Samstag, 31. August 2024

Im Metropolitan

Liebe Marlena

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Heute war ich also im Metropolitan Museum. Dazu habe ich sogar mein Jacket mitgenommen. Ich dachte, es würde heute regnen und die AC sei bestimmt ziemlich kalt. Zuerst bin ich noch rasch beim NLP Institut vorbeigegangen, damit ich dann am Sonntag, dem ersten Kurstag, morgens nicht lange suchen muss. Doch die Arbeit beginnt jeweils erst um 10 Uhr. Im Untergrund habe ich dann eine Kolumbanerin getroffen, die auch sehr eifrig in den Plänen und Reiseführer geblättert hat. So haben wir ein Team/Work gemacht. Sie wollte eigentlich nur in den Central Park. Ich habe sie dann zur Met überredet. So haben wir die amerikanischen Impressionisten angeschaut. Aber ich war ein bisschen enttäuscht: es gab nicht so viele. Ich hatte mal in einer Ausstellung in Lugano mehr davon gesehen. Aber es war ganz passabel. Und sie hatten viele und ausgezeichnete Stücke von Courbet. Und von Degas gab es jede Menge Skulpturen mit Frauen, die sich waschen, kämmen, bürsten und schaben. Man könnte damit eine halbe Badeanstalt füllen. Meine Begleiterin liebte van Gogh. So sind wir auch ein bisschen dem armen Vincent. Es gibt dieses Bild einer älteren Dame aus Arles.


Na ja, ich glaube, es gibt mehrere Versionen. Aber eins war da. Kürzlich hatte ich in Basel bei Beyeler ein anderes davon gesehen. Es ist ein schönes und eindrückliches Bild. Aber an der Vorliebe für van Gogh konnte ich sehen, dass sie nicht soviel von Bildern weiss und kennt. Aber sonst war es sehr unterhaltsam, wieder mal mit jemandem zu plaudern und zu scherzen. Die letzten zwei Tage war ich mehr oder weniger allein unterwegs. Sie ist Ärztin und gerade daran, ihre Spezialisierung zu machen. Sie will sich fuer Augenärztin entscheiden, wie schon ihr Vater und ihr Bruder es sind. Und so hat sie natürlich auf meinen Wunsch gleich eine Nachkontrolle an meinen Augen gemacht. Ich glaube, sie war zufrieden mit der Heilung meiner Wunden. Es ist lustig: sie ist 30, sieht aber aus wie 20. Anfangs hatte ich ein bisschen Bedenken, weil ich dachte, ich könne doch nicht mit einem solch jungen Ding herumziehen. Wir haben festgestellt, dass ich so alt bin wie ihr Vater, und haben uns sozusagen fuer ein Vater-Tochter-Verhältnis entschieden. Ich habe einiges erzählt von den vielen Dingen, die ich in den letzten 20 Jahren über Malerei und Maler gelesen und gelernt hatte. Und sogar mein Jacket konnten wir gebrauchen, weil sie in dem sibirischen Klima mit der Zeit etwas fröstelte. Ich habe, wie es sich gehört, in diesen nordischen Winden tapfer ausgehalten. Sie musste dann gehen, weil ihre Freundin - bei der sie wohnt - anrief und schon von der Arbeit heimgekehrt war.
Ich hatte noch ein längeres Gespräch mit einem Amerikaner, einem pensionierten Lehrer der High School (Erdkunde) Er wusste, wo die Schweiz liegt und konstatierte mit Bewunderung, dass wir überall Seen hätten. Na ja, ich habe ihm nicht widersprochen. Er empfahl mir, auf das Dach des Museums zu gehen, um den Blick über den Central Park und die Skyline zu geniessen. Das habe ich dann auch noch getan. Wir haben uns sogar ein bisschen in die Politik vorgewagt. Ich sprach von einem gewissen Misstrauen der Europäer gegenüber der amerikanischen Politik. Aber er begriff nicht, was ich meinte. Er stellte fest, dass die Europäer endlich ihre Hausaufgaben machen sollten. Die Amerikaner schickten so viel Geld in die Türkei, nach Israel. Also sollten wir doch dort endlich für Frieden sorgen! Gut, dass bald danach seine Tochter und seine Frau aufgestanden sind, um ihm zu bedeuten, dass sie sich nun genügend ausgeruht hatten.
Das war mein Programm. Jetzt gehe ich bald ins Bett. Meine Gastgeber sind fürs Wochenende weg. Ich heute sozusagen. Ich könnte mit der alten Dame aus Puerto Rico nebenan eine wilde Party machen!
Ich wünsche Dir ein feines Wochenende.
Mit lieben Grüssen und ... Du weisst schon, a la carte
...
Heute bin ich etwas früher nach Hause gekehrt, denn gestern war es spät geworden, und meine Knie waren etwas weich. Ich habe am Union Square eine Serie Frühstückseier gekauft, nachdem ich hier meinen Gastgebern alle weggegessen hatte. Und jetzt bin ich, nach einer erfrischenden Dusche, hier am PC.




