Donnerstag, 30. Mai 2024

Freitag

 

Dürrenmatt, Selbstporträt

Liebe Marlena

Deine lobenden Worte sind wie Manna für mein ausgetrocknetes Herz. Allein ich weiss nicht mehr, welches kleine Drama Du meinst, das ich Dir geschildert hätte. Vielleicht suche ich am falschen Ort in meinem Gedächtnis. Und dass mein Gedächtnis eine einzige Dunkelkammer mit verschiedenen kleinen und grösseren Abteilungen und endlosen Gängen, und schweren Pforten ist, das weißt Du mittlerweile.
Tut nichts. Doch viele Leute haben mir schon gesagt, ich sollte mehr schreiben. Und ich tue es ja. Aber dann habe ich wieder Zeiten, wo ich mich etwas ausruhen möchte, und zum Malen hinüberwechsle. Du weißt, Marlena, man hat es nicht leicht als Multitalent.:--). Da kommt mir Dürrenmatt in den Sinn. Er hat gesagt, er ruhe sich mit Malen vom Schreiben aus und mit Schreiben vom Malen. (Er hat überigens ein riesiges Bild von Varlin in seinem Arbeitszimmer gehabt). Aber Dürrenmatt hat auch zugegeben, dass erauf dem technischen Niveau eines Kindes male. Und dennoch waren seine Bilder sehr gesucht. Vielleicht nicht sosehr wegen des Bildes, sondern wegen des Namens?
*
Heute haben wir an einer Sitzung die PISA Resultate kurz diskutiert. Stell Dir vor, in der Schweiz haben wir unter 15-jährigen Jugendlichen 40% Fremdsprachige. Das sind dann diejenigen, die keinen Text verstehen, keine zentralen Aussagen identifizieren können und keine eigene Meinung zu den Aussagen entwickeln. Ich denke, die Schweiz ist wirklich sehr dumm in ihrer Einwanderungspolitik. Wir haben einen enorm hohen Standortvorteil, was die Landschaft, was der soziale Friede, was die Arbeitsmoral, den Ausbildungsstand der Menschen hier betrifft. Die besten Forscher, Wissenschafter und Künstler würden gerne in unserem Land leben mit all dem Komfort, welchen es bietet. Aber nein, wir lassen die einfachsten Leute aus dem hintersten Anatolien zu uns kommen, und ihre jugendlichen Kinder randalieren, zücken Messer, spielen arrogant Machos, kurz: sind einfach noch nicht sehr zivilisiert, und machen unsere Strassen unsicher, weil sie eigentlich aus einer wilden Welt des 18. Jahrhunderts kommen.
Hört sich schon bald an wie ein Rechts-Politiker, was ich hier sage, nicht wahr? Aber ich glaube wirklich, dass wir die falschen Filter verwenden. Und einige von uns denken, das geschehe nur aus Schuldgefühlen nach diesem Krieg mit den amerikanischen Juden, den wir kürzlich hatten.

 Psychiater und Psychologen unterscheiden sich darin, dass Psychologen die besseren Psychiater sind.;--)))) Nein, das war ein Witz. Psychiater haben ein Medizinstudium, d.h. sind Aerzte, und können Medikamente verschreiben und ihre Leistungen via Krankenkassen abrechnen. Psychologen können das nicht selbst, sondern - allenfalls - delegiert durch einen Psychiater. Psychologen haben ein geisteswissenschaftliches Studium (inklusive etwas Statistik, Neurologie, medizinisches Wissen). Ja, das dürfte ungefähr der Unterschied sein. In den letzten Jahren haben sich die Psychiater sehr in Richtung Psychologie weiter entwickelt. Das heisst, viele davon arbeiten heute beinahe so wie ein Psychologe.

(--)

Heute werde ich einen langen Abend im Büro machen. Die Damenparty beginnt um 1700h und kann bis Mitternacht dauern. Doch die meisten werden so anständig sein, rund um 2300h heimzukehren. Meine Töchter haben mir geraten, ins Kino zu gehen ... . Aber ich weiss noch nicht.
Ich wünsche Dir ein schönes und behagliches Wochenende

Mit einem lieben Gruss
...

Ein interessantes Thema?

 

Liebe Marlena

Ja, die Webcam hat heute recht, es ist Markt. Aber gestern war es nicht, so wahr ich hier stehe, oder schreibe meinetwegen.

Ich war rasch im Städtli, wie wir sagen, und dabei habe ich meinen Chef getroffen. Wir begegnen uns wie eher flüchtig Bekannte. Er grüsst freundlich, nicht mehr, ich auch, nicht mehr. Wir hatten beide einen grossen Hut auf, er einen schnittigen und geformten, ich so eher eine existenzialistische Filzbeule. Aber wir haben beide den Hut nicht abgenommen beim Gruss. Ich habe wenigstens die Hand gehoben, weil ich dachte, ich müsste doch irgendwie ... die Kopfbedeckung lüften. So einen lauen Hitlergruss habe ich gemacht. Nein, es ist nicht die richtige Bezeichnung, aber Du weißt jetzt vielleicht, was ich meine. Er hat sein schnittiges Möbel auf dem Kopf nicht bewegt. Und ich habe mir gedacht, wie man denn einen solchen Hut tragen kann, wenn man nicht mit ihm umzugehen weiss.

*

Doch das ist kein interessantes Thema.

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Re:

Lieber ... ,

Wieso sollte es kein intressantes Thema sein, dieses kleine Drama in einem Akt, das sich dort auf der Strasse ausgespielt hat. ;-) Ich habe mich jedenfalls köstlich amüsiert und du musst mir verzeihen aber ich habe auch Anna diese Passage vorgelesen. Sie hat ein sicheres Gefühl für Nuancen und wir haben beide herzlich gelacht über deinen Humor. Ich teste immer ein wenig ob sie deutsch versteht.. sprechen kann sie es ja leider kaum.

Weisst du, ... werde nicht eingebildet, wenn ich dir das sage. Aber ich hab wirklich noch nie einen Menschen getroffen, oder besser gesagt gekannt der Dinge so treffsicher beschreiben kann wie du. Und glaub mir, ich vergleiche dich nicht mit Dummköpfen. Es sind Skribenten, Schriftsteller und äusserst gebildete Leute.

A propos eingebildet: Ich musste lachen über deine Worte neulich, dass du vestehen kannst "dass du mir nicht aus dem Sinn gehst". Bist du immer so sicher in solchen Dingen???  Aber du wirst natürlich nicht auf die Frage reagieren.

*

K hat gerade angerufen und Anna sagt dass er schon wieder so ganz schrecklich erkältet ist. Er wird es ganz einfach nicht los. Ab und zu wird es etwas besser nur um dann wieder in voller Stärke hervorzubrechen. Hoffentlich steckt er uns nicht an jetzt sodass wir  nichts unternehmen können.

Wie sehr ich deine Bekannten beneide. Geld und Zeit etwas damit zu tun, wer träumt nicht von einem solchen Glück. Und wenn sie den Mann liebt, was spielt dann das Alter für eine Rolle.

