Freitag, 28. Februar 2025

Goûter


Datum: den 20 mars  18:11

Lieber ...,
Wie ich mich freue wieder "richtig" von dir zu hören. Ich kam spät nach Hause und ging ziemlich umgehend an den PC, um meine Post zu kontrollieren, d.h. nach deinem Namen zu sehen. Und sogar zweimal stand er da! Na ja, wenn ich dann anfange zu lesen, muss ich feststellen, dass du klagst, weil mich die NZZ vom Schreiben abgehalten hat .. nur um mir gleich danach alle Zeitungen der Welt als Lektüre zu empfehlen. Wie meinst du das? ;-))

Da es ein ziemlich langes mail war, habe ich es geprintet und bin damit in die oberen Regionen verschwunden (Anna wollte unten ins Internet). Und so hat sie mich oben lachen hören, denn es ist wirklich wunderbar wie du diese Omas beschreibst. Und das mit dem Brot an der Brust. Ich hatte es schon ganz vergessen und plötzlich sah ich es wieder vor mir. Bei mir war es nicht eine Oma, sondern Tante Lina. So nannten wir unsere "Bonne" (auf Deutsch?) damals. Sie war eine liebe gemütliche, etwas runde alte Dame und nun plötzlich sehe ich sie wieder vor mir beim Brotschneiden. Auch meine Tante tat es wohl auf diese Weise.. (Warum um Himmels Willen nahmen sie nicht ein Brett???)  Dass gerade Tante Lina in meinem Gedächtnis hängen geblieben ist, hat wohl ein wenig mit ihrem üppigen Busen zu tun. Irgendwie klemmte sie das Brot fest, um ihm einen Halt zu geben beim Schneiden.. :-)
Ich habe mein Leben lang nicht mehr daran gedacht und jetzt fühle ich mich ganz melancholisch, wenn ich daran denke.. Es ist schön, wenn du so Erinnerungen aus meiner Vergangenheit zurück bringst.
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Mit einem lieben Gruss
Marlena

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Mittwoch, 26. Februar 2025

Sorry!

 Ämne: Sorry

Lieber ..
Ich wollte dir jetzt am morgen schreiben bin aber in der NZZ so lange hängengeblieben dass mir jetzt die Zeit fehlt.
Habe es etwas streng im Moment mit vielen extra Konferenzen diese Woche.
Hier ist es auch grau. Ich hoffe doch auf Frühling, Wärme und bessere Zeiten für Mausfreunde.
Mit einem lieben Gruss,
Marlena

By the way - hast du meine Mails erhalten?

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Ämne: Re: Sorry!
Datum: den 20 mars 16:53



Liebe Marlena
Ach, Du schreibst wirklich kurze Mails. Und fragst, by the way, ob ich sie erhalten habe. 
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Hier hat das Wetter etwas aufgehellt. Irgendwie riecht die Luft nach Frühling und nach Ostern. Und die Tauben trippeln wieder in aller Seelenruhe auf dem Dachfirst gegenüber auf und ab und schauen aus, als ob sie Emma hiessen. Ach nein, das waren die Möwen, die Emma hiessen. Nach einem Kästner-Gedicht.  ---   
Meine Grossmutter mütterlicherseits hat Emma geheissen. Sie war eine kleine, etwas dicke Frau, und ich erinnere mich, wie sie das Brot zur fülligen Brust nahm, um es zu schneiden. Ich hatte als kleiner Junge immer etwas Sorge um ihre Brust, wenn sie sich zu solchen Manövern herbeiliess. Aber es geschah nie ein Unglück. Nur, dass sie, wenn sie dann das Brot zurücklegte, auf ihrer Brust einen mehligen weissen Fleck zur Schau trug. In meiner Fantasie war das wie ein Wundmal. Ich habe gedacht, die Soldaten tragen blutige Wunden aus der Schlacht mit sich herum, und Hausfrauen mehlig weisse Brüste. Das war irgendwie ihr Schicksal. Ich hatte meine gute Oma Emma immer im Verdacht, dass sie etwas dumm war. Manchmal lachte sie so verlegen, wie man es als junge von einer erwachsenen Person nicht erwartet. Oder sie hatte spezielle Dialektausdrücke, die sie mir nicht einmal in meine Sprache übersetzen konnte. Sie hatte beispielsweise ein merkwürdiges Wort für Sieb, und es fiel ihr selbst nicht einmal auf, dass das Wort komisch war, ich meine, dass sonst niemand auf der Welt ein solch fremdes Wort gebrauchen würde. Mein Grossvater war ein grosser und stattlicher Mann, der es noch selbst übernahm, Fleisch einzukaufen. Morgens fragte er jeden von uns, ob wir eine Schweins- oder eine Kalbswurst wünschten. Und das war absolut luxuriös, denn damals gab es noch nicht täglich Fleisch. Er aber wollte uns verwöhnen und besorgte täglich unsere Ration, die er in seiner kleinen Mappe heimbrachte. Ich meine, wenn er abends heimkam, sah er aus, als ob er direkt von der Arbeit im Büro käme. Aber dann öffnete er seine dünne Ledermappe, und es purzelten lauter Würste heraus. Neben dem Wursteinkauf gab er sich nicht allzu sehr mit Kindern ab. Das war nicht sein Geschäft. Stattdessen spielte Oma Emma stundenlang mit uns Elfer-Raus. Es war ein gutes und nützliches Spiel für uns im Kindergartenalter, denn dabei lernte man die Zahlenreihen von 0 bis 20 hin und zurück, so dass man sie noch im Schlaf aufsagen konnte. Und man lernte ungefähr 12 Karten in einer Hand halten. Das war nicht so einfach, wie es sich anhört. Schliesslich sollten sie regelmässig wie ein Fächer geordnet sein, so dass man die Übersicht bewahren konnte. Ach, wir haben wirklich stundenlang dieses Spiel gespielt. Und dazwischen schnitt sie uns als Zwischenmahlzeit dicke Brotscheiben auf ihrer Brust. Sie war mir immer irgendwie fremd, diese Oma Emma. Sie war keine starke Persönlichkeit und ihr Haus war rundum ein bisschen unordentlich. Grossvater hatte zahlreiche Tiere im Garten, und wenn man hereinkam, schrieen die Gänse, so dass sie einen beinahe in die Flucht trieben. Dagegen war meine Oma Frieda väterlicherseits eine wirklich aparte Person. Sie war bis ins höchste Alter attraktiv, zog sich gerne hübsch an und liebte es, unter die Leute zu gehen und sich noch nach Jahren, als ihr Mann längst gestorben war, Frau Direktor ansprechen zu lassen. Das liebte sie sehr. Und das alte Oesterreich-Ungarn und die Wiener-Walzer liebte sie noch mehr. Sie hat mir den Walzer beigebracht. Aber ich weiss, das habe ich bereits erzählt. Ihr alter Gramophon stand rechts, neben dem Steinofen. Und dort, gleich bei der Tür zur Stube, konnte man auch im Walzertakt einige Dreherchen machen. Ach, sie war im Himmel, wenn sie Walzer tanzen konnte. Und sie hatte an der Wand eine kolorierte Zeichnung vom Schloss Schönbrunn. Und ein Foto meiner Eltern, die beide in dickem Mantel und breitrandigem Hut dasassen. Und wenn ich bei Oma in den Ferien weilte, dann bat ich sie, dieses Bild zu entfernen, weil ich sonst zusehr unter einem heftigen Heimweh leiden würde. Sie hatte Verständnis und hängte das Foto verkehrt herum an die Wand. Das sah komisch aus und und die weisse Rückseite erinnerte mich umso mehr an meine Eltern, die mich - Rabenvater und Rabenmutter - hier mutterseelenallein und schutzlos zurückgelassen hatten. Aber Oma gab sich Mühe, mich zu unterhalten. Zum Essen bereitete sie Pommes Frites, wie ich sie mir immer wieder wünschte. Und sie pflegten aussergewöhnlich gut zu schmecken. Dann räumte sie ordentlich die Küche auf, um später mit mir, oder mit uns, wenn mein Bruder dabei war, um mit uns Karten zu spielen. Mit Oma Frieda spielten wir nicht Elfer-Raus, sondern Joker. Das war zwar ein ähnliches Spiel, aber es erwies sich als variantenreicher. Oma Frieda hasste es, mehrmals hintereinander zu verlieren. Das konnte sie nicht ausstehen. Sie erwartete von ihren Enkeln in dieser Hinsicht etwas Nachsicht und Respekt.
*
Und jetzt sind alle Emmas weggeflogen.

Ich wünsche Dir ruhigere Zeiten und wenig Extrasitzungen. Sie bringen ohnehin nicht soviel.
Mit einem lieben Gruss
...






Sonntag, 23. Februar 2025

Verspätetes Abendmail

 Datum: den 20 januari  04:22

Lieber ...,
Mein versprochenes Abendmail wird ein Morgenmail. Ich hatte mich sehr auf diesen freien Freitagabend gefreut. Es ist immer der Abend, an dem man sich ganz von Verpflichtungen befreit fühlt, und nun brauchte ich nicht einmal auf K Rücksicht zu nehmen. Am liebsten hätte ich was besonderes unternommen, aber dann spürte ich, dass ich doch nach der Arbeitswoche ziemlich müde war und so machten wir uns einen gemütlichen ruhigen Abend zu Hause. Um nicht zu sehr K's gute Kochkunst zu vermissen, kaufte ich Lammkoteletts, die ich auf meine Lieblingsweise zubereitet habe. Du weißt mit Rosmarin gewürzt und mit Erbsen und frischem Schnittlauch.Das würde ich dich gern einmal schmecken lassen. Es ist eine unschlagbare Kombination. :-) Dann habe ich noch ein paar Mails nach Deutschland geschrieben (beruflich) und wir sind ziemlich früh zu Bett gegangen. Anna kommt fast nie vor 23.30 ins Bett und ich finde, das ist eigentlich viel zu spät für ein so junges Mädchen.
*
Meine Mitarbeiterin S ist nun krank geschrieben (25 %) und wir sind dabei einen Ersetzter zu finden. Sie fühlt sich sehr schlecht behandelt und tut mir leid. Sie ist eben eine Person die im stillen leidet und nicht "zurückbeisst" wenn sie angegriffen wird. So bin ich Gottseidank nicht.

