Donnerstag, 30. Oktober 2014

wie versprochen




Liebe Marlena
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Ich habe dir meine erste Liebesgeschichte versprochen, ich glaube nicht, dass ich sie sonst je schon jemandem erzählt hätte. Für dich Marlena mach ich das und ein bisschen auch für mich. Hier ist sie. Sie endet eigentlich ein bisschen traurig. Und sie spielt in Lenzburg.
Leider kann ich dir nicht sagen, wie sie hiess. Hiess sie Vreni? Es könnte sein. Doch als ich älter war, hatte ich immer eine gewisse Abneigung gegen diesen Namen. Ihren Familiennamen aber weiss ich noch. Sie war damals ungefähr ein Kopf kleiner als ich, hatte wundervolles kastanienbraunes Haar, das hinten zu einem Schwänzchen zusammengebunden war. Mein Leben lang sollte ich dann für solche Schwänze eine Schwäche haben. Fast die ganze Jugendzeit unterschied ich zwischen Kameradinnen mit Schwänzchen und Kameradinnen ohne Schwänzchen. Es grenzte an Rassismus!
Meine Vreni besuchte wie ich die zweite Klasse im grossen Schulhaus bei Frau H. im Zentrum der Stadt L, wo wir damals wohnten. Wir selbst wohnten am Fusse des schönen Schlossbergs, in einem riesengrossen Haus mit einem unendlich weitläufigen Garten, der am Schlosshang auf mehreren Etagen angeordnet war. Hier, im Nachbarhaus, hatte früher einmal der grosse Dichter Frank Wedekind gewohnt. Dessen Vater war um die Jahrhundertwende noch Besitzer des Schlosses gewesen und Wedekind hatte die Schulen im Ort und schliesslich die Kantonsschule von Aarau besucht. Aber Wedekind war ein schwieriger Sohn mit heftigen pubertären Ausbrüchen und wilden erotischen Fantasien. Ich habe mich nie überwinden können, wirklich etwas von ihm zu lesen. Obwohl er im Grunde ein Zeitgenosse Rilkes gewesen ist. Beide lebten sie am Ende des letzten Jahrhunderts. Wahrscheinlich war Wedekind etwas jünger?
Ein Junge mit wüsten erotischen Fantasien war ich nun ja in der zweiten Klasse noch nicht. Mein Problem war allerdings, dass Vreni am anderen Ende der grossflächigen Ortschaft wohnte. Ich wusste damals, als kleiner Zweitklässler, nicht, wo das war. Aber später konnte ich feststellen, dass sie täglich einen ziemlich ähnlich weiten Schulweg zu gehen hatte, wie ich ihn auch ging. Ich musste den alten Markt hinunter, dann über den Kirchplatz und an der Post vorbei, um den kleinen Weg zu erreichen, der dann über den Aabach direkt und geradewegs zum Haupteingang des grossen Schulhauses führte. Das grosse Haus, das man in gut zwei Stunden bestens als Militärkaserne hätte einrichten können, stand erhöht am Ende dieses Weges, der schliesslich über eine Treppe auf dem Schulhof endete. Und wenn man diese hohe und disziplinierte Fassade anschaute, so konnte einem kleinen Zweitklässler schon ein Schauer über den Rücken gehen. Wenn ich heute ein Schulhaus zeichne, so zeichne ich dieses Schulhaus mit dieser monströsen Fassade, die wenig Erbarmen zeigte.
Vreni kam nun aber von der Aarauerstrasse her, von der Hinterseite also, und musste kurz vor dem Schulhaus noch die bewachten Geleise der Seetalbahn überqueren. Die Seetalbahn konnte man oft während des Unterrichtes hören, denn bevor sie diesen Übergang passierte, pflegte sie einen fröhlichen Pfiff in die Luft zu lassen. Und wenn wir im Unterricht der zweiten Klasse sassen und schwer mit Buchstaben und Additionen bis etwa 100 kämpften, so war so ein Pfiff wie ein rettender Beweis, dass es die Welt draussen auch noch gab. Es war wie der aufmunternde Zuruf, dass dieser unendlich lange Vormittag doch irgendwann zu Ende gehen würde, und dass wir dann wieder hinaus in die Welt konnten, um richtig durchzutamten. Es hatte auf diesem grossen Pausenhof riesige rote Buchen, die ja sehr schöne Bäume sind. Und im Spätsommer pflegten diese kleinen Nüsschen auf dem Boden zu liegen, mit den drei Kanten. Man biss sie auf einer seite auf und konnte darin ein wintzigkleines Nüsschen finden. Winzigklein, zugegeben, schmeckte aber prächtig.
Ich mochte Vreni, und ich glaube sagen zu können, dass sie mich auch mochte. Das war schon einmal ein wunderbares Gefühl. Sowas Feines hatte ich bis dahin im Sandkasten und in unserem grossen Garten noch nicht erlebt, diese wunderbare Übereinstimmung mit einem anderen Menschen. Es war das selige Gefühl, dass da ein anderer Mensch war, der ebenso fühlte, der ebenso in die Schule gehen musste, der Ähnliches im Sinn hatte.
Ich war kein besonders guter Zweitklässler. Manchmal war ich etwas Vorlaut. Ich erinnere mich, dass ich der Lehrerin einmal "Viel Vergnügen" wünschte, als sie vorzeitig aus dem Unterricht weg musste. Und sie klärte mich kurz auf, dass diese Formulierung schlecht passte, wenn jemand zu einem Begräbnis gehen musste. Ein mal las die Lehrerin ein Gedicht vor, und wollte uns Kinder fragen, ob wir es auch verstanden hatten. Wir waren etwa 40 Schüler in dieser Klasse. Und keiner hatte es wirklich verstanden. Aber ich hob keck die Hand und gab eine Interpretation. Sie muss ein bisschen eigenwillig gewesen sein. Wenn ich mich richtig erinnere, hat die Miene der Lehrerin nicht angezeigt, dass sie meinen Lichtblick bewundert hätte. Aber immerhin hatte ich den Mut, denn all die anderen 39 sassen mausestill und wollten dieses kleine Gedichtlein (...) Reni und ich üblicherweise noch ein Stück zusammen, obwohl wir ja nun absolut nicht den gleichen Schulweg hatten. Als Gentleman begleitete ich sie in ihre Richtung bis zum