Freitag, 29. Dezember 2023

Unordnung und Gast

 Lieber ... !

Ich sitze im Augenblick in einem veritablen Chaos. Du weisst wie es ist, wenn man Bücherschränke ausräumt und die ganze Bodenfläche verdeckt ist, so dass man sich kaum bewegen kann. Es braucht starke Kräfte dass ich mich hinsetzte und alles liegenlasse. Meine Sehnsucht mit dir zu sprechen ist doch stärker als mein Drang hier so schnell wie möglich Ordnung zu schaffen.

(---)

Unser Gast ist ein hochinteressanter Mensch. Er ist ein alter Studienkamerad von K und sie wohnten damals in einem berühmten Studentenhotell für männliche Studierende im Zentrum von Uppsala. Sie hatten ihre Zimmer im selben Korridor. Alle lebten eng zusammen und kannten sich sehr gut, und niemand konnte eigentlich Geheimnisse vor den anderen haben. Es gab viele Originale, die später auch auf verschiedenen Gebieten Karriere machten und Folke (unser Gast) war schon damals einer der originellsten, und obwohl man ihn vielleicht nicht gerade bewunderte, so sah man doch sehr zu ihm auf.
...
Seit vielen Jahren ist er unser Gast während einer Woche (meistens sofort nach Schulschluss). Wenn ich die beiden so sehe und höre, dann denke ich an dich und W. Eigentlich könnte ich ihnen dauernd zuhören, denn wenn zwei so begabte und interessante Leute zusammenkommen dann werden viele Themen angeschnitten, und der eine versucht dem anderen mit neuen Erfahrungen zu imponieren. Vor einer Weile war die Rede von Stalingrad und grauenvollen Details aus dem Krieg, z.B. wie man sehen konnte, wenn jemand starb, dass sein Bart plötzlich lebendig wurde, und die Läuse in grossen Scharen schnell hinüberwanderten zu einem noch lebenden Körper. Folke hat wie K auch Geschichte studiert. Er war eine zeitlang Direktor aber die ”Papierarbeit” hat ihm nicht besonders gefallen und so ist er wieder Studienrat geworden. Er schreibt ausserdem Rezensionen für eine lokale Zeitung über Bücher, die er (wie ich behaupten möchte) nie gelesen hat ;-) Nun, so ist es wohl oft mit solchen Herren. Sie lesen ein paar Zeilen hier und ein paar Zeilen da und dann kopieren sie ganz einfach eine schon irgendwo veröffentlichte Rezension mit ein paar eigenen Zutaten. Und warum sollte es eigentlich dadurch an Wert verlieren? ;-)
Ich gehe ab und zu eine Weile zu ihnen hinunter und sehe nach, ob sie mich sehr vermissen ;-) Dann kehre ich beruhigt wieder zu meinem Ferngeliebten an den PC zurück.



Ja, du hast recht. Saint-Exupéry hat einen sehr schönen Namen. Aber er ist nicht einer meiner Favoriten. Nur eben das kleine Büchlein ”Le petit prince” hat mir sehr gefallen. Und eigentlich erst später, als ich entdeckte welche schöne Gedanken und Weisheiten sich darin verbergen. Übrigens, auf unserer Tour an der Amalfiküste entlang, bekamen wir jeder einen Kuss, nun du weisst diese kleinen Schokoladeküsse, die alle unter dem Staniol ein kleines Papier mit einem Spruch enthalten. Und weisst du was auf meinem stand? ”On ne voit bien qu’avec le coeur” :-)
*
Du möchtest dass wir Proust zusammen lesen? Aber chéri, wie kannst du mir das nur zumuten, wo ich doch ständig mit der Zeit kämpfe. Ich kenne die Frau (nur flüchtig) die "À la recherche ..." ins Schwedische übersetzt hat. Ich glaube sie hat 30 Jahre dazu gebraucht. Nun, beim Aufräumen in den Bücherschränken hier oben, habe ich so viele Bücher entdeckt, die ich noch nicht gelesen habe. Ich könnte mich gut ein paar Monate damit beschäftigen. Du sagst, dass du ein Buch über die Wikinger rezensiert hast. Wie heisst es denn? Ja, die guten alten Wikinger, das war so eine Sorte von rohen Burschen. Hast du übrigens schon ”Röde Orm” gelesen von Frans G. Bengtsson? Es gehört zu unserem Kulturschatz und ist sehr lesenswert. Ich glaube es würde dir gefallen. Der deutsche Titel ist : Die Abenteuer des Röde Orm , herausgegeben von: Deutscher Taschenbuchverlag, München.
*
Ich habe auch ein paar Gedichtsammlungen gefunden. Eins:”Französische Gedichte Von Baudelaire bis Saint-John Perse” und das andere ”Deutsche Gedichte von 1900 bis zur Gegenwart”. Aus Spass habe ich mir gesagt ich schlage irgendein Gedicht auf und sehe ob es etwas über uns sagt. Und schau mal was ich fand:

Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen:
Wie kann das sein, dass diese nahen Tage
Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen?

Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt,
und viel zu grauenvoll als dass man klage:
Dass alles gleitet und vorüberrinnt.

...
Es ist von Hugo von Hoffmansthal und heisst ”Über Vergänglichkeit”.

Nun, wir nehmen es mit einem Lächeln. Wenn auch unsere Liebe nicht ewig dauernd würde, so glaube ich doch dass wir eine Freundschaft haben, die bestehen wird.

Ich hatte dir versprochen noch heute zu schreiben (und das habe ich ja auch getan ;-) aber leider werde ich es nicht heute abschicken können.  (---) Natürlich bin ich dabei wiederum etwas ängstlich, dass mein lieber Wolf in seinem grossen Hunger etwas ungünstiges frisst.. Wie du siehst bin ich überall von Gefahren umgeben und kreuze sozusagen zwischen Skylla und Karybdis.
...
KKK
Marlena


Donnerstag, 28. Dezember 2023

Samstagabend

 