Du fragst, wie es mir geht und ehrlich gesagt weiss ich nicht, was mir fehlt. Ich glaube immer noch, dass vielleicht ein Nerv eingeklemmt ist, der mir Schmerzen verursacht. Der Neurologe, bei dem ich war, meinte, wenn es so sei, dann wäre es immer noch so gelinde (?) dass man sowieso nicht operieren würde. Er meinte, ich bewege mich "leicht wie ein junges Mädchen" und er findet keinen Grund einen neurologischen Schaden zu vermuten. Er fragte mich natürlich auch sehr viel nach meinem Arbeitsmilieu und ich sagte ihm, dass ich wie fast alle meine Mitarbeiter zeitweise unter grossem Stress leide. Aber auch, dass ich Distanz dazu habe und dass ich nicht glaube, dass es etwas mit diesen Schmerzen zu tun hat.
Aber sprechen wir doch lieber von dir. Weißt du, ich mache mir noch immer Gedanken darüber, was denn eigentlich vor Weihnachten mit dir los war. Und wenn du wüsstest, welche verschiedene Gründe ich mir vorstelle für dein Schweigen, dann würdest du mir wahrscheinlich sehr schnell davon erzählen.. denn unsere Vorstellungen übertreffen sicher manchmal die Wirklichkeit.
Soll ich es dir sagen was ich mir so gedacht habe???
Also:
nr 1. Du hast dich in jemanden im ST verliebt und bist ganz davon verschlungen (=keine Zeit für andere Leute).
nr 2 Du hast einen Herzinfarkt erlitten...
nr 3 Du hast dich sehr über etwas in einem Mail von mir geärgert..
nr 4 Du hast angefangen zu trinken ...

Siehst du,.. so schreckliche Vorstellungen habe ich mir schon gemacht. Und manchmal denke ich natürlich, dass auch du dir so einiges denkst, was hier los sein könnte - schlimme Dinge die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.

Vielleicht hätte ich dir das nicht schreiben sollen, aber ich glaube, wir sollten sehr offen und ehrlich zueinander sein. Das ist was ich mir von unserer Mailerei wünsche. Und wir haben ja nichts zu verlieren.. nur zu gewinnen.
Ach, ..., das ist wieder so ein Mail geworden.. soll ich es wirklich absenden.. oder schnell deleten?

Ich fasse Mut und drücke auf "send"

Mit einem allerliebsten Samstagsgruss
Deine Mausfreundin Marlena




Mittagsgruss



eine Podiumsdiskussion

Ämne: Guru

Liebe Marlena
Du kannst mir jederzeit zu allem gratulieren, aber nicht für dieses Podium letzten Abend. Es war eine ziemlich harte Nuss. Dass es nicht leicht sein würde, wusste ich eigentlich schon vorher. Denn warum sonst wollte mein Chef nicht an diese Veranstaltung? So haben wir armen Leute des öffentlichen Dienstes die Aufgabe, uns für die Politiker zu opfern.
Es war nicht extrem, aber es war schon eine ziemlich kritische Stimmung gegenüber der Schule. Und da ich als Vertreter des öffentlichen Dienstes und der Schule da sass, musste ich all diese Speere auf meiner Brust entgegennehmen wie damals Winkelried, der die Schweizer zum Sieg geführt hatte, indem er sich in einen Strauss von Speeren gestürzt hat, um für seine Kameraden hinter ihm eine Schlucht zu bahnen. Es gab schon ein paar unzufriedene Eltern, die Stimmung gemacht haben. Und einer auf dem Podium war ein Vertreter des Vereins von Eltern hochbegabter Kinder, die auch schon mal ziemlich arrogant auftreten können. Na ja, schliesslich haben sie ja hochprozentige Kinder zur Welt gebracht.
Und schliesslich war da eine hochbegabte Studentin, die mit ihren 18 Jahren schon Medizin studiert. Sie hat geschildert, wie sie sich in der Schule gelangweilt hat, schon im Kindergarten gelangweilt. Und als sie vorzeitig in die Schule wollte, soll der Schulpsychologische Dienst ihr empfohlen haben, sich für ein Jahr einfrieren zu lassen. So wenigstens hat sie es erzählt. Nun ja, ich denke, es wäre an der Zeit, dass man sie wieder auftaut. Sie war - nebenbei gesagt - in ihrer ganzen Art sehr gehemmt und wirkte überhaupt nicht hochbegabt. Aber man weiss ja heute nie. Offenbar hat sie sehr schlechte expressive Fähigkeiten.
So siehst Du, Marlena, dass Du mir eigentlich kondolieren solltest. S war auch da und fand es eigentlich alles ganz gut. Und andere Leute auch. Na ja, wir lassen am besten Gras drüber wachsen.
Und jetzt werde ich dieses Thema "Hochbegabung" ein wenig zur Seite legen und nächste Woche ein paar Abklärungen zur Schulbereitschaft machen.
Ich hoffe, ich weiss noch ungefähr, wie das geht. Es ist lange her, seit ich den letzten gemacht habe. 

(---)

Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende. 
Mit lieben Grüssen

 

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Freitag, 21. Februar 2025

Oro

Ämne: Oro 

Lieber ...,

Immer wieder suche ich nach dir... aber du bist nicht .. wo du sein sollst.... Vielleicht hast du dich einen Tag frei gemacht und bist irgendwohin verschwunden zu einem fremden Abenteuer.

Ich habe gestern, du wirst staunen, das "Buch der Unruhe" in unserer Bibliothek gefunden. Das hat mich überrascht, denn ich hatte nicht damit gerechnet. Und noch dazu ganz neu war es. Niemand hat es vor mir geliehen. Nun bin ich glücklicher "Besitzer" dieser Unruhe bis zum 26 August. Und ich werde die Lücken, die du in meinem Leben lässt, mit Unruhe ausfüllen... was ich ohnehin schon tue.. auch ohne Pessoa.

Grüsse dich lieb. Bleib mir treu ;-))
Marlena

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Re: Oro

Liebe Marlena

Es freut mich, dass Du unseren Pessoa doch noch gefunden hast. Und es scheint, Du bist die Avangarde Schwedens. Du wirst Aufsehen erregen, wenn Du über ihn sprichst. Und wenn die Leute fragen, wer denn dieser Pessoa sei, dann sagst Du, ganz Europa spricht über ihn. Und dass sie alle über ihn sprechen, das wird Dir einleuchten, wenn Du ein Teil des Buches gelesen hast. Es hat was an sich, das schwer zu beschreiben ist. Man hat gesagt, es sei ein Tagebuch ohne Handlung. Eine Biographie ohne Bio. So irgendwie. Und die Tonart sei fröhlich-melancholisch irgendwie. Na, klingt das nicht verlockend?

Und dazu darf man sich wohl Lissabon vorstellen. Diesen Hintergrund habe ich immer präsent gehabt während der Lektüre. Und ich hatte ihn aus diesem Film Tabucchis "Erklärt Perreira". Jetzt, wo ich diese beiden Dinge im Mail zusammenbringe, fällt mir auf, dass Tabucchi wohl die Hauptrolle Pessoa auf den Leib geschrieben hat. Oder andersherum gesagt: er hat sie von Pessoa abgeschrieben. Sie wird hinreissend gespielt von Mastroiani, wie ich Dir schon erzählt hatte. Der ist zwar ein ältlicher Geniesser, und nicht ein asketischer Typ wie Pessoa. Trotzdem, ich glaube, Tabucchi hat sehr an Pessoa gedacht, als er dieses Buch geschrieben hat. Tabucchis Frau ist Portugisin und Professoressa. Sie haben zusammen Pessoa übersetzt.

Ich glaube, in den nächsten 14 Tagen bist Du beschäftigt mit Pessoa. Ich lass Dich wohl besser etwas in Ruhe. Schreib mir die schönsten Zitate, die Dir auffallen. Das wäre nett und würde mich sehr freuen. Hast Du das Buch in Schwedisch? Ist es übersetzt? Oder etwa Deutsch, was ich mir wünschte! Wie Du weisst, habe ich eine leicht kürzere Variante, als die, die jetzt herausgekommen ist, einmal irgendwo als Taschenbuch erstanden. Und das Büchlein, das ich vielleicht noch vor 4 oder 5 Monaten zuoberst auf meiner Beige hatte, finde ich nicht mehr. Es ist wie verhext. Oft, wenn ich ein Buch suche, dann ergibt es sich innert einer oder zwei Wochen, dass ich es da oder dort find,e, weil ich ständig ein Auge danach habe. Aber bei diesem Pessoa ist es anders. Er scheint sich echt zu verkriechen. Und ich versuche mich daran zu erinnern, an wen ich ihn ausgeliehen haben könnte. Walo hat schon seine Unschuld beteuert. Und jemand anderen kann ich mir kaum vorstellen, ausser vielleicht noch meine Töchter. Aber ihnen hätte ich Pessoa kaum gegeben. Dafür sind sie zu jung. Die wollen mehr Action in ihrer Lektüre. Deshalb giere ich momentan so nach Pessoa. Und ich bin nahe daran, diese neue, dicke und teure Ausgabe zu kaufen. Lange kann ich die Luft nicht mehr anhalten.
*
Abgemacht, Du schreibst mir, was Dich an Pessoa beschäftigt? Dann haben wir eine feine Diskussion und ich habe die Zweitlektüre, die ich mir schon lange sehnlichst wünsche. Noch dazu durch Marlenas Seele. Das wäre wirklich wunderbar.

Mit Gruss und Kuss
...

PS

Was eigentlich heisst Oro?  Klingt wie Latein (ich bete)?
Ora et labora = bete und arbeite.

Donnerstag, 20. Februar 2025

Pessoa: Das Buch der Unruhe

  (R)


Liebe Marlena,
....
Ich bin wieder mal mit einem Buch beschäftigt. Es gibt eine Neuerscheinung des "Buches der Unruhe" von Fernando Pessoa. Du erinnerst Dich, ich habe den portugiesischen Autoren längst empfohlen. Das Buch stammt aus seinem Nachlass, aus einer riesigen Truhe voller Notizen. Man sagt, es wäre eine Biographie ohne Fakten und alles in allem in einer heiteren Melancholie geschrieben. Ich bin nahe dran, diesen dicken Schmöker zu kaufen, aber ich weiss, dass ich ein "Buch der Unruhe" in Taschenausgabe bereits habe. Es enthält eine Auswahl von denselben Notizen, vielleicht nicht so viele, aber immerhin. Ich wollte darin ein bisschen lesen. Aber ich finde das Büchlein zur Zeit nicht. Ich weiss einfach nicht, wo es zu suchen wäre. Ich habe schon Walter bedrängt, er solle mir das Ausgeleihte endlich wieder zurückgeben. Er schwört, er hätte es nicht. Ich knie Norma auf der Seele, weshalb sie mir das Buch nicht endlich zurückgibt. Sie wird hysterisch und weiss von keinem solchen Buch. Kurt lacht bloss und sagt, er lese seit zwei Jahren wieder in der Bibel. Corinne frage ich nicht, sie liest kaum. Aber Yasmin ist eine emsige Leserin. Aber ich könnte mich nicht erinnern, ihr mal ein Buch geliehen zu haben. Und wenn ich Maya eines gebe, dann schreibe ich es mir auf ein Kärtchen auf. Das habe ich mindestens bisher so gehalten. Natürlich mit Ausnahmen, Du weisst ja, wie inkonsequent ich sein kann. Auch Albert beteuert, von einem Pessoa nie etwas gehört zu haben. Kurz und gut, ich weiss nicht, wo ich mein Buch der Unruhe finden kann, und das macht mich unruhig. Es ist nämlich wirklich wundervoll geschrieben und voller Lebensphilosophie. Und dazu muss man sich immer dieses warme Lissabon vorstellen, diese Perle am Atlantik, wo die kühlen Bisen herblasen. Deshalb habe ich das Büchlein von Tabucchi sosehr genossen. Es hat mich an Pessoa erinnert. Man könnte Pessoa mit Kafka vergleichen. Es sind ähnlich kryptische, vielleicht ein bisschen lebensuntüchtige Persönlichkeiten, und sie schreiben mit ähnlichem Tiefsinn. Das Buch ist ein Fundamentstein im Ursumpf, das etwas Halt geben kann. Lies es, Marlena, wenn Du kannst.
*
Ich wünsche Dir einen schönen Tag.
Mit lieben Grüssen
...