Donnerstag, 29. August 2024

Midtown


Ämne: 3. Tag
Datum: den 22 augusti  07:40


Liebe Marlena
Heute hatte ich mir Midtown vorgenommen. Ich bin zu Fuss bis hinauf zur Grand General Station gepilgert. Auf dem Weg gab es einige Kleinigkeiten wie das Flatironhaus, das man immer wieder abgebildet sieht, den Washington Square Park, wo der alte George auf einem Gaul sitzt und locker-lässig die rechte Hand ausstreckt, um den nachkommenden Generationen den Weg zu weisen. Er macht es - das wollen wir nicht unterschlagen - ein wenig Marc Aurel auf dem Kapitol in Rom nach. Der Union Square scheint das Billighotel der Stadt. Es gibt auf den langen Bankreihen jede Menge Penner, die noch nicht alle so früh Tagwache haben. Oft haben sie ihre ganze Habe in Plastiksäcken rund um die Beine stationiert, was wahrscheinlich auch hilft, das Terrain abzustecken. Aber Penner, die wirklich was auf sich geben, schlafen nicht hier, sondern in der Park Avenue. Die hat ein anderes Niveau. Der kleine Gramercy Park war mit einem eisernen Geländer umgeben und noch geschlossen. Offenbar können die Anlieger mit einem Schlüssel eintreten. Zwei Damen haben dort ihren Morgenkaffee getrunken. Und rundum haben die Hörnchen gespielt und sind übermütig herumgetollt. Es ist lustig, sie ziehen den Schwanz steif hinter sich her wie eine Schleppe, die sie knapp über den ungeschnittenen Rasen schweben lassen. Sie sehen eigentlich aus wie unsere Eichhörnchen. Nur die Schwänze sind ein bisschen schlanker und ihre Farbe geht ins Grau. Am Rande des Madison Square Garden haben zwei Fensterputzer die hohen Scheiben im ersten Stock gereinigt. Das sah aus wie eine Zirkusnummer. Die Stangen aus Aluminium haben sich gebogen, und immer mussten sie diese überlangen Dinger herunterkippen, um sie im Wasser zu spülen. Die Grand Central Station habe ich mir ausgiebig angeschaut. Dort kommen die Vorortzüge zusammen und auch die Busse von Newark kommen hier an. Es gibt Läden mit allen Köstlichkeiten, Kioske, Restaurants, Bars, Schuhputzer und Refreshment Rooms. Auch die Polizei ist präsent, immer mindestens zu zweit, eine Patrouille mit Hund. Ich habe mir verkniffen, hier eine NY Times zu kaufen. Ich wollte mich nicht für Stunden beschäftigen und damit ablenken. Dann bin ich nochmals in die Public Library, die ganz in der Nähe ist, und habe mich im Lesesaal für eine halbe Stunde abgekühlt. Sie sind großzügig hier, machen nur eine Eingangskontrolle. Aber dann lassen sie dich gehen, wohin du willst. Nur, wenn du den Lesesaal verlässt, schaut einer in die Tasche, ob Du den Schwarten Krieg und Frieden nicht doch mit eingepackt hast. Hinter der Bibliothek, die übrigens gleich neben dem Eingang eine Statue von Sokrates zeigt, wie er im Nacken einer Sphinx sitzt und etwas ratlos ins Wasser des kleinen Brunnens vor sich stiert. BUT ABOVE ALL TRUTH BEARETH AWAY THE VICTORY. Der schöne Spruch stammt natürlich noch aus dem Gutenberg/Galaxy, aus jenen alten Zeiten, als Schriftliches sich noch als Wahrheitsquelle herausgestellt hatte. Das ist heute vorbei. Aber der etwas pathetische Spruch ist ganz schön. Die Astors werden irgendwo in der Bibliothek verdankt. Offenbar haben sie viel Geld gestiftet. Der erste Astor ist aus Deutschland eingewandert, hatte zwar nicht als Tellerwäscher, sondern als Verkäufer in einem Pelzgeschäft gearbeitet und nach wenigen Jahren selbst ein Geschäft geführt, mit dem er dann zu seinen Millionen gekommen sein soll.
Auf dem Platz hinter der Bibliothek ist ein Konzert im Gange. Das gilt den vielen Büroangestellten, die hier ihren Picknick nehmen und sich die blassen Wangen sonnen. Ich setze mich in den Schatten und zeichne ein bisschen, bis mich die Lust auf einen Kaffee zum Buchhändler gegenüber lockt. Meist haben sie in einer Ecke des Ladens ein kleines Kaffee, wie das ja auch der Jaggy in Basel gemacht hat. Ich lese das Gratisblatt, das dort aufliegt, und schnuppere in einer Biografie über Susan Sontag. Sie habe an der Sorbonne Vorlesungen bei Simone de Beauvoir besucht. Später wurde sie von einem Professor eingeladen, eine Vorlesung über Fotografie mitzuverfolgen. Doch das war wieder in Amerika. Sie ist ja wirklich ihr ganzes langes Leben von Europa beeinflusst geblieben und ihm treu geblieben. Ich erinnere mich, wie heftig sie sich gegen den Irakkrieg gewehrt hatte.

Im Trump Tower bin ich dann später wieder in einen tiefen Sessel gesunken und habe mich eine gute halbe Stunde mit diversen Kleinigkeiten beschäftigt. Das Trump-Gebäude ist luxuriös, mit goldenen Einfassungen überall und mit rotem Marmor. Eine Wand herunter rinnt über 3 Stöcke eine Wasserfläche, die, weil einige Steine etwas hervorgesetzt sind, unruhig spritzt und nicht aufhört, zu rauschen. Auch hier habe ich eine kleine Zeichnung gemacht. Das ist die einfachste Art, sich umzuschauen.

Kurz und gut, es war ein harter Tag und NY ist - unter uns gesagt - ein hartes Pflaster. Ich habe bestimmt 20 bis 30 km gemacht. Manchmal vergesse ich beinahe, dass es noch eine Subway gibt.
Morgen wird es regnen, wurde mir gesagt, und deshalb gehe ich in die Met. Sie liegt am Rande des Central Parks. Der wirkt übrigens so lebendig und natürlich, weil er rundum von den riesigen Häusern so bedrängt ist. Die Luftaufnahmen zeigen das noch markanter.

Abends dann ein koreanisches Essen hier bei meinen Landlords. Hat gut geschmeckt. Eine nette Japanerin war dazu eingeladen, mit der ich mich sehr gut unterhalten habe. Sie hatte ein gutes Verständnis und hat jeweils blitzschnell verstanden. Das mag ich sehr. Sie ist Kunstschmiedin von Beruf und entwirft selbst Schmuck. Der hat mir nicht so sehr zugesagt, aber Schmuck ist ohnehin nicht meine Sache.
Ich wünsche Dir noch einen guten Abschluss der ersten Woche
und küsse Dich aus den Fernen Landen.
Mit lieben Grüssen
...





Re: 2. Tag

 

Ämne: Schon dunkel..
Datum: den 21 augusti 21:46


Liebster Mausfreund, 

Ich bin immer erstaunt, wenn ein Mail von dir in der Inbox liegt. Hatte geglaubt, dass ich lange ganz ohne Lebenszeichen von dir auskommen müsste. Und so freue ich mich riesig, wenn ich deinen Namen sehe.

So viele neue Eindrücke kann man wohl gar nicht auf einmal schmelzen. Wie war es übrigens in Chinatown? Und wo hast du den Fisch gegessen? War es so gut, wie du gehofft hattest?


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Wir haben gerade Sauerheringspremiäre gehabt. Eine Surströmmingsakademie untersucht im Moment die verschiedenen Fabrikate des Jahres und man stellt fest, dass die günstigen Voraussetzungen in diesem Jahr eine ungewöhnlich hohe Qualität bei allen Sorten mit sich gebracht haben. Wie bei Krebsen ist es bequem, nicht selbst herausfinden zu müssen, welche am besten schmecken, obwohl man sich nicht immer 100%-ig auf die Expertise verlassen muss.

Man merkt, dass der Sommer zu Ende geht. Es ist schon dunkel draussen und erst halb zehn Uhr. Tagsüber ist es noch sehr warm, aber auch ziemlich windig. Mit anderen Worten, herrlich frisch. Gut, dass die grosse Hitzewelle vorbei ist, denn es wäre unmöglich, bei solchen Temperaturen zu arbeiten.