 .. im Dezember 

Lieber ...,
Es ist Samstagabend. Anna wartet auf den zweiten Teil eines blutigen Films. Von unten tönt irgendwelche moderne Musik herauf und ich werde bald zu Bett gehen. Eigentlich müsste ich auch noch heute etwas berufliches tun, da ich weiss dass die Zeit morgen kaum ausreichen wird. Aber ich kann mich nicht daran machen. Ich will es ganz einfach nicht. Der Samstag soll mein privater Tag sein.
Als ich gestern nach Hause kam fühlte ich mich herrlich erleichtert. Vielleicht weil ich mein Wochendende noch ungraviert vor mir hatte aber auch weil ich spürte dass nun eine arbeitsame Peridode bald zu ende geht. Eine meiner Klassen macht im Moment die Abiturprüfungen in Französisch und es sind die letzten Stunden mit dieser Klasse. Ich werde also von Januar an etwas weniger zu tun haben. Ausserdem haben mich die Geschehnisse in letzter Zeit irgendwie befreit. Ich weiss nicht richtig wie ich es erklären soll aber ich werde das berufliche etwas leichter nehmen und ein wenig mehr sozial werden, d.h. wieder ein bisschen mehr an mein Privatleben denken und an meine Freunde die ich wirklich sehr vernachlässigt habe.
Und sicher war es auch dein liebes Mail das zu diesem schönen Wohlbefinden beigetragen hat. Ach, chéri, du hast einen harten Tag gehabt. Und du beschreibst es so realistisch und so lustig dass ich lachen muss wenn ich dich im dunkeln wie ein Dieb aus dem Zimmer schleichen sehe.
Es ist schön manchmal mit dem Auto unterwegs zu sein. Es gibt so viel Zeit zum denken weil man am Steuer ja eigentlich nichts anderes tun kann. Ich liebe es, so durch die Landschaft zu fahren. Dann fühle ich wie es ganz still wird in mir. Ich geniesse die schöne Natur und die Einsamkeit. Und oft denke ich auch, wie schön die Welt wäre ohne Menschen. Dazu bekomme ich öfters eine unbändige Lust nur immer weiter zu fahren und alles hinter mir zurückzulassen. Aber es ist nicht so schlimm wie es klingt. Es ist vielleicht mehr Abenteuerslust als Flucht.. und vielleicht werde ich es einmal tun...
*
Gestern Abend hatte ich keine solche Gedanken. Ich war ganz zufrieden mit meinem ruhigen Leben und während ich die Gardinen bügelte (Schatz, du wirst glauben dass ich nichts anderes tue in meinem Leben :-) dachte ich an dich und an dein liebes Mail. Ja, ich liebe sie auch, unsere ”stille Mausfreundschaft” obwohl sie bei mir noch nicht so ganz still und vielleicht auch nicht nur Freundschaft ist. Aber es ist gut so wie es ist. Und es gibt uns die Möglichkeit unsere §§§ zu respektieren, wie wir es einander einmal versprochen hatten.
*
Hast du dein Bild bereits abgeschickt? Ich bin schon sehr neugierig. :-)
Und wann wirst du operiert werden? Bitte vergiss nicht mir deine Telefonnummer zu geben. Ich würde gern wieder einmal deine Stimme hören.
*
K ist trotz einer riesen Erkältung gut gelaunt. Er und seine Projektgruppe haben wieder Geld von EU bekommen und träumen nun von einer Reise nach London, vielleicht schon im Januar. Sie wollen dort (wie voriges Mal) eine grosse Computermesse besuchen. Aber das ist natürlich nur eine Ausrede, denn die Pubs und die Musicals sind doch viel interessanter ;-) Aber es freut mich und ich gönne es ihnen. Bei der vorigen Reise zur Messe in Hannover war eine Kollegin dabei, die nun allen erzählt dass sie sich nie im Leben auf einer Reise so gut amüsiert hätte wie auf dieser. Und ich bin ganz sicher dass es so ist obwohl ich weiss dass die Jungs alles taten um ihr zu entwischen. ;-)
*
Hast du den Bericht über unsere Weihnachtsfeier schon gelesen? Ist es sehr anders als bei euch? Wie geht es dir nun gesundheitlich, chéri? Hast du die Karte gesehen die ich dir geschickt habe? Genau so habe ich die Adventszeit in Erinnerung. Dieses warme Licht und der schöne weisse Schnee und dann noch dieser typische Schlitten, den man, jung wie alt, im Winter anstatt Fahrrad benutzte. Ich glaube diese Sorte kennt man garnicht unten am Kontinent. Es ist übrigens ein Bild von Carl Larsson. Kennst du den Namen?

So Liebling, ich muss nun ins Bett. Lass bald wieder von dir hören wenn du Zeit dazu findest.
Ich wünsche dir einen schönen Sonntag
und sende dir liebe Grüsse
SKH
Marlena


Samstag, 23. Dezember 2023

23 Dezember

Lieber ...,

Jetzt ist alles fast fertig. Der Weihnachtsbaum ist geschmückt und ich bin mit meinem Werk zufrieden. Wunderschön sieht er aus! Ich tue es jedes Jahr und dabei gehen meine Gedanken zurück in meine Kindheit wo man mir und meiner Kusine diese "wichtige" Aufgabe anvertraute. . Wir bemühten uns den allerschönsten Baum zu machen und hatten einen riesigen Spass bei der Arbeit. Es gab schöne farbige Kugeln, Lametta u.s.w. Unten hängten wir dann noch kleine Körbe mit Gebäck und anderen Süssigkeiten, damit die Katzen auch was gutes bekommen sollten. Mein kleiner Tusse war ganz vernarrt in Weihnachtsgebäck und sogar Feigen ass er mit grossem Genuss.
Eigentlich habe ich nie einen typisch schwedischen Baum gemacht sondern etwas mehr wie ich sie mal als Kind in Wien gesehen hatte. Und wenn wir Besuch bekamen staunten die Leute darüber und beschlossen in Zukunft ihren Baum auch so zu schmücken.

Und nun bin ich also fertig mit dem Kunstwerk und habe Zeit meine e-post zu erledigen. Leider ist es auch Weihnachtspost. Eigentlich liebe ich es nicht so sehr e-cards statt richtige zu senden. Es ist etwas unpersönlich. Aber die Freude schöne Karten (richtige also) auszuwählen habe ich mir nicht nehmen lassen.. Sie liegen hier und erinnern mich an mein Versäumnis. Nächstes Jahr vielleicht.. ;-)

...


An alle lieben Leser






God Jul

Frohe Weihnachten

Merry Christmas

Joyeux Nöel




Freitag, 22. Dezember 2023

"Römisches Tagebuch" - ein Lebensprojekt

...

Und ich will dir erzählen, was ich in dieser Nacht gedacht habe. In meinem bittersüssen auf und ab Gehen. ......
Und was ich gedacht habe? Es tut mir leid, vielleicht magst du es nicht. Vielleicht hast du das Gefühl, ich will dich zu irgendwas drängen, wozu du eigentlich noch nicht bereit bist. Vielleicht denkst du sogar, ich will dich erpressen dazu. Doch das will ich nicht. Das nun wirklich nicht.

Aber für mich ist definitiv geworden. Ich werde nächstes Jahr nach Rom gehen. Zuerst hatte ich mal an 2 Wochen gedacht. Jetzt bin ich schon bei drei Wochen. Ich will nicht sagen, ich möchte mit dir nach Rom gehen. Ich möchte, dass wir uns in Rom treffen, für drei Wochen. Das kann im Sommer sein oder im Herbst, oder auch im Frühling. Aber im Frühling für mich am wenigsten. Ich möchte, dass wir zusammen Rom von unten bis oben, von links bis rechts, von hinten bis vorne erleben. Es sollen 3 intensive Wochen sein. Wir werden alles sehen, vom Vatikan und der Peterskirche bis zum Forum Romanum. Alles. Ich werde mich ein bisschen vorbereiten, lesen, Stadtpläne studieren. Und wir werden beide ein leeres Tagebuch mitnehmen. Und nach dem Mittagessen, in der Siesta, werden wir jeweils unsere Erlebnisse aufschreiben, du die deinen und ich die meinen. Du machst das ja vielleicht in Schwedisch, und es wird ganz deine eigene Welt sein. Die Erlebnisse sind alles, Rom, die Stadt, der römische Katholizismus, unsere Liebe, vielleicht auch mal kleine Aerger und Müdigkeiten und was auch immer. Du schreibst alles aus deiner Sicht als Frau von Schweden. Ich schreibe alles aus meiner Sicht als Mann aus der Schweiz. Ich werde auch Zeichnungen machen, das mache ich gerne, wenn ich Zeit und Geduld habe. Und wir werden viele Fotos machen.

Und nach drei Wochen gehen wir wieder heim, du zu den Deinen und ich zu den Meinen. Und dann werden wir unsere Erlebnisse in Mails bearbeiten und daraus ein Büchlein machen. Es könnte heissen "Das römische Tagebuch" und es wäre gestaltet wie ein Duett, mit einer Frauenstimme und einer Männerstimme. Sehr romantisch, aber wichtig, diese zwei Stimmen, das ist modern, finde ich, denn die Frauen sehen die Welt anders als die Männer, das sollte zum Ausdruck kommen. Und dann veröffentlichen wir das Büchlein. Wir können das unter einem Pseudonym veröffentlichen. Ich glaube, wir können das gemeinsam schaffen. Und es wäre für mich fast ein Lebenshöhepunkt, wenn wir das schaffen. Und ich würde für den Rest meiner Jahre davon zehren und es würde mir bleiben wie eine Insel mitten im Meer.

Verstehst du mich? Ich möchte nicht nur in meiner Verliebtheit mit dir nach Rom. Ich möchte dir natürlich gerne Rom zeigen, das du noch nie gesehen hast. Ich möchte aber auch, dass du mich in eine Messe mitnimmst, dass du mir dein Rom zeigst. Aber ich möchte nicht nur verliebt sein, ich möchte daraus ein Lebensprojekt machen, ein kleines Kunstwerk machen. Und das "Römische Tagebuch" wird das Produkt dieses Projektes sein. 
Wir werden immer darauf stolz sein. Vielleicht wird es kein Bestseller. Aber ich glaube, wir können uns gegenseitig sosehr inspirieren, dass es schon ziemlich gut herauskommen wird. 
So, wie du mir Prag beschrieben hast, kann ich sehen, dass du dazu fähig bist, das zu beschreiben.