 

Pessoa


A propos Reisen: "Ich bin ein Seemann im Verkennen meiner selbst" schreibt Fernando Pessoa, "ich habe überall gesiegt, wo ich nie gewesen bin. Reisen? Existieren ist Reisen genug".
Kennst du Pessoa, er ist DER portuguisiche Dichter der Moderne, ein zweiter Kafka, würde ich sagen. Er geht von der Erfahrung aus, dass man eigentlich mit dem Ziel der Selbsterkenntnis auf Reisen geht.
Ach ja, Marlena, wie sehr sich doch 7 Buchstaben verändern können. Man würde es ihnen nie zutrauen, den kleinen nicht und noch weniger den grossen!

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Mittwoch, 19. Februar 2025

Schmerz

 



Schmerz

Schmerz ist ein Meister, der uns klein macht,
Ein Feuer, das uns ärmer brennt,
Das uns vom eigenen Leben trennt,
Das uns umlodert und allein macht.

Weisheit und Liebe werden klein,
Trost wird und Hoffnung dünn und flüchtig;
Schmerz liebt uns wild und eifersüchtig,
Wir schmelzen hin und werden Sein.

Es krümmt die irdne Form, das Ich,
Und weht und sträubt sich in den Flammen.
Dann sinkt sie still in Staub zusammen
Und überläßt dem Meister sich.

Hermann Hesse




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Dienstag, 18. Februar 2025

"Brush up your English"

 Nur ein Artikel.. in aller Eile


Lieber ...,
Danke für dein wunderbares langes Mail.. Ich werde es bald beantworten aber schicke dir derweilen diesen Artikel über Alain de Bottons Buch.
Somit kannst du ein wenig "brush up your English". :-)
Es freut mich dass du wieder in Schuss bist.
Liebe Grüsse
Marlena

Humphrey Carpenter in The Sunday Times

Six of the best, in deep thought
"There are more books on books than on any other subject: all we do is gloss each other. All is a-swarm with commentaries: of authors there is a dearth." So wrote the essayist Montaigne in the late 16th century, and, at first glance, Alain de Botton’s new book seems to run a risk by quoting this remark in its chapter on Montaigne, since the book itself exemplifies this trend, which has continued unabated since Montaigne’s day.
The Consolations of Philosophy is certainly a commentary rather than a work of original thought; but few discussions on the great philosophers can have been so entertaining. De Botton takes us on a brisk, playful tour of the lives and ideas of half-a-dozen of the big names in the history of philosophy, done in the manner of his celebrated How Proust Can Change Your Life.
Short, often whimsical passages of prose are punctuated with little pictures dotted around the text. As in the Proust book, these have occasionally been chosen with irritating facetiousness - for example, the passing mention of chocolate milk gives rise to a photograph of a packet of NesQuik. Yet most are thoroughly justifiable. The pictures of Schopenhauer sunk in a typical angry gloom and of Nietzsche sporting a ridiculous moustache like a hearth-brush superbly complement de Botton’s verbal portraits of these two restless thinkers. Even better, the weeping Adam and Eve from Masaccio’s fresco of the Expulsion from Eden provides an eloquent visual climax to the excellent chapter about Schopenhauer’s analysis of misery.
De Botton’s title alludes, unacknowledged, to the De Consolatione Philosophiae of the 6th-century philosopher Boethius, but de Botton uses "consolation" in an entirely modern sense. His tour begins with a chapter called Consolation for Unpopularity, which is about Socrates. The title and its subject-matter don’t really mesh here, since Socrates didn’t care two figs that he was unpopular with the Athenian rabble, who had him sentenced to death because they blamed him for the city’s misfortunes. Moreover de Botton’s exposition of the Socratic method (philosophy by question-and-answer) doesn’t improve on, or add to, Plato’s readable accounts of his old teacher. How could it?
In contrast, the Greek philosopher Epicurus gets a witty chapter with a fresh feel, entitled Consolation for Not Having Enough Money. De Botton begins it by listing the constituent parts of his imaginary ideal lifestyle but, as it progresses, the chapter shows us that Epicurus, supposedly the high priest of hedonism, actually preferred water to wine, bread and cheese to fancy cooking, and the company of friends to limitless wealth. Consequently, de Botton (aided by appropriate illustrations) revises his list to a few simple needs, of which the most important is friendship.
The chapter Consolation for Frustration unpacks the stoicism of Seneca, who (among other things) warns us against getting into rages with inanimate objects. De Botton might have cited John Cleese in Fawlty Towers beating his car with a tree-branch when it won’t start. Instead he retells the legend of Cyrus, king of Persia, who was so furious with the river which had drowned his favourite horse that he wasted military time by ordering his army to punish it by dividing it into 360 feeble little channels.
Following current fashion, de Botton makes the book into something of a personal quest. Every so often he drops little pieces of autobiography - or maybe fiction - into the narrative. In the chapter on Montaigne, Consolation for Inadequacy, we glimpse him experiencing impotence on holiday; and in the Schopenhauer chapter, Consolation for a Broken Heart, he chats up a girl on a train, but is rejected. Finally, in the Nietzsche chapter, Consolation for Difficulties, he climbs one of Nietzsche’s favourite Alps, and recites some of the philosopher’s words, but it exhausts him.
These self-deprecating personal touches are quite unnecessary. When de Botton sticks to the facts, he always has a story to tell - and tells it with sparkle. Montaigne is the most charming member of his cast, a man who should have been a book-reviewer, since he declared that if we find a book incomprehensible we should blame the author rather than ourselves.
On the other hand, the prize for ideas-ahead-of-their-time should probably go to Schopenhauer, who wrote with immense shrewdness on falling in love, despite - or perhaps because of - being rejected by every woman he ever wooed. He anticipated Richard Dawkins in perceiving that the apparently selfless process of falling in love is, in fact, governed by the extreme selfishness of our genes. De Botton writes with tender sympathy about the eccentric philosopher, who argued "this world could not have been the work of an all-loving Being, but rather that of a devil, who had brought creatures into existence in order to delight in the sight of their sufferings".
Nietzsche, with whom the book concludes, began as a disciple of the deeply depressive Schopenhauer, but then developed his own manic views about mankind. (Of course, at this point de Botton’s account of Nietzsche’s theory of the Ubermensch has to be comically illustrated with a drawing of Superman.) Not altogether surprisingly, Nietzsche eventually went mad, and throughout The Consolations of Philosophy there is a slightly uncomfortable contrast between the usually painful, struggling lives of the philosophers themselves and de Botton’s urbane, faintly giggly detachment as he narrates their stories.
Nevertheless this is an ingenious, imaginative book which will not disappoint fans of How Proust Can Change Your Life, and might even win over a few readers to study philosophy at a more demanding level.