Turnplatz. Der Platz war wunderbar. Er war umgeben von Linden und wenn es regnete oder kurz vorher geregnet hatte, so war hier alles tropfnass und klebte, wohin man trat. Auf diesem Rasen verbrachten wir noch ein paar Minuten, oder waren es Viertelstunden? Wir vergnügten uns am Reck, machten Überschläge und hangelten an den Stangen herum, sprangen in die Erdkissen, bis die Schuhe voller Sand waren. Und irgendeinmal, vielleicht nach einer halben Stunde trennten wir uns dann. Sie ging die Aarauerstrasse hinaus mit ihrem kecken Schwänzchen, das lustig hin und her baumelte, in eine unbekannte Welt, die ich nicht kannte. Und ich ging dann eben die Aarauerstrasse hinein Richtung Stadt. Beim Kino konnte ich so noch die grossen Fotoauslagen anschauen. Sie waren schwarz-weiss, aber sehr eindrucksvoll. Man konnte auch sehen, dass die Frauen, mit ihren dunkeln Lippen, ziemlich dick aufgetragen hatten.
So hatte ich mit Vreni eine stille Freundschaft, und wahrscheinlich wusste ausser uns zweien niemand auf der Welt davon. Allerdings, das sollte anders kommen. Einmal, an einem freien Nachmittag schickte mich meine Mutter in die Wisa-Gloria, wo ich unser Dreirad-Velo holen sollte, das man dort wieder in Stand gestellt hatte. Das war eine interessante Aufgabe, fand ich, denn einen solch weiten Weg mit dem Velo zu fahren, das versprach einige Abenteuer. Auf dem Rückweg von der Fabrik mit meinem kleinen Velo nahm ich nicht gleich den direkten Weg. Und irgendwie landete ich in der Nähe der Post. Neben der Post lag zu dieser Zeit ein grosses Lager an Bauholz. Hier wurde irgendwie gearbeitet. Und mein Glück wollte, dass auch Vreni hier war. Meine Erinnerungen um diese Situation sind sehr dunkel. Aber irgendwoe taucht da so ein Licht auf. Und meine kleine Geliebte lud mich ein, mit einem riesigen gelben Lastwagen mitzufahren. Erst später erfuhr ich genauer, dass ihr Vater ein grosses Baugeschäft hatte. Unter seinem Namen fuhren in Lenzburg etliche Lastwagen und Baumaschinen und Walzen umher. Eine solche Einladung konnte ich mir nicht entgehen lassen. So stellte ich mein Velo rasch unter eine kleine Holzbeige und kletterte hoch hinauf in diese riesige Fahrerkabine des laut ratternden Lastwagens. Das war ein strammes Gefühl! Alles rundum war zwar ein bisschen gross und ein bisschen grob, man konnte sich kaum halten, und alles wackelte und vibrierte und lärmte und man konnte kaum hinunter auf die Strasse sehen. Wir zwei Kinder wackelten auf dem riesigen Ledersitz hin und her und rutschten bei jeder Kurve in eine andere Ecke. Vreni gab sich so, als ob sie tagtäglich solche Fahrten unternehmen würde. Sie war aber ganz und gar nicht überheblich, zeigte keinen Ansatz von Überlegenheit, sondern half mir da und dort, informierte mich wie selbstverständlich, zeigte mir dies und jenes. Und ich war einfach Auge und Ohr und schaute diesem Chauffeur zu, wie er auf der schmalen Strasse hoch oben vorankam und schaute in die grüne Landschaft hinaus, die schüttelte und so unwirklich daherkam. Wir fuhren in irgend eine Kiesgrube in der Nähe Lenzburgs. Und ich vergass mich völlig und staunte rundum und - wenn ich ehrlich sein sollte - vergass auch ein bisschen meine Vreni, die galante junge Gastgeberin.
Keine Ahnung, wie lange dieses grosse Ereignis gedauert hatte. Doch als wir wieder zuruckkamen, fand ich mein kleines Velo verbogen und kaputt unter der Holzbeige. Es war nicht mehr zu fahren. Irgendwelche älteren Buben, wohl die aus der berüchtigten Eisengasse, sie mussten es benutzt und kaputtgefahren haben. Ich hatte keine Ahnung, ob dieser Defekt schlimm war oder nicht so schlimm war. Auf jeden Fall war es nicht mehr zu gebrauchen. Ich musste es zu Fuss heimschleppen. Und das war schon ein Stück weg und es hatte bestimmt schon vier oder gar fünf Uhr geschlagen. Klammheimlich versorgte ich den Schrott im Schopf hinter dem Haus, ohne auch nur irgend jemandem ein Sterbenswörtchen zu sagen. Dass dieses Velo gleich wieder in die Wisa-Gloria zur erneuten Reparatur musste, das stellte meine Mutter erst ein paar Tage später mit Erstaunen und einigem Ärger fest. Man muss annehmen, dass sie mich bei dieser Gelegenheit unter ein hartes Verhör genommen hatte. Doch daran kann ich mich nun ganz und gar nicht mehr erinnern.
Kurz vor Weihnachten in der zweiten Klasse zogen wir dann von L. ins Wallis, in diese wilde Landschaft mit viel Schnee und Häuser mit steinigen Dächern. So habe ich meine Vreni aus den Augen verloren.
Später, viele Jahre später, als meine Mutter bereits tot war, habe ich zufällig in einer Zeitung die Meldung gelesen, dass diese Vreni auf der Aarauerstrasse von einem Auto angefahren und tödlich verletzt worden war. Damals wurden in den Zeitungen noch Namen genannt. Ich war geschockt, diesen Namen in diesem traurigen Zusammenhang wieder lesen zu müssen. Ich, und auch sie folgedessen, muss etwa im Pubertätsalter gewesen sein. Unsere Mutter war gestorben, meine erste Freundin war gestorben. Ich hatte eine zeitlang die Vorstellung, was immer ich liebe, es würde zugrunde gehen müssen.
Das ist ein trauriges Ende. Doch die kleine Liebe war schön und frisch und kindlich vergnügt gewesen.
Erzähl mir bei Gelegenheit von deiner Trauer? Ich bin deswegen ein bisschen in Sorge, obwohl ich keine Ahnung habe, was da zum Vorschein kommen könnte.
Ich wünsche dir eine wunderschöne Zeit mit deinen Lieben, Marlena.
Mit einem schönen Gruss
...