Das einzige Problem ist, dass dein Teil eigentlich in Schwedisch, mein Teil in Deutsch wäre. Und dafür gibt es nun ja kein eigenes Publikum. So müssten wir vielleicht deinen Teil ins Deutsche übersetzen und den meinen ins Schwedische. Und dann hätten wir zwei Varianten.


Ich will jetzt nicht schon deine Bedenken vorausdenken. Ich für meinen Teil werde ohnehin allein in die Ferien gehen. S hat das schon 2 oder 3 mal gemacht. Und ich habe es immer angekündigt. Du musst dir keine Gedanken machen um meine Familie. Das ist meine Angelegenheit. Du musst dich nur um deine Familie kümmern. Ich werde ohnehin gehen, ob du kommen kannst oder nicht. Du musst mir vielleicht nicht jetzt schon sagen, ob du das einrichten kannst. Aber wenn es dir möglich ist, wäre es gut, wenn wir bis zum Sommer die Termine absprechen könnten. Und wenn du es nicht tun kannst, sag es mir. Ich nehme es dir nicht übel. Ich weiss dann, dass es in deiner Situation einfach nicht möglich ist. Ich spüre deine Liebe deutlich, und ich weiss, wenn du kannst, wirst du es tun. Und wenn du nein sagst, dann sind es Gründe, die nicht in dir selbst liegen. Vielleicht kannst du mir nicht alles erklären. Aber ich werde es akzeptieren, ohne es dir übel zu nehmen. Es soll an unserer maladi nichts ändern. Ich will dich also nicht erpressen.

Das wäre wirklich ein Höhepunkt in meinem Leben, das Römische Tagebuch. Ich bin schon ganz vernarrt in den Gedanken und ich sehe die Orte in Rom, die wir anschauen werden. Wir können nicht den ganzen Tag im Hotelzimmer sitzen und flirten, meine Liebe, es wird harte Arbeit werden. Mach dich also auf einiges gefasst. Nimm deine Vitamintabletten mit. Aber wir werden mit vollen Taschen zurückkommen. Und wir werden daraus etwas Schönes machen. Es wäre wirklich die Geschichte einer amour fou.

Das also habe ich gestern Nacht überlegt. Und ich bin 100% sicher, dass es etwas Gutes werden wird. Ich weiss auch, wo der schwache Punkt liegt. Es ist der letzte Tag dieser 3 Wochen, wenn wir Abschied nehmen müssen. Das ist richtig, das wird ein heikler Tag werden. Aber genau darum dürfen wir nicht nur wegen unserer Liebe nach Rom, wir müssen wegen Rom nach Rom. 
Das ist unser Hauptprojekt. Und die maladi ist bloss die Brille, die wir tragen, wenn wir zusammen Rom erkunden. Und das Tagebuch ist sehr wichtig. Nimm ein dickes mit, Marlena, und einen Reservestift. Und wir werden römisch essen und römisch lachen und römisch weinen und römisch lieben. Vielleicht wird es dir einen kleinen Teil davon geben, was du in all den Jahren gesucht hast. Aber die Stadt Rom wird uns helfen, dass wir nicht in der maladi versinken. 
Ich weiss nicht, ob wir auch eine Privataudienz beim Papst kriegen, das weiss ich nicht. Aber sonst werden wir fast alles kriegen, was wir wollen, da bin ich sicher.

Und dann gehen wir heim und bearbeiten unser Projekt weiter, bis man ein Büchlein herausgeben kann. Es war schon immer eines meiner Lebensziele, ein Buch zu machen. Diesen Wunsch habe ich schon lange in mir. Ich habe schon eine Ausstellung meiner Öl-Bilder gemacht, das war vor knapp 20 Jahren. 
Und ich habe auch einige Bilder verkauft damals. Aber dann hatte ich neben der Arbeit immer weniger Zeit zum Malen. Malen braucht viel Zeit, braucht noch mehr Zeit als Schreiben. 
Und die Ölfarben trocknen ein, wenn du nicht täglich dran gehst, und das ist ärgerlich. Schreiben ist geradezu leicht dagegen.

Sag mir Bescheid, wenn du weißt, ob du beim Projekt "Römisches Tagebuch" mitmachen kannst. Wenn du nicht kannst, dann sag nicht zu schnell Bescheid. Dann warte noch bis zu den Sommerferien. Und ich bitte dich, denke dabei nur an dich und deine Situation, nicht an meine. Ich werde hier damit schon fertig.

Vielleicht werden die drei Wochen auch unser ganzes Leben verändern. Wer weiss? Vielleicht werde ich dann meinen guten Job hier hinschmeissen und meine alten Tage in Stockholm unter einer Brücke leben. Wenn ich allerdings an dieses schöne Winterbild denke, das du mir geschickt hast, wo die Nebel aus dem Wasser steigen, dann fröstelt mich schon ein bisschen, ehrlich gesagt. Aber vielleicht gehen wir auch als Schriftsteller Duett nach Rom.

Ich finde, ein Buch im Duett zu schreiben, ist absolut neu. Ich kenne keines bisher. Und es entspricht der modernen Welt, wo man den Blickpunkt der Frau und jenen des Mannes nicht mehr zusammenbringen kann. Es sind zwei unterschiedliche Arten, in der Welt zu sein. Und das muss herauskommen. Wir können also nicht nur miteinander verschmelzen, wir müssen auch Gegenpositionen suchen, wir müssen uns kritisieren, inspirieren, befragen, weiterhelfen, korrigieren. Ach, wie stelle ich mir das alles schön vor. Und bei all dem bist du für mich so lebendig, wie ich dich nie lebendiger erlebt habe. Man könnte das Buch auch Amour fou nennen, aber soweit wollte ich jetzt noch nicht gehen. Als Arbeitstitel ist Römisches Tagebuch besser. Und mit der Zeit fällt uns vielleicht noch ein besserer Titel ein. Es wird der Höhepunkt meines Lebens. Und wir werden beide eine neue Vitalität daraus gewinnen. Ich bin ganz betrunken von der Idee.


Ich hoffe bloss, dass es mit Anna und K für dich möglich ist, so etwas Grosses zu machen. Verdient hättest du es ja längst, eine Pilgerreise nach Rom. Wir würden auch regelmässig Postkarten unseren Lieben heim schicken, damit sie nicht annehmen, wir wären in Rom vertrocknet oder gar versauert.

Ach, am liebsten wäre mir, du würdest heute abend ja sagen und wir könnten gleich anfangen mit der Organisation. 
Nicht gleich Lire wechseln, aber immerhin Termine, Hotel, Reiseführer, ich wäre wirklich sehr eifrig. 
Sag mir Bescheid, liebste, aber den negativen, sag ihn nicht zu früh. Schlaf ein paarmal drüber. Wenn du denn überhaupt noch schlafen kannst bei diesem aufregenden Leben.

...


"svartsjuk"

 

Lieber ...
(…)
Schön, dass du so gute Unterkunft in Rom gefunden hast. Ach, wie
schade, dass ich nicht dabei sein kann. Anna sagt gerade, dass du
nicht nett bist und dass du nicht ohne mich nach Rom fahren darfst.
Jetzt muss ich wirklich lachen. Du sicher auch.

So grüsse ich dich lieb bevor ich mich nochmals ins Auto setze.