Montag, 17. Februar 2025

Proust und Alain de Botton - nochmals

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Dank der Fussballmeisterschaften habe ich mein de Botton schon zu Ende gelesen. Und nun, was kann ich zum Schluss sagen. Ich glaube, Marlena, alles in allem, könnte ich dir dieses Büchlein empfehlen. Sicherlich weißt du natürlich mehr über Proust als ich es gewusst habe. Doch ich finde, de Botton führt auf geschickte und leicht lesbare Art und Weise in das Denken und die Literatur Prousts ein, und erwähnt daneben biographische Aspekte, die ja zum Verständnis der Literatur nicht absolut notwendig sind, aber oft eben doch erhellend. Er hat sein Projekt einfach und gut angepackt. Er baut es wirklich fast wie ein Ratgeber auf und gibt dann Proust das Wort. Und die Kapitel hören sich auch an wie zentralen Fragen des Lebensberaters: Wie man das Leben liebt? Wie man richtig liest? Wie man sich Zeit nimmt? Wie man erfolgreich leidet? Wie man Gefühlen Ausdruck verleiht? Wie man Freundschaften pflegt? Wie man in der Liebe glücklich wird? Er hat nichts ausgelassen, dieser gute Proust. Und offenbar war er nicht nur der Unglücksrabe, als den ich ihn anfangs angesehen habe. Die Theorie sozusagen, die sich aus seinen Ausführungen ergibt, finde ich ziemlich intelligent und sie hat was an sich. Vielleicht könnte man sie so zusammenfassen: der Wert des Lebens entsteht durch die Art der Erinnerung. In der Erinnerung entsteht dieses vergoldete Lebenskunstwerk. Und nicht etwas das reale Leben wäre schon so ein Kunstwerk. Das reale Leben ist voller Kompromisse und Unvollkommenheiten und Grautöne und auch Leiden. Aber die Erinnerung kann dann alles ins rechte Licht rücken und das Leben als einzigartig und schön und ideal erstrahlen lassen. Und davon, Marlena, das muss ich zugeben, bin ich selbst nicht so weit entfernt. Ich könnte ja direkt Proustianer werden. Doch es gibt auch Aspekte an diesem Typen, die mir unsympathisch sind. Seine neurotische Lebensweise etwa, seine vielen Leiden, die er hatte. Es wimmelt offenbar in der Recherche von Leiden und Leidensgründen: seine Mutter, die Homosexualität, verhinderte Liebschaften, gescheiterte Theaterkarriere, Unverständnis der Freunde, Asthma, Nahrungsunverträglichkeiten, Verdauensprobleme, irgendwelche Komplikationen mit den Unterhosen, überempfindliche Haut, Angst vor Mäusen, Kälteempfindlichkeit, Höhenangst, Hustenanfälle, Angst vor Reisen, Flucht ins Bett, Lautempfindlichkeit. Es will gar nicht enden. Und Proust muss in dieser Hinsicht wirklich ein sehr eingeschränkter Mensch gewesen sein. Er erzählt offenbar in diesem Zusammenhang von Noah, der für ihn ein symbolisches Vorbild ist. Noah hat die Welt aus seiner Arche, also einem geschlossenen Raum wahrgenommen. Er hat sie in der Erinnerung wahrgenommen. Und Proust tut dasselbe von seinem Bett aus. Er hat offenbar meist im Bett gearbeitet. Das muss ziemlich unbequem gewesen sein.
Er war also absolut neurotisch und krankhaft. Und doch hat er seine Situation irgendwie intelligent genutzt und einige bemerkenswerte Erkenntnisse daraus gemacht. Virginia Woolf muss offenbar eine grosse Verehrerin Prousts gewesen sein. Sie habe ihn mit grossem Interesse gelesen, und sei ob dem Eindruck, den er auf sie gemacht habe, geradezu verstummt. Er muss ihr grosses Vorbild gewesen sein, und eigentlich wünschte sie zu schreiben wie Proust schreibt. Und offenbar treffen sie sich auch in der homosexuellen Ausrichtung, wenn ich bei Woolfe richtig orientiert bin.
Ich war froh, bei de Botton auch die Szene mit der Madeleine zu finden, denn darüber habe ich schon mehrmals gelesen, und ich wollte immer gerne wissen, was es damit auf sich hat. Ich kann dir die ganze Passage nochmals zitieren, dann kann ich sie gleich auch nochmals lesen:
"Was das Backwerk anbetrifft, so schildert Proust, wie sein erkälteter Erzähler an einem Winternachmittag zu Hause sitzt, als seine Mutter in sein Zimmer kommt und ihm vorschlägt, er solle, entgegen seiner Gewohnheit, eine Tasse Lindenblütentee zu sich nehmen. Er lehnt erst ab, besinnt sich aber aus unerfindlichen Gründen eines Besseren. Zum Tee lässt seine Mutter ihm eine Madeleine servieren, ein dickes, ovales kleines Sandtörtchen, das aussieht, als habe man es in der gefächerten Schale einer Jakobsmusschel gebacken (schön gesagt!!). Der verschnupfte Erzähler bricht, bedrückt durch den trüben Tag und die Aussicht auf den traurigen folgenden, ein Stückchen ab, tunkt es in den Tee und trinkt einen Schluck, als etwas Seltsames geschieht:
,,In der Sekunde nun, als dieser mit dem Kuchengeschmack vermischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte, zuckte ich zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in mir vollzog. Ein Unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand und dessen Grund mir unbekannt blieb, hatte mich durchströmt. Mit einem Schlage waren mir die Wechselfälle des Lebens gleichgültig, seine Katastrophen zu harmolsen Missgeschicken, seine Kürze zu einem blossen Trug unserer Sinne geworden...Endlich fühlte ich mich nicht mehr mittelmässig, hilflos, sterblich. ,,
Um wleche Sorte Madeleine handelte es sich? Um dieselbe, die seine Tante Léoinie jeden Sonntag in ihren Tee tunkte und dem Erzähler anbot, wenn er das Schlafzimmer in ihrem Haus in dem Provinzstädtchen Combray betrat, wo er als kleiner Junge mit seiner Familie die Ferien zu verbringen pflegte, und ihr einen guten Morgen wünschte. Der Erzähler kann sich, wie an so vieles aus seinem Leben, nur undeutlich an seine Kindheit erinnern, und das, woran er sich entsinnt, erscheint ihm reizlos und uninteressant. Was nicht heisst, dass seine Kindheit tatsächlich trist und öde war, sondern dass er sie einfach nur vergessen hat - und diese Erinnerungslücke schliesst jetzt die Madeleine. Durch eine Laune der Natur versetzt ein Stück Gebäck, das er seit seinen Kindertagen nicht mehr gegessen hat und mit dem sich daher auch keine späteren Assoziationen verbinden, ihn in seine Zeit in Combray zurück und erschliesst ihm eine Fülle köstlicher und ganz persönlicher Erinnerungen. Mit einem Mal erscheint ihm seine Kindheit weitaus schöner als zuvor, und mit neu gefundenem Staunen erinnert er sich an das alte graue Haus von Tante Léonie und mit dem Haus an ganz Combray und seine Umgebung, den Platz, auf den man ihn vor dem Mittagessen schickte, die Kirche, die Strassen, die Blumen in Léonies Garten und die Seerosen auf der Vivonne. Und dabei erkennt er den Wert dieser Erinnerungen, die ihm zu dem Roman inspirieren, den er schliesslich erzählen wird und der in gewissem Sinne einen einzigen langen kontrollierten "Proustschen Moment" darstellt, weil er über dieselbe Sensibilität und dieselbe sinnliche Direktheit verfügt.
Das Erlebnis mit der Madeleine heitrt den Erzähler auf, weil es ihm zu der Erkenntnis verhilft, dass nicht sein Leben mittelmässig war, sondern das Bild, das er sich in der Erinnerung davon gemacht hat. Dies ist eine der zentralen Proustschen Unterscheidungen und für ihn von ebenso grosser therapeutischer Bedeutung wie für den jungen Chardin-Betrachter (hier referiert do Botton auf eine frühere Episode eines jungen Mannes, der durch die Betrachtung von Chardins Bilder seine bescheidene Situation seines Elternhauses zu schätzen gelernt hat).
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Soweit Proust. Ich glaube, ich bin diesem monumentalen Werk jetzt ein bisschen näher gekommen. Ich denke zwar nicht, dass ich es wirklich lesen werde - wann sollte ich auch - aber ich weiss jetzt besser, was es damit auf sich hat. Insofern war de Botton doch ziemlich informativ für mich. Wie ich vermutet habe. Der Anfang ist einnehmend, aber es hält sich einigermassen durch bis zum Schluss. Offenbar hat er sich eingehend mit Proust beschäftigt. Und er kann die zentralen Aspekte herausheben, das heisst klarer machen. Das ist ja nicht ganz einfach, angesichts der Tatsache, dass ich einer bin, der ich Proust noch nie gelesen habe. Das Büchlein de Bottons ist gehobene Unterhaltung. Walter hat schon sein Interesse angemeldet, und ich werde es ihm dann wohl ausleihen müssen. Oder soll ich es zuerst dir schicken, Marlena? Das würde ich so gerne, es dir geben, um dann mit dir darüber zu diskutieren und sehen, wie du es gelesen hast, was du daraus nehmen wirst. Das wäre doch echt schön. Und zur Diskussion würden wir einen Lindenblütentee trinken und eine Madeleine darin tunken, wie es sich für Proustianer gehört. Für einmal würden wir unseren Kaffee beiseite lassen, und in solch einen Lindenblütentee hineinbeissen wie in den sauren Apfel. ;--)
*
Ich habe noch einen Monat bis zu meinem Abflug in den Iran. Gestern habe ich beschlossen, mich endlich ein bisschen darauf vorzubereiten. Ich will doch meinen Dumont Führer lesen, damit ich meinem Patenkind, dem Marc und seiner Freundin einiges erzählen kann. Wir werden auf jeden Fall ein paar Tage nach Isfahah gehen. Isfahan ist für mich die schönste Stadt, die ich in meinem Leben angetroffen habe. Es gibt so eine persische Redensweise die sagt, Isfahan sei die halbe Welt. Es reimt sich natürlich, aber ich kann dir nicht in Farsi zitieren. Aber sicherlich werde ich es im Dumont wiederfinden. Ich werde dir auch erzählen vom schönen orientalischen Isfahan, das einst die Hauptstadt Persiens gewesen war, mit den alten Königsanlagen und den Gärten und dem grossen Platz, der ja nun doch weltberühmt ist. Ich werde dir alles erzählen, so dass du meinst, du seist selbst dort gewesen, meine Liebe.
(---)


Early morning tea

 

den 23 oktober  08:13
Earlymorningtea

Liebe Marlena

Manchmal komme ich ein bisschen in Not, wenn Du mir grosse Komplimente machst für irgend eine Bemerkung im letzten Mail. Mein Problem liegt darin, dass ich nicht mehr genau weiss, was ich gesagt hatte.

Na ja, dieses Mal erinnere ich mich nebelig, dass wir den Menschen zu beschreiben versuchten. Der Mensch, na ja, was ist der Mensch! Das klingt wie ein Aufsatzghema im Gymnasium. Damals haben wir uns mit solchen allgemeinen Fragen herumgeschlagen.Wir stehen heute in der Situation, dass die Genetik Oberwasser gewinnt. Auch Tom Wolfe ist ein Typ, der darauf schwört. Die Forschungen in Sachen Genom sind mit wahnsinnigen Erwartungen bedacht worden. Man denkt, dass wir in Zukunt für jede Fähigkeit des Menschen ein Gen herausfinden können, für Gedächtnis, für Sprachfertigkeit, für motorische Fähigkeiten, etc. etc. Das ist eine schlechte Entwicklung im alten Streit zwischen Anlage und Umwelt. Und wir Psychologen schwören natürlich auf Umwelt, dh. auf Erziehung, auf äussere Einflüsse, auf Plastizität des Menschen. Ich habe in einem Buch über Gentechnologie gelesen, dass der Mensch in seiner Genaustattung viele Gene ursprünglich schädlicher Viren besitzt. Und weil Viren Überlebenskünstler sind, weil sie mit ON-OFF-Patterns ausgestattet sind, hat der Mensch diese Möglichkeiten mitgeerbt. Auf Deutsch und verständlich heisst das: es ist nicht nur eine Frage, ob ein Gen vorhanden ist oder nicht, es ist auch eine Frage, ob das entsprechende zum Ausdruck kommt oder nicht. Es gibt Faktoren, die die Wirkung unterdrücken oder verstärken können. Kurz und gut: die ganze Sache ist nicht so einfach wie eine Kiosk-Buchhaltung.

Die Evolution lässt sich auch schon im Gehirn des Menschen feststellen, die Evolution notabene, welche Du als Katholikin aus tiefstem Herzen bezweifelst. Der Mensch hat ein Saurierhirn, das Stammhirn, welches einfache und primäre Dinge steuert wie etwa das Aufgehobensein in und die Orientierung an der Gruppe. Dieses Urhirn wird überlagert vom Säugerhirn. Die Säugetiere haben schon Gefühle entwickelt. Sie sind so etwas wie Reaktionstendenzen und man kann sie bündeln in das Gefühl der Angst mit Fluchttendenz und das Gefühl der Aggression mit Angriffstendenz. Und zuoberst ist dann noch der Neokortex, dieses neumodische Oberhemd des Gehirns, mit dem wir denken, so wird behauptet. Das ist aber eine sehr dünne Schicht. Und immer, wenn der Mensch leicht aus der Bahn gerät, reagiert er eher nach tieferen Schichten, vielleicht wie ein Säuger oder wie ein Saurier. Manchmal kann man es ja auch an alten Menschen sehen, was wieder hervorkommt, wenn die Person als kulturelle Konstruktion abgenutzt ist.

*

Jetzt muss ich leider wieder an die Arbeit. Ich habe viel vor mir heute. Weiss gar nicht, wo anfangen. Und ich wünsche Dir einen schönen Tag. Vielleicht eine zusätzliche Portion Schnee?

Mit Kuss und Gruss
...