Ich habe heute eine neue grosse Französischklasse zum ersten Mal gehabt. Ich hatte zwei schwarze Schüler, die beide ausgezeichnet gut französisch sprachen und sicher den Kurs in kürzerer Zeit machen können. Und ich hatte ein gutes Gefühl nach der Stunde. Wie ein Pianist, der ein neues Klavier getestet hat, das schöne Töne hervorbringt und auf dem es sich gut spielen lässt.

Ich habe eigentlich noch Arbeit für morgen. Aber ich werde früh aufstehen und damit beginnen.
Jetzt grüsse ich dich lieb und sage dir gute Nacht.   ...
S+U
Marlena


China Town , little Italy und Greenwich Village

 

Ämne: 2. Tag
Datum: den 21 augusti  03:02


Liebe Marlena
Doch, heute war ich in China Town, und auch in Little Italy und im Greenwich Village. Das sind die alten Quartiere, die manchmal fast deutsch oder hollaendisch wirken. Es sind diese grossen Backsteingebaeude mit den Metallleitern zur Seite. Daraus lassen sich natuerlich im Greenwich Village schoene Gallerien machen.
Ich war auch in einem Kaufhaus und habe das Angebot studiert. Sie arrangieren die Fruechte schoen, so dass einem das Wasser im Mund zusammenlaeuft. Bestimmt polieren sie jeden Apfel einzeln. Und die Tomaten tuermen sie neben den Orangeen, so dass man meint, es waeren Kaki. Bei den Gebaecken haben sie viel Undefinierbares. Und die Zuckerbeeren sind gleich neben den gedoerrten Fruechten, als ob das beides Fruechte waeren. Die Torten sind zum Weinen kitschig mit der gruenen oder blauen Dekoration. Am besten haben mir zwei Kuechengeraete gefallen: das eine ein Alleskoenner (Zapfenzieher, Zange fuer Drehverschluss und Zapfen) in exotischen Farben. Daneben eine Klemme fuer die Zahnpastatube, damit alles nach Vorne an die Front gedrueckt wird.
In eine Privatbibliothek haben sie mich nicht eingelassen. Darum bin ich dann nachmittags in die New York Public Library. Sie ist natuerlich riesig und hat viele kleine Unterbibliotheken, sog. Collections. Sie sind schon aufgemacht und mit noblen Moebeln umgeben. Und der Lesesaal ist gross, mit hohen Fenstern und Tischlampen mit goldenen Messingschirmen. Viele Arbeitsplaetze sind mit PC eingerichtet. Und natuerlich kontrollieren sie beim Eingang, ob du irgendwelche Bombem mitbringst. Doch die Schwarze hat nur halbherzig in meine Tasche gelaeuchtet. Nachmittags bin ich ins Guggenheim und in den Central Parc gegangen. Und anschliessend bin ich beim Metropolitan Museum vorbeigegangen. Aber ich hatte zuwenig Geld im Sack und zuwenig Zeit im Nachmittag, um dort hineinzugehen. Vielleicht gehe ich spaeter mal.
Heute abend gehen wir also Fisch essen. Ich hoffe, es schmeckt. Ich habe mich deswegen fast den ganzen Tag zurueckgehalten.
Und Du bist bei der Arbeit. Das Feld hinter Eurem Haus sieht doch gar nicht so schlecht aus. Ich finde, es wirkt ziemlich malerisch. Das darf man doch den beiden Bruedern zugutehalten.
Ich schreibe Dir morgen mehr. Heute warten sie auf mich.
Liebe Gruesse und Kuesse
...



Mittwoch, 28. August 2024

Down Town heute

 

Ämne: Down Town heute
Datum: den 20 augusti  06:05


Liebe Marlena
Na ja, wenn Odysseus einen Labtop gehabt haette, waere die Geschichte nicht halb so melodramatisch herausgekommen. Stelle Dir vor, wie die arme Penelope ihre Freier hingehalten hat, und das, obwohl sie nicht wusste, ob und wann er kommt. Es ist die ewige Geschichte der Hausfrau, die mit dem Nachtessen auf den Mann wartet, der einfach nicht von der Arbeit loskommt. Mit Labtop wuerde sie vielleicht doch herausbekommen, dass er drueben mit Circe in der Bar sitzt.
Ja, wir haben hier 6 Stunden Differeny. Aber mein Jetlag war eigentlich kaum spuerbar. Man hatte mir gesagt, ich solle viel trinken. Und das tue ich unablaessig, wenn ich hier bei meinen Bekannten bin. Und man soll am ersten Tag erst um Mitternacht ins Bett. Auch das habe ich getan. Wir haben gestern noch einen Spaziergang hier im East Village gemacht und die Bar besucht, die sie jeden Abend besuchen. Sie kennen dort viele Leute und bekommen die meisten Drinks gratis serviert, so dass sie bloss noch ein Trinkgeld bezahlen. Ich habe bis 24h durchgestanden, obwohl von der Air Condition her eine herbe Brise wehte. Und nachher hatte ich dann davon auch etwas Kopfweh. Aber die Muedigkeit war staerker.
Heute habe ich Down Town besucht. Das ist das Geldzentrum mit der Wallstreet, dem Ground Zero, dem Finance Center, also eigentlich der unterste Zipfel der Insel. Man sieht von dort schoen auf die Freiheitsstatue, die nicht muede wird, ihr Corne mit Softice hoch zu halten. Ich bin mit der Ferrz nach Staten Island hinueber gefahren, um von dort eine schoene Sicht auf Manhattan zu haben. Es war so, wie man es auf den Fotos sieht. Sie brauchen kaum zu retouchieren> es sieht bei Sonnenuntergang einfach grandios aus. Und als guter Katholik habe ich auch die Trinity Church besucht, die gleich neben Ground Zero liegt. Sie ist ein neugotisches Kirchlein, wo wir Europaer sofort uns zuhause fuehlen. Und auch das Kirchlein ist wunderbar airconditioned. Und hinten, neben der Sakristei, gibt es auch Erfrischungsraeume fuer uns Glaeubige. Ich habe mich ins Gaestebuch eingeschrieben. Hinten, in der letyten Rubrik, wo man eine Mitteilung eintragen konnte, kam ich ein bisschen in Verlegenheit. Und so dachte ich, es wuerde einen sehr guten Eindruck machen, wenn ein Schweizer aus der Schweiz "God save America" hinschreibt. Ich hoffe, die Amis werden mir das nicht vergessen!
Es ist ziemlich warm in der Stadt, weil auch die Luft feucht ist. Wenn ich Schweiss im Ruecken spuere, dann suche ich eine von diesen riesigen Buchhandlungen. Sie sind nicht so kalt conditioned wie andere Raeumlichkeiten, wahrscheinlich, weil sonst die Buecher schimmeln wuerden. Bei angenehmer Fruelingstemperatur lese ich dann ein oder zwei Kapitel aus Tolstois Krieg und Frieden. Dann bin ich wieder auf Normaltemperatur. Es ist wirklich sehr angenehm. Und sie haben riesige Ledersessel, dass man sich wie zuhause fuehlt.
Im Finance Center habe ich einen Kaffee getrunken. Es gibt dort einen schoenen Wintergarten mit 16 Palmen. Der Starbucks Kaffe wurde mir in einem XL/Becher gereicht, gut ein Viertel Liter. Und dann stuelpen sie ueber den Becher so einen Deckel, damit man wie ein Baby daran saugen kann. In der Schweiz nennen wir sowas Schoppen. Ich musste das Gebraeu allerdings in einem kleinen Laboratorium gleich neben der Theke noch nachkorrigieren. Dazu habe ich reichlich Zucker und Milch beigegeben.
Es gibt viele schoene Frauen in NY. Der Grossteil sind Latinas, also wohl von Mittel/ und Suedamerika. Die Amerikanerinnen selbst sind nicht so besonders, meist unelegant und etwas massig. Aber ein paar sind dann, um den Duchschnitt zu heben, wirklich Klasse. Ich war abends noch rasch in den Central Park gefahren. Dort hat ein Zeichner mit Kohle eine junge Frau portraetiert. Und natuerlich hat sich hinter seinem Ruecken eine Traube gebildet. Ich glaube, es waren zwei Schwedinnen, die neben mir standen. Sie waren jung, huebsch und und unschuldig, also suess. Der Zeichner hat ueberigens seine Kohle mit dem Pinsel aufgetragen. Ich glaube, er mischt Kohlestaub mit einer Fluessigkeit, vielleicht Terpentin. Und dann kann er damit arbeiten wie mit Schuhwichse. Er hat das Gesicht gut getroffen, nach meinem Geschmack einfach zu sehr sich mit kleinen Nuancen und Details beschaeftigt. Aber die Leute moegen es ja, wenn das Bild fotoaehnlich rauskommt.
Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, heute auch ab und zu ein bisschen zu zeichnen, oder skizzieren. Aber es gab soviel zu sehen, ich habe das schlicht vergessen. Und beim Sitzen war ich - wie gesagt - mit der Ueberdosis Kaffee beschaeftigt.