Diese Damenparties kenne ich ein wenig.und das erste Mal hat es mich sehr überrascht, denn so elegant und verführerisch machen wir uns nicht wenn wir unter nur Schwedinnen unsere "Damenkränzchen" haben (oder wie du sie nun nennst). Aber mit dem Essen und dem "rundherum" geben wir uns auch grosse Mühe. Soweit ich weiss gibt es kein Land in Europa das so freikostig ist wie Schweden wenn es gilt Gäste zu verwöhnen. (Deutschland ist nebenbei gesagt die reinste Katastrophe). Aber nun spreche ich so allgemein denn es gibt natürlich überall Ausnahmen.

*

Sag mir mal ..., was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Psychologen und einem Psychiater? Ich meine, wird man erst Psychologe und dann nachher Psychiater oder sind es zwei getrennte Ausbildungen? Du sagst manchmal du schickst jemanden weiter zu einem Psychiater aber was kann der tun was du nicht tun könntest? Nur Medizin verschreiben?

So, nun habe ich ein wenig geplaudert in die Finsternis hinaus. Schreib mir bald wieder, mein lieber Mausfreund,

Ich grüsse dich herzlich

Marlena



Mittwoch, 29. Mai 2024

Nein, noch nicht ...


Lieber ...,

(---)

Nein, mein lieber Mausfreund, leider kann ich noch nicht meine Pensionierung feiern. Es wird noch einige Zeit dauern, bevor ich mich pensionieren lassen werde. Dagegen geniesse ich schon jetzt das Gefühl der "grossen Freiheit", die auf mich wartet. Mein Zimmer oben ist im Moment in eine Destruktionsanlage verwandelt. Und ich finde interessante Dinge in den Papierbergen. Fühle mich fast ein wenig wie ein Goldgräber.. ;-))) Bei einem Fussballspielt lässt es sich vortrefflich damit arbeiten.

Heute ist der Himmel ganz ohne Wolken und die Sonne strahlt schon herrlich. Ich hoffe, dass es auch wieder etwas wärmer wird.

Du hast so viele mögliche und unmögliche Fragen gestellt. Ich glaube ich brauchte den Rest meines Lebens um sie beantworten zu können. So nach und nach werden die Antworten in meine Mails hineintropfen. Ich bin glücklich. Es gibt viel in meinem Leben, was schwer ist, aber wenn ich mich mit meinen Freundinnen vergleiche, so muss ich mich zu den privilegierten zählen. Verliebtsein erhöht wesentlich das Lebensgefühl. Und ich bin immer noch verliebt in dich, obwohl doch die Wissenschaft diesem Gefühl nur vier Jahre gibt. ;-) Ich habe keine andere Erklärung, warum ich als absolut schreibfaules Ding, täglich Lust habe dir mails zu senden. Du bist, glaube ich, meine grösste Glücksquelle, mein lieber ....

Du hast einen besonderen Tag heute und sicher anderes im Kopf. Ich wünsche dir viel Spass mit dem Club und das üibrige wird auch glänzend laufen. Da bin ich sicher.

Mein Kaffee wartet auf mich in der Küche. So lasse ich dich für heute.
Mit lieben Gs und Ks,
Malou

Dienstag, 28. Mai 2024

Re: Glück (Geburtstag, Onkelchen und Da Vinci Code)


Liebe Malou

Vielleicht habe ich jetzt Dein Mail einen Tag zu früh gelesen. Macht nichts, ich werde morgen nicht allzuviel Zeit haben. Am Morgen die Sitzung. Ueber Mittag ein Barbecue bei einem Clubmitglied, der seinen Geburtstag feiert und uns alle einlädt. Er handelt mit Fleisch, und ich glaube, er wird ein paar schöne Stücke aufs Feuer legen. Und morgen haben wir den Besuch der GPK. Das ist eine Kommission, welche die Verwaltung zu kontrollieren hat. Sie besuchen allerdings in erster Linie unser Büro in Basel, und ich werde ungefähr ein Gespräch von einer Stunde mit ihnen haben. Na ja, das wird auch irgendwie vorüber gehen. Aber es hängt eben alles im hinteren Bereich des Hirnes und füllt den Kopf.
Lustig, ich habe hier eine Datei geöffnet und finde das Bild, das meinen Schreibtisch zeigt. Kannst Du Dich erinnern. Im Hintergrund dieses grosse Bild, diese Gewitterstimmung, die den Rhein mit einem Dampfschiff zeigt. Damals waren die Ufer noch grün und von Bäumen gesäumt. Heute sind sie überbaut. Es ist ein aufgewühltes Bild, nicht wahr? Aber ich habe noch ein paar andere in meinem Büro von eben diesem Maler. Und die sind bedeutend ruhiger. Dieses eine hat mir gerade wegen seiner Unruhe gefallen, und wegen der Grösse. Ich wollte unbedingt ein Bild, dass gross ist. Und dieses war das beste und grösste, das ich in den Archiven gefunden habe. Ich habe mir natürlich schon ein paar Mal überlegt, ob ich nicht mein eigenes Bild hier hängen soll. Es ist ungefähr so gross. Aber bisher habe ich mich nicht dazu entschliessen können.
Midsummer: Ja, ich habe schon daran gedacht, dass Du Geburtstag feiern wirst. Du bist ein Sommerkind. Und das ist beneidenswert. Und dieses Jahr wirst Du einen besonderen Moment zelebrieren können, denn Du wirst „in Rente“ gehen. Das ist doch so etwas wie die erste Kommunion oder die goldene Hochzeit, ich denke, mindestens so grossartig. Und später wirst Du Dich dann an die schönen Zeiten, als Du noch gearbeitet hast, mit Sehnsucht und Nostalgie zurück erinnern. Ich glaube, das wird ein Kapitel werden in meiner Schrift über das Glück: das Glück ist immer j e t z t. Zu denken oder zu hoffen, dass das Glück später einmal komme, das ist die normale Art des Unglücklichseins. Natürlich kann man sich ein wenig am vergangenen Glück freuen. Aber im Wesentlichen ist das Glück jetzt, oder es ist nicht. So einfach ist das.

Onkelchen haben wir 14 Tage nicht gesehen. Ich glaube, nächsten Sonntag fahren wir wieder hin. Sie lieben ihn alle im Altersheim, weil er sehr umgänglich und friedlich ist. Aber manchmal habe ich den Eindruck, er mag diese alten, auffälligen Frauen nicht, die Grimassen schneiden und die man am Tisch füttern muss. Er könnte, wenn er besser hören würde, noch wundervolle Gespräche machen und den galanten Herrn spielen. Na ja, so geht das Leben zur Neige. Ich glaube wirklich nicht, dass man viel verpasst, wenn man die letzten Jahre - sagen wir einmal grosszügig nach 80 - auslassen würde. Man sollte einfach vorher gelebt und das Leben ausgeschöpft haben. Dann kann man auf diese dürren und steinigen Jahre im Alter gut und gerne verzichten. Nun, wir werden sehen, wie es kommt.

Da Vinci Code hast Du erwähnt und mir zum Lesen empfohlen. Ich habe das Buch nirgends gesehen in den Buchläden. Allerdings habe ich auch nicht speziell danach gesucht. Ach weißt Du, ich habe noch so viele Bücher zuhause herumliegen, die ich lesen kann. Ich sollte mich zurückhalten mit neuen. Und wie Du siehst, geht mir immer wieder die Leidenschaft durch. Das nennt man einen Kauf „im Affekt“, so wie es im Strafrecht eine Tat „im Affekt“ gibt. Man ist dann nicht gänzlich verantwortlich für das, was man getan hat, und wird milder bestraft. Ich werde Dir bei Gelegenheit über NLP berichten. Es ist nicht so einfach zu erklären, und Du hast in Deiner Umgebung bestimmt Leute, die es Dir noch besser beibringen könnten. Aber ich werde es - peu à peu - versuchen. Vielleicht tut es mir selbst auch gut, mir das alles zu überlegen. Und das Buch, das ich gestern gekauft habe, scheint überaus plausibel und übersichtlich. Das war der Grund, weshalb ich nicht widerstehen konnte.