RE:

Ämne: Winter..
Datum: den 23 oktober  23:32

Lieber ...,

"Die ganze Sache ist nicht so einfach".. Es ist sogar die aller schwierigste Sache, mit der man sich überhaupt befassen kann. Wir könnten uns ewig über dieses Thema unterhalten und ich würde mich dabei ganz schrecklich unterlegen fühlen. Vielleicht ginge es etwas leichter im RL darüber zu sprechen, wo man sofort die Reaktion des anderen sieht. Aber so, schwarz auf weiss sieht alles so definitiv aus und lose Gedanken hin- und her sehen aus wie richtige Überzeugungen.
Es ist lustig wie du oft darauf zurückkommst, dass ich als Katholik so oder so denken muss. Aber du weisst doch, dass ich diese Religion nicht selbst und aus tiefer Überzeugung gewählt habe. Sie ist fast angeboren. Natürlich hat dann das Milieu in dem ich gelebt habe gewisse Spuren hinterlassen, genau wie bei dir. Aber würde man richtig nachforschen, was ich eigentlich bin.. nun ja, ich wage dir nicht einmal zu sagen wo ich da möglicherweise landen könnte.
Die Frage "Was ist ein Mensch" ist doch wohl äusserst auch die Frage, ob gerade der Mensch eine ewige Dimension, eine unsterbliche Seele hat. Der Theologe hat den Menschen als moralisches Wesen, von den anderen Lebewesen abgrenzen wollen.
*
Ich verstehe es schon dass ich dich vielleicht mit meiner Begeisterung über deine schönen Mails in Verlegenheit bringen kann. Es ist wohl wie bei einem Nobelpreisträger in Literatur. Er fragt sich, was muss ich nun schreiben um zu beweisen, dass ich "der Beste" bin. Aber ich bin sicher nicht der einzige Mensch, der von dir fasziniert ist. Es kann nicht neu sein für dich, dass du ganz einmalig bist. Ich frage mich manchmal wie ich eine solche Person überhaupt finden konnte.
*
Oh, du bist böse. Ich habe wirklich genug von Kälte und Schnee zu dieser Jahreszeit. Heute hat man sogar in dem Wetterbericht im Fernsehen mitgeteilt, dass gerade wir die niedrigsten Temperaturen für diese Jahreszeit haben, die je aufgemessen worden sind. Und die Kälte soll noch eine Zeit anhalten. Brrr.. Ich friere wenn ich daran denke.
*
Wir haben es gemütlich hier zu Hause, Anna und ich. Wir kochen zusammen, essen gut, unterhalten uns über alles was sie so wegen ihrem Studium verpasst hat und geniessen die Ruhe. Und auf Annas Wunsch, haben wir auch ein wenig gebacken. Es ist eine sehr abstressende Beschäftigung für sie.

---

Oh, spät!!! Habe die Zeit vergessen beim Schreiben.
Ich wünsche dir alles Gute für morgen,
Mit lieben Grüssen und einem zärtlichen Kuss (auf die Schläfe)..
Marlena

Sonntag, 16. Februar 2025

Ein lebenspraktisches Ratgeberbuch

  



Liebe Malou 

"Glück stärkt den Körper, doch nur Kummer fördert die Kräfte des Geistes". Du kannst dreimal raten, wer sowas sagt.

Natürlich Proust, der alte Maso. Und doch hat es was an sich. Der Kummer und die Sorgen lassen dich fragen, geben dir Probleme auf, während man im Glück still vor sich hin lebt und alles einfach nimmt, wie es ist. Im Kummer lebt man in Gegensatz zu dem was ist. 

Dieses Büchlein über Proust "How Proust Can Change Your Life" ist ganz amusant und gewandt geschrieben. Ich habe von dem Autor bisher noch nichts gehört. Auf dem Deckeltext heisst es: Alain de Botton, 1969 in der Schweiz geboren, hat ...

 Sein Büchlein basiert auf einem frechen und verblüffend simplen Einfall: Man nehme das monumentalste Werk der literarischen Moderne, Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" und destilliere daraus ein witziges, kurzes und lebenspraktisches Ratgeberbuch für den postmodernen Zeitgenossen.                        

De Botton nähert sich Proust auf direkte, unkonventionelle Weise, ohne Literaturtheorie. Im Rückgriff auf die Texte und auf Momente im Leben Prousts erläutert er in klassischer Ratgebermanier, wie man sich Zeit nimmt, wie man erfolgreich leidet, wie man seinen Gefühlen Ausdruck verleiht und wie man in der Liebe glücklich wird.

Und wenn ich das alles gut gelesen habe, dann werde ich Proustianer sein, so ein melodramatisches Muttersöhnchen, das kaum aus dem Bett kommt, an Verstopfungen und Übelkeiten leidet und sich an seinen körperlichen Leiden hintersinnt. Ich glaube, Proust ist die bürgerliche Dekadenz.  Ob sein Kummer und seine Depressionen wirklich die Geisteskräfte stärken, das bleibe dahingestellt, aber alles in allem hat er nicht ein nachahmenswertes Leben geführt. Das hat er sicherlich nicht.

Ich glaube, de Bottons Buch kann die Lektüre Prousts gut ersetzen. Und was hat man davon? Stundenlange Lektüre in detaillierten und umständlichen Schilderungen der Erinnerungen, das hat man sich erspart. Man spart sich dabei Tage und Wochen. Und das ist in der heutigen, eiligen Zeit doch ein grosser Gewinn. Wo sonst kommt man so leicht und so billig zu Zeit?

(---)



Freitag, 14. Februar 2025

Drogen u.a.

 Lieber ...,

Liebe ist Gefühle und Wissenschaft ist Vernunft, und nie treffen sich die beiden. Oder?
Falsch.
Die Tatsache ist, dass das Wissen über das Gefühlsleben des Menschen, inkl. der Liebe, in den letzten Jahren dramatisch zugenommen hat. Der Grund sind vor allem die enormen Fortschritte in der Gehirnforschung, die dazu geführt haben, dass ein Gefühl heutzutage neben der Psychologie auch medizinisch und biologisch erklärt werden kann.

So beginnt der Artikel von dem ich dir berichtet habe. Man hat ihn geschrieben anlässlich eines internationalen Wissenschaftfestivals, der am Sonntag in Göteborg abgeschlossen wurde und der als übergreifendes Thema gerade die Liebe hatte. Professoren in Molekulärbiologi, Psychologen, Anthropologen, Zoologen, Nahrungsexperten und Sexologen, alle sprachen sie über dieses Thema. Und am weitesten ist diese Forschung gekommen was die "flüchtige Natur der passionierten Liebe" betrifft.

Als Experte auf dem Gebiet (von R.S. dazu ernannt) muss ich doch etwas protestieren gegen die Zeitrahmen, die man dafür aufstellt. ;-)) Ich kenne Leute, die diese Grenze weit überschritten haben. Oder ist es so, dass die Leidenschaft ewig anhält, wenn das Objekt nicht zu haben ist?

Ja doch, ich würde dir gern eine gute Dosis von Fenyletylamin senden. Schickst du mir ja auch in fast allen deinen Mails. ;-) Und wenn ich nun in einem halben Jahr wirklich dagegen immun werden sollte, wie es die neue Wissenschaft behauptet, so werde ich mich in Zukunft mit Oxytocin begnügen. Das scheint mir eine etwas erträglichere Droge zu sein. Gewohnheit bildend, oder habit-forming, wie sie es nennen. Und beruhigend.

*
Der Vortrag heute Vormittag war ganz gut. Es war der Rektor von KTH (Königliche Technische Hochschule) in Stockholm, Physikprofessor, der über das Bildungswesen sprach. Über die Zukunft, die Globalisierung u.a. Er war ein guter Redner und ein Mann mit viel Pondus, der oft den Machthabern behilflich ist. Das hat er so ein bisschen vorsichtig erwähnt, ohne dass es eigentlich gestört hat. Früher war er auch Rektor in Linköping. Die Zeit verging ziemlich schnell. Am Nachmittag waren wir dann in Gruppen versammelt und über unsere Arbeit diskutiert. Wir haben viel geredet und nichts gescheites gesagt. P, der Lateinlehrer, hat das Protokoll geschrieben. Er kann sowas vortrefflich. Und er hat ein paar Papiere mit schönen Worten gefüllt. Jemanden werden sie sicher düpieren.
*
Übrigens enthält Schokolade Fenyletylamin. Wenn du 15 Kilo davon isst, wirst du schwer verliebt sein. *s*  Ein Mail von dir und ein wenig Kakao tut es auch :-)

Ich grüsse dich lieb und wünsche dir einen schönen Tag.
Marlena
...



Re Fenyletynamil und Oxytocin

 

Liebe Marlena
Deine Lektion über die Chemie der Liebe hat mich schwer beeindruckt. Um die Sache kurz zu machen: schicke mir von jedem Stoff eine gute 12-Monatspackung. Dann werden wir weitersehen.
Die bedenkenswerteste Sache, die Du dabei erwähnst, ist die Toleranzbildung. Die Verliebtheit muss also wieder verschwinden.Vier Jahre lange Verliebtheit ist ungefähr wie eine schwere Krankheit, kurz eine Folie. Das zu behandeln, sollte man nicht zögern.
Oxytocin dagegen scheint mir eine gute Pille zu sein, weil sie für das habit-forming - wie Du sagst - zuständig ist. Das ist gut. Habit-forming, was kann man sich darunter vorstellen? Vielleicht die Bildung von Gewohnheiten wie etwa Gute-Nacht-Küsschen, Auto-Türe-Öffnen, Einkauf-Tüte-Tragen und Sich-Beim-Schnarchen-Zurückhalten und all die vielen anderen kleinen Dinge, die die tägliche Liebe ausmachen? Es ist doch irgendwie merkwürdig, wie die Liebe funktioniert. Einerseits redet man von ihr als von dem grossen Gefühl, das man haben sollte. Und dann sind es die kleinen Dinge und Gewohnheiten, die die Liebe unterhalten. Das ist wie eine Zangengeburt. Die kleinen Gewohnheiten bringen das Gefühl, und das Gefühl erleichtert die kleinen Gewohnheiten. Aber auf jeden Fall muss man sie selber machen, wie jede solide Lebensaufgabe. Man sollte vergessen, die Liebe wäre eine narkotische Überwältigung als Geschenk des Himmels, die einfach darnieder stürzt und uns trifft. Nein, so einfach hat es uns die Natur nicht gemacht. Liebe ist harte Arbeit. Man könnte mit Freud analog der Trauerarbeit auch von Liebesarbeit sprechen. Und die kleinen Verliebtheiten in der Jugend sind bloss Praktika und Hausaufgaben für die spätere, die ernstzunehmende.

Aber damit hast Du, Marlena, die Gender-Thematik noch nicht angesprochen. Ist denn die Liebe, soweit sie chemisch ist, bei Männern und Frauen dieselbe? Die Soziobiologie (heisst sie wirklich so?) hat doch in den letzten Jahren festgestellt, dass Männer in der Evolution völlig andere Ziele verfolgen als Frauen. Frauen suchen zum Schutz ihres Nachwuchses ein starkes Manntier, um geschützt und ernährt zu sein und ihr Nest behütet zu haben. Am liebsten mögen sie einen mit Mercedes. Und die Männer sollen - gemäss Auftrag Evolution - ihre Gene möglichst weit in der Welt herumspritzen, um ihr eigenes Erfolgsmodell zu multiplizieren. Familie liegt eigentlich nicht in ihrem Programm. Familie ist für ihre Mission hinderlich. Sie sind dazu verurteilt, herumzuvagabundieren und Weibstiere zu bespringen. Das klingt zwar zynisch, ist aber der Grundgedanke, den ich in den letzten Jahren gehört habe.
*
Auf welcher Stufe Du dich im Moment findest, das weiss ich nicht. Kommt drauf an, welches von den Dingen Du schluckst: Fenyletylamin oder Oxytocin. Vielleicht ist es ratsam, einen Shake mit je einem Kaffeelöffel von beiden zu schütteln, gemischt mit etwas Bananenmilch. Das stärkt für die kommenden Eruptionen. Und sagt man denn nicht, die Schokolade sei die Liebe der alten Leute. Also, vergiss nicht, in den Bananenshake noch etwas Schokoladenpulver beizumischen. Dann wirst Du im 7. Himmel landen, wenn nicht gar im 8.
*
Natürlich bin ich gespannt, wie sich die Medikamente bei Dir ausgewirkt haben. Erzähle mir bitte bald davon.
Mit lieben Grüssen
...