East Village

Morgen will ich die Villages besuchen: Greenwich Village, Eastern Village, SoHo. Das ist alles hier in der Naehe und bildet den mittleren Teil Manhattans. Hier gibt es keine hohen Gebaeude, sondern oft noch die alte Grundstruktur, also Backsteingebaeude mit diesen Eisentreppen und Feuerleitern, wie man sie in den Filmen sieht. Ueberigens erinnert mich die Strasse, in der ich wohne, an jene, die man gleich anfangs im Film Mrs Dalloway sieht. Und mein Gastgeber hat mir erzaehlt, dass diese 9th Street oft gesperrt bleibt, weil man Filme dreht. Die Polizei habe eine eigene Abteilung, die damit beschaeftigt ist.
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Und Du bist buehnenhungrig, "schulgeil" wuerden wir hier - etwas grob - vielleicht sagen. Das zu hoeren hat mir gefallen. Das zeigt Deine Energie. Das ist "die Angst des Torwarts vor dem Elfmeter", wuerde Handke es formulieren. Aber es ist doch gut, dass Du etwas zu tun hast, was Dich in Schuss haelt, nicht wahr? Du bist ja doch eine Vollblutlehrerin. Ich glaube, Du gehst in Deinem Beruf sehr gut auf. Und das weisst Du auch, obwohl es - wie in jedem Job - einiges zu beklagen und zu bemaengeln gibt.
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So ist das doch ein ziemlich ausfuehrliches Mail geworden. Das hatte ich eigentlich nicht geplant. Aber meine Gastgeber sind auf Tour. Sie treffen sich mit ihren Freunden in den Bars. Und so sitze ich hier allein in Bs. Arbeitszimmer und trinke das Reservoir an Wasser im Kuehlschrank leer.
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Ich wuensche Dir einen allerbesten Arbeitsanfang und eine gute Zeit.

Mit allerliebsten Gruessen aus der Ferne
...



Sonntag, 25. August 2024

From far away ..

 

den 19 augusti  00:02
From far away..


Meine liebe Penelope
Ich bin gut angekommen nach einem endlos langen Flug. Ich sass neben einem Schweiyer Studenten aus Berkely. Es war gany interessant, mit ihm yu diskutieren. (wo du ein y liest, sollte ein z sein und umgekehrt ).
Jetzt bin ich schon bei meinen Bekannten yuhause und wir lernen uns kennen. Er gleicht seiner Mutter sehr.
Es scheint mir, dass es eine lustige Woche geben wird.
Dein Mail konnte ich noch nicht wirklich lesen. Aber ich werde es demnaechst nachholen.
Mit einem lieben Gruss aus der neuen Welt\
...

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Still from far away..
Datum: den 19 augusti  00:19


Liebe Marlena
Manhattan ist eigentlich wie ein Dorf. Es ist alles viel uebersichtlicher, als ich es mir vorgestellt habe. Die Strassen gerade, durchgehend nummeriert, man kann fast nicht verloren gehen. Fast ein bisschen fantasielos.

Aber die Leute, die man hier sieht, kommen aus der ganyen Welt. Das ist schoen anzuschauen. Manchmal gibt es Exemplare darunter, dass man nur staunt Auf dem Flughafen habe ich eine Schwarze gesehen, eine solche Schwarze hast Du bestimmt noch nie gesehen. Man koennte sie in einem Circus auftreten lassen.
Jetzt muss ich mir langsam ueberlegen, was ich morgen tun soll. Und heute abend / so wurde mir gesagt / soll ich nicht yu frueh ins Bett, damit das Jet Lag nicht einschlaegt. Ich werde sehen, was ich tun kann.
Mit noch einem lieben Gruss
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Ämne: Re: still from far away..
Datum: den 19 augusti 09:07