Ob ich glücklich sei? Das ist eine gute Frage. Nun, ich glaube, ich habe mit den Jahren gelernt, meine Gedanken ein wenig zu steuern. Und damit kann man auch die Glücksgefühle herbeiholen oder verdecken. Ich glaube, ich habe viel Glück gehabt in meinem Leben. Natürlich habe ich auch Unglück erlebt. Aber das ist kein Nachteil. Und heute habe ich mir meine kleine Ecke eingerichtet mit den Dingen, die ich mag: die Familie, Lesen und Schreiben, Zeichnen und Malen und Mailen, Schlafen und Dösen, ein paar Freunde und Freundinnen. Wenn ich in Pension gehe, werde ich wieder im Garten arbeiten und vielleicht einige Dinge im Haus flicken oder erneuern. Der Faktor, der mein Glück am meisten stört, das ist die Zeit. Sie geht einfach zu schnell. Meine Interessen sind zu weit. Die Zeit ist immer viel zu knapp. Sie rieselt mir zwischen den Fingern davon. Vielleicht liegt das an meiner grossen Begabung, zu faulenzen. Ich faulenze nicht so, dass ich nichts tue. Ich faulenze, indem ich etwas tue, aber ohne bestimmtes Ziel. Ich bin verliebt in die wirklich unwichtigen Dinge im Leben. Ich kann mich in Kleinigkeiten verlieren, bloss aus einer Laune heraus. Ach, was kann ich Dir noch erzählen über mein kleines, bürgerliches Glück. Ich hatte immer die Überzeugung, dass ich ein fantasievoller und kreativer Mensch sei. Ich kann mich in Fantasien verlieren und weite virtuelle Landschaften durchwandern. Und ich bin nicht sonderlich anspruchsvoll. Ich meine, ich habe auch eine gute Neigung für das Asketische. Ich kann einen ganzen Abend bei bloss Mineralwasser diskutieren, brauche dazu keinen Wein noch irgendwelche Snacks. Die einfachen Lösungen machen mir gerade Freude. Ich glaube, die grossen Dinge im Leben sind einfach. Die Kompliziertheiten zeigen, das etwas noch nicht genügend entwickelt ist, noch im Anfangsstadium, im Versuch steht. Auch die genialen Dinge sind im Grunde einfach. Ich bin - um es in einem Wort zu sagen - genial ;--))

Das genügt für heute. Ich meine, so was musst Du erst mal verdauen, nicht wahr? Erzähl mir über Dein Glück. Auf einer Glücksskala von 0 bis 10, wo liegst Du? Und geht es eher auf- oder eher abwärts? Welches sind die Dinge, die Dich am meisten freuen? Was fehlt Dir im Leben am meisten? Was würdest Du im nächsten Leben anders machen? Welche Person ist für Dich am wichtigsten gewesen? Möchtest Du im nächsten Leben wieder eine Frau werden? Und auf welchem Kontinent? Welches war Deine grösste Fehlentscheidung? Und was Deine glücklichste Entscheidung? Was würdest Du an Dir ändern, wenn Du könntest? Körperlich? Psychisch? Geistig?

Na ja, Du siehst, es gibt viele Fragen dazu.
Ich küsse Dich
...

Glück ...

  

Lieber ...

(---)

Ich sehe gerade auf dem Kalender vor mir, dass ich dieses Jahr am Midsommartag Geburtstag feiern werde. Ich freue mich jedesmal wenn diese Tage zusammenfallen. :-) Dann wünsche ich mir herrlichen Sonnenschein und all das andere schöne, was man mit dem Midsommarfest verbindet. Du weisst ja bereits, wie wir es bei uns feiern. Es ist nach Weihnachten, das grösste und schönste Fest des Jahres.

Ja, du solltest deine Theorien über Glück niederschreiben. Ich denke ungefähr so: Ein Mensch auf den ständig die Sonne scheint, findet nichts besonderes daran. Aber ein Mensch, dessen Himmel voll von dunklen Wolken ist, fühlt sich glücklich jedesmal wenn die Sonne für eine Weile hervordringt. Es sind die Kontraste, die das Gefühl von Glück erhöhen. Aber manchmal träume ich auch von einem Leben, das wie ein stiller Strom dahinläuft, d.h. von stiller Zufriedenheit und Harmonie.
Wie ist dein Leben? Ich meine, ich kenne es ja ein wenig aus deinen Mails, aber es kann auch Seiten haben, die du noch nicht gezeigt hast. Will ich das eigentlich wissen??

Wie geht es deinem Onkelchen? Du hast lange nicht mehr von ihm gesprochen. Besucht ihr ihn noch immer?

Jetzt werde ich einen neuen Versuch machen, den "Da Vinci Code" zu lesen. Mal sehen ob ich auch so darüber denke wie die Leute, die das Buch bis in den Himmel loben. Es müsste ein Buch für dich sein, aber du reagierst nicht darauf. :-(

Dieses Mail ist für morgen gedacht und so wünsche ich dir einen schönen Sonntag.