Donnerstag, 13. Februar 2025

Geheimnis der Liebe

(R) 

Ämne: Fenyletynamil und Oxytocin

Lieber ...,
Irgendetwas ist nicht ”comme il faut” mit dem Hotmail, aber ich kann dir auch schreiben, ohne online zu sein und es morgen früh absenden. Ich habe mich sehr gefreut über dein extra mail. Es hat mir  über meine schlechte Laune hinweg geholfen und mein Gleichgewicht wieder hergestellt.
*
Es war schön mit dir heute Nachmittag eine Weile in den kühlen Dom zu verschwinden. ;-) Und ich muss lachen über deine Wahrnehmungen. Ich habe nie mit Worten daran gedacht, aber gewiss ist es so (auch Anna hält mit), dass man den Körper von Kristus oft sehr wohltrainiert darstellt. Wie ein Waschbrett. Erotisch, wie du es nennst. Dabei habe ich herzlich gelacht. Wenn du so die Hemmungen fahren lässt, bist du ganz unwiderstehlich.

Übrigens scheint nun das Geheimnis der Liebe bald gelöst zu sein. Die neueste Forschung auf dem Gebiet sagt: eine Verliebtheit (Passion) hält 18 Monate bis zu 4 Jahren an. Wenn wir uns verlieben, bildet der Körper Fenyletylamin (nicht zu verwechseln mit Testosteron). Hier gilt es nämlich wirklicher Liebe. Fenyletylamin hat ähnliche Eigenschaften wie cannabis und amfetamin. Man wird „hoch“ davon.

Leider hat diese körpereigene Passionsdroge noch mehr Ähnlichkeiten mit Narkotika. U.a. bildet der Körper allmählich eine Toleranz dagegen. Der Effekt verschwindet und damit auch die Passion. Und höchstens vier Jahre lang hält die Verliebtheit an. Aber das Ende der Passion braucht nicht das Ende einer Beziehung zu bedeuten. Die Molekylärbiologie hat gefunden, dass Paarbeziehungen auch das morfinähnliche, beruhigende Oxytocin bilden, das nicht so stark ist wie die Passionsdrogen, aber das „habit-forming“ (weiss nicht auf deutsch) ist, und auch nach der Verliebheit anhält. Für denjenigen, der nicht ohne Passion leben kann, gibt es nur einen Ausweg: einen neuen Partner zu finden, in den man sich verlieben kann. Mit einem neuen Objekt für die Verliebtheit beginnt die Fenyletynamilproduktion und die Passion von neuem.
Ha.. nun wissen wir wie es sich damit verhält.. und ich frage mich gerade, wo auf dieser Stufe ich mich im Moment befinde. ;-) Vielleicht wird man auch bald ein Mittel dagegen erfinden. Eine Antiliebepille.. Was sagst du dazu?
*
Es ist spät und ich werde nochmals versuchen ins Hotmail zu kommen.
Gute Nacht, .... Ich wünsche dir einen schönen Tag morgen.
G+K
Marlena

2 kommentarer:

  1. addictive | habit-forming
    © Princeton University

    habit-forming {adj}
    süchtig machend
    med. suchterzeugend
    to be habit-forming
    zur Gewohnheit werden
    habit-forming drugs
    zur Abhängigkeit führende Drogen {pl}
    ...
    das 2te, nennt man dann Liebe :-)
    Grüßle George




    1. Ach, wie schön, dass es das 2te gibt.
      Warum entdecke ich diesen Kommentar erst heute???
      Mysterium! :-)
      Alles Liebe Dir.
      Malou

Mittwoch, 12. Februar 2025

fortsetzung : schiffbrüchig ????


Unterschiede zwischen den Geschlechtern

Eigentlich war ich vorher gleicher Meinung wie Du. Man sollte die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht zu gross machen. Aber seither bin ich mir da nicht mehr so sicher. Nun ja, schon vor Schwanitz hatte ich meine Zweifel. Und er hat sie mir bestätigt. Es gibt eben doch wesentliche Unterschiede. Und ich glaube, die Tatsache der vielen Scheidungen heutzutage hängt damit zusammen, dass man denkt, Frau und Mann seien gleich, während sie es absolut nicht sind.

Mit anderen Worten, mehr und mehr glaube ich, die Aussage, Mann und Frau seien im wesentlichen gleich, sei eine pure Ideologie. Und ich glaube, es ist nützlicher, wenn man die Unterschiede nicht vergisst. Natürlich gibt es Dinge, in denen die Frauen absolut gleich behandelt werden sollen wie die Männer. Das betrifft die Arbeit, den Lohn, die Sozialleistungen. Aber schon hier gibt es Unterschiede. Frauen leben länger. Frauen haben sich, sofern sie einen Wunsch nach Kindern haben, danach zu richten. Sie müssen ihr Berufsleben mindestens teilweise dem Interesse der Kinder unterordnen.
Aber ich muss schon auch sagen, dass ich diesen neuen Trend eigentlich konservativ finde. Und das behagt mir nicht allzu sehr.
*
Es ist für mich erstaunlich, wie sehr in alten Gesellschaften, etwas in Persien, oder in den südeuropäischen Ländern, die Männer und Frauen praktisch in zwei getrennten Gesellschaften leben. Den ganzen Tag sind Frauen unter Frauen, Männer unter Männern. Und noch in den Familien sind die Sphären einigermassen getrennt. Man hat den Eindruck, die einzige Berührung der beiden Geschlechter sei nur im Bett möglich. Das ist sozusagen der einzige Schlüssellochkontakt. Aber im übrigen haben die Männer ihre Welt und die Frauen ihre Welt. Das ist ungefähr so wie im kalten Krieg. Nun ja, so war es auch bei uns sagen wir vor knapp hundert Jahren. Und dann erinnere ich mich schwach daran, dass ich eine Mittelschule besucht habe, wo es ein einziges Mädchen gab. Sie war die erste. Und auch das war nur in den letzten Jahren meiner Zeit an dieser Schule.
*
In Persien gibt es heute noch eine grosse Solidarität unter den Frauen. Sie helfen sich gegenseitig. Sie schützen sich. Sie haben ihre eigenen Partys und ihre eigenen sozialen Kontakte. Und sie sind ziemlich stark miteinander.
*
Ich glaube, die Angleichung der Geschlechter führt zu einem Verlust an erotischer Romantik. Man bewegt sich in einer Art lockerer Kumpanei. Sex wird dabei rar. Es ist nicht mehr diese erotische Spannung, die zwischen den Geschlechtern spielt, sondern eine Art Spiegelung. Und das ist gänzlich ohne Geheimnisse.
Doch wenn ich meine Töchter anschaue, und die Daily Soapes, und wenn ich sehe, wie sich die jungen Frauen heute anziehen, dann denke ich, der Trend, dass sich die Geschlechter wieder anfangen zu unterscheiden, hat bereits begonnen.
*
Weshalb erzählst Du nicht von der Rede für Deine Freundin? Das würde ich gerne hören. Wie war es? Wann war es? Und wie kam es, dass Du sprechen musstest?
*
Jetzt muss ich schliessen. Ich muss noch die Küche aufräumen. Sie sieht aus wie nach der Alexanderschlacht!
Ich wünsche Dir einen schönen Rest der Woche.
Gruss
...


(Jahr 2)




Dienstag, 11. Februar 2025

Rundherum

Lieber ...

Du möchtest von der Rede hören. Es ist nicht die Rede an sich, die Wert ist zu nennen, sondern eher die Atmosphäre damals an meinem Arbeitsplatz.

Als ich an diese Schule kam, war ich etwas erstaunt. Wir waren mehrere Lehrer die sich damals an diese Schule gesucht hatten und wir konnten sofort feststellen, dass der Lehrerkader nicht dem glich, woher wir kamen. Die Lehrer hier waren fast ausnahmsweise eine halbe Generation älter als wir. Wir waren die jungen Neukömmlinge, die man mit milder Nachsicht betrachtete. 

Und wer waren nun diese älteren Kollegen? Viele von ihnen waren überzeugte Kommunisten und der Rest Sozialdemokraten, die ihnen sehr nahe standen. Auch schwärmten sie immer noch von dem Jahr -68 und hielten ein wenig Distanz zu uns/mir, die sie aus irgendeinem Grund als Repräsentant der "Verdrückerklasse" betrachteten.

(---)

Im Kollegienzimmer gab es einen grossen runden Tisch an dem so zehn Personen Platz hatten. Erst später dachte ich, dass dieser Tisch irgendwie für diese "Alten" gebucht war. Aber nichts ahnend, setzte ich mich da hin, 

Sonst hatten wir jungen Leute nicht viel Kontakt mit ihnen. Wir lebten unser eigenes Leben. Fast täglich gingen wir nach der Arbeit zusammen aus essen  und ab und zu lud jemand in der Runde die anderen, die Zeit hatten, nachher zu einem Kaffee bei sich ein. Es waren meist unverheiratete und geschiedene Leute. aber auch junge, kinderlose Paare, gesellten sich ab und zu zu uns. 

Und nun komme ich also zu dieser Rede. Es ist viele Jahre später und eine Kollegin hat ihren 60. Geburtstag. Die Zeiten haben sich verändert und wir sind längst nicht mehr zwei Lager. Auch gehören wir nun zur selben Generation, obwohl uns so 15 Jahre voneinander unterscheiden. Die Schwedischlehrer planen ein grosses Fest zu ihren Ehren. Wie gewöhnlich werden wir die Küche und das Festlokal der Restaurantlinie unserer Schule leihen. Die meisten Aufgaben sind schon verteilt. Wer was einkauft, wer kocht, wer den Tisch deckt, wer für die Musik sorgt usw. Ich habe den schönen Auftrag, das Geschenk für Birgitta auszusuchen. Es ist nicht schwer. Ich weiss, dass es eine neue grosse Deutsche Grammatik gibt, die sie für ihr Leben gern besitzen möchte. Sie ist sündteuer aber ich kaufe sie für die Schule ein und kann die Steuer abziehen. Somit bleibt etwas Geld übrig für ein kleines Geschenk für die weibliche Eitelkeit, "den kvinnliga flärden" wie es heisst. Es ist eine schöne Halskette mit einem Anhänger aus Bergkristall, etwas Spezielles für die Region. Aber eine andere Kollegin (die alles organisiert) findet wohl, dass ich ein bisschen zu leicht davonkomme und deshalb fragt sie mich: "Kannst du die Rede halten?"