Lieber ...,
Ich bin ganz ohne Hoffnungen an den PC gegangen und war sehr erstaunt und erfreut zwei mails von dir zu finden. Ach, du bist wirklich lieb. Wie wäre es gewesen, wenn Odysseus einen Laptop mit gehabt hätte? ;-)
Es ist schön zu hören, dass du gut angekommen bist und schon deine ersten Eindrücke bekommen hast. Ja, genau das hat mich in Singers Buch überrascht. Wie diese riesige Weltstadt eigentlich ein Mehrmillionendorf ist. Und nun verstehst du auch, was ich meine, wenn ich sage dass man den Patriotismus etwas übertreiben oder lass mich sagen erlernen muss. Aus so vielen Nationen ein "wir" zu schaffen verlangt schon etwas Mühe.
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Heute bin ich wie ein nervöses Pferd, das bald auf die Rennbahn muss. Oder eine Schauspielerin, die auf die Bühne soll. Aber ich weiss, dass dieses Gefühl sofort verschwindet, wenn ich dann vor den Schülern stehe. Wenn ich schon von Bühne spreche, so habe ich gestern Moulin Rouge gesehen. Die Handlung war sehr banal und voraussehbar.. La Traviata oder die Kameliendame.. aber trotzdem hat es eine Dimension gehabt, die den Film sehenswert macht. Dann schaue ich mir noch einmal "Chocolat" an. Ein ganz anderer Film, mit viel Wärme und Charme. Kennst du den? Wie du siehst, versuche ich so gut wie möglich meine Gedanken abzuleiten.
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Und heute geht der Kurs wohl los bei dir? Aber im Moment schläfst du sicher noch, denn du liegst wohl zeitlich ungefähr 6 Stunden nach, oder?

Ich wünsche dir alles Gute und Schöne,
Mit lieben Grüssen
Marlena

Sufismus

 


Liebe Marlena

Sufismus ist sozusagen die innere Dimension des Islam, eine - oder besser - viele mystische Strömungen, wie sie sie auch im Christentum gibt. Der Sufismus hat viele Fazetten und stellt sich poetischdar in Hafis Versen als blühender Garten, duftende Rosen, klagende Nachtigallen, Symbole der göttlichen Schönheit und Sehnsucht der Seele, die sich in trunkender Gottesliebe wiegt. Europa hat die Sufis, oder Derwische, wie die Perser sie gerne nennen, um 1800 entdeckt. Damals sind sie ihnen vor allem aufgefallen als seltsame Gestalten, oft unter Drogen und im Herzensgebet. Sie schienen in Opposition zum Scharia-gebundenen Islam. Aber im Grunde kommt der Sufismus aus dem Islam und ist an ihn gebunden. Ein Sufi ist der einsame Meister ebenso wie der begnadete Lehrer, die simple Seele, der geschulte Denker oder gottestrunkene Sänger. Jeder kann ein Sufi sein.

"Der Sufi ist jemand, der nicht ist", ist offenbar ein altes Zitat. Es spielt an auf die totale Hingabe an Gott. Meister Eckhart, der europäische Mystiker hat auch von "entwerden" gesprochen, vom aufgehen im göttlichen Wesen wie der Tropfen im Ozean. Die Sufis wollen nicht intellektuelles Wissen, sie warnen immer wieder vom Buchwissen, sondern sie streben nach existenzieller Erfahrung. In den Büchern suchen sie "das Weisse zwischen den Zeilen" zu lesen (was wir eigentlich alle tun; heisst ja 'intellegere'). Russi sagt: Sufi ist "Freude finden im Herzen, wenn die Zeit des Kummers kommt".

Na ja, in Europa sagt man, Philosophie sei, sterben zu lernen. Das ist ja wohl nicht so weit davon entfernt.

Gruss an meine Sufia

....





Samstag, 17. August 2024

Noch ein paar Zeilen ..

 

Ämne: Vielleicht doch..
Datum: den 17 augusti 13:27


Lieber ...,
Vielleicht huschst du doch noch einmal ins Büro, weil du etwas vergessen hast. Deshalb schicke ich dir noch ein paar Zeilen.
Ja, es war schön gestern. D.h. die Krebse und die Vorspeise mit Pfifferlingen gefüllte Teigwaren, haben ganz vortrefflich geschmeckt. Der Apéritif, das deutsche Bier und der Wein ebenso. Und nachher gab es dann noch eine Nachspeise aus Eiskugeln, Melone und Kirschpuré. Und wie üblich, bei uns in Schweden, auch wenn es schon spät am Abend ist, gab es einen Kaffee und dazu ein herrliches Tortenähnliches Gebäck. Und wir sind gut nach Hause gekommen. Sind ja immerhin fast 30 Meter zu gehen.. ;-)
*
Die Sonne scheint, aber was ist schon ein sonniger Tag ohne meinen lieben Mausfreund. Ich vermisse dich schon jetzt. Du musst es fühlen.

So grüsse ich dich nochmals lieb und hoffe, dass du noch mal ins Büro musst vor deiner Abreise.
Ich freue mich auf den Bericht über deine Pilgerfahrt.
S+K und auch M,
Marlena

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den 17 augusti 14:44
Re: Vielleicht doch..


Liebe Marlena
Na klar, habe ich noch dies und jenes vergessen im Büro. Vor allem muss ich noch die Adresse des Institutes in meine private Mailbox kopieren. Weshalb das so ist, erzähle ich Dir später. ...

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Und ich habe beschlossen, mich neu zu erfinden. Wie Du sagst, tut man das jeden Tag. Aber mit meiner Pilgerreise nach NY soll es einen kleinen Mutationssprung geben. Ich meine einen Sprung von der Grössenordnung zwischen Schimpanse und Mensch ;--)) Klingt ein bisschen zu nitzscheanisch, nicht wahr? Aber im Ernst, ich möchte doch versuchen, in diesen 14 Tagen Energie zu schöpfen, die für die letzten paar Jahre im Job hinhalten. Und das Buch gibt gute Anregungen.
*
Vielleicht komme ich auch mal dazu, Dir ein Mail zu schreiben, vielleicht. Erwarte nicht zuviel, meine Liebe, denn NY scheint eine hochelektrische Stadt. Und wenn man in diesen Strom hineingerät, dann sitzt man nicht mehr still. Nur noch in diesen Bars mit dem Neonlicht, wie man sie auf den Bildern sieht.
*
Ich wünsche Dir eine gute Zeit.
Halt mir den Daumen und die Treue, meine liebe Marlena.
See you
kisses
...

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Ämne: Telegramm
Datum: den 17 augusti 19:17









Lieber ...,
Wenn du dich nun auf deine Odyssee begibst,
bitte nimm dich in acht vor den Sirenen.