Samstag, 25. Oktober 2014

Stilles Leben




Herbstlich..
den 6 oktober 2002

Lieber ...,
Zuerst möchte ich dir nocheinmal danken für den schönen Bericht von dieser Expo. Ich denke wenn man deine Worte publiziert hätte, wäre die ganze Bevölkerung hingewandert so verlockend hast du es beschrieben. Nun hast du wieder einen unvergesslichen Tag in dir gespeichert.

Ich weiss gar nicht mehr was in der letzten Woche passiert ist so eintönig und monoton läuft das Leben hier. Eben das mit dem Schweizer Mädchen war ein Moment, der im Gedächtnis hängengeblieben ist -  aber sonst..

Das Wochenende war ruhig und erholsam. Anna war zu Hause und die häusliche Atmophäre war nicht weit von dem was man sich unter dem Begriff "harmonische Familie" vorstellt. Jeder war eigentlich mit seinen eigenen Anliegen beschäftigt und doch spürte man dass es eine gute Zusammengehörigkeit gab. Und dann am Sonntag Nachmittag kommt die Aufbruchstunde. Wir essen etwas früher als normal damit A und K so um 17.00 Uhr fahren können. Es wird nämlich ziemlich früh dunkel und die Wege von Linköping zu K sind nicht die besten. Man muss auch aufpassen wegen Elchen und Rehen.

Kennst du etwas, was Tove Jansson geschrieben hat? Ach, sicher wirst du sie kennen. Ihre Bücher gehörten zu unseren absoluten Favoriten als Anna klein war. Besonders erinnere ich mich an "Vem ska trösta knyttet?" das wir so gut wie auswendig konnten. Und heute habe ich im Radio wieder einmal das schöne Herbstlied gehört dessen Text auch Tove Jansson geschrieben hat. Ich habe ihn wörtlich übersetzt (sollte man ja eigentlich nicht tun mit Poesi) und habe ihn in Fotofolder gelegt. Es ist ein so schönes trauriges Lied von Vergänglichkeit... Vielleicht kennst du es, oder?

Was soll ich dir noch erzählen? Ach ja, der arme D. hat einen wahren Sturm im Lande entfacht mit einer Sportrezension. Er war in jungen Jahren einer der besten Fussballspieler und auch Eishockeyspieler und schreibt obwohl er nun Kulturchef ist ab und zu auch Sportartikel. Und jetzt hat er eine Mannschaft aus dem Süden Schwedens "Skånejävlar" genannt. (Skåneteufel). Man muss dabei wissen dass djävul ein sehr hartes Schimpfwort ist im schwedischen aber natürlich kommt es auch immer drauf an in welchem Zusammenhang man ein Wort verwendet. Jedenfalls hätte er es nicht tun sollen, denn er wurde von überall her angegriffen und sogar angemeldet wegen "hets mot folkgrupp" (klingt ja fast deutsch, oder?) Und der arme Kerl musste sich öffentlich verteidigen und was ich dir eben sagen wollte, am Ende seines Artikels zitierte er Updike und nennt Journalisten "ein träg- (oder zäh-?)bewegliches Reptilgeschlecht".
Er ist wahrhaftig ein grosser Fan von diesem Updike.
*
Und nun zu meinen "Mailbrüdern in der Schweiz" wie du sie nennst. Wie du ganz richtig sagst fehlt mir die Zeit und vor allem auch die Lust mich öfters mit virtuellen Personen zu unterhalten. Der vermögende Züricher hat mich mal Anfang 1999 im ST angesprochen (fast ein Jahr bevor ich Harro entdeckte) und ich erinnere mich noch dass unser Thema damals katholische Messen und gregorianischer Kirchengesang waren. Ich habe eine zeitlang mit ihm gemailt. Es war interessant zu sehen wie ein Mensch mit unbegrenzten Möglichkeiten sein Leben gestaltet.
Jetzt  habe ich lange nicht mehr geschrieben. Ich finde es besser dass er seine Zeit und sein Interesse seiner Frau (die mich auch "kennt") und seinen zwei kleinen Söhnchen widmet.
Und der andere, ein Junggeselle mit einem hektischen öffentlichen Leben und vielen schönen Freizeitaktivitäten.. Sportwagen, Motorrad.. und ständig auf der Jagd nach.. nein doch, na ja vielleicht auch schönen Frauen, aber besonders nach neuen aufsehenerregenden Projekten, du weisst solche wie wir sie beide hassen.
Natürlich muss ich schmunzeln wenn ich sehe was für prominente Leute dein virtual life bevölkern. Hatte auch garnichts anderes erwartet. Deine Vorliebe für den Adel kenne ich seit langem. ;-) Und wie man einen verborgenen Aetna entdeckt? Nein, darüber möchte ich vielleicht lieber nichts wissen..
Übrigens ist es in der Politik hier genauso gekommen wie ich es erwartet hatte. Die Grünen haben nachgegeben und unterstützen nun S und V (die Linken). Also kann Persson weiterregieren. Und zu den ersten neuen Dingen die er beschlossen hat gehört ein Strafzoll für Autos in Stockholms Innenstadt. Das hatte er vor der Wahl heilig geschworen nie einzuführen. Politik ist Politik.

Was Håkan Nesser betrifft ist er sehr sympatisch. Ich glaube nicht dass du dich genieren müsstest was zu fragen. Aber ich glaube er hat es im Moment nicht leicht. Sein gerade erschienener letzter Roman "Liebe Agnes", ein Briefroman, wird in allen Zeitungen gross als "skräp-roman" bezeichnet.
skräp = Schund, Quatsch, Müll, dummes Zeug sind einige von den Bedeutungen des Wortes, die in meinem Wörterbuch stehen. Ich frage mich nur wie er sich dabei fühlen muss.

Und sag bitte nicht mehr dass ich "ein trübes Wasser" bin. Wenn es möglich wäre würde ich dir gern den Schlüssel zu meinem Inneren geben. Du könntest dir alles in meinem Leben ansehen, meine innersten Gedanken lesen... Wenn ich von gewissen Dingen nicht schreibe ist es meistens weil ich denke dass sie dich nicht besonders interessieren können. Wenn du etwas wissen willst kannst du immer Fragen stellen.

Gute Nacht, mein lieber Mausfreund. Ich wünsche dir einen schönen ruhigen Tag,

HS
Marlena



(R)

Montag, 20. Oktober 2014

eine neue Philosophie


den 3 september  18:46
Erfinde dich neu..