Mit SH und UK,
Malou

Sonntag, 26. Mai 2024

Re: Unkraut


Liebe Malou
Die deutsche Sprache reicht nicht aus, um unser Wetter zu beschreiben. Dazu würde man eine Menge Kraftausdrücke benötigen und sie in die Luft hinaus donnern. Es ist wirklich saukalt und unfreundlich. Ich habe - habe ich das nicht schon mal geschildert, um dich zu Tränen zu rühren? - ich habe unsere Tomaten wieder zurück unter die Plastikdecke geschickt. Das will heissen: vor ein paar Tagen hatte ich den Plastik entfernt und pro Pflanze einen Stock eingesteckt. Das sind so gewundene Metallstöcke, die der Pflanze Halt geben, ohne dass man sie binden muss. Aber dann vor 2 Tagen, als ich die Wetterprognosen für Pfingsten gehört hatte, habe ich alles wieder abgebaut und zugedeckt. Das ist ein Rückzug um knappe zwei Monate. Ist das nicht wahnsinnig.
Aber ich muss gestehen, gleich heute Morgen, bei Wind und Wetter, ist mir eine Erinnerung aus meiner Jugend zurückgekehrt. Und wenn ich es mir genau überlege, hängt das mit dem Wetter zusammen. Damals, in der Zeit der Sekundarschule, hatten wir jeweils an Pfingsten ein Pfadfinderwochenende. Man zog aus mit Zelt und Kochgeschirr und hat das längere Wochenende von Pfingsten in Gottes freier Natur verbracht. So haben wir verschiedene Gegenden des Wallis kennengelernt. Ich erinnere mich an den Pfinwald, diesen altertümlichen südlichen Wald, der die Sprachgrenze bildet, und der in alter Zeit ein fast unüberwindliches Hindernis voller Räuber und Weglagerer gewesen war. Als wir dort in den Zelten lebten, war feines Wetter. Und sonntags waren die Gebüsche voller Liebespärchen, die sich auf ihren Wolldecken am Boden gütlich taten. Das Wallis war damals - ist es wohl noch heute - sehr konservativ. Und die jungen Leute durften nicht einfach so 'karisieren', wie sie es nannten. Also zogen sie sich in den Pfinwald zurück.
An einem Pfingstwochenende, eben an jenem, das mir jetzt wieder in Erinnerung ist, da fuhren wir hinauf in die Derborence. Derborence heisst ein Roman von Ramuz, dem bekannten Westschweizer Schriftsteller. Und das Gebiet ist bekannt wegen seines kleinen Sees, wegen des Bergsturzes, der sich vor längerer Zeit dort einmal ereignet hatte, und wegen der Tatsache, dass das ganze Gebiet heute unter Naturschutz liegt. Wir waren also um die 20 junge Leute dort oben. Und mindestens während eines Tages hat es geregnet und war kalt, dass wir uns entschlossen, in die Berghütte zu gehen, um uns ein bisschen aufzuwärmen und auszutrocknen. Wir stiegen also in dieses Haus hinauf. Dort war ein alter Mann mit einem Mädchen, die uns freundlich empfingen. Vielleicht war es wirklich diese Kälte, die dafür verantwortlich war, dass ich mich augenblicklich in diese charmante junge Frau verliebte. Ich weiss nicht mehr wie sie ausgesehen hat. Ich weiss nicht mehr, wie wir mit ihr und ob überhaupt gesprochen haben. Ich weiss bloss noch, dass mich die Situation an die Szenen aus dem Jugendroman 'Heidi' erinnerten. Und ich weiss noch, dass sie mir das ganze Wochenende nicht mehr aus dem Kopf gingen. Und es war kalt und unfreundlich, und die Wolken hingen tief den Berggipfeln entlang, so dass man den Eindruck hatte, man lebte unter einem Pfannendeckel.
Es gibt eine hübsche Kurzgeschichte von Heinrich Böll mit dem Titel 'Die ungezählte Geliebte'. Darin hat ein junger Mann im Nachkriegsdeutschland die Aufgabe, die Fussgänger zu zählen, die eine Brücke benutzen. Er tut das geflissentlich und genau, doch er erlaubt sich die Freiheit, jedesmal, wenn seine geheime Liebe passiert, sie nicht mitzutählen.

Ach, weshalb ist mir im Moment so sehr nach Liebesgeschichten? Ist es bloss die Kälte? Soll ich dir noch mehr von meinen geheimen Geliebten erzählen? Nein, das ist doch ein Tabu-Thema. Hast du schon begonnen mit Donna Leon? Ich habe keine Ahnung, wie ihre Bücher sind. Ich habe nur 3 oder 4 Filme gesehen. Die fand ich jedenfalls sehr schön. Und die Geschichten waren gut gebaut. Donna Leon ist wohl nicht ihr bürgerlicher Name. Sie hat ein abwechslungsreiches Leben gehabt und hat, wie ich irgendwo gelesen habe, auch mal eine zeitlang in Persien gelebt. Aber sie ist bestimmt nicht gerade ein umgänglicher Mensch, sie hat etwas Eulenhaftes.

Von Oriana Fellaci habe ich erzählt. Das Büchlein, das sie nach dem 11. September geschrieben hat, ist mehr als merkwürdig. Offenbar war sie früher eine bekannte Kriegsberichterstatterin und, wie ich aus dem kleinen Bild hinten im Buch entnehme, eine hübsche Frau mit Ausstrahlung. Natürlich wirkt eine Frau vor dem Hintergrund hässlicher und brutaler Kriegsgeschehen noch schöner und begehrendswerter. Und bestimmt hat sie sich diese Umstände zunutze gemacht. Aber sie ist sehr geschwätzig. Sie plaudert wild dahin, bedauert alles mögliche inklusive sich selbst. Offenbar versteht sie ihr Leben in den USA als ein Exil, das sie zusammen mit ihrem Vater aus politischen Gründen gesucht hatte. Sie lobt die USA über alle Massen und ermahnt Europa, sich an ihnen ein Beispiel zu nehmen. Nein, ich kann das nicht wirklich ernst nehmen, obwohl die gute Frau irgend einen Ehrendoktor eines amerikanischen Colleges hat. Sie argumentiert kreuz und quer mit einem Pathos, wie dies vielleicht nur die Italiener wirklich können. Aber man hat doch sehr den Eindruck, sie wolle sich bloss in ihrem fortgeschrittenen Alter nochmals in Szene setzen und ihre Bekanntheit etwas aufpolieren. Aber vielleicht ist sie ja auch wirklich noch bekannt in den USA. Und vielleicht mag man diese Art von Ideenmix in den Staaten. Die Amis sind ja merkwürdig in ihrem Geschmack.

Gestern abend bin ich in einen Fernsehfilm geraten, der in Schweden spielte. Ich bin dann ein bisschen geblieben einzig und allein, um mir die Landschaft, die Architektur und die Atmosphäre anzuschauen. Das schönste an Schweden, da sage ich bestimmt nichts Neues, sind die blonden Frauen. Mindestens in Filmen sind sie gross und hübsch. Doch vielleicht waren es bloss deutsche Schauspelerinnen, was ich eigentlich vermutete. Und das zweitbeste ist der grosse Himmel. Der ist wirklich anders als bei uns in der Schweiz, wo uns die Berge immer wieder die Sicht verdecken. Der grosse Himmel, der sich in riesigen Wasserflächen spiegelt. Das schafft zusammen grossartige Landschaftsbilder. Und dann kommen die einfachen roten Holzhäuser in der Landschaft. Sie sind wohl eine Art Datschas, also Ferien- und Wochenendhäuser der Schweden? All das hat mich an kanadische Bilder erinnert. Fühlt ihr euch nicht mit den Kanadiern seelenverwandt? Das Klima muss doch eigentlich ganz ähnlich sein. Auf die Geschichte hatte ich nicht besonders geachtet. Es war irgend eine dramatische Sache zwischen zwei Schwestern, die einie will sich scheiden und die andere ist gerade daran, sich in diesen Ex der Schwester zu verlieben, obwohl sie doch selbst kurz vor der Hochzeit steht. Du siehst, heillose Komplikationen, wie sie sie nur in der Literatur und bei Rosamunde Pilcher gibt. Ich glaube, die Autorin war aber eine Schwedin, eben auch so eine Herz-Schmerz-Spezialistin.

Ich muss ...

MLDG

...

Giersch – "the garden devil weed from hell "

 

subject Sonne :-)


Lieber ...,
Heute scheint die Sonne. Es sieht aus, es könnte ein herrlicher Tag werden. Ich habe gerade meinen Morgenkaffee getrunken. Hmmm.. was wäre ein Tag ohne dieses gute belebende Getränk?

---

Die kleinen Vögel haben jetzt Junge im Nistkasten und sie eilen hin und her um Futter zu finden. Es gibt dieses Jahr ungewöhnlich wenig Insekten.

Die Waschmaschine arbeitet schon für mich und bald werde ich das Gras mähen. Muss nur ein wenig trocknen.