Deine Penelope





Freitag, 16. August 2024

"Dead Poets Society"


Ämne: Eine kleine Nachtmusik
Datum: den 12 januari 02:22 

Lieber ..., 
Ach wie spartanisch du lebst, nicht einmal die kleinste Süssigkeit gönnst du dir. Wäre ich S, würde ich glatt etwas misstrauisch werden, obwohl du mir immer erklärst, dass alle diese neuen Ideen von ihr stammen. Aber ein süsses kleines Mail hast du mir gebracht und ich habe es langsam und andächtig verzehrt. Ich danke dir herzlich dafür.
 * 
Ich habe einen schönen Abend verbracht mit meinen Gästen. Zuerst habe ich sie mit Glögg (Glühwein) willkommen geheissen. Das gehört zu diesem letzten weihnachtlichen Festtag und dann haben wir uns lange und gemütlich bei Tisch unterhalten. Ich glaube, es hat allen gut gefallen und jemand kam schliesslich mit dem Vorschlag, wir sollten doch einen Club gründen damit wir uns öfters sehen. "Torsdagsklubben", denn der Donnerstag schien allen am besten zu passen. Na ja, wir werden sehen. Aber warum nicht.

Das erinnert mich daran, wie wir vor ein paar Jahren versuchten eine Gesellschaft (oder einen Club) zu gründen in unserem Kollegium. So ungefähr wie "Dead Poets Society". Wir suchten nach einem guten Namen. "Döda pedagogers sällskap" kam uns zu morbid vor aber "Trevliga pedagogers sällskap" (trevlig=nett) klang schon viel besser. Jemand meinte, OK "nette pedagogen" klingt zwar schön aber "Trötta pedagogers sällskap" wäre doch etwas mehr realistisch (trött = müde). Schliesslich blieb man bei der Abkürzung TPS und meinte ein jeder könnte sich ein passendes Wort für das T wählen. Es gab auch:

tråkig = langweilig 
tokig = verrückt 
tarvlig = gemein, 
torr = trocken

Und was ist daraus geworden? Ich glaube, mehr als 50 Personen hatten sich dazu angemeldet, aber der Mann, der ursprünglich mit der Idee kam, ist ein Kerl der gute Ideen aufs Papier bringen kann, aber nicht weiter. Eine Zeit lang fragten sich die Leute, wann denn nun das erste Treffen sein würde und mit der Zeit geriet das ganze in Vergessenheit. Nur an die ausgelassene Diskussion über den Namen erinnert man sich noch heute. 
 (---) 
 
A bientôt, j'espère, 
Marlena



Montag, 12. August 2024

New York rückt näher

 


Ja, New York rückt näher. Am 18. August werde ich abfliegen und am 2. September zurückkehren. Ich nehme wirklich immer wieder Anläufe, mich auf diesen Aufenthalt zu freuen. Und ich glaube, dass es mir schliesslich gelingen wird. Letzten Sonntag hatte ich einen Arbeitskollegen mit seiner Frau im Museum getroffen. Das Gespräch kam auf meine Pläne. Die beiden waren voller Begeisterung für NY. Besonders die Frau, die es offenbar mag, Museen und Gallerien zu besuchen. Ach, sie war ganz hingerissen und ich glaube, am liebsten wäre sie mitgekommen. Ihr letzter Aufenthalt war offenbar schon 7 Jahre alt.

Ich hatte den Einfall, dass ich meine In-line-Skates nach NY mitnehmen könnte. Vorgestern bin ich damit etwa 15 km gefahren um zu sehen, ob ich das überhaupt noch kann. Ich merke, dass das Training fehlt. Aber eigentlich sollte es möglich sein. Ich könnte so den Central Park durchqueren. Oder ich könnte hinunter ans Ende von Manhattan rollen, zum Battery Park, wo man die Freiheitsstatue auf der Insel draussen sieht. Na ja, vielleicht brauchen diese Skates ein bisschen viel Platz im Koffer. Und wenn die Gehsteige voller Leute sind, ist man mit Rollschuhen eher etwas behindert. Aber die Idee ist doch nicht schlecht, oder? Ich hatte mir immer gewünscht, eine unbekannte Stadt rollenderweise zu erkunden. Und weshalb sollte es nicht NY sein?

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Ich fahre als Tourist. Der Kurs ist nur eine Nebensache. Wer nämlich in den USA heute eine Schule besuchen will, muss harte Prüfungen und einen elenden Papierkrieg durchstehen. Das will ich nicht. So kann ich ohne Visum reisen und ich erwarte bloss, dass man mich bei der Einreise ausfragen wird, wo ich wohne und was ich zu tun beabsichtige. Dann werde ich sagen, dass ich den Central Park zu durchqueren gedenke und unten die Freiheitsstatue begucken und abzeichnen will ;--). Und vielleicht noch die Qualität der Hamburgers testen! Das könnte ich auch noch sagen. Ich kann sie aber nicht mit irgendwas vergleichen, weil ich hier in der Schweiz kaum je Hamburgers gegessen habe.


Re:
...
Rollerblades fährst du? Das ist aber eine Überraschung! Ich finde erwachsene Männer auf diesen rollenden Dingern äusserst sexy. *s* Und wie schön und lustig du von deinen NY-plänen schreibst. Ich geniesse es schon ganz mit dir.

Freitag, 9. August 2024

Sei vorsichtig !

Subject: Luft, Hilfe Luft!

 Liebe Marlena

...

Ich weiss nicht, ob es so geschickt ist, meine Gedanken über die kochenden Männer Deinem Mann zu zeigen. Sie sind ironisch und er könnte beleidigt sein. Du willst doch nicht die schwedischen Männer gegen mich aufhetzen, Marlena? Sie werden mich hassen, weil ich so ironisch wenn nicht sarkastisch über uns Männer spreche! Sie werden einen Kreuzzug planen und diese kläffenden Schweizer zum Schweigen bringen! Sei also vorsichtig und überlegt, meine Marlena. Noch wenn du zuhause behauptest, du führest mit einem Schweizer von der Spitze der Alpen fachliche Gespräche über die Schule, über die Schule allgemein und über die Schule im speziellen. Es wird den Schwedischen Männern wie Schuppen von den Augen fallen, wenn sie merken, welches unsere wirklichen „Fachgespräche" sind. Sie werden den Geheimdienst auf uns hetzen! Sie werden nach Zensur schreien! Sie werden die Telefonrechnung kontrollieren! Ich weiss wirklich nicht, ob das so weise ist, Marlena? 

Du kannst es so erzählen, als ob es von Dir wäre. Mach es zu deinen eigenen Gedanken und erzähle es mit eigenen Worten. Dann ist alles im Butter. Ich möchte nicht, dass Dein Mann misstrauisch oder eifersüchtig wird gegen mich. Und das ist schnell passiert! Ist das klaro, meine Liebe? Wie in aller Welt willst Du kochende Männer mit dem europäischen Schulsystem in Zusammenhang bringen? Ist doch ein Trapezakt sondergleichen!