Deine Malou


Liebe Malou
Vielen Dank für Deinen Bericht. Es klingt wie ein Rapport, speditiv
und zusammenfassend geschrieben. Summa summarum. Du wirst in der
nächsten Zeit noch einiges auszumalen und zu vertiefen haben! Ich
versuche mir, diese nordische Gegend und vor allem ein Stadtleben dort
oben vorzustellen. ...Weisst Du, die Namen klingen für mein Ohr wie
von einer anderen Welt: Luleà, Kukkola. Es sind Städtenamen, wie sie
bei uns am ehesten in Märchen genannt werden.
….
Ja, Deine Anna hat schon recht, wenn sie findet, es sei etwas
unverschämt, allein nach Rom zu reisen. Aber sag doch bitte Deiner
kleinen Anna, dass ich meine Reisedaten ganz exakt durchgekabelt habe
und dass die Mausfreundin alle Möglichkeiten hat, daraus was zu
machen. Sag der kleinen cleveren Anna auch, dass sie besonders recht
hat, weil Rom wahrscheinlich die einzige Möglichkeit dieser Art ist.
Denn nur Rom ist eine genügend starke Stadt,  um als anspruchsvolle
Beschäftigung und Ablenkung wie ein Stossdämpfer zu wirken. Na ja, was
red ich da?  Jeder muss selbst wissen, was er tut. Ich habe heute
zufällig mit ... telefoniert und dabei hat sich herausgestellt, dass
sie während derselben Woche in Rom sein wird. Irgendwie arbeitet sie
dort, hat sie mir in vielen und hastigen Worten erklärt. Vielleicht
werde ich sie mal treffen.

Im Moment lese ich mich ein wenig ein über die Ewige Stadt. Und ich
versuche mich, im Stadtplan zu orientieren, damit ich dort nich völlig
von Null anfangen muss. Und ich glaube, ich habe die Orientierung
schon ein bisschen. Rom ist ja wirklich ziemlich klein. Jemand hat mir
empfohlen, ein kleines Töffchen zu mieten. Na ja, in dieser Frage bin
ich noch nicht entschieden. Mit einem Töffchen im Rom-Verkehr, ich
weiss nicht! Ich hatte nicht vorgesehen, gleich an jenen Spielen mit
Menschenopfern teilzunehmen, wie sie sie dort schon in der Antike
hatten, und wie  sie sich heute auf den Strassen abspielen. Aber nein,
im Grunde ist dies falsch gesagt. Ich glaube, die römischen Strassen
sind für unsere Begriffe etwas chaotisch, aber um nichts Gefährlicher
als jene bei uns. Vielleicht sogar weniger gefährlich. Darüber also
werde ich später berichten.

Jetzt muss ich sehen, dass ich voran komme.
MlGuK


Lieber ...,
Auch hier regnet es jeden Tag.. und man kommt kaum vor die Tür.
Ich komme nicht so leicht an den Computer, wie ich möchte. Deswegen die Stille.
Aber ich denke auch viel an dich und deine Vorhaben. Die Zufälle in
deinem Leben sind etwas schwerverdaulich. Na ja, vielleicht bin ich
nur etwas traurig, dass du "unsere" Reise in anderer Gesellschaft
machst. C'est la vie.

Ich grüsse dich lieb und wünsche dir einen schönen Tag (oder schöne
Woche, falls du schon in den Startgruben liegst).

S+K,
Malou



Liebe Malou
Lies mal unten, was Du geschrieben hast.
Finde ich reichlich unfair, wie Du die Dinge drehst.
Gruss
...

Lieber ...,
Auch hier regnet es jeden Tag.. und



Lieber...,
Was ist unfair an meinem Mail? Dass ich bedaure, dass nicht ich in deiner
Gesellschaft sein kann, wenn du wieder einmal "unsere Stadt" erobern willst?
Ich verstehe dich nicht richtig.
Trotzdem sende ich dir liebe
Gs und Ks,
Malou

PS
Na ja, vielleicht bin ich gar etwas "svartsjuk" (wörtlich übersetzt:
schwarzkrank, also jalouse..)
Ist das eine verbotene Reaktion?
LG
M.




Donnerstag, 21. Dezember 2023

Mélange étrange

 (R -  nostalgie pure)

Lieber ...,

Je suis en train de "download" one of my absolute favorites que je cherche depuis très longtemps dans les magasins. Und erst jetzt ist mir der Gedanke gekommen dass ich es hier im Internet finden könnte. Et voilà! Eureka!!!! Et puisque je dois stay here for a while, pourquoi pas meinem chéri ein paar Zeilen envoyer.
*
À quatre heures ils sont arrivés as we had decided. Un journaliste (jeune femme très belle) und ein Fotograf. Ich dachte es wird wohl so höchstens eine Stunde dauern. Aber erst kurz vor sieben waren sie mit der Arbeit fertig. Anna hat fleissig alle Fragen beantwortet und der Fotograf hat wohl ein paar Filme verknipst. Es war sehr interessant zuzuhören (im Hintergrund) et je dois dire que suis très fière que cette jeune fille is my daughter. Puh, die Engländer schreiben aber ihre Wörter komisch ;-)
Nun Schatz, wir werden sehen was daraus wird. Im besten Fall kommt sie auf das Titelblatt einer grossen seriösen Zeitschrift mit einem saftigen Artikel über Jugend im Internetalter. Aber man weiss nicht vorher.
Ich wurde auch gefragt, ob ich mich mit Internet befasse und ich habe ihr gesagt, ich kann davon erzählen, aber ich möchte nicht, dass sie darüber schreibt. Natürlich habe ich ihr von unseren Schülern und ihren Projekten und Auslandskontakten via Internet erzählt.
*
Et toi chéri, as-tu passé une bonne journée? Je suis sérieuse quand je te dis que je voudrais t'apprendre à voler de la musique. C'est vraiment formidable.. Und ich habe kein schlechtes Gewissen dabei. Denn du weisst es kostet so 6 Kronen eine CD zu machen und sie verkaufen sie für 180:- Qui est le voleur alors?
*
Sonst ist heute nichts besonderes passiert ausser dass wir eben den Bildschirm erhalten haben und nun steht er hier und es gelingt uns nicht ihn anzuschliessen. Das wird K dann morgen machen.
*
J'espère que tu as reçu mon petit dessert and that you enjoyed it. Bitte nimm nicht alles sehr ernst was ich schreibe, especially about feelings. Souvent le contraire est aussi vrai. Et comme tu dis, un être humain est assez compliqué.
*
Alors il faut que je travaille un peu. Demain il sera plus difficile de t'écrire mais tu sais que je le ferai quand je pourrai.
À bientôt, mon très cher ami
Je t'embrasse
Marlena

I've just received my song: "If you go away". It is so beautiful and I wish you too could listen to it. C'est une chanson de Jacques Brel qui s'appelle "Ne me quitte pas" en français.



Dienstag, 19. Dezember 2023

Danke :-)

 

Ämne: Danke :-)
Datum: den 22 november 13:02

Lieber ..,
Ein so wunderschönes Mail schon am Samstagvormittag zu erhalten ist ganz einfach wunderbar.
Ok, ich akzeptiere deinen neuen Namen, nach deiner ausführlichen Erklärung. Aber ich kann mich nicht dazu überwinden, dich damit anzusprechen.
Was Malou betrifft, so ist das ein allgemeiner Kosenamen für Marlena. Auch kürzer und einfacher zu sagen. Manche sind auch so getauft. Ich selbst finde den Namen ein bisschen ekivok. Er erinnert mich zu sehr an die Namen der Freudenmädchen im Moulin Rouge. Und wenn ich ihn verwende, habe ich den Eindruck, ich muss ein wenig zu diesem Namen aufleben.. ;-))
*
Schönes Gedicht über die Nachtigall. Ja, es ist wirklich ein besonderer Vogel. Hat etwas mystisches an sich. Hier fliegen die kleinen Vöglein so lustig im Garten herum heute. Meist sind es Kohlmeisen. Eins von den Pärchen wird sicher in unserem Nistkasten überwintern.
*
Die Ratten? Das sind natürlich wir Lehrer, die Hals über Kopf das sinkende Schiff verlassen. D.h. diejenigen, die es sich zutrauen, mit der geringeren Rente, die sie dann bekommen, überleben zu können. Ich könnte es sicher. Ich meine, ich bin nicht "dyr i drift" (teuer im Betrieb?), wie wir sagen. Was ich mir eigentlich nur leisten können möchte, ist ab und zu Gäste zu verwöhnen. Und natürlich muss ich auch Anna ein wenig helfen während ihrer Studienzeit, obwohl sie jegliche Hilfe bis jetzt abgelehnt hat. Das einzige, was ich tun darf ohne dass sie protestiert, ist dass ich ihren Kühlschrank füllen darf, wenn ich bei ihr zu Besuch bin. Sie hat damals, als sie Support bei der grossen Community im Internet war, etwas Geld verdient und mit diesem bezahlt sie ihre Miete. Sonst bekommen ja alle auch ein wenig Studiengeld und das reicht bei ihr fürs Essen. Sie ist sehr klug und kann gut haushalten, obwohl ich ihr niemals sowas beigebracht habe.