Wenn du wirklich ein Mittel findest gegen das lästige Unkraut, dann möchte ich gern darüber hören. Ich glaube leider dass es keines gibt. unser Nachbar hat grosse schwarze Plastiksäcke über die Partien gelegt wo es gewachsen ist und dann meint er immer wieder wegmähen wäre die beste Methode. Aber wie tut man das wenn es im Garten zwischen den Blumen und Sträuchern erscheint? Zum Glück haben wir es nur ausserhalb des Gartens.

Das war ein kleines RL-mail. Ich hoffe dir bald ein anderes senden zu können.

Wünsche auch dir einen schönen Tag mit Sonne und blauem Himmel. 
MlG
Malou

Samstag, 25. Mai 2024

Sonntag, 19. Mai 2024

Nostalgie

 




Liebe Marlena

Ich weiss gar nicht, ob ich so alte und so lange Mails von mir nochmals lesen sollte. Ich habe es noch nicht getan, und vielleicht brauche ich vorher wirklich einen starken Schluck Whisky. So genau möchte ich ja doch meine seelische Vergangenheit nicht erforschen. Oder sollte ich?

*

Ja, ich habe diese CD von Helene Hanff schon mehrmals gehört. Es ist so romantisch und so hübsch. Es handelt sich um einen Briefwechsel zwischen einer amerikanischen Schriftstellerin, die in N.Y. wohnt, und einem englischen Buch Antiquar an der Charing Cross Road in London. So ungefähr. Und die Amerikanerin ist ein bisschen jugendlich und manchmal ungeduldig und naughty, und der Engländer sehr formal und höflich. Allerdings ist es in diesem kleinen Buchladen nicht immer dieselbe Person, die schreibt. Die Hanff bestellt diese oder jene Bücher, gibt diesen oder jenen Kommentar. Und die Engländer berichten, wie sehr sie sich Mühe gegeben haben, dieses oder jenes Buch zu finden, wie sie vielleicht an ihren Besuchen in englischen Landhäusern nicht erfolgreich gewesen sind, diese oder jene Erstausgabe zu finden. Es ist die Zeit nach dem Krieg, und die Amerikanerin schickt ihnen Esswaren, während die Leute der Buchhandlung ihr dann eine spezielle Ausgabe eines speziellen Buches als Dank zuschicken. Na ja, es ist ganz hübsch, und offenbar ist kürzlich ein Büchlein herausgekommen, da die Hanff erzählt, wie es war, als sie erstmals nach London gereist war. Und einmal schickt sie sogar einen Schinken, und macht sich dann als Jüdin Gedanken, ob sie nicht doch besser eine Zunge geschickt hätte.

Ach es wirkt alles so romantisch und alt. Die Leute wählen noch nette Formen, wenn sie einander schreiben und tauschen Höflichkeiten aus. Man hat dieses Bild vor sich, wie ältere Leute in aufgeräumter Kleidung abends unter dem warmen Licht irgendeiner hübschen Tischlampe sitzen und mit ihrer Feder und mit echter Tinte einen Brief hinkritzeln. Ach, was waren das schöne Zeiten: das warme Licht, das echt raschelnde Papier, die pechschwarze, nass schimmernde Tinte, das krakelige Kratzen der Feder, der ruhige Fluss der Zeit vielleicht sichtbar am Mond zwischen den Vorhängen, in der das alles vor sich ging in einem mit dunkeln Holz möblierten Zimmer.

Es muss die Zeit gewesen sein, als Menschen noch persönliche Gesichter hatten. Ich meine, sie waren noch Persönlichkeiten mit einer ihnen gemässen Aura, auf die man gehen konnte. Ihr Verhalten war mehr oder weniger vorhersehbar. Ihre Kleider waren zerknittert und grau vielleicht, aber umso mehr haben ihre Gesichter sich zu erkennen gegeben. Ach, das waren noch Zeiten.

Wenn ich mir eine solch antike Buchhandlung vorstelle, dann kommen mir jene in N.Y. in den Sinn. Sie waren zwar nicht alle alt, einige aber altmodisch eingerichtet mit einer schönen Atmosphäre. Eine, The Strand glaube ich, hiess sie, war sehr ungeordnet und übervoll mit Büchern. Die meisten davon waren wohl, was wir ‚modernes Antiquariat’ nennen. Es sind nicht alte, sondern mittelalterliche Bücher, die verbilligt verkauft werden, weil man im Lager Platz braucht. Dort ist die Atmosphäre nicht sonderlich gemütlich, denn es gibt zu viele Leute und zu viele Bücher. Die Kombination von beidem macht eine Enge, die ein bisschen nervös macht.

*

Jetzt bin ich von der Sitzung zurück. Sie war nicht sonderlich ergiebig. Aber ich glaube, der Chef braucht einen Kreis, in dem er gewisse Fragen diskutieren und testen kann. Er sucht noch seinen Weg und er ist abhängig von seinem Team. Ich bin ja nun nicht einer, der sich dort in den Vordergrund drängt. Dazu ist meine Dienststelle zu klein und hat nicht eigentlich staatstragende Bedeutung. Beim alten Chef war ich respektiert, weil er meine Texte schätzte, glaube ich. Der Neue kennt mich noch nicht. Und ich glaube nicht, dass er mit Texten sosehr ansprechbar ist. Er kommt aus den Gewerkschaften. Das sind praktische Menschen, denen es nicht um Schöngeisterei geht, sondern um ungeschminkte, nackte Tatsachen und nicht zuletzt um das Materielle. Na ja, wir werden sehen, jeder hat seine schwache Stelle, seinen Knopf, worauf man drücken muss, damit man zu seiner Sache kommt.

*

Na ja, wenn ich diesen Briefwechsel zwischen Hanff und der Buchhandlung 84 Charing Cross Road höre, so kommt mir auch der unsere in Gedanken auf. Sie dort hatten den Vorteil, dass sie ein vorgegebenes Thema hatten. Die Hanff wollte alte günstige Bücher und der zuständige Mitarbeiter bei Marks & Co gab sich Mühe, sie zu finden. Das ist doch schon eine materielle Basis, die was hergibt. Aber zwischendurch spielt die Hanff mit dem Gedanken, nach London zu fahren und sich alles persönlich anzuschauen. Und offensichtlich hat sie das ja nach dem Krieg auch gemacht.

*

Vielleicht haben wir uns ein bisschen anstecken lassen. Auf jeden Fall stand unser Weekly gestern auch unter dem Thema von ‚merry old England’. Na ja, nicht England, aber jener Zeit. Mit anderen Worten, wir wärmten romantische Erlebnisse unserer Jugend auf. Ich erinnerte mich, dass meine Mutter mich jeweils mitnahm, wenn sie einen Laden aufsuchte, in welchem es vornehmlich Dinge gab, die man zum Nähen brauchte. Vielleicht gab es auch Unterwäsche. Ich weiss es nicht mehr so genau. Aber es war alles ziemlich ordentlich und geregelt. Und genau das war schlimm. Es gab keinen kleinen Stein des Anstosses, wo man hätte zugreifen können. Es gab keine Unregelmässikeit, die doch an sich interessant sind. Auf jeden Fall fand ich diese endlosen Stunden, während der meine Mutter unbekümmert mit der Besitzerin des Ladens plauderte, endlos lang. Es war eine Qual. Eine endlose Qual, um genau zu sein. Es war im Grunde Kindsquälerei. Ich hing meist vor der Ladentüre auf der steinernen Treppe herum und es war dort absolut nichts los. Höchstenfalls hätte ich mir, durch irgend eine gewagte Übung, das Knie aufschlagen können. Und auch im weiteren Umkreis war nichts, was sich hätte für einen kleinen Zeitvertreib anbieten können. Absolut nichts! Es war die veritable Hölle. Und ich habe nie begriffen, wie sich die Frauenwelt in einer solchen Umgebung unterhalten und gar noch gut unterhalten kann. Niemals war das zu begreifen. Ich dachte mir, diese Wesen müssten von einer anderen Welt sein, irgendwie mit anderen Gesetzmässig­keiten und anderen Programmen, die Zeit zu geniessen.