Liebe Marlena
...
Na ja, Madeleines sind schön. Und ich habe irgendwie eine natürliche Neigung dazu und geniesse sie ausserordentlich. Doch Proust war ein kranker, hochneurotischer Mensch. Und in meinem Alter sollte man sich vielleicht mehr auf die Zukunft und auf die Wünsche konzentrieren, die das Leben bietet und die es verzaubern. Ich habe ein Buch mit ueber den Atlantik mitgenommen, das heisst: "Erfinde dich neu". Du siehst Marlena, wo ich stehe in meinem Leben. Ich muss meinem Haus nochmals einen neuen Anstrich verpassen und suche nach einer passenden, irgendwie postmodernen Farbe. So irgendwie. Hinter NY war auch diese Idee, unter anderem.

Habe ich gesagt, dass ich nicht ganz (und total und bodenlos) offen mir Dir reden will? Gibt es denn noch mehr unterirdische Räume zu öffnen? Irgendwie weiss ich, dass Du viele wilde Seiten hast, die Du in Mails hier kaum zeigst. Aber glaubst Du, ich will das nicht hören? Mich nicht daran freuen? Mich wundern? Dich wegen ihrer bewundern? Wenn es Dir wichtig ist, rede darüber. Ich werde bestimmt anbeissen. Ich erinnere mich, dass Du mal einen Vorschlag gemacht hast. Aber ich hatte damals gedacht, dass ich gar keine zusätzlichen Geheimfächer habe, die ich noch öffnen könnte.

Das Leben passiert in der Gegenwart. Und nur da. Die Sanduhr ist eine gute Metapher dafuer. Die Sandkörner liegen oben still, sozusagen als Potentialitäten der Zukunft. Und sie liegen unten still als Vergangenheiten. Allein in einem kurzen Moment in der Mitte bewegt sich jedes Korn. Und nur da bewegt sich etwas. Nur da ist Geschehen. Und das kleine momentane Geschehen ist eigentlich das Leben. Der Rest sind bloss Resonanzräume.
Ist das nicht gut gesagt. Wie Du merkst, suche ich eine neue Philosophie, die mich mehr auf Vordermann bringt. Ich versuche, ueber meinen Schatten zu springen. Wer weiss, wo das hinfuehrt.

Es gibt doch dieses Schauspiel von Frisch mit dem Titel "Biographie". Ich habe es in meiner Dissertation unter den spärlichen Literaturangaben angegeben, die ich gemacht hatte. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich das Stück damals in Zürich zusammen mit EM gesehen, meiner damaligen geheimen Liebe, die aber ihrerseits eine geheime andere Liebe hatte. Aber das Stück sagt doch, dass das Leben vielleicht schon eine Serie der verpassten Möglichkeiten sei, dass Du sie aber, könntest Du nochmals leben, sie nochmals verpassen würdest. Das Leben ist eben jenes der wahrgenommenen Möglichkeiten. Und das ist es.
...

Mit anderen Worten, Marlena, lass uns einbiegen in diese TOTALE, die völlig und bodenlos offen ist. Ich glaube, wir können ein neues Stockwerk in unserem Haus brauchen. Die bisherigen sind schon ziemlich mit Möbel und mit Madeleines verstellt. Das heisst ja nicht, dass die alten Stockwerke verschwinden werden. Wir können uns immer noch darin aufhalten und in sie zurückkehren. Aber das neue Stockwerk hebt das Dach ein Stück weit in den Himmel empor und ist total offen und umwerfend postmodern. Ich glaube jedenfalls, dass mir eine solche Raumerweiterung gut täte, ohne im Moment genau zu wissen, was ich Dir erzählte, was ich bisher nicht erzählt habe.

Ich wünsche Dir einen schönen Abend
Mit lieben Gruessen und Kuessen
...

PS Und wenn ich ehrlich sein soll, dann bin ich manchmal schon froh gewesen, dass Du weit weg lebst. In der Nähe hättest Du mich wohl an den Rand des Abgrundes gelockt. Vielleicht wären wir in Ronda gelandet? Weisst Du weshalb Ronda? Hemingway schwärmt ueber diesen Ort und empfiehlt ihn jenen, die mit einer Frau auszureissen gedenken (soweit man so etwas im Leben überhaupt "gedenken" kann). Dort oben in arktischen Breiten bist Du mir relativ sicher. Eine blosse Distanz nach - sagen wir - München wäre wohl die Hölle. Dann doch lieber in der Vorhalle als gleich in der Hölle.