Vorgestern hat sie in der Milchbar gestanden, in dem Lokal, wo sich die Studenten am liebsten amüsieren, um wie sie sagte "den Alkoholgehalt im Blut der Studenten zu verdünnen". Dabei hat sie, kreativ wie sie ist, auch gleich ein paar neue Drinks erfunden mit interessanten Namen, die die Leute an ihre Theke gelockt haben. Sie hatte einen riesigen Spass dabei und wird es sicher wieder einmal machen.
Es ist ein Lokal, wo jeden Donnerstag hunderte von Studenten Schlange stehen, um reinzukommen. Und wie gesagt, dort wird vor allem getrunken und getanzt. Der Alkoholkonsum der Schweden und vor allem der Studenten wird ein ständig grösseres Problem bei uns.
*
Nun muss ich mich etwas nützlich machen. Ich wünsche dir einen weiterhin schönen Tag,
G+K
Malou


Re: An apple a day...

 


Ämne: Regentropfen..
Datum: den 21 november  11:24

Liebster Mausfreund,

Leider ist die Sonne hier sofort wieder verschwunden. Heute ist grau und regnerisch. Hundewetter. Warum nennt man es so? Kein Hund will in diesem Wetter vor die Tür.
Schön, dass ich gestern nichts verpasst habe. Ich meine bei eurem Weekly. Finde es süss, dass euch Lili ihre Spielsachen bringt. Warum eigentlich muss dieser fremde Mann ihr Herrchen stehlen? Das erinnert mich, als ich in Frankreich mal von einem "petit ami" zu Hause abgeholt wurde. Die kleinen Mädchen brachten schnell alle ihre Spielsachen hervor um sie ihm zu zeigen. Und als wir gingen erklärte die kleine Susie: "Quand je serai une grande fille, moi aussi, je veux "geh mit" avec les grands messieurs." Sie versuchte ein wenig deutsch einzumischen, damit ich es besser verstehen sollte. ;-)
*
Ja, vielleicht können wir etwas lernen von der älteren Generation. Klug dein Onkelchen! Übrigens mag ich die Äpfel genau so wie du. Sie dürfen absolut nicht "mehlig" sein und sollen auch eine frische Säure haben. "James Grive" ist meine Lieblingssorte, die ich bei uns im Garten pflücken kann, aber leider kann man sie nicht längere Zeit aufbewaren. So kaufe ich mir jetzt "Jona Gold". Die wären auch nach deinem Geschmack.

Diese "Stendhals Syndrom" ist zum ersten mal im Jahre 1982 medizinisch diagnostiziert worden. Der Namen kommt von Stendhal, der ähnliche Dinge beschrieben hat, die er 1817 während seines Besuches in Florens erlebt hat. Die Krankheit wird vom Betrachten der Kunstwerke in Florens ausgelöst. Eine psychische Unbalanze. Jeden Monat wird dort ein Patient mit diesen Symptomen in die Psychiatrische Klinik eingewiesen.
*
Ach, du willst eine Nachtigall in deinen Garten locken? Das ist aber eine lustige Idee. Dort wo K wohnt, gibt es in der Nähe seines Hauses einen kleinen Hügel mit Bäumen und Büschen und wenn er im Frühjahr bei offenem Fenster schläft, (oder versucht zu schlafen) hält ihn die Nachtigall wach mit ihren scharfen durchdringenden Tönen. Ich habe die Nachtigall gehört und gesehen im Schilf am Meer, als ich in Estland war. Es ist etwas besonderes, die Nachtigall zu hören. Das gebe ich zu.

Der Film gestern handelte nur von Bob Kennedy. Ich glaube ich muss die erste Sendung über John F. K verpasst haben. Also hatte ich grosse Möglichkeit deinen Doppelgänger zu studieren. Ja, ihr seid euch ähnlich. Aber ob auch in Grösse, Figur und Bewegungen, das weiss ich leider nicht.

Ich muss zurück an die Arbeit. Wünsche dir einen schönen Tag,
mit lieben Grüssen,
Malou

Montag, 18. Dezember 2023

Re: Ja, der Apfel

  (...)

Ja, der Apfel! Ich glaube, Jona Gold kenne ich auch. Aber ich bin nicht so bewandert in Apfelfragen. Sie sind ja eigentlich Rosenblütler, botanisch gesehen, nicht wahr? Sie sind - mit anderen Worten - von einer sympathischen und guten Familie. Ich habe kürzlich einen Artikel überflogen, der besagt, dass es in der Schweiz noch 400 Apfelsorten gibt. Man versucht, ihre Gene zu sammeln und aufzubewahren. In den Läden findet man dann aber bloss mehr 5 oder 6 verschiedene Sorten. Aber, das muss man zugeben, meist schauen sie ziemlich schön und gross und appetitlich aus. Und die modernen Menschen essen sie ja bekanntlich mit den Augen.

Ich habe ein paar lustige Assoziationen zum Apfel, mal abgesehen von demjenigen Evas. Ich vermute, es muss auch ein James Grive gewesen sein, den unser Evchen damals ihrem Adam unter die Nase gehalten hat. Ich denke nicht, dass sie ihn mit einer Zwetschge herumgekriegt hätte … Höchstens mich. Aber eine Zwetschge kann man auch nicht auf diese Art abbeissen. 



Das Mac Symbol des abgebissenen Apfels ist perfekt. Ich hatte mich sogar einmal durchgerungen, eine Neujahrskarte zu zeichnen, auf der nur ein Apfelkerngehäuse (ich kenne den hochdeutschen Begrifff dazu nicht, nur denjenigen in Dialekt) zu sehen war, rundum abgebissen. Graphisch sah das gut aus. Ich war begeistert. Aber semantisch, vom Sinn her, waren die Leute etwas irritiert. Doch ich war im Recht, das alte Jahr war wirklich aufgegessen.

Die Perser haben, wenn sie heiraten, ein Tischtuch auf dem Boden, ein Trauungstuch, wie sie sagen. Das brauchen sie ebenso am Neujahrsfest. Und es ist eine alte Sitte, beim Jahresübergang am 21. März darauf 7 Schalen mit 7 verschiedenen Dingen zu stellen, die mit dem Laut S beginnen. Dazu gehört der Apfel = Sib, als Symbol für die Gesundheit. Daneben gibt es Sir = Knoblauch, Serke = Essig, Samano = Getreidebrei, Sabsi = Pflanzenkeime, Gemüse, Sekke = Geld, Senjed = Nüsse, und schliesslich noch Somaq = ein rotes Gewürz. Kurz und gut: auch die Perser wissen von der Gesundheit des Apfels. Nebenbei gesagt gehört auf das Tuch darüber hinaus ein kleines Wasserbecken mit einem Goldfisch. Er ist das Symbol des reinen Glückes. Und - wenn er denn gut erzogen ist - soll er sich im Moment des Jahresübergangs völlig still im Wasser halten, um dann das neue Jahr mit einer abrupten Kehrtwendung zu beginnen.




Den Begriff Stedhal Syndrom habe ich weder in meinem psychologischen noch im medizinisch-klinischen Wörterbuch gefunden. Vielleicht ist es ein literarischer Begriff. Wenn ich mal Zeit habe, werde ich in meiner Stendhal Biographie nachlesen. Er war wirklich krank und stand unter Medikamenten. Wenn er in Florenz darnieder gesunken sein soll. dann vielleicht wegen einer Frau auf dem Bild ;--)


An apple a day ..