Du erwähnst, in meinen Gedanken sei „esprit", und das war für mich ein grosses Kompliment. Esprit ist ein französisches Luxusprodukt, so gut wie Champagner oder Trüffeln. So was gibt es gar nicht in Deutsch. Geist, das erinnert an Hegel und den deutschen Idealismus. Aber esprit ist was sehr Elegantes, Feines, Spitzes vielleicht auch, ein Zeichen von Lebenskunst und von Lebenskompetenz. Ich hoffe, dass ich etwas davon habe. Ich hoffe es doch sehr! Ich flehe täglich darum! Esprit ist die Qualität französischer Intellektueller. Und die gibt es eben leider in der deutschsprachigen Kultur in diesem Sinne auch nicht. Manchmal wünsche ich, ich wäre mit einer französischen Zunge, oder doch mindestens mit einem französischen Geist geboren. Die germanische Kultur ist etwas schwerfälliger, auch etwas plumper gelegentlich.
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Sonntag, 4. August 2024

Eine unvergessliche Schlossführung


Lieber ...

Ich hatte Freunden versprochen als Dolmetscherin am Midsommarfest auszuhelfen. Sie sind Volkstänzer und haben eine Gruppe aus Deutschland eingeladen um mit ihnen das Midsommarfest zu feiern.

Die Sonne scheint noch immer, aber ein paar grosse Gewitterwolken stehen am Horizont. Hoffentlich bleibt es schön, denn man feiert dieses Fest im Freien.
Ab 16.00 Uhr bin ich schon mit den Tanzgruppen zusammen. Es sind nette fröhliche Leute (insgesamt 55 Personen )
Morgen bin ich den ganzen Tag dabei.. Die schwedische Tanzgruppe hat ein sehr schönes Programm für die Gäste zusammengestellt.

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Und nun der nächste Tag. 



Zuerst wollten wir mit einem Schiff zum Schloss fahren. Aber leider regnete es zu viel und der erste Programmpunkt wurde eingestellt. Um 10 Uhr fuhren wir mit dem Bus in die Residenzstadt. Als wir zum Schloss kamen,  wo wir eine deutsche Führung mit einem Guide erwarteten, sagte man uns, es hätte falsch in der Zeitung gestanden.

Keine Schlossführungen!


Nun taten mir die Leute herzlich leid. Ich dachte, am Mittsommertag (vormittag sogar) kriegt man keinen neuen Guide. Also beschloss ich, die Regierungspräsidenten, die im Schloss wohnt, anzurufen. (Aus Erfahrungen weiss ich, dass man sich immer am besten an die höchste Person wendet).Erst wurde gelacht. So etwas kann man doch nicht tun :-)
Jemand reichte mir ein Handy, aber da wir ja ganz in der Nähe des Schlosses waren, klingelte ich einfach am Portal.
Eine Männerstimme antwortete (ihr Mann vielleicht) und sagte, dass sie nichts mit den Führungen zu tun hätten und dass wir uns an eine andere Stelle wenden müssten, wo man uns vielleicht helfen könnte. Ich war enttäuscht und fragte ihn nach der Telefonnummer dorthin. Es war lange still. Dann kam plötzlich eine Frauenstimme und sagte, "Ich bin nicht richtig gekleidet, aber ich komme runter".

So kam die Regierungspräsidentin selbst und nachdem ich ihr die Situation erklärt hatte lud sie uns ein in ihre Representationswohnung und machte uns dort eine eigene Führung, erzählte über das Schloss aus dem 13. Jahrhundert und von seinen Einwohnern durch die Jahrhunderte, (auch von den Gespenstern die es dort gibt ;-).

Vor allem erzählte sie uns auch lustige Episoden aus ihrer eigenen Zeit im Schloss und alle waren mehr als begeistert. Sie war eine sehr sympathische Frau. Es war ein Genuss zu dolmetschen, denn sie erzählte mit Humor und Witz, sodass alle dauernd sehr lachen mussten. Jemand fragte sie u.a. ob sie mal diesen Engelbrekt gesehen hätte, der mit dem Kopf unterm Arm im Schloss herum geistert. Sie dachte ein wenig nach und sagte dann zögernd: Ich bin nicht ganz sicher, denn es gehen so viele Männer hier mit dem Kopf unterm Arm herum.

Sie erzählte auch von einem grossen Empfang. 350 Gäste, fast nur Männer, aus allen europäischen Staaten sollten vor dem Essen im Schloss mit einem Glas Champagner empfangen werden. (Der Speisesaal hat nur Platz für 90 Personen). Sie dachte lange nach, wie sie das ordnen sollte. Da kam ihr eine Idee. Aus dem grossen Empfangszimmer führt ein Weg durch ein Badezimmer hinaus in ein Treppenhaus. Sie wollte also die Gäste nach und nach begrüssen, ihnen etwas anbieten und sie dann durch dieses Badezimmer hinaus lotsen. Aber so hohe Gäste durch ein Badezimmer gehen lassen? Es war ein sehr altes, wie es eben in einem alten Schloss gehört.

Und so machte sie es:

Ihre Freundin, eine Hofsängerin, legte sich in die Badewanne (Schaumbad, glaube ich). Rund um die Badewanne standen hohe Kandelaber mit leuchtenden Kerzen und der Rand war mit Blumen geschmückt. Sie erzählte: "Es war lustig zu sehen, wie die Männer reagierten. Die Nordeuropäer hielten den Atem an und wussten nicht richtig wohin sie nun schauen sollten (als hätte man sie bei was unanständigem ertappt) die Spanier und Italiener dagegen wären am liebsten direkt in die Badewanne gesprungen.  Nach 45 Minuten nahm man eine halbverrunzelte Freiherrin aus dem Wasser heraus."


Ich kann sie noch gut vor mir sehen, alle Volkstänzer in ihren schönen Trachten und wie sie lachten und vergnügt waren über diese schöne persönliche Führung.
Einige glaubten, wir müssten uns seit früher kennen. Aber so war es nicht. Und wir hatten Glück gehabt: sie hatten den Midsommarafton irgendwo mit Freunden gefeiert und waren nur jetzt am Morgen zu Hause vorbeigekommen, um schnell zu duschen und sofort an ihre Landstelle weiterzufahren. Wären wir etwas später gekommen, hätte niemand geantwortet.

Nachher haben wir alle im Freilichtmuseum noch einen guten Lunch gegessen und nach dem Essen war es Zeit für den Auftritt der Tänzer und wie auf ein Signal begann die Sonne zu scheinen und rettete auch den Nachmittag.


Freitag, 2. August 2024

Damals ...