Freitag, 17. Oktober 2014

Stichwort Schweiz


Ämne : CH
Datum : Thu, 4 Oct 2001

 
Liebe Marlena
Ja, die Schweiz. Darüber gäbe es viel zu berichten. Und über viele
Klischees.
Tatsache ist, dass wir ein reiches Land geworden sind, während die Schweiz
noch im 19. Jahrhundert als Armenhaus Europas angesehen werden konnte. Es
gab damals viele Menschen, die nach Amerika ausgewandert sind. Und - wenn
ich mich richtig erinnere - wurde ihnen oftmals mit öffentlichen Geldern die
Überreise bezahlt. Man wollte, dass sie gehen und man hat sie motiviert, zu
gehen.
Und heute?
Nun ja, ich glaube, wir sind in erster Linie ein konservatives Land. Das
waren wir wohl immer, denn ein Gemeinwesen von Bergbauern kann nie sehr
modern ausfallen.
Wir sind aber bestimmt ein fleissiges Land. Der Reichtum kommt nicht bloss
von den Bankkonti. Nicht nur. Ich glaube, wir arbeiten im internationalen
Vergleich viel und wir haben eine hohe Arbeitseffizienz.
Wir sind auch ein introvertiertes Land. Die Tatsache, dass wir heute noch
nicht Mitglied der UNO sind, ist doch sehr merkwürdig. Ich glaube, wir sind
das allerletzte Land der Welt in dieser Beziehung.
Wir sind ein unwirtliches Land. Wahrscheinlich die Hälfte unseres Bodens ist
nicht nutzbar, weil es sich dabei um Berge und Felsen und Steine und ewigen
Schnee handelt. Wir haben kaum Bodenschätze. Die gebirgige Landschaft ist in
jeder Hinsicht beschwerlich und erfordert einen hohe Aufwand.
Wir sind kulturell kein einheitliches Land. Die Tatsache, dass wir auf
diesem kleinen Raum mit vier Landessprachen und ebenso vielen wenn nicht
noch mehr Mentalitäten fertig werden müssen, soll man nicht vergessen. Das
ergibt landesintern oft erhitzte Gemüter, doch gegenüber der
Weltgemeinschaft geben wir uns gerne harmonisch und rosarot. Das politische
Klima ist von dieser Tatsache geprägt.
Wir sind ein enges Land. Wenn man mit der Eisenbahn durch die Schweiz fährt,
fällt einem auf, wie überbaut unsere Landschaft ist. Es gibt kaum mehr freie
Flächen und grössere Landschaften. Man fährt ständig durch Städte oder
Dörfer. Diese Enge prägt unsere geistigen Horizonte. Wir passen uns den
Gepflogenheiten und den Nachbarn an und denken nicht über die Dorfgrenze
hinaus. Wir lieben das Naheliegende.
Aber wir sind auch das Land der höchsten Dichte an Nobelpreis-Trägern und
wohl auch der Milliardäre. Der Volkscharakter der Exaktheit, des Praktischen
und Naheliegenden prädestiniert uns zu vorzüglichen Technikern und kühl
berechnenden Bankers, die eben auch mal was Neues erfinden.
Kurz und gut, es stinkt in der Schweiz zum Himmel. Und wir alle erwarten
doch sehr, dass die UNO uns einen roten Teppich ausrollt, damit wir uns
endlich überlegen, ob wir an dieser grossen Party mitmachen mögen oder
vielleicht und vorläufig immer noch unmutig abzuwinken geruhen. Wir haben
noch immer grosse Bedenken, diesem heterogenen und darum zweifelhaften Club
beizutreten, denn es gibt da einige sehr unattraktive Mitglieder. Wir
bewegen uns im Allgemeinen lieber in exklusiveren Kreisen. Und wir alle
finden es ziemlich unwürdig, dass wir bitten sollten, dieser wackeligen
Weltgemeinschaft beitreten zu dürfen, wo wir doch eigentlich überzeugt sind,
dass die Gemeinschaft eher uns bitten sollte, der Schweiz beizutreten.
Anstelle der Globalisierung sind wir für eine Helvetisierung der Welt.
Wir haben an der Genfer Universität einen Professor der Soziologie namens
Jean Ziegler. Sicher hast Du schon von ihm gehört. Er ist Sozialist und ein
harter Kritiker und Kämpfer gegen das schweizerische Bankensystem. Er hat in
der Vergangenheit feurige Bücher geschrieben. Doch dann hat man ihn mit
einer Prozesslawine immobilisiert. Und heute schreibt er nur noch Romane,
weil er anhand von romanhaften Aussagen gerichtlich nicht belangt werden
kann. Er hat ein gutes Herz, unser Jean Ziegler, und ich glaube, von der UNO
hat er einen Auftrag, den Hunger in der Welt zu analysieren und zu
bekämpfen.
*
Früher, als junger Mensch, wäre ich gerne Brite gewesen, natürlich einer aus
der britischen Obersicht, oder Franzose. Weniger ein Italiener oder ein
Deutscher. Von Spaniern hatte ich damals kaum noch was gehört. Doch ich
kann mich auch an meine erste selbständige Auslandreise erinnern. Ich fuhr
per Hitchhiking vom Wallis nach Paris. Pius war mein Leidensgenosse. Und in
Paris, in der Gegend der Porte d'Italie hatten wir ein drittklassiges Hotel
gefunden, wo viele arme Studenten abgestiegen waren. Die Dame an der
Reception war eine Pariser Matrone mit beachtlichem Volumen. All die
amerikanischen und deutschen Studenten mussten ihr Zimmer im Voraus
bezahlen. Sie mussten Geld hinterlegen. Nur uns, den zwei süssen Kerlchen
mit den hübschen Schweizer Pässen, hat sie dies erlassen. Und sie hat auf
die Schweizer und ihre Zuverlässigkeit ein Loblied gesungen.
Auf der Rückreise wurden wir von der Polizei aufgegriffen, weil wir in der
Banlieu von Paris auf der Autobahn standen und den Daumen hoben. Die Flics
brachten uns auf den Posten und kontrollierten die Papiere. Man hörte sie
munkeln, ah.. des Suisses ! Und dann kamen sie ganz freundlich zurück und
bedeuteten uns, dass wir eben nicht so offen und demonstrativ Hitchhiken
sollten, sondern etwas diskreter, weil es ja eigentlich verboten wäre. Und
sie liessen uns dann wohlwollend an denselben Ort zurück, an dem sie uns
aufgegriffen hatten, um unsere Reise fortzusetzen.
Du siehst, Marlena, in jungen Jahren hatte ich den Eindruck bekommen, dass
der Schweizer Pass ein höchst exklusives und wertvolles Papier darstellt.
Aber ich weiss auch, dass das heute nicht mehr so ist. Schade vielleicht.
Aber so ist es eben.
*
Komisch, dass ich zum Stichwort Schweiz soviele Worte verliere! Ob das
Zufall ist?
Mit einem schönen Gruss

Mittwoch, 8. Oktober 2014

Montag, 6. Oktober 2014

Herbsttag





Herbsttag

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los. 

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein. 

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. 


Rainer Maria Rilke

Sonntag, 5. Oktober 2014

Back in town



den 2 september 19:13
Back in town



Liebe Marlena

Jetzt ist mir gerade ein längeres Mail bachab gegangen. Schade.

Leider kann ich es nicht mehr holen. Ich habe es zwischengespeichert, aber hier kann ich es nicht hineinkopieren. Weiss der Teufel, warum.

Jedanfalls bin ich gut zuhause angekommen. Es kommt mir vor die Aesops Fabel von der Schildkroete und dem Hasen. Na ja, Du weisst schon, was ich meine. Du bist einfach lieb.

Aber ich bitte Dich, nicht zu sehr auf Dich selbst zu verzichten. Schreibe Deine eigenen Dinge. Ich mag Dich besonders da, wo Du keck und draufgängerisch bist. Wir haben doch die Mails, um uns auszutoben ;--)

Das ungefähr war der Inhalt.

Mit lieben Gruessen und Umarmungen
...

Willkommen



Subject: Willkommen
Date: Mon, 01 Sep 23:04:49

Lieber ...,
---
Wenn ich richtig denke, dann sitzt du nun schon am Flugplatz und wartest auf das Embarquement. Und nun weisst du, dass du nicht zu spät kommen wirst. Wenn ich gewusst hätte, dass du noch ein Mail von mir empfangen konntest vor der Abreise, dann hätte ich dir sofort geschrieben. In Gedanken habe ich dich auch zum Abschied geküsst, dort am Flughafen. Es war so als müsste ich zurückbleiben und dich in die ferne Schweiz reisen lassen. Und wenn du landest werde ich auch dort sein und dich Willkommen heissen, wie einen lange vermissten Geliebten. Halt Ausschau nach mir.. :-)

Wie gut du sie beschreibst, diese Zeit von Aufbruch, das Gefühl wenn eine Tür hinter einem zuschlägt und man weiss, dass es endgültig ist.