Umso mehr schätzte ich damals meine kleine Freundin, bei der ich bemerkte, dass sie genau dieselben Dinge mochte, die auch ich mag. Wir hingen nach der Schule hinter dem Schulhaus herum, hängten uns an die Turnstangen, plauderten hin und her. Einmal hatte sie mich eingeladen, in einem Motorlastwagen mitzufahren. Ihr Vater führte ein grosses Baugeschäft in Lenzburg. Und ich hatte die Ehre, zwischen Chauffeur und meiner kleinen Freundin auf diesem holperigen und ausgesessenen Sitz zu hocken und über das Armaturenbrett hinunter auf die Welt zu schielen. Es war einfach grossartig. Ich glaube, ich habe eine zeitlang sogar meine Freundin neben mir vergessen. Aber irgendwie genoss auch sie es. So habe ich es in Erinnerung. Entweder war sie stolz, dass ich ihre Welt so sehr bewunderte. Oder sie war erfreut, dass sie mir eine Freude machen konnte. Aber irgendwie war sie hell und fröhlich neben mir. Und natürlich hatte ich die Vorstellung, dass sie jeden Tag mit diesen riesigen Lastwagen in der Welt herum fahren würde. So ein kleines Ding von einem Mädchen mit einem kecken Rossschwanz hatte solch gigantische Maschinen unter Kontrolle!! Ich sag Dir, Marlena, ich war schon schwer beeindruckt.

Ich glaube, das ist es für heute

Ich wünsche Dir einen feinen Tag

Kuss
...

Samstag, 18. Mai 2024

Pfingstrosen





Siehst Du, wie die Pfingstrosen blühen? Es sind von allen Blumen die ersten, die ich in meiner Jugend irgendwie bemerkt habe. Vielleicht mal von den Hortensien abgesehen, die ich seit der Beerdigung meiner Mutter irgendwie kannte. Pfingstrosen haben Ameisen, deshalb vielleicht habe ich sie mir gemerkt. Und ich erinnere mich an ein Bild Manets mit schönen Pfingstrosen. Sie sind schön, wenn sie blosse Knospen bilden und sie sind schön, wenn sie in barocker Fülle sich offen den warmen Pfingsttemperaturen hingeben. Siehst Du Malou, ich bin ja wirklich nicht gerade ein guter Blumenkenner. Aber zu den Pfingstrosen habe ich ein kameradschaftliches Verhältnis gefunden. Und ich frage mich, weshalb wir in unserem Garten keine Pfingstrosen haben.

Ich wünsche Dir schöne Pfingsten.
MlGuK

...


Freitag, 17. Mai 2024

Wie rasch die Zeit vergeht.

 

Liebe Malou
Ach, wie rasch die Zeit vergeht. Jetzt ist diese Woche doch auch schon vorbei. Und ich habe nichts getan. Rein gar nichts. Nur gegessen, geschlafen und gelesen. Es ist fast schade um die Zeit. Wenn man keine Zeit hat, möchte man soviel tun. Und wenn man viel Zeit hat, lässt man sie den Bach hinunter schwimmen. Es ist allzu schade.

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Im Museum gab es einen Hinweis auf eine kleine Ausstellung in der Gallerie Beyeler in Basel. Diese habe ich gestern besucht. Der Basler Künstler hat hübsche, sehr farbige Stücke gemacht. Er ist hier ziemlich bekannt und hat auch einige lustige Wandmalerei in der Stadt gemacht. Die Gallerie war nicht überwacht. Es war weit und breit kein Mensch zu sehen. Ich hätte ein paar dieser Bilder einpacken können. Schliesslich kam ein weiterer Besucher. Er war äusserst gesprächig und ich musste annehmen, dass er selbst Maler sei. Er hat die Bilder kaum angeschaut, sondern überaus intensiv auf mich eingeredet. Immer wieder hat er Hodler gelobt. Und es gab ein Bild in der Ausstellung, das in Stil und Technik einem Hodlerbild geglichen hat. Aber das hatte er nicht bemerkt. Er hat bloss immer wieder von Hodler gesprochen und bei Cuno Amiet die Anlage des Hintergrundes vermisst. Manchmal sei der Schüler besser als der Lehrer. Nun, das konnte ich nicht bestreiten, aber ich hatte noch nie gehört, dass Hodler ein Schüler Amiets gewesen sei. Da kannte ich mich zuwenig aus. Bestimmt waren sie Zeitgenossen.
Kurz und gut, der Kerl hat drauflos gesprochen, dass ich definitiv den Eindruck hatte, er wäre einer Psychiatrischen Klinik entwichen. Er sagte, er lebe in Nizza und er male klassisch. Klassisch hiess für ihn eben, mit guter Anlage von Hintergrund, Mittelgrund, Vordergrund. Soviel hatte ich begrffen.
Schliesslich wurde er wirr und wirrer, so dass ich mich entschloss, zu gehen. Aber er folgte mir und redete weiter drauflos. So verliess ich die gute Gallerie Beyeler mehr oder weniger fluchtartig. Und gleich beim Ausgang begegnete mir eine Dame, die im Begriff war, in die Gallerie einzutreten. Ich glaube, sie ist ihm direkt in die Arme gelaufen und bestimmt hat er sie davon überzeugt, dass Hodler der allergrösste sei.

Du siehst, ich vertreibe mir meine Zeit mit vielen Unnötigkeiten.
Ich wünsche dir eine gute Zeit.
MLG
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Donnerstag, 16. Mai 2024

Lucian Freud

  

Liebe Malou..

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Ich habe kürzlich ein Bildband gekauft über Lucian Freud.
Vielleicht hast du von ihm gehört. Er ist ein Enkel des brühmten Sigmund Freud, lebt in England, und hat sich einen Namen als Porträtmaler gemacht. Und dabei macht er seinem Grossväterchen grosse Ehre. Er malt seine Figuren so nackt, wie man sie kaum je gesehen hat. Das Fleisch springt einem aus den Bildern derart entgegen, wie es bloss noch bei Sigmund aus seiner Psychoanalyse geschehen ist. Die Gemälde haben etwas Schockierendes an sich. Sie versetzen den Zuschauer in die Rolle des vorwitzigen Voyeuristen, weil die Modelle derart offen daliegen. Vielleicht ist es das erste Mal, dass auch Männer sich derart exponieren und ihre Dinger zeigen, wie man das noch niemals auf Bildern gesehen hat. Im ersten Moment wirkt es widerlich. Bei weiblichen Figuren sind wir das mehr gewohnt, denn da führt die Malerei eine lange Tradition fort. Aber das Männer derart die Beine spreizen oder besser unersehen (kein gängiges deutsches Wort). Ich glaube, zur Zeit hat Freud eine grosse Ausstellung in der Tate in London. Und einen Momentlang hatte ich mit dem Gedanken gespielt, nach London zu fliegen, um das anzuschauen.
Vielleicht findest Du im Internet ein oder zwei Beispiele diesem Maler.

