen und diese Woche Prag zurückdenken, wenn wir Barbara hören. Und ihre Melancholie wird uns ein Echo sein auf unsere etwas trostlose Situation, dass wir auf dieser Welt wie zwei windschiefe Geraden durch das All jagen, aber uns nie berühren können. Aus definitorischen und mathematischen, dh. aus höheren Gründen nie berühren. PER SECULA SECULORUM sozusagen.
*
Doch jetzt Schwamm drüber. Erzähle mir von Prag. Wie war es, was habt ihr gesehen. Seid ihr noch an anderen Orten gewesen? Hast du Spuren von Rilke und Kafka angetroffen? Und das berühmte Pilsner? Erzähle mir, meine liebe Mausgeliebte, ich bin so hungrig von dir zu hören

Es war trüb, eine Woche ohne Neuigkeiten von dir. Ich war ganz voller Melancholie. Ich hätte Elegien schreiben können, Klageleider, die alle mit „ach" angefangen hätten. Ich habe immer wieder diesen süssen italienischen Song der prima notte d'amore gehört mit dem Refrain piano piano amore mio. Er ist mir schon richtig nachgelaufen. Und abends habe ich mir einen Whisky eingegossen, und er ist mir noch durch den Whisky nachgewatet.

Ich danke dir für deinen Trost, meine liebe, und so möchte ich dich auch trösten können. Ich werde die 2 CDs, die A. wohl jetzt zurückbringen wird, oben auf dem Büchergestell neben Rilke hinstellen und für dich aufbewahren. Aufbewahren per secula seculorum.

Ich hoffe, dass ihr alle wohlbehalten in Stockholm ankommt und dass Dich deine Familie zuhause mit Freude und Liebe empfangen.

K+G+M

Re: bittebittebittebitte (aus Prag)

den 5 maj 2000 16:55
Re: bittebittebittebitte


Lieber Mausfreund!
Ich habe sie verpasst... bitte fall nicht vom Stuhl. Ich habe wirklich alles versucht was mir moeglich war. Ich habe mehrmals angerufen. Meistens hat niemand geantwortet, einmal habe ich eine Message hinterlassen. Ich bin an einem spaeten Abend noch vorbeigegangen mit meinem Kollegen um sie persoenlich zu treffen ... ohne Erfolg. Dabei habe ich eine schnelle mess hinterlassen, in Eile auf einer Autohaube geschrieben.. und wie ich mich nachher erinnerte aus Versehen nicht unterzeichnet..(habe mich wirklich sehr geschaemt). Heute habe ich nochmals angerufen (niemand hat geantwortet) und bin dann auch persoenlich dort gewesen und habe mit dem Mann in der Information gesprochen.

OK Es tut mir Leid.. die Blumen vertrocknen in der Ecke und ich habe den Termin verpasst. Ich werde dir spaeter noch von dem Abend erzaehlen als ich ganz sicher war dass ich A. sah..

Vielleicht bist du nun nicht besonders froh.. genau wie ich.
Die jungen Leute erwarten mich in 5 Minuten, dann gehen wir alle gemeinsam essen und am abend um 20.00 Uhr sitzen wir wieder im Bus.
Sei nicht traurig.. ich bin es fuer uns beide
Mit freundlichen Gruessen
Marlena

Bittebittebittebitte

den 5 maj 2000 08:11
Bittebittebittebitte


Liebe Marlena
Herzlichen Dank für dein Mail. Es ist lieb, wie immer, und ich weiss, dass du dich deswegen losreissen musstest von deinen Leuten und von deinen Aufgaben.
Deine Mitteilung über das Treffen mit A. macht mir Sorgen. Ich habe dir doch alle Angaben geschrieben! Wenn du sie anrufst im Hotel oder eine Nachricht hinterlässt, dann kann sie dir die CDs auch bringen. Sie ist jung und macht das gerne für dich und für mich. Wahrscheinlich würde sie mit ihrer Freundin zusammen kommen. Es wäre doch auch für A. ein interessantes Ereignis, jemanden sozusagen Bekannten zu treffen, vielleicht sogar ein paar schwedische Schüler zu sehen. Sie hat seit ihrem Aufenthalt in Südamerika Freude am Kontakt mit jungen Menschen aus anderen Ländern. Die Schüler haben sicherlich nicht den ganzen Tag ein fixiertes Programm oder sie kann auch mit dem Lehrer reden und die Erlaubnis erhalten, sich von ihrer Gruppe zu entfernen, um dir die CDs zu bringen. Sie ist erwachsen, meine Liebe. Ach, wenn das nicht zustande kommt, dann würde ich sehr enttäuscht sein. Das wäre für mich wirklich das Allerletzte, was ich erwartet habe. Ich reisse mir hier die Beine aus dem Leib und ihr verpasst in Prag eine solche Gelegenheit, die es im Leben nur einmal gibt. Nein, das darf nicht sein!!
Hier nochmals ihre Adresse:
...
Ach, Marlena, ich bitte dich, unternimm etwas, damit es klappt. Ich bitte dich sehr darum. Ich flehe dich geradezu an. Ich habe mit A. leider keine Verbindung. Ich habe ihr zwar ein Mail ins Hotel geschickt, aber sie hat nicht zurückgeantwortet. Ich habe nur Kontakt zu dir, meine Liebe. DUUUU musst die Sache an die Hand nehmen. Und ich wünsche mir so sehr, dass du sie persönlich triffst, wenn immer das möglich ist. Die CDs an der Reception zu hinterlegen und dann abholen wäre eine schwache Variante, möglich, aber schwach. Sie ist noch bis heute abend 18.22Uhr in Prag. Das ist die Zeit, um die sie abreisen wird. Bitte, enttäusche mich nicht, Marlena. Ich habe das doch nur für dich organisiert, allein für Dich! Wenn du das nicht holst, wäre das für mich so, wie wenn du den Blumenstrauss, den ich dir geschickt habe, in die Ecke legst und vertrocknen lässt. Das wäre für unsere Mausfreundschaft ja praktisch so schlimm, wie den Hochzeitstermin verpassen, einfach nicht hingehen und den Mauspartner vor der Kirche verlassen!
Und wenn es denn Mut braucht, dann gebe ich dir den meinen noch dazu, dann hast du eine doppelte Portion. Das muss doch - mein Gott - reichen, meine Liebste.
Ich setze alle meine Hoffnungen auf Dich und grüsse dich
...

(R)

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Einmal im Leben ..

.
Weißt du Marlena, was ich gerade beschlossen habe? Das ist natürlich
wieder einmal ein bisschen verrückt. Aber es ist nun mal so. Einmal
im Leben werden wir uns sehen. Mindestens einmal. Vielleicht nur
eine Stunde, vielleicht weniger, vielleicht nur für dein helles Lachen.
Vielleicht nur eine Zwischenlandung oder eine Durchfahrt irgendwo
auf dieser Welt. Vielleicht sind wir dann schon alt und werden uns
zitterig umarmen. Aber einmal werden wir uns sehen. Da bin ich mir
ziemlich sicher. Ich habe bisher in meinem Leben alle Ziele erreicht.
Aber du musst dir keine Sorgen machen, wir werden §3 und §5
berücksichtigen. Und du bringst mich echt in Verlegenheit mit dem
hübschen Bild. Ich weiss absolut nicht, wo ich ein Foto von mir
herkriegen könnte, das einigermassen angemessen wäre. Ich habe
an sich wenige Aufnahmen, weil ich ja meist selbst der Fotograph bin.