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Früher, als junger Mensch, wäre ich gerne Brite gewesen, natürlich einer aus der britischen Oberschicht, oder Franzose. Weniger ein Italiener oder ein Deutscher. Von Spaniern hatte ich damals kaum noch was gehört. Doch ich kann mich auch an meine erste selbständige Auslandreise erinnern. Ich fuhr per Hitchhiking vom Wallis nach Paris. Pius war mein Leidensgenosse. Und in Paris, in der Gegend der Porte d'Italie hatten wir ein drittklassiges Hotel gefunden, wo viele arme Studenten abgestiegen waren.
Die Dame an der Reception war eine Pariser Matrone mit beachtlichem Volumen. All die amerikanischen und deutschen Studenten mussten ihr Zimmer im Voraus bezahlen. Sie mussten Geld hinterlegen. Nur uns, den zwei süssen Kerlchen mit den hübschen Schweizer Pässen, hat sie dies erlassen. Und sie hat auf die Schweizer und ihre Zuverlässigkeit ein Loblied gesungen.
Auf der Rückreise wurden wir von der Polizei aufgegriffen, weil wir in der Banlieu von Paris auf der Autobahn standen und den Daumen hoben. Die Flics brachten uns auf den Posten und kontrollierten die Papiere. Man hörte sie munkeln, ah.. des Suisses ! Und dann kamen sie ganz freundlich zurück und bedeuteten uns, dass wir eben nicht so offen und demonstrativ Hitchhiken sollten, sondern etwas diskreter, weil es ja eigentlich verboten wäre. Und sie liessen uns dann wohlwollend an denselben Ort zurück, an dem sie uns aufgegriffen hatten, um unsere Reise fortzusetzen.
Du siehst, Marlena, in jungen Jahren hatte ich den Eindruck bekommen, dass der Schweizer Pass ein höchst exklusives und wertvolles Papier darstellt. Aber ich weiss auch, dass das heute nicht mehr so ist.
Schade vielleicht. Aber so ist es eben.
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Komisch, dass ich zum Stichwort Schweiz soviele Worte verliere! Ob das Zufall ist?

Mit einem schönen Gruss

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Donnerstag, 1. August 2024

Stichwort - Schweiz

 (R)

Foto: Chris



Liebe Marlena
Ja, die Schweiz. Darüber gäbe es viel zu berichten. Und über viele Klischees. Tatsache ist, dass wir ein reiches Land geworden sind, während die Schweiz noch im 19. Jahr-hundert als Armenhaus Europas angesehen werden konnte. Es gab damals viele Menschen, die nach Amerika ausgewandert sind. Und - wenn ich mich richtig erinnere - wurde ihnen oftmals mit öffentlichen Geldern die Überreise bezahlt. Man wollte, dass sie gehen und man hat sie motiviert, zu gehen.

Und heute? Nun ja, ich glaube, wir sind in erster Linie ein konservatives Land. Das waren wir wohl immer, denn ein Gemeinwesen von Bergbauern kann nie sehr modern ausfallen.

Wir sind aber bestimmt ein fleissiges Land. Der Reichtum kommt nicht bloss von den Bankkonti. Nicht nur. Ich glaube, wir arbeiten im internationalen Vergleich viel und wir haben eine hohe Arbeitseffizienz. Wir sind auch ein introvertiertes Land. Die Tatsache, dass wir heute noch nicht Mitglied der UNO sind, ist doch sehr merkwürdig. Ich glaube, wir sind das allerletzte Land der Welt in dieser Beziehung.
Wir sind ein unwirtliches Land. Wahrscheinlich die Hälfte unseres Bodens ist nicht nutzbar, weil es sich dabei um Berge und Felsen und Steine und ewigen Schnee handelt. Wir haben kaum Bodenschätze. Die gebirgige Landschaft ist in jeder Hinsicht beschwerlich und erfordert einen hohen Aufwand.

Wir sind kulturell kein einheitliches Land. Die Tatsache, dass wir auf diesem kleinen Raum mit vier Landessprachen und ebenso vielen wenn nicht noch mehr Mentalitäten fertig werden müssen, soll man nicht vergessen. Das ergibt landesintern oft erhitzte Gemüter, doch gegenüber der Weltgemeinschaft geben wir uns gerne harmonisch und rosarot. Das politische Klima ist von dieser Tatsache geprägt.

Wir sind ein enges Land. Wenn man mit der Eisenbahn durch die Schweiz fährt, fällt einem auf, wie überbaut unsere Landschaft ist. Es gibt kaum mehr freie Flächen und grössere Landschaften. Man fährt ständig durch Städte oder Dörfer. Diese Enge prägt unsere geistigen Horizonte. Wir passen uns den Gepflogenheiten und den Nachbarn an und denken nicht über die Dorfgrenze hinaus. Wir lieben das Naheliegende.
Aber wir sind auch das Land der höchsten Dichte an Nobelpreis-Trägern und wohl auch der Milliardäre. Der Volkscharakter der Exaktheit, des Praktischen und Naheliegenden prädestiniert uns zu vorzüglichen Technikern und kühl berechnenden Bankers, die eben auch mal was Neues erfinden.

Kurz und gut, es stinkt in der Schweiz zum Himmel. Und wir alle erwarten doch sehr, dass die UNO uns einen roten Teppich ausrollt, damit wir uns endlich überlegen, ob wir mitmachen mögen oder vielleicht und vorläufig immer noch unmutig abzuwinken geruhen. Wir haben noch immer grosse Bedenken, diesem heterogenen und darum zweifelhaften Club beizutreten, denn es gibt da einige sehr unattraktive Mitglieder. Wir bewegen uns im Allgemeinen lieber in exklusiveren Kreisen. Und wir alle finden es ziemlich unwürdig, dass wir bitten sollten, dieser wackeligen Weltgemeinschaft beitreten zu dürfen, wo wir doch eigentlich überzeugt sind, dass die Gemeinschaft eher uns bitten sollte, der Schweiz beizutreten. 

Anstelle der Globalisierung sind wir für eine Helvetisierung der Welt. Wir haben an der Genfer Universität einen Professor der Soziologie namens Jean Ziegler. Sicher hast Du schon von ihm gehört. Er ist Sozialist und ein harter Kritiker und Kämpfer gegen das schweizerische Bankensystem. Er hat in der Vergangenheit feurige Bücher geschrieben. Doch dann hat man ihn mit einer Prozesslawine immobilisiert. Und heute schreibt er nur noch Romane, weil er anhand von romanhaften Aussagen gerichtlich nicht belangt werden kann. Er hat ein gutes Herz, unser Jean Ziegler, und ich glaube, von der UNO hat er einen Auftrag, den Hunger in der Welt zu analysieren und zu bekämpfen.
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Früher, als junger Mensch, wäre ich gerne...