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Re:  Ja, es gibt viele Bilder von ihm im Internet,   z.B.  hier

Zeit, ein eigenwilliger Partner

 

Ämne: weekendmail
Datum: den 21 februar13:10


Liebe Malou
Graues, kühles Fastnachtswetter haben wir hier. Am Montag beginnen die Schulferien, und man fühlt sich ein bisschen leichter und in Ferienstimmung. Hoffentlich weiss das Wetter, was es uns schuldet in den nächsten Tagen. Ich habe zwar einige kleine Projekte, die ich in diesen Tagen zu Ende bringen will. Aber Du weißt, wie es ist. Wenn man plötzlich frei hat, zerrinnt die Zeit zwischen den Fingern. Die ersten paar Tage denkt man, dass man einige faule Stunden sehr wohl verdient hat. Und dann sind die 14 Tage auch schon um. Man muss sehr schlau sein im Umgang mit der Zeit. Sie ist ein cleverer und eigenwilliger Partner, und um sie zum Freund zu machen, muss man sie an die kurze Leine nehmen, wie einen verspielten Hund. Ich habe in meinem Leben sehr viel Zeit vergammelt. Wenn man all diese Momente und Stunden zusammennehmen würde, könnte man gut und gerne ein zweites Leben daraus machen. Aber die Kunst, die ich benötige, besteht heute darin, dies alles nicht als Verlust, sondern als Gewinn anzuschauen. Diese vielen freien und losen Stunden waren ein Geschenk des Himmels. Ich bin wie Du, ich lasse mich gerne verführen von Filmen am Fernsehen, von Leuten, die ich zufällig treffe, von Büchern, die ich zufällig da und dort finde, von Themen, die mich weiss Gott woher aus dem blauen Himmel anspringen. Wenn ich an einem Thema arbeite, so treffe ich überall verwandte Dinge, Querverbindungen, Unterthemen und so fort. Das Thema wird immer grösser und reicher.

Immer noch freut es mich von Dir zu hören, dass Du Ungerer entdeckt hast. Das kleine Büchlein seiner Jugend ist ziemlich eindrücklich. Er hat mit seiner Familie im Elsass den wirklichen Krieg erlebt. Daraus merke ich, dass er eine andere Generation ist, als ich es bin. Wer so was erlebt hat, der ist für das ganze Leben geprägt. Krieg ist eine Situation, die die Menschen von Grund auf verändert. Und der kleine Tomi Ungerer war ein Bube, der viel gezeichnet hat. Darin fühle ich mich ihm verwandt. Ich erinnere mich daran, wie ich im Kindergarten eine Zeichnung über einen Deichbruch in Holland gemacht hatte, worüber ich in den Mittagsnachrichten gehört hatte. Die Kindergärtnerin war ganz begeistert und hatte mein Werk mit einem Titel beschrieben, damit man später erkennen würde, was damit gemeint sei. Ich sehe die Zeichnung noch heute ungefähr vor mir, obwohl ich sie vor etwa 20 oder 25 Jahren beim Aufräumen verbrannt hatte. Ein Helikopter schwebte über einem Hausdach, das aus dem Wasser ragte. Dort sassen auf dem Giebel eng zusammengedrängt einige arme Menschen. Vom Helikopter wurden Wolldecken und - komischerweise - Münzen abgeworfen.

Ungerer hatte eine tüchtige Mutter. Sie hat die Familie in schweren Zeiten ohne Mann durchgebracht. Und sie hat in schwierigen Situationen sehr geschickt und mit offenbar weiblichen Charme gemeistert. Das erinnert mich an S und an meine Schwiegermutter. Der Iran ist heute noch ein Kontext, wo man so etwas lernen kann. Bei uns in der Schweiz, wo alles reglementiert ist, läuft das Leben völlig anders.

Soweit mein Wochenendmail.
Mit Gs und Ks
...

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Ämne: RE: weekendmail...
Datum: den 21 februari 23:18

Lieber ...,
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Ich habe mich sehr gefreut über dein schönes week-endmail. Ja, die liebe Zeit. Es ist wirklich eine Kunst, mit ihr richtig umzugehen. Irgendwie nähere ich mich der Auffassung, dass die faulen und nicht die fleissigen Stunden die wichtigsten sind. Oft habe ich das Gefühl, dass wir nur dauernd arbeiten, in der Hoffnung einmal später Zeit zu finden für andere Dinge. Aber es ist nicht sicher, dass wir diese Zeit je finden. Andereseits geniesse ich die freien Stunden viel mehr, wenn ich zuerst eine lästige Arbeit hinter mich gebracht habe. Dann erst werden sie richtig wertvoll. Aber auch das ist wohl angelernt. Man glaubt, man muss die Freizeit verdient haben. Wenn nicht jagt einen das schlechte Gewissen. Ich glaube, das ist das Problem in unserer westlichen Welt. Wir haben ein bisschen vergessen zu leben.

Du schreibst schön über die Zeit. Ach, ..., wenn du wüsstest was du damit anstellst..

Ich habe entdeckt, dass ich wieder die webcam von L sehen kann. Zwar ist die Ansicht jetzt nicht mehr so schön wie früher. Man sieht alles mehr aus der Ferne. Aber für die Leute ist es wohl angenehm nicht von allen gesehen und erkannt werden zu können. War das Deutsch?

Sag, kann man vielleicht sogar dein Fenster sehen auf dieser Webcam? Oder wie liegt dein Büro im Verhältnis zu dem Bild? Ich freue mich mit dir auf die freien Tage. 14 Tage sogar.. das klingt wie der reine Luxus.

So sende ich dir diesen kleinen Abendgruss ab.
Mit lieben Gs und Ks,
Deine Malou

Donnerstag, 9. Mai 2024

ein Nachtigallen-Open



 ... das macht es hat die Nachtigall die ganze nacht gesungen ... (Theodor Storm)
Datum: den 9 maj  17:13

Liebe Marlena
Heute ist Auffahrt. Das wird bei Euch nicht anders sein als bei uns.
Eigentlich ein Feiertag. Da kommt mir in den Sinn, dass auch Mohammed aufgefahren ist, und zwar von Jerusalem, von der berühmten Moschee mit der goldenen Kuppel. Und er sei geradewegs in den 7. Himmel gefahren, der Glückliche. Kürzlich habe ich gelesen, dass er dort oben die Hand von Ali gesehen habe, die Hand also seines Schwiegersohnes, wenn ich richtig orientiert bin. Was sonst noch geschehen ist, weiss ich nicht mehr. Er hatte dort wohl mit Gabriel geschäftlich zu tun. Und er habe Allah Auge in Auge gegenüber gestanden! Immerhin, der Kerl!