Ich freue mich auf deine Heimkehr, obwohl ich (fast) immer bei dir war. Ich glaube du wirst es geniessen, wieder in Ruhe hinter deinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Deine fleissige Sekretärin wird alles in Ordnung gehalten haben. Und dann wirst du dir deine New York-Ecke einrichten und deine kleine Freiheitsstatue aufstellen. Du wirst die Tauben begrüssen, die auch auf dich gewartet haben. Deine Emmas. ;-) Und deine Familie wird sich versammeln und glücklich sein, dich heil wiederzusehen. Und wenn du in deine Mailbox schaust, wird wohl eine Flut von Mails herausfallen und darunter auch dieses. Es war ein schönes und grosses Erlebnis mit dir in NY zu sein. Manchmal übertrifft das VL das RL.

Schön, dass du Barbara gefunden hast. Die Sängerin mit der schönen Stimme und dem tragischen Schicksal. Es gibt aber unendlich viele gute Sängerinnen auch nach Barbara. Ich habe wohl etwas vernachlässigt, dass ich dich nicht mit ihnen bekannt gemacht habe. Manchmal habe ich stark den Eindruck, dass ich in deine Welt hineingestiegen bin und meine eigene fast verlassen habe. Und von Dingen, bei denen ich vermute, dass sie dich nicht interessieren werden, spreche ich selten, obwohl sie ein Teil meiner Welt sind. Das sollte ich eigentlich nicht tun.
*
Ich habe heute Nachmittag wie wild gekocht. Nein, lach nicht! Ich meine ich habe hungrig eingekauft und alles mögliche mitgebracht, das ich dann ja auch zubereiten musste. So habe ich nun Essen für mich für die ganze Woche und ausserdem 7 Mittagsportionen für Anna eingefroren. Fleisch, Hähnchen, Kalbsleber.. und zum Schluss habe ich noch Reis gekocht, damit ihre Portionen komplett sind. Sonst muss sie ja immer Pasta oder Kartoffeln dazu kochen.

Anna hat gute Vorlesungen gehabt heute. Sie war ganz zufrieden damit. Ich glaube es gefällt ihr, wieder eine feste Agenda zu haben. Und ich hätte jetzt noch ein diagnostisches Test ausschreiben sollen. Aber das kann bis morgen warten. Du bist wichtiger.

Du weisst, dass ich ab und zu Anna was von dir erzähle. Es ist schön jemanden zu haben, mit dem man über dich sprechen darf. Es macht dich mehr real. Und heute habe ich ihr erzählt wie du die Nationalhymne singst und sie hat genau wie ich reagiert. Es ist komisch, aber sie findet es ganz natürlich, dass es dich in meinem Leben gibt. Und es bleibt zwischen ihr und mir. Ich frage mich manchmal ob W. von meiner Existens weiss. Ich meine, man kann doch sagen dass man mit einer seriösen alten Oberstudienrätin berufliche Gedanken austauscht. ;-) Aber ich glaube er wäre trotzdem eifersüchtig. :-)

Es ist spät und ich muss dich lassen. Wenn du dieses Mail liest, dann küsse ich dich nochmals Willkommen. Ganz keusch, auf die Schläfe. Und ich umarme dich auch fest und halte dich lange vor Glück, dass du wieder da bist.
Alles Gute für diesen Tag wünscht dir
Marlena

Samstag, 4. Oktober 2014

Re: Pleasant journey!


Ämne: Re: Pleasant journey!
Datum: den 1 september 20:03

Liebe Marlena
Jetzt ist 2pm. Und in ein paar Minuten werde ich die Tuere, die selber schliesst, nicht mehr oeffnen koennen. Ich sollte also nichts liegenlassen, vor allem nicht Pass oder Ticket. Und weil hier niemand zum Abschied zu kuessen ist, kuesse ich Dich zum Abschied. Lucky you!
Ich bin - was ich in meinem Leben noch sehr selten getan habe - in ein Musikgeschaeft gegangen. C. hatte davon gesprochen. Und weisst Du, was ich gefunden habe. Eine CD von Barbara. Es gab eine ganze Reihe franzoesischer Platten. Schliesslich bin ich doch bei B gelandet. Greco hat es keine gehabt. Aber ich habe eine schoene von Dir. Und dann bin ich nochmals Toilettenartikel holen gegangen. Ich hatte noch etwas Geld uebrig. Und B's Wuensche sind gross. Also habe ich noch eine zweite Ladung geholt. Eigentlich wollte ich fuer sie eine CD kaufen. Aber ich kenne mich in diesen modernen Trends so denkbar schlecht aus, dass ich kleine Erfolgschance habe.
Um sicher zu gehen, habe ich also B gewaehlt.

Und jetzt bin ich bei meinem letzten Kaffee. Und dann gehe ich. Ich bin ein bisschen nervoes. Vielleicht der Kaffee? Oder die Unklarheit, bis ich am Flughafen bin. Man sagt von Freud, dass er eine riesige Angst hatte, zu reisen, und dass er schon Stunden vor Abfahrt des Zuges auf dem Bahnhof war. Na ja, vielleicht werde ich Freudianer. Das kommt der Wiener-Mischung naeher.
Ich glaube, ich habe wirklich alles gepackt. Es gibt nichts, was ich vergessen koennte. Soll ich der Nachbarin zum Abschied einen Kuss auf die Stirn druecken. Ach nein, ich will nicht, dass sie einen Herzstillstand erleidet.
Wir sehen uns morgen, nicht wahr? Habe eine gute Nacht.
Mit lieben Gruessen und transatlantischen Kuessen a la Golfstrom
...

Retour d'Amérique



Ämne: Retour d'amerique
Datum: den 1 september 17:09

Liebe Marlena
Es ist bald 10 am. Meine Gastgeber werden um 10 abfahren fuer den Brooklyn Carneval. Es scheint, sie haben das ganze Jahr darauf gewartet. Und sie sind ganz aus dem Haeuschen. Das Problem ist, dass man dort drueben etwa 3 Millionen Leute erwartet. Und es gibt vielleicht 10 Toiletten. So muss man die Dinge hier erledigt haben. Und das ist es, was sie im Moment tun.