 


den 21 november  09:38


Liebe Marlena

Gestern war hier ein schöner sonniger Tag, wie auch Du ihn hattest. Und heute scheint es wieder ganz ähnlich zu werden. Und die Fahrt über die Juraberge war prima. Du hast recht, ich muss ein bisschen vorsichtig sein. Wenn ich knapp an Zeit bin, fahre ich so schnell wie möglich. Und das ist auf der kurvenreichen, teilweise steilen Strasse wunderbar. Doch ich glaube, das Risiko ist höher, wenn ich gemütlich fahre und in Gedanken abschweife. Ich könnte so mit Leichtigkeit über ein Rotlicht fahren, ohne mit der Wimper zu zucken. Glücklicherweise gibt es dort oben keine Rotlichter. Das ‚Rotlichtmilieu’ ist bei uns anderswo…;--)) Doch glaube ich nicht, dass es tagsüber schon Eis auf der Strasse hat. Na ja, vielleicht morgens in der Früh ist es möglich auf dieser Höhe.

Ich geniesse es einfach, durch diese ländliche Gegend zu fahren. Das Leben läuft dort noch so langsam ab. Man kann das an den Autofahrern bemerken. Wenn sie in die Hauptstrasse einbiegen, tun sie das so langsam, dass man manchmal verzweifeln könnte. Du denkst, sie wollen dich absichtlich ärgern. Aber dann siehst du wieder Kinder an der Bushaltestelle, die einfach so dahinwarten. Und im Moment ist die Landschaft mit den herbstlichen Wäldern so schön.

Es war nicht so, dass in L. jemand krank ist. Es gab einfach wieder einmal eine Anmeldung dort hinten. Und gestern ist gleich eine weitere eingetroffen. Es war ganz angenehm. Am Morgen, wie ich erzählt habe, war ich in einer Französischstunde ...

Schön, dass es jetzt auch bei Dir und Deiner Woche bergab geht. Na ja, bei mir war es damals eher ein Wunsch, eher eine Suggestion ans Schicksal als eine wirkliche Tatsachenbeschreibung. Aber alles in allem habe ich montags doch ziemlich streng. Und das regelmässig. Und das ist es auch, was mich am Wochenende auf Trab hält.

Was ist Stendhals Syndrom? Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass ich irgend so etwas gewusst hätte, obwohl ich doch eine Biographie über ihn gelesen hatte. Aber er hatte eine Krankheit, daran erinnere ich mich. Es war, so glaube ich, irgend eine Geschlechts­krankheit, die er ständig mit irgendwelchen Medikamenten zu unter­drücken suchte. Er hatte doch ein intensives Sexualleben mit intensiven Liebschaften, die ihn erst zum Schreiben antrieben.

An apple a day keeps the doctor away. Ist doch ein Rat, den man immer wieder hört. Auch unser Onkelchen schwört auf Äpfel. Wenn wir ihm irgendwelche exotischen Dinge mitbringen, Kiwis oder weit seltenere Früchte, so zieht er sich dankend auf seine Äpfel zurück. Ich glaube, er hält sich mehr oder weniger dran, täglich einen Apfel zu essen. In Visp hatten wir viele Äpfel im eigenen Garten. Einige davon waren ausgezeichnete Sorten, nach denen ich mich heute noch sehne. Die eine war ein grosser Apfel mit einer bäunlich-roten rauen Haut. Boskop nannten wir sie. Es gibt sie immer noch, aber selten habe ich so gute Exemplare gefunden, wie wir damals gegessen haben. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass man im eigenen Garten die Äpfel genau in jenem Reifegrad essen kann, den man am meisten liebt. Ich liebte sie hart und knackig und nicht zu sehr reif. Sie waren dann auch noch recht säuerlich im Geschmack. Der betreffende Baum stand genau neben jenem mit den wunderbaren Reineclauden (oder wie könnte man denn das schreiben?) Und es war jener Baum, auf dem ich jeweils unsere Nachtigall vermutete, ein Tiefstamm Baum, so dass man bequem und ohne Leiter bis zu den Ästen reichen konnte. Nachtigallen lieben es, bodennah zu leben, wie ich gelesen habe. Sie suchen nicht die Höhe, nicht für ihren schönen Gesang und nicht für ihr Nest. Ich habe meine CD mit Nachtigallengesang immer noch im Büro, und manchmal, vor allem an Wochenenden, lasse ich sie spielen.

Habe ich Dir erzählt, dass ich mir überlegt habe, mit dieser CD neue Nachtigallen in unseren Garten zu locken. Ich meine, wenn es vielleicht der Gesang eines Weibchens wäre, müsste man doch damit ein Männchen anlocken können. Und vielleicht würde das Männchen, wenn es sich ein bisschen herausputzt und sich mit der schönen Wohnung brüstet, auch noch ein Weibchen anziehen. Sind sie eigentlich monogam, die grossen Sänger? In der persischen Dichtung kommen sie immer wieder vor und haben die symbolische Bedeutung der Liebe. Die Rose sehnt sich nach dem Gesang. Und die Nachtigall singt zu ihrer Rose, bis sie sich öffnet. Letztlich ist es eine religiöse Metaphorik. Es gibt ein hübsches Gedicht von Storm glaube ich, welches diese Thematik aufnimmt. Wir hatten es mal noch in der Sekundarschule, ich glaube im 5. Jahr gelernt. Und ich habe es nicht vergessen. Lustig eigentlich, der Lehrer damals hat uns diese Dinge gleich in der Schule beigebracht. Das heisst, wir mussten nicht heimgehen, und so was auswendig lernen. Er hat es immer wieder rezitiert, bis jeder das auswendig konnte. Auch bei den Liedern hat er das gemacht. Das war einer der Gründe, weshalb ich im Gymnasium kaum wusste, wie ich die Dinge lernen sollte.

Gestern am Weekly haben wir viel über Sport diskutiert. Wenn Du als Maus im Büchergestell gehockt hättest, hätte Dich Lilli bestimmt aufgespürt. Sie war ziemlich unruhig und brachte alle ihre Spielsachen und hat sich viel bewegt. Wir haben über Sportarten geredet und über die Frage, wie sie sich durch die Tatsache des Fernsehens verändern. Beispielsweise Tennis: dieses Tiebreak ist eine Sache, die mit unserer modernen Zeit und vielleicht auch mit dem TV zu tun hat. Damit wird es zeitlich kontrollierbarer. Vielleicht hat sich damit auch die Sportbekleidung verändert, und die Gesten der Athletinnen und Athleten. Basketball ist ideal für Fernsehen. Radsport ist durch das Fernsehen eigentlich erst richtig populär und beobachtbar geworden. Man kann die Tour de France heute vom Helikopter und vom Motorrad aus beobachten, dh. mit den Leuten mitfahren. Früher sind die Fahrer in ein paar Sekunden an der Nase vorbeigeschwirrt, und das war’s dann. Golf ist auch sehr populär geworden. Und natürlich, wenn das Fernsehen kommt, kommt auch das Geld. Das verändert den Sport bestimmt ziemlich stark.

Doch insgesamt ist es dieser moderne Aspekt des Sportes, dass er nämlich sich selbst im zeitlichen Ablauf visualisiert. Der Sport ist ein Wettbewerb, und gleichzeitig auch die Darstellung und Sichtbarmachung dieses Wettbewerbs. Letzteres ist durch TV noch verstärkt worden. Das ist modern. Und man müsste von der Wissenschaft und ihrer Forschung eine ähnliche Transparenz und Sichtbarkeit verlangen. Du siehst, solch ein hohes Diskussionsniveau. Aber vom dritten Brett auf dem Gestell hättest Du bestimmt gut folgen können. Es müsste von dort wirken wie der Kameraausschnitt im Fernsehen: ein kleines Tischchen, meist mit einer Blume, einigen Büchern, Gläser und Wasser, daneben zwei Fauteuils mit zwei ernsten Herren, dahinter ein volles Büchergestell. Nur Lilli wäre etwas störend, wenn sie immer wieder durchs Bild läuft.

Ich wünsche Dir ein gutes Wochenende

Mit liebsten Grüssen
 ...

Ein Gedicht


Theodor Storm :

Sie war doch sonst ein wildes Blut,

nun steht sie tief im Sinnen,

trägt in der Hand den Sonnenhut

und duldet still der Sonne Glut

und weiss nicht, was beginnen:


Das macht, es hat die Nachtigall

die ganze Nacht gesungen;

da sind von ihrem süssen Schall,

da sind in Hall und Widerhall

die Rosen aufgesprungen.