Ich habe wohl in dem Augenblick nur daran gedacht, dass ich nicht so wenig tun kann und habe (ich denke zu ihrem Erstaunen) ja gesagt. Es war wirklich ein wenig so, als würde sie gesagt haben: Du hast dich gedrückt, als die schweren Aufgaben verteilt wurden, also kannst du als Strafe die Rede halten.

Nun ja, es war ein Freitag und als K nach Hause kam sagte ich ihm: Ich muss mir für morgen für Birgitta eine Rede ausdenken. Und erst als ich seine Miene sah, habe ich eingesehen, dass ich absolut keine Ahnung hatte, was ich da sagen könnte. Aber weißt du, es ist wirklich so, wie du sagst, wenn ich unter Druck stehe kann ich Dinge tun, die ich normalerweise nicht zustande bringe. Nach 15 Minuten wusste ich genau, was ich sagen würde und probierte meine Rede an K. Und er war still. Bei K bedeutet das, dass er schwer imponiert ist. ;-)
---
Es war keine allzu lange Rede. Doch ich glaube, sie enthielt alles... *lacht*
Sicher hast du dir inzwischen eine Gasmaske geholt. Vielleicht sollte ich mich ein wenig schämen, denn das ganze klingt doch sehr angeberisch. Du siehst, es war eigentlich nicht die Rede, die ich dir erzählen wollte sondern das "rundherum".
Liebe Grüsse
Marlena

Montag, 10. Februar 2025

 

Lieber ,,,

(---)

Ich lese gerade in Männer: "So bestätigt sich für die Frau die Erfahrung, dass sie sich dem Mann nicht mitteilen kann. Beschreibungen ihrer Gefühle und Gemütslagen nimmt er nicht zur Kenntnis. Nachrichten über ihre Nöte und Ängste kommen nicht an. Sie gewinnt den Eindruck, dass ihr Partner während ihrer Kommunikationsversuche abwesend ist. Ihre Appelle finden einfach keine Resonanz. Es ist als ob er sein Empfangsgerät abgeschaltet hätte."

Das klingt ein wenig traurig und als ich es las, dachte ich genau das was Schwanitz nachher schreibt (Besuch im Reich der Frauen Seite 178?). Aber es gibt auch Freundschaft zwischen Mann und Frau. Und was man nicht erwartet, kann man auch nicht vermissen, oder? Vielleicht ist es einmalig, dass wir uns nach so langer Zeit noch so intensiv schreiben. Oder sollte ich lieber sagen: einander unser Tagebuch senden?
*
Es regnet in Strömen.. leider. Und ich werde nun versuchen, an den PC unten ranzukommen, um dies abzusenden. Schreib mir bald wieder, mein lieber Mausfreund. Ich bin hungrig nach deinen Worten.
Wünsche dir noch einen schönen Sonntag.
G+K
Marlena

(Jahr 6)

Ein Mann ist ein Mann...

 Ämne: Ein Mann ist ein Mann ist ein Mann...

Lieber ...,
Ach nein, ich wollte dich doch nicht beleidigen. Und nur der Gedanke daran, dass du glaubst ich könnte dich so auffassen wie du schreibst, zeigt mir, wie schlecht ich mich ausgedrückt haben muss.
Nun möchte ich dir eigentlich gleich sagen, wie ich dich sehe.. aber das würde ewig dauern - teils weil es sehr umfangreich wäre, aber auch weil ich sehr aufpassen müsste, nicht falsch zu treten.. oder lass mich lieber sagen: die richtigen Nuancen zu finden.

Lass mich kurz so sagen: Du bist sehr vielseitig, bist Ruhe und Sturm zugleich und wenn ich mich manchmal auf ein kleines Detail konzentriere, bedeutet es nicht, dass ich dich nicht als einen ganzen, ausgeglichenen, harmonischen Menschen sehen würde. Du liest Schwanitz und suchst "Überlebensstrategien" und so komme ich eben auf diesen Gedanken mit dem Schiff. Du darfst nicht vergessen, dass das sicherste Schiff auch manchmal von einem Sturm ergriffen werden kann.. es hat nichts mit der Qualität des Schiffes zu tun. Ich war wohl "clumsy", sorry!

Und du wunderst dich, wieso ich noch nicht das Buch Männer gelesen habe. Wie sollte ich?? Ich kann es ganz einfach nirgends finden. Ich habe gestern im Internet nachgesehen im Bertelsmann Verlag und man hatte Bücher von Schwanitz. Sogar das ganze erste Kapitel eines Romans von ihm war als Kostprobe veröffentlicht worden, sodass ich seine Art zu schreiben sehen konnte. Aber keine Spur von "Männer" habe ich gefunden. Vielleicht musst du mir dein Buch leihen?  Aber das wäre wohl wie wenn jemand seine Bibel ausleiht. ;-)

*
Über das Verhältnis Mann - Frau könnte ich lange schreiben. Es ist nie ein Problem für mich gewesen. D.h. ich fühle mich ganz als Frau, obwohl ich in einer ziemlich geschlechtslosen Umgebung lebe. Aber ich glaube, ich weiss wie Männer denken und fühlen. Mein nächster Kollege, Åke, ist ziemlich freisprachig.. ;-) Und wenn er ein bisschen zu deutlich wird, dann lache ich herzlich und der andere Kollege schämt sich fast zu Tode, weil er doch nicht seine tiefsten Geheimnisse so preisgegeben sehen möchte.
*
Und dann wünscht du mir eine schönes Wochenende und ich denke nun willst du mich ein paar Tage auf Hungerrationen setzen wegen meines Versehens. :-(

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Ämne: Fortsetzung...

Als ich kontrollierte in "sent messages" ob mein Mail abgegangen ist, sah ich dass nur der halbe Brief drin war. Das ist sehr ärgerlich.
Leider habe ich keine Kopie davon.
Viele liebe Grüsse
Marlena

Sonntag, 9. Februar 2025

Schiffbrüchig ????

 

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Subject : Re: schiffbrüchig ????

Liebe Marlena
Deinen Titel des Schiffbrüchigen musst Du mir schon noch näher erklären. Das klingt nicht gut. Das klingt nach Versagen, vom Weg abgekommen sein, hilflos, allein in der weiten See. Nun, wir haben in der Schweiz nicht allzu viel zu tun mit Schiffen. Aber ein Schiffbrüchiger ist eine sozusagen verlorene Existenz.
Was soll das? Das klingt ja wie eine Beleidigung. Und ich bemerke, wie es mich ärgert, wenn mich jemand so nennt.
*
Es kommt mir dazu das Gemälde von Delacroix in den Sinn, das berühmte romantische Bild der Fahrt des Vergil über den Styx. Aber dieses Bild hat einen Vater, und das ist der Schiffbruch der Meduse von .... Der Name kommt mir im Moment nicht in den Sinn. Es ist klassisch gemalt, in der Thematik aber aktuell. Es bezog sich damals auf einen wirklichen Schiffbruch, der geschehen war. Und das Bild Delaxroix ist das genaue Gegenstück. Es nimmt ein klassisches Motiv, wird aber in aktuellem, dh. romantischem Stil gemalt. Das war sozusagen ein inner-artistisches Duell. Delacroix hat damit seinen Durchbruch geschafft.
*
Du hast die Männer immer noch nicht gelesen!! Nein, das glaube ich nicht. Wie kannst Du nur leben, ohne diese wichtigen Informationen und Überlegensstrategien kennengelernt zu haben ;--)
Das Buch ist natürlich schon etwas physiognomisch, dh. vereinfacht, pointiert, schwarz-weiss. Schwanitz ist kein dummer Mensch. Aber ich glaube, er mag auch die öffentliche Aufmerksamkeit. Und das treibt die Menschen immer ein wenig in die Höhe. Ich habe mir bei der Lektüre oft überlegt, was denn nun eine Frau bei den Gedanken überlegen würde.
Eigentlich war ich vorher gleicher Meinung wie Du.  ...



Radikale Laune heute ..

 

Liebe Malou

Ja die Dänen. Sie haben den Propheten-Streit provoziert. Aber das macht nichts. Die Moslems müssen endlich lernen, dass sie in einer modernen Welt leben. Was sie haben, und die Perser im Speziellen, ist die halbierte Aufklärung. Sie profitieren von allen modernen Entwicklungen wie Handy, PC, Oelverarbeitung bis hin zu Atom. Und auf der anderen Seite glauben sie an Mythen und Geschichten aus der Vorzeit, nehmen sie gar wörtlich. Das ist einfach lächerlich. Sowas können wir uns in der modernen und hochexplosiven Welt nicht mehr leisten. 

Man müsste einen neuen, einen humanistischen Glauben schaffen. Bestimmt brauchen Menschen so etwas. Aber nicht idealistisch, jenseitig, ewig und total. Das ist einfach gefährlich. Damit schlagen sich Menschen gegenseitig die Köpfe ein. Ich glaube, wenn ich in Pension gehe, werde ich anfangen, gegen die Religion zu wettern. Ich habe sie jetzt alle gesehen, die Protestanten, die Katholiken, die Moslems. Es liegt einfach viel Unsinn in diesen Glauben. Aber natürlich, wenn man das kritisiert, fühlen sich die Menschen verletzt und reagieren sehr empfindlich. Man soll den Staat auch völlig trennen von den Kirchen. Es geht nicht an, dass Kirchen Steuern eintreiben zusammen mit dem Staat. Das ist nicht ein säkularer Staat, wo so etwas geschieht.
Du siehst, ich habe heute eine ziemlich radikale Laune Malou. Aber ich glaube, es wäre gut, die Lebensenergien für so etwas zu riskieren. Meinst du nicht auch?

...

(R)


Freitag, 7. Februar 2025

Sinngedicht

 

Das ist für dich Marlena, ...  Es ist für mich das
Sinngedicht unserer Freundschaft.

"Wer seines Lebens viele Widersinne
versöhnt und dankbar in ein Sinnbild fasst,
der drängt die Lärmenden aus dem Palast,
wird anders festlich, und du bist der Gast,
den er an sanften Abenden empfängt.


Du bist der Zweite seiner Einsamkeit,
die ruhige Mitte seinen Monologen;
und jeder Kreis, um dich gezogen,
spannt ihm den Zirkel aus der Zeit."



Rilke Berlin-Schmargendorf 1899





Es ist lieb von dir ...

Lieber ...

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... wie du mein kleines Passfoto beschreibst. Dazu denkst du dir einen schlanken, sogar asketischen Körper :-) Muss eine Mausfreundin überhaupt einen Körper haben? 




Ich bin übrigens heute (Samstag Abend) ganz allein zu Hause, denn Anna und K sind bei einem "Eulen-Abend" mit dem Naturschutzverein. Sie sind also irgendwo im Wald und versuchen Eulen zu hören. Ich wollte eigentlich mitgehen, habe aber dann nach all diesem Hin- und Herfahren die Lust verloren.


Ich sah neulich einen alten Film im TV, der in Rom spielte. Es handelte von einer Prinzessin und einem Journalisten (mit Audry Hepburn und Gregory Peck). Er hat mir sehr gefallen. Ich habe mich natürlich dabei mit der Schauspielerin identifiziert und in Gregory Peck verliebt. Er ist ein schöner Mann, oder?