So sitze ich heute im Büro und versuche, einige Bücher zu rezensieren. Ich habe gestern 53 Stück aus der Bibliothek mitgenommen. Es muss eine Affekthandlung gewesen sein. Und jetzt steht dieser hohe Turm vor mir im Büro auf dem Pult und sieht aus, als ob ich hoffnungslos mit Arbeit überschüttet sei. Na ja, bin ich ja auch. Ich liebe diesen gewissen Eindruck der Unordentlichkeit inmitten der Bücher. Habe ich Dir mal erzählt, wie Piagets Büro in den letzten Jahren ausgesehen hat. Ich glaube ich habe das. Es war ein Schock, mitanzusehen, wie er im Papier ersoffen ist. Aber offensichtlich fühlte sich das alte Männchen dort heimisch.
Normalerweise nehme ich mir Bücher zuerst vor, die mich besonders ansprechen. Das sind originellere Bilderbücher, oder Sachbücher über ein Thema, was mich besonders interessiert. Dieses mal habe ich zwei Taschenbücher über Vögel. Beide finde ich exzellent. Das eine behandelt 80 verschiedene Singvogel-Arten in unseren Gegenden. Alle sind beschrieben und werden auf einem klaren und scharfen Farbfoto porträtiert. Und auf einer CD kann man sich ihren Gesang, die Rufe und Wanrrufe anhören. Seit Jahren versuche ich mir in Erinnerung zu rufen, wie damals in meiner Jugend die Nachtigall geklungen hat. Meine Oma hatte reklamiert, dass sie nicht schlafen könne, so laut und intensiv muss der Klang gewesen sein. Und ich hatte sie kaum gehört. Jetzt habe ich hier ein Tonbeispiel, und ich muss sagen, ja, genau so war es. Es erinnert mich an warme Sommernächte, vielleicht mit Vollmond, da ich mit den Kollegen noch beim Gartentor weiter diskutierte. Die Erinnerung vermischt die Stille der Nacht, die leicht alkoholisierte Stimmung, der laue Geruch der Luft, die Sorglosigkeit angesichts des Wochenendes und dieses wunderbare Schlagen der Nachtigall zu einem Gesamtkunstwerk. Ich weiss auch noch, wo im Garten sie meist war. Wir hatten eine Reihe von Apfelbäumen, die das Steinweglein säumten. Und dort muss sie gewesen sein. Sie kann nicht hoch auf dem Baum gewesen sein, >sondern ungefähr auf meiner Ohrenhöhe. Offenbar baut sie ihr Nest meist am Fuss eines Strauches, also eher tief. Die Nahrung besteht aus Insekten und anderen Kleintieren und wird auch überwiegend am Boden gesucht. Im Herbst nimmt sie auch Beeren und Samen. Sie lebt nicht überall in Mitteleuropa, aber gerne in Gärten und Parks sommerwarmer und trockener Gebiete. 
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Jetzt lass ich die Vögel noch etwas zwitschern im CD-Player, und dann muss ich heim. Der Hunger meldet sich langsam.

Einen schönen Feiertag wünsche ich Euch
Gruss
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ABB - ein schwedisch-schweizerischer Tango

 

Liebe Marlena
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Na ja, vielleicht waren es nicht nur die Schweden, die unsere gute alte ABB zugrunde geritten haben. Aber gestern Abend habe ich doch bei Onkelchen eine ganze Zeitungsseite voller Infos über dieses Unternehmen gefunden. Du musst wissen, dass Lenzburg im gleichen Kanton liegt wie Baden, wo die ABB stationiert ist. Und natürlich nehmen die dortigen Regionalzeitungen regen Anteil am Schicksal dieses Unternehmens. Wenn man also die letzten Jahre überblückt, so waren es nur unaussprechlich schwedische Namen, die dieses Unternehmen geführt hatten und einige davon zum Schluss noch Millionen in 3-stelliger Höhe sozusagen als Pension mitgenommen haben. Ich kenne die Geschichte ja nicht so genau. Vielleicht haben sie die Schweizer bloss nicht genannt. In der Zeitung war nur einer genannt, nämlich Leutwiler, der offenbar damals die Fusion mit dem schwedischen Unternehmen initiiert hatte. Es war nun ja auch eine Regionalzeitung, und es ist sehr gut möglich, dass diese Perspektive nicht sehr objektiv, oder sagen wir gelassen war. Trotzdem musst Du mir erklären, was ein Kohlsäufer ist. Das scheint ja doch ein sehr hässliches Wort zu sein.

Aber ich hoffe, dass dieser schwedisch-schweizerische Tango in Zukunft etwas Musik und Rhythmus bekommen wird und aufwärts geht. Dass ich an meinem Geburtstag diese Aktien gekauft habe, berechtigt noch nicht, mich zu den Kapitalisten zu zählen, wo ich doch für die ABB eher einen äusserst barmherzigen Samariter darstelle. Ich bin im Grunde ein wohltätiger Idealist, was als soviel wie ein Antipode des Kapitalisten betrachtet werden sollte. Aber nun können wir ja gemeinsam auf die Himmelfahrt unserer Aktien warten. Ich habe dabei nicht so viel riskiert, während Du wohl schon einiges Geld verloren hast. Ich hoffe nicht, dass Du deswegen gleich Deine gesamten Pensionspläne in Südamerika aufgeben musst ;--)) Vielleicht kann ich Dir dann etwas aushelfen? Ich werde Dir jeden morgen um halb zehn einen kurzen Kaffee in der Dorfpinte am Rio Plata spendieren. Wenn man alt ist, geht nichts über einen regelmässigen Morgenkaffee mit viel warmer Milch, der zwar heiss, aber nicht zu früh in den Morgenstunden serviert werden sollte. Und wenn dazu noch etwas Tangomusik erklingt, umso besser.

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Montag, 6. Mai 2024

Weil du nicht da bist ...

 



Weil du nicht da bist, sitze ich und schreibe
All meine Einsamkeit auf dies Papier.
Ein Fliederzweig schlägt an die Fensterscheibe.
Die Maiennacht ruft laut. Doch nicht nach mir.

Weil du nicht da bist, ist der Bäume Blühen,
Der Rosen Duft vergebliches Bemühen,
Der Nachtigallen Liebesmelodie
Nur in Musik gesetzte Ironie

Weil du nicht da bist, flücht ich mich ins Dunkel.
Aus fremden Augen starrt die Stadt mich an
Mit grellem Licht und lärmendem Gefunkel,
Dem ich nicht folgen, nicht entgehen kann

Hier unterm Dach sitz ich beim Lampenschimmer,
Den Herbst im Herzen, Winter im Gemüt.
November singt in mir sein graues Lied.
 »Weil du nicht da bist« flüstert es im Zimmer.

»Weil du nicht da bist« rufen Wand und Schränke,
Verstaubte Noten über dem Klavier.
 Und wenn ich endlich nicht mehr an dich denke,
 Die Dinge um mich reden nur von dir.

Weil du nicht da bist, blättre ich in Briefen
Und weck vergilbte Träume, die schon schliefen.
Mein Lachen, Liebster, ist dir nachgereist.
Weil du nicht da bist, ist mein Herz verwaist.


Mascha Kaléko








Donnerstag, 2. Mai 2024

Frage

 



Inschrift

Sag
in was
schneide ich
deinen Namen?

 
In den Himmel?
Der ist zu hoch

In die Wolken?
Die sind zu flüchtig

In den Baum
der gefällt und verbrannt wird?

Ins Wasser
das alles fortschwemmt?

In die Erde
die man zertritt
und in der nur
die Toten liegen?


Sag
in was
schneide ich
deinen Namen?

In mich
und in mich
und immer tiefer
in mich



Erich Fried