So ungefähr muss das Gedicht Storms aus der Sekundarschule geklungen haben. Es hat mir immer sehr gut gefallen, vielleicht wegen diesem wilden Blut mit dem Sommerhut ??

Wenn ich tiefer in mein Gedächtnis zurückgehe, muss ich zugeben, dass ich mich damals im Gedicht fragte, weshalb sie eine Frau sei, und nicht ein Mann. Ich konnte mich gut hineinfühlen in einen solch warmen Sommermorgen und war sozusagen ein bisschen neidisch, dass man diese Sensibilität nicht einem Mann zutraute. Aber heute denke ich, Storm hat schon richtig gewählt. Wenn man sich das Gedicht anhört, sieht man vor sich ein impressionistisches Bild mit einer Frau in einem hellen Sommerkleid, einem Hut und einem strahlenden blauen Himmel. Ungefähr so, wie sie Mary Casatt oder Berthe Morisot, die beiden grossen Impressionistinnen gemalt haben.

Daher vielleicht meine romantische Liebe zur Nachtigall. Und im übrigen: sie ist doch ein sehr mystischer Vogel!

*

Aber wir sind thematisch ja schon bei den Adventkränzen und beinahe bei Weihnachten. Es ist eine schöne Tradition, einen solchen Kranz zu haben. Aber es macht viel Arbeit, weshalb die Leute so was heute im Laden kaufen. S hat in den letzten Jahren angefangen, so was selbst zu machen. Aber sie macht nicht einen Kranz, sondern eine grosse Schale mit Zweigen und 4 Kerzen und anderen dekorativen Dingen. Wir bringen jedes Jahr auch Onkelchen so ein riesiges Ding mit. Und bei ihm muss man ja auch darauf achten, dass es nicht in Brand gerät. Ein traditioneller Kranz ist in dieser Hinsicht vielleicht ein bisschen riskant.

Ich glaube, ich habe viel geschrieben heute. Und trotzdem nicht alle Fragen beantwortet. Na ja, Du musst sie nochmals stellen.

Mit einem lieben Kuss

...

Sonntag, 17. Dezember 2023

Feierabendmail

 

den 13 november 17:07
Feierabendmail

Liebe Marlena

Heute abend habe ich noch eine Sitzung. Sie beginnt erst um 17h. Das hasse ich. Früher hat mir dies nichts ausgemacht, aber heute gehe ich gerne rechtzeitig heim, um mein Kaffeelein und mein Schläfchen zu nehmen. Alles andere Stört meine Kreise!

Morgens war ziemlich regnerisch. Und weil bei unserem Auto die Elektronik spukt, hatte ich keinen Scheibenwischer und keinen Winker. Es ist ziemlich abenteuerlich, so in der Landschaft herumzufahren. Man würde nicht mal merken, wenn man einen Passanten überfährt. Es sieht ja alles aus wie hinter der verglasten Badezimmertüre. So bin ich ziemlich vorsichtig gefahren und habe dann S. angerufen, das Auto in die Garage zu bringen. Ich selbst bin mit der Eisenbahn nach Basel gefahren. Das mache ich ja nicht ungern. Aber es braucht seine Zeit.

Kürzlich hast Du mich sogar mehrmals gefragt, welches Mail denn die Sekretärin gebracht und ev. angesehen hätte. Ich weiss es nicht mehr. Ich habe das auch nicht kontrolliert. In solchen Dingen schliesse ich die Augen und gehe blind durch die ganze Suppe. Ich bin mir aber sicher, dass sie es nicht gelesen hat. Sie ist sehr vertrauenswürdig. Und auch sehr strikt. Da kann ich meine Hand ins Feuer legen. Bei Walter, der auch sagt, er sei diskret, wäre ich mir nicht so sicher. Er würde es lesen. Aber er würde es nicht ausnutzen. Aber er ist ziemlich neugierig. Wie die meisten Psychologen. Manchmal denke ich, sie sind indiskret, weil sie es gewohnt sind, in den privaten Dingen der Menschen und ihren Lebensum­ständen herumzukramen. Sie fragen Dinge, die andere niemals fragen würden. Sie schauen dich von unten bis oben an. Und sie machen sich ihre Überlegungen, hängen dir irgendwelche Absichten und Motive an, die mehr in ihrer als in deiner Brust gewachsen sind. Sie können ganz unmöglich sein, die Psychologen. Das lass Dir gesagt sein, Marlena.

Weshalb wohnst Du nicht irgendwo hier in der Nähe. Ich würde fürs Leben gerne mal mit Dir einen Spaziergang machen, irgendwo in einer kleinen Conditorei eine Schokolade (wie sittsam, mit S c h o k o l a d e !!) trinken, Dir ein paar Minuten ins Gesicht schauen, ein paar süsse Scherze machen, um dann wieder im Karussell der Pflichten loszutraben. Ach, das wäre doch aufregend. Weshalb denn gleich so hoch im Norden? Ich meine, irgendwo hier in der Nähe wäre doch auch ganz nett. Gut, das Meer wäre vielleicht ein bisschen weit weg. Im Film aus Schweden, den ich kürzlich gesehen habe, haben mich die weiten wilden Strände beeindruckt. Die sind wunderbar. Aber man hat sie vom Flugzeug im Tiefflug gesehen, nicht von den Beinen eines langsamen Spaziergängers, wie wir es dann wären. Und auch das Flache Land mit den langen Alleen beidseits des Weges war sehr schön. Es müsste ja alles nicht gleich so wild sein, so verboten und leidenschaftlich, sondern ganz gemütlich und bloss ein bisschen erotisch. Nur eine Messerspitze Erotik. Das wäre doch schon genug. Aber hier im Netz ist sowenig davon! Ich meine von den Klängen und den Farben und den Rhythmen.
Na ja, vielleicht muss ich mich damit begnügen, in die Wolken zu sehen und meinen Gedanken nachzuhängen.

Ich wünsche Dir einen wundervollen Abend ohne Sitzung.
Mit lieben Grüssen

...

Re: Spät... wie so oft..


den 13 november  09:22
Re: Spät... wie so oft..


Liebe Marlena

Ich wünsche Dir viel Glück im Kampf gegen die Grippe. Ich habe letzte Woche ein 5-Set-Spiel gegen sie gewonnen. Es war ziemlich knapp, sozusagen im Tiebreak. Ungefähr so, wie Federer gegen Nalbandian gewinnt. Gestern abend haben wir einen Teil des Spiels am Fernsehen gesehen. Es war das erste Mal, dass Federer gegen seinen Angstgegner gewonnen hat. Und es schien alles so leicht.

Du weißt, dass Federer ganz hier in der Nähe gewohnt hatte. Nach dem Sieg in Wimbledon hat ihm mein neuer Chef (er ist verantwortlich für die Bereiche Bildung, Kultur und Sport) gratuliert und einen grossen Empfang veranstaltet. Und ein paar Tage später hat Federer an den Medien mitgeteilt, dass er in den Kanton Schwyz oder Zug (ich weiss nicht mehr genau) umziehen werde. Das kommt daher, dass nicht alle Schweizer Kantone denselben Steuerfuss haben. Und um Geld zu sparen, suchen sich die Reichen den billigsten aus. Der Kanton Schwyz, eigentlich ein eher strukturarmer und gebirgiger Kanton, ist dafür spezialisiert. Und die anderen sind darüber ziemlich neidisch.

*

Ich kenne Schopenhauer schon ein bisschen. Er war einer von denen, die im Gymnasium vom Philosophielehrer verteufelt worden war. Aber er war ziemlich reich und konnte als Privatier leben und seinen philosophischen Studien nachgehen. Aber wenn man sich seinen Kopf ansieht, dann denkt man schon, dass er ziemlich kleinlich war. Na ja, die meisten Philosophen sind so, denn sie hantieren ja in der meisten Zeit mit Umlauten, mit Kommas und Punkten;--) Es gibt viele Anekdoten und Witze über Kant, der ein ähnlich pedantischer Typ war. Er war sein Leben lang nie aus Königsberg herausgekommen. Und die Menschen der Stadt sollen nach ihm die Uhr gestellt haben, denn pünktlich nahm er jeden Tag seinen Spaziergang unter die Füsse. Aber er hat meist mit Bekannten gespeist und dabei diskutiert. Diese Situation stelle ich mir doch schon ziemlich gemütlich und genussreich vor.