Ich muss dieses nun abschicken denn die Familie wird wohl bald nach Hause kommen.
Lass bald wieder von dir hören.

Liebe Grüsse
Marlena


(juni Jahr 1)

Montag, 3. Februar 2025

Albergo dell'Orso

 

Aquarell von Roesler Franz 1878.


subject Nochmals..


um deine Lust für Rom wachzurufen.. :-) Ein bild mit dem Text:Albergo dell'Orso, d.h. "Hotel zum Bären", Es ist wohl das älteste Hotel von Rom. Oder besser gesagt war. Es ist nämlich seit mehreren Jahrzehnten verwandelt zu der Luxuskneipe Hostaria dell'Orso. Hier, behauptet man, habe Dante gewohnt im Jahre 1301 und im 16. Jahrhundert hiess die Besitzerin Donna Vanezza, ehemalige Geliebte des Papstes Alexander VI Borgi

Weisst du, dass Julius Caesar auf seinen Reisen seine eigenen Mosaikfussböden im Gepäck mitführte Ach, das Buch ist voll von solchen lustigen Informationen, zwischen den Fakten.

Wo bist du chéri? Schon zu Hause auf dem Sofa? Oder in deinem Lieblingssessel?
Und nun lasse ich dich wieder.. nur weil es so sein muss..

GuK
Malou

Sonntag, 2. Februar 2025

Regentropfen

 

Ämne: Regentropfen..
Datum: den 21 november  11:24

Liebster Mausfreund,

Leider ist die Sonne hier sofort wieder verschwunden. Heute ist grau und regnerisch. Hundewetter. Warum nennt man es so? Kein Hund will in diesem Wetter vor die Tür.

Schön, dass ich gestern nichts verpasst habe. Ich meine bei eurem Weekly. Finde es süss, dass euch Lili ihre Spielsachen bringt. Warum eigentlich muss dieser fremde Mann ihr Herrchen stehlen? Das erinnert mich, als ich in Frankreich mal von einem "petit ami" zu Hause abgeholt wurde. Die kleinen Mädchen brachten schnell alle ihre Spielsachen hervor, um sie ihm zu zeigen. Und als wir gingen, erklärte die kleine Susie: "Quand je serai une grande fille, moi aussi, je veux "geh mit" avec les grands messieurs." Sie versuchte ein wenig deutsch einzumischen, damit ich es besser verstehen sollte. ;-)
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Ja, vielleicht können wir etwas lernen von der älteren Generation. Klug dein Onkelchen! Übrigens mag ich die Äpfel genau so wie du. Sie dürfen absolut nicht "mehlig" sein und sollen auch eine frische Säure haben. "James Grive" ist meine Lieblingssorte, die ich bei uns im Garten pflücken kann, aber leider kann man sie nicht längere Zeit aufbewahren. So kaufe ich mir jetzt "Jona Gold". Die wären auch nach deinem Geschmack.
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Diese "Stendhals Syndrom" ist zum ersten mal im Jahre 1982 medizinisch diagnostiziert worden. Der Namen kommt von Stendhal, der ähnliche Dinge beschrieben hat, die er 1817 während seines Besuches in Florens erlebt hat. Die Krankheit wird vom Betrachten der Kunstwerke in Florens ausgelöst. Eine psychische Unbalanze. Jeden Monat wird dort ein Patient mit diesen Symptomen in die Psychiatrische Klinik eingewiesen.
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Ach, du willst eine Nachtigall in deinen Garten locken? Das ist aber eine lustige Idee. Dort wo K wohnt, gibt es in der Nähe seines Hauses einen kleinen Hügel mit Bäumen und Büschen und wenn er im Frühjahr bei offenem Fenster schläft, (oder versucht zu schlafen) hält ihn die Nachtigall wach mit ihren scharfen durchdringenden Tönen. Ich habe die Nachtigall gehört und gesehen im Schilf am Meer, als ich in Estland war. Es ist etwas besonderes, die Nachtigall zu hören. Das gebe ich zu.
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Der Film gestern handelte nur von Bob Kennedy. Ich glaube ich muss die erste Sendung über John F. K verpasst haben. Also hatte ich grosse Möglichkeit deinen Doppelgänger zu studieren. Ja, ihr seid euch ähnlich. Aber ob auch in Grösse, Figur und Bewegungen, das weiss ich leider nicht.

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Ich muss zurück an die Arbeit. Wünsche dir einen schönen Tag,
mit lieben Grüssen,
Malou

Re: an apple a day ...

 

den 21 november  09:38
Re: an apple a day ...

Liebe Marlena
Gestern war hier ein schöner sonniger Tag, wie auch Du ihn hattest. Und heute scheint es wieder ganz ähnlich zu werden. Und die Fahrt über die Juraberge war prima. Du hast recht, ich muss ein bisschen vorsichtig sein. Wenn ich knapp an Zeit bin, fahre ich so schnell wie möglich. Und das ist auf der kurvenreichen, teilweise steilen Strasse wunderbar. Doch ich glaube, das Risiko ist höher, wenn ich gemütlich fahre und in Gedanken abschweife. Ich könnte so mit Leichtigkeit über ein Rotlicht fahren, ohne mit der Wimper zu zucken. Glücklicherweise gibt es dort oben keine Rotlichter. Das ‚Rotlichtmilieu’ ist bei uns anderswo…;--)) Doch glaube ich nicht, dass es tagsüber schon Eis auf der Strasse hat. Na ja, vielleicht morgens in der Früh ist es möglich auf dieser Höhe.

Ich geniesse es einfach, durch diese ländliche Gegend zu fahren. Das Leben läuft dort noch so langsam ab. Man kann das an den Autofahrern bemerken. Wenn sie in die Hauptstrasse einbiegen, tun sie das so langsam, dass man manchmal verzweifeln könnte. Du denkst, sie wollen dich absichtlich ärgern. Aber dann siehst du wieder Kinder an der Bushaltestelle, die einfach so dahinwarten. Und im Moment ist die Landschaft mit den herbstlichen Wäldern so schön.

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Schön, dass es jetzt auch bei Dir und Deiner Woche bergab geht. Na ja, bei mir war es damals eher ein Wunsch, eher eine Suggestion ans Schicksal als eine wirkliche Tatsachenbeschreibung. Aber alles in allem habe ich montags doch ziemlich streng. Und das regelmässig. Und das ist es auch, was mich am Wochenende auf Trab hält.

Was ist Stendhals Syndrom? Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass ich irgend so etwas gewusst hätte, obwohl ich doch eine Biographie über ihn gelesen hatte. Aber er hatte eine Krankheit, daran erinnere ich mich. Es war, so glaube ich, irgend eine Geschlechts­krankheit, die er ständig mit irgendwelchen Medikamenten zu unter­drücken suchte. Er hatte doch ein intensives Sexualleben mit intensiven Liebschaften, die ihn erst zum Schreiben antrieben.

An apple a day keeps the doctor away. Ist doch ein Rat, den man immer wieder hört. Auch unser Onkelchen schwört auf Äpfel. Wenn wir ihm irgendwelche exotischen Dinge mitbringen, Kiwis oder weit seltenere Früchte, so zieht er sich dankend auf seine Äpfel zurück. Ich glaube, er hält sich mehr oder weniger dran, täglich einen Apfel zu essen. In Visp hatten wir viele Äpfel im eigenen Garten. Einige davon waren ausgezeichnete Sorten, nach denen ich mich heute noch sehen. Die eine war ein grosser Apfel mit einer bäunlich-roten rauen Haut. Boskop nannten wir sie. Es gibt sie immer noch, aber selten habe ich so gute Exemplare gefunden, wie wir damals gegessen haben. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass man im eigenen Garten die Äpfel genau in jenem Reifegrad essen kann, den man am meisten liebt. Ich liebte sie hart und knackig und nicht zu sehr reif. Sie waren dann auch noch recht säuerlich im Geschmack. Der betreffende Baum stand genau neben jenem mit den wunderbaren Reineclauden (oder wie könnte man denn das schreiben?) Und es war jener Baum, auf dem ich jeweils unsere Nachtigall vermutete, ein Tiefstamm Baum, so dass man bequem und ohne Leiter bis zu den Ästen reichen konnte. Nachtigallen lieben es, bodennah zu leben, wie ich gelesen habe. Sie suchen nicht die Höhe, nicht für ihren schönen Gesang und nicht für ihr Nest. Ich habe meine CD mit Nachtigallengesang immer noch im Büro, und manchmal, vor allem an Wochenenden, lasse ich sie spielen.


Habe ich Dir erzählt, dass ich mir überlegt habe, mit dieser CD neue Nachtigallen in unseren Garten zu locken. Ich meine, wenn es vielleicht der Gesang eines Weibchens wäre, müsste man doch damit ein Männchen anlocken können. Und vielleicht würde das Männchen, wenn es sich ein bisschen herausputzt und sich mit der schönen Wohnung brüstet, auch noch ein Weibchen anziehen. Sind sie eigentlich monogam, die grossen Sänger? In der persischen Dichtung kommen sie immer wieder vor und haben die symbolische Bedeutung der Liebe. Die Rose sehnt sich nach dem Gesang. Und die Nachtigall singt zu ihrer Rose, bis sie sich öffnet. Letztlich ist es eine religiöse Metaphorik. Es gibt ein hübsches Gedicht von Storm glaube ich, welches diese Thematik aufnimmt. Wir hatten es mal noch in der Sekundarschule, ich glaube im 5. Jahr gelernt. Und ich habe es nicht vergessen. Lustig eigentlich, der Lehrer damals hat uns diese Dinge gleich in der Schule beigebracht. Das heisst, wir mussten nicht heimgehen, und so was auswendig lernen. Er hat es immer wieder rezitiert, bis jeder das auswendig konnte. Auch bei den Liedern hat er das gemacht. Das war einer der Gründe, weshalb ich im Gymnasium kaum wusste, wie ich die Dinge lernen sollte.
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Gestern am Weekly haben wir viel über Sport diskutiert. Wenn Du als Maus im Büchergestell gehockt hättest, hätte Dich Lilli bestimmt aufgespürt. Sie war ziemlich unruhig und brachte alle ihre Spielsachen und hat sich viel bewegt. Wir haben über Sportarten geredet und über die Frage, wie sie sich durch die Tatsache des Fernsehens verändern.  Und man müsste von der Wissenschaft und ihrer Forschung eine ähnliche Transparenz und Sichtbarkeit verlangen.

Du siehst, solch ein hohes Diskussionsniveau. Aber vom dritten Brett auf dem Gestell hättest Du bestimmt gut folgen können. Es müsste von dort wirken wie der Kameraausschnitt im Fernsehen: ein kleines Tischchen, meist mit einer Blume, einigen Büchern, Gläser und Wasser, daneben zwei Fauteuils mit zwei ernsten Herren, dahinter ein volles Büchergestell. Nur Lilli wäre etwas störend, wenn sie immer wieder durchs Bild läuft

Ich wünsche Dir ein gutes Wochenende
Mit liebsten Grüssen
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