Ach, ich habe nicht gewusst, dass es einen Atlas gibt fuerdie Kunst des Kuessens. Da gibt es zivilisierte Regionen und auch unwegsames, gefaehrliches Gelaende. Sozusagen Rotkaeppchen-Wege, wo der Wolf lauert. Ich verstehe. Ich werde mich vorerst an die autorisierten Pfade halten. Man verlaeuft sich so auch viel seltener und kommt auch so zu schoenen Aussichtspunkten. Wie Du zu dieser Schlaefenpartie kommst? Sie ist doch bei aelteren Leuten oft sehr ausgepraegt;

Ich habe immer noch nichts von Federer gehoert. Ist er gut im Rennen? Die Amis zeigen wirklich nur ihre eigenen Pferde. Und dabei ist Federer ein zweiter Sampras, wenn man von seiner Spielanlage her schaut. Vielleicht ist er nicht so handsome, wie die Tuerkin im Kurs festgestallt hat, aber er spielt ein wunderschoenes Tennis, das so leicht erscheint. Und immer, wenn etwas leicht scheint, ist Kunst im Spiel.

Ich werde ungefaehr am Mittag hier losziehen. Da ist zwar noch sehr viel Zeit. Na ja, vielleicht genuegt es, wenn ich um 14h gehe. Der Bus benoetigt ungefaehr eine halbe Stunde. Und sie fahren alle halben Stunden, wenn ds auch am Labour Day so ist. Das weiss ich eben nicht so genau. Ich haette also noch Zeit, Dir ein kleines Geschenklein zu posten. Moechtest Du was Kitschiges? Na ja, ich will nicht zuviel versprechen.

Deine Idee von Wien ist gut. Ich wuerde auch wieder mal gerne dorthin fahren. Auch Walter ist ein grosser Fan Wiens. Manchmal erzaehlt er mir vom Wiener Zentralfriedhof, als ob es der Garten Eden waere. Ich glaube, seit sich Europa vergroessert, wird Wien immer wichtiger. Es ist unser Brueckenknopf zum Balkan, und die Oesterreicher haben ein besseres Verstaendnis von jenen Menschen dort. Sag mir, wann Du gehst, Marlena, ich werde sehen, was sich tun laesst. Vielleicht muss ich dann einen Kurs in klassischer Psychoanalyse nehmen. Dann werde ich auch gleich das Kanapee mitschleppen. Freud hat im Grunde auch mit Hypnose angefangen. Das hatte er bei Charcot in Frankreich gelernt. Und das habe ich - glaube ich - schon mal erzaehlt. Aber sein Zeitalter war so rationalistisch und vernunftorientiert, dass er glaubte, davon wegkommen zu muessen.

Gestern habe ich im Central Park einen aelteren Mann gesehen, der aus der Handschrift las. Wie ein fortune teller, aber eigentlich Graphologe. Die Kundin war eine Japanerin. Und sie musste etwas auf ein Blatt Papier schreiben. Es waren knappe 5 oder 6 Zeilen. Ich habe eine Weile zuegehort. Ich glaube wirklich, dass er ein bisschen Graphologie kennt. Aber die Datenbasis ist sehr fraglich. Einerseits schreibt eine Japanerin von Kindheit an eine voellig andere Schrift. Und 6 Zeilen sind zu wenig. Er interpretierte z.B. die Tatsache, dass sie ihre Unterschrift links hinsetzte anstatt rechts, wie er es von einem normalen Mitteleuropaeer erwarten wuerde. Man sagte in der Graphologie, Leute, die am linken Rnd unterschreiben, sind reserviert, vielleicht scheu, halten sich von anderen Menschen zuerueck. Aber heutzutage kann man das nicht mehr so eindeutig sagen. In vielen Geschaeftsbriefen setxen sie die Unterschrift neurdings linksbuendig. Seine Aussage war also etwas gewagt. Und er sagte ihr, dass sie ein bisschen stur sei. Ich kann mir vorstellen, wie man zu einer solchen Diagnose kommt. Aber wenn ein Mensch unsere Schrift erst mit 17 oder 18 Jahren zu schreiben beginnt (na ja, ich weiss nicht, die die Japaner das machen), dann bedeutete es etwas anderes. Wenn ich S.s Schrift anschaue, so habe ich den Eindruck, die arabische Schrift des Persischen und die Rechts/links Orientierung haben schon einen Einfluss.

Aber wie auch immer. Wenn ich diese Strassenunternehmer sehe, dann denke ich - lustig - ich koennte mich hier in NY auch durchbringen. Na ja, waere nicht gerade so buergerlich. Aber es waere nicht unmoeglich. Jeder hat seine Spezialitaet. Am Sonntag kam eine junge Frau durch die U-Bahn. Normalerweise wechselt man ja nicht den Wagen waehrend der Fahrt, aber es ist moeglich. In lauter, etwas weinrlicher Stimme verkuendete sie an diesem schoenen Sonntag Morgen, dass sie ohne eigenes Verschulden den Job verloren, keine Wohnung und keine familiaere oder staatliche Unterstuetzung habe, und dass sie im 3. Monat schwanger sei. Und dann ging sie durch und sammelte. Ich glaube, die Leute haben ihr gespendet, weil sie ihren Mut respektierten. An der 5. Avenue habe ich einen gesehen mit einem Stueck Pappe. Darauf stand: homeless, jobless, HIV. Wenn man sehr sarkastisch sein will, kann man sagen, dass er als Bettler hoch qualifiziert sei. Es gibt bestimmt auch solche, die das ausnutzen. Wir schweizer sind ein bisschen misstrauisch. Und irgendwie habe ich die Ueberzeugung, es sei Sache der Amerikaner, ihnen zu helfen.

Auf dem Perron von Grand Central Station habe ich am Sonntag Abend einen Japaner gesehen, den ich schon vor einer Woche gehoert habe. Er hat ein Saiteninstrument, eine Art tisch, und daran zupft er. Er spielt so konzentriert und er ist sehr ordentlich gekleidet, mit Kravatte und Jacket. Aber gleich ueber ihn ist eine Art Air Condition Maschine, die vollbringt einen solchen Laerm. Und wenn die Zuege ein und ausfahren, wird es gleich doppelt laut. Man hat den Eindruck, er habe wirklich den schlimmsten Ort gewaehlt fuer seine traditionelle asiatische Musik. Aber er spielt wie ein Konzertspielter, mit hochernster Miene und mit Inbrunnst. Aber es sind wirklich nur wenige, die ihm eine Kleinigkeit spenden. Es sind vielleicht ein paar Asiaten, die durch die Toene ein bisschen Heimweh bekommen. Und sagt diese Art von Musik nicht besonders viel. Doch letzten Sonntag habe ich ihm gespendet. Ich habe seinen unbeugsamen Willen respektiert.