*

Heute habe ich Probleme mit dem Auto. Das Elektrische funktioniert nicht richtig. Ich habe keinen Scheibenwischer und keinen Winker. Und das ist doch ziemlich gefährlich an einem solchen düsteren Regentag. S. kommt jetzt und bringt ihn zur Garage. Ich will nicht mein Leben riskieren. Aber ich verliere so auch ein bisschen zuviel Zeit. Ich muss zusehen, wie ich heute durch mein Programm komme.

*

Na ja, die Diskussion am Radio war ganz passabel. Mindestens habe ich einmal ein Studio erlebt und gesehen, wie so was abläuft. Die Journalistin war sehr gut und hat das alles gut geleitet. Sie ist Spanierin, aber hier in der Schweiz aufgewachsen. Deshalb lag ihr auch der multikulturelle Aspekt vor allem am Herzen. Aber im allgemeinen bin ich in solch neuen Situationen und Umständen abgelenkt und komme gar nicht richtig zu meinen Überlegungen und Haltung. Ich habe mir zwar Notizen gemacht, in der Art des Mind Map. Das ist sehr nützlich und eine gute Stütze. Gut, vor allem deshalb, weil man überall einsteigen kann. Und seit der letzten Podiumsdiskussion habe ich auch gewusst, dass eine Podiumsdiskussion keine echte Diskussion ist. Man sollte sich bloss einige Voten vorbereiten, die man dann irgendwo in der Diskussion platziert. Und das sollten nicht zu viele sein. Vielleicht 5 wichtige Dinge, die man sagen will. Und immer wieder sollte man in Richtung dieser Aussagen kommen, so dass man sie wiederholen kann. Nur so wird man von den Radionhörern wirklich gehört, denn sie liegen ja noch im Bett, sind auf der Fahrt ins Büro oder sitzen im Büro bei der ersten Tasse Kaffee. Sie sind nicht wirklich aufmerksam. Und deshalb kommt man nur an sie heran, indem man dasselbe 5 mal in jeweils ein bisschen anderen Worten sagt. Man will ja in der Oeffentlichkeit viel zu differenziert reden. Aber eigentlich sollte man nur die einfachsten und die plausibelsten Dinge sagen. Nun ja, manchmal findet man die einfachsten Dinge erst am Ende einer langen Diskussion.

Ich bin ganz froh, dass Du mich nicht gehört hast. Ich will mich zuerst selbst hören, um dann das Band zu „autorisieren“, wie Du es mit Deinem Foto gemacht hast.

*

Die schwedische Sonnenscheingeschichte ist sehr schön. Sie ist wie ein Traum. In Träumen erlebt man gelegentlich solche oder ähnliche Dinge. Und es ist das Ziel unseres Lebens, dass wir unsere Träume verwirklichen. Dass die Enkel den Grosseltern am nächsten stehen, ist kein Wunder. Das kann man immer wieder sehen. Und es ist schön, das zu bemerken. Es schliesst einen grossen Kreis. Vielleicht bin ich deshalb mit meiner Grossmutter ganz gut ausgekommen. Und mein Vetter ebenfalls, der auch der ältere von zwei Brüdern ist und eine ältere Schwester hat. Aber meine Schwester hatte vor nicht zu langer Zeit eine eher etwas giftige gegen mein Grossmütterchen gemacht. Sie sagte, sie hätte ihr immer erzählt, was ihre Kusine mache, oder wie sie etwas mache. Ich hatte diese Berichte nie als Rivalitäten erlebt. Ich wusste, dass meine Grossmutter ein Jahr beim Bruder meines Vaters zu Weihnachten war, das andere bei uns. Und dann hat sie jeweils von den andern erzählt. Sie hat vielleicht versucht, ihre Familie ein bisschen beisammen zu behalten?

*

Jetzt muss ich los.

Ich wünsche Dir einen guten Tag.

Mit allerliebsten Grüssen

...





Spät... wie so oft ..

 

Ämne: Spät... wie so oft..
Datum: den 13 november  00:25

Liebster Mausfreund,
Ach wie bist du spassig. Ich habe wieder sehr über deine lustigen Einfälle geschmunzelt. Verstehe schon, dass es dir lieb wäre, wenn du den lieben Herrgott spielen könntest. Deine Ideen sind sehr wild und trotzdem muss ich dir verraten, dass ich auch an eine solche Site gedacht habe. Vielleicht nicht so ausführlich und detailliert wie du, aber deine Fantasie gefällt mir.
Wenn ich es richtig bedenke, so glaube ich doch nicht, dass ich unsere Mauspartnerschaft dort registrieren möchte. Sie soll frei sein. Nichts darf sie irgendwie einzwängen. Das ist das Schöne an ihr. Sie soll Flügel haben und wie die Tauben nach Venedig fliegen können (um dann wieder zurückzukehren ;-)).
*
Du willst über Schopenhauer lesen und ich glaube du wirst vielleicht überrascht sein. Er war anscheinend nicht so wie man vermuten könnte. Wie so viele, hat er nicht gelebt, wie er gelehrt hat. Es gibt mehrere grosse Künstler, Philosophen und Komponisten, die als Menschen ziemlich "klein" waren. Oder gibt es "kleinlich"? Von denen man nie vermutet hätte, dass sie so grosse Dinge zustande bringen könnten. Hast du übrigens schon einmal den Film über Mozart gesehen? Ich glaube er heisst "Amadeus". Wenn nicht, dann solltest du dir wirklich die Zeit dafür nehmen. Er ist sehr sehenswert.

Ich versuche eine beginnende (?) Grippe mit heissem Tee zu kurieren. War am Nachmittag bei Lidl ein wenig Obst und Gemüse einkaufen. Es kostet dort die Hälfte oder sogar 1/4 von den Preisen, die wir gewöhnt sind. Aber sonst ist das Geschäft nicht mehr so wohl besucht. Vielleicht, weil sich jetzt alle anderen anstrengen ihre Kunden zu behalten.

Ich hätte dich so gern im Radio gehört. Und ich bin überzeugt davon, dass du das gut gemacht hast. Natürlich verstehe ich, dass man ohne Mikrofon ganz anders reden kann. Warum eigentlich tut man es nicht immer? Warum sagt man nicht unverblümt die Wahrheit? Wir sind eigentlich eine sehr verlogene Generation.
*
Heute früh hatte ich Eis an den Autoscheiben. Es wird langsam Winter. Ich warte auf den 1. Dezember, wenn man überall die leuchtenden Sterne aufhängt und alle Leuchter in die Fenster stellt. Dann sieht es schön aus und man vergisst die grosse Finsternis. Aber bis dahin sind es noch, ach ich sehe gerade, bald nur 2 Wochen. Dann geht die Zeit immer sehr schnell. Man möchte sie fast festhalten.

*
Ich habe vorhin ein Programm gesehen über ein altes Paar, die als 20/24-jährige in einander verliebt waren (es war 1938 und sie studierten beide in Uppsala) und die sich dann 60 Jahre lang nicht mehr gesehen hatten. Jeder hatte sein eigenens Leben gelebt, viele Kinder und Enkelkinder bekommen und nun, wo sie fast 90 sind (beide verwitwet) haben sie sich wiedergesehen und in einander verliebt. Du hättest die Reaktion der Verwandten sehen sollen. Aber nichts konnte die beiden von ihrer Liebe abbringen und schliesslich haben sie geheiratet und man hat gesehen, wie sie in das Leben des anderen eingezogen sind. Sie war Ärztin gewesen und er hatte auch irgendeinen hohen Posten im öffentlichen Leben gehabt. Und die ganze Welt hat sich gewundert, wie man sich in dem Alter so verrückt verlieben kann. Schön zu sehen war die Reaktion der ganz jungen Enkelkinder (Urenkel?). Sie hatten grosses Verständnis für die Liebe der beiden. Ach, es war eine wirkliche "Sonnescheingeschichte" wie wir sagen.
*
Es ist spät geworden und ich muss ins Bett. Ich grüsse dich lieb
und wünsche dir einen schönen Tag,
Marlena