So, liebe Marlena, bevor ich hier losgehe, werde ich noch einen kleinen Spaziergang im Village machen. Es sind die letzten Eindruecke, die ich mitnehme. Es ist hier Sonntagsstimmung. Fast nichts laeuft. und ich bin sicher, dass auch nicht alle U-Bahnen fahren.
Wir sehen uns wieder in der Schweiz, nicht wahr?
Mit lieben Gruessen und Kuessen in den autorisierten Zonen
...


Freitag, 3. Oktober 2014

Pleasant journey!


Subject: Pleasant journey!
Date: Mon, 01 Sep  08:43

Lieber ...,
Manchmal, wenn ich aufwache, wünsche ich dass der Tag schon vorüber wäre. Aber dann, nach einem starken Kaffee ist die Welt wieder OK. Und wenn ich dein Mail finde, ist sie sogar schön. Du siehst, wie wichtig du bist. Ich glaube auch es ist gut, den Tag mit einem Lachen zu beginnen. Ich höre dich im Moment die amerikanische Nationalhymne "zweistimmig gackern". Kann dir garnicht sagen wie das klingt. Ganz einfach umwerfend! ;-))
Wie schön, dein wiederholter Besuch in dem Museum. Und dann später wirst du vielleicht virtuell hineingehen können, um dein Gedächtnis aufzufrischen. Ich komme auch wieder mit, wenn du es zulässt.
Und ein richtiger Amerikaner bist du geworden, der sogar den einheimischen in der Weltstadt zurechthilft. Was hast du für einen vortrefflichen Reiseführer? Und natürlich ist es auch dein Aussehen, das die Leute gerade dich fragen lässt. Vertrauenerweckend erscheinst du ganz bestimmt.
---
Du schläfst noch süss. Hier scheint die Sonne schräg in den Garten und der Tau schimmert auf dem Rasen. Es war kalt in der nacht. Nur 0,8 Grad. Ich hoffe, dass nicht Frost kommt und alle schönen Blumen zerstört.
Ja, in der Reklame hier im Hotmail sieht man, dass dort drüben heute Labor Day ist. Und man empfiehlt den Leuten ein gutes Essen mit Fleisch glaube ich. Ach, es wird schön für dich sein, wieder zu Hause mit guten Gerichten verwöhnt zu werden. Schade, dass ich das nicht tun darf.

Ich muss mich vorbereiten auf meine Stunden. So wünsche ich dir einen Guten Morgen und einen schönen letzten Tag in NY. Und ich heisse dich auch herzlich Willkommen zu Hause.. obwohl ich immer bei dir war.
Jetzt schleiche ich vorsichtig an dein Bett und küsse dich zärtlich auf die Schläfe. Hals und Ohren gehören in eine verbotene Kategorie. Weisst du das denn nicht? ;-)

Mit lieben Grüssen
Marlena

So schön wünsche ich dir die kommenden Tage..

Late sunday evening..


Ämne:  Late sunday evening..
Datum: den 1 september  06:28


Liebe Marlena
Montag um 6pm fliege ich von Newark. Und gleichzeitig ist der Montag der Tag der Arbeit in den USA, also frei. Ich hoffe, es gibt ein paar Busse nach New Jersey. Aber ich habe ja den ganzen Tag Zeit, ich koennnte fast zu Fuss gehen.
Heute war ich den ganzen Tag im Metropolitan Museum. Es war herrlich. Ich habe mir nochmals die Malerei Europas des 19. Jahrhunderts angeschaut. Letztes mal war ich natuerlich schon ein bisschen abgelenkt durch die kolumbianische Begleitung.
Pissaros und Sileys gibt es einige. Pissaro hat ja irgendwie eine milde, fast mystische Palette, und auch Sisley ist immer sehr harmonisch. Man sagt von Pissaro, er waere der Vater der Impressionisten gewesen. Und das ist in dem Sinne gemeint, dass ihn alle akzeptiert haben. Und dass er einige von diesem Malstil ueberzeugt habe. So auch Monet, wenn ich mich richtig erinnere. Ein Vorbild Monets in den fruehesten Jahren war Boudin. Er lebte auch an der Kanalkueste. Boudin hat wunderschoene kleine Strandbilder gemacht, die ich sehr schaetze. Ich glaube, Boudin hat Monet zur plein air Malerei gefuhert.

Und was Du sagst ist wahr. Wenn man Impressionisten anschaut, sollte man an das Jeu de Paume denken, nicht an das Musee d'Orsay. Das ist die richtige Umgebung fuer die Impressionisten, die einen anziehen. Es gab ein sehr schoenes Fruehlingsbild von Monet, das ich noch nie, auch nicht in Reproduktionen gesehen habe. Es ist ganz leicht, von einem fruehlingshaften und luftigen Gruen. Es ist sehr schoen. Und wenn ich sowas sehe, dann denke ich, ich sollte doch auch in der Lage sein, ein aehnliches Bild zu malen. Aber die Leichtigkeit, die aus dem Bild strahlt, ist eben die Kunst. In wirklichkeit ist es ziemlich schwierig und erfordert langes Studium der Pinselfuehrung und der Farbwahl.

Heute, in der U-Bahn, ist mir wieder aufgefallen, wie intensiv das amerikanische Englisch eigentlich ist. Vor allem bei Frauen faellt es mir oft auch. Natuerlich gibt es auch Maenner mit einer tiefen Stimme, die aehnlich durchdringend klingen. Aber bei den Frauen ist es einfach ganz erstaunlich, was sie mit ihrem Organ produzieren. Es ist geradezu ein eroberndes Organ, mit kolonialistischen Zielen. Ich meine, die Sprache klingt manchmal so scharf und durchdringend, dass sich Italienisch daneben wie ein Schlafliedchen neben einer Polizeisirene anhoert.
Hoer mal, wie sie "really" sagen! Kein Mensch kann das im Erwachsenenalter noch lernen, wie die Amerikanerinnen really sagen. Dazu muss man von Kindsbeinen an trainiert werden. Da ist sowas Schillerndes drin, eine Koloratur, die sich fast ueberschlaegt, aber doch nicht. Ich glaube, man hoert schnell, ob einer ein echter Amerikaner oder bloss ein Zugewanderter ist.

Und Zuwanderung scheint ein bliebtes Konversationsspiel hier zu sein. Jeder hat irgendwelche Vorfahren in Europa. Und Randy Rosenthal im Kurs behauptete, die seinen waeren vor 400 Jahren aus der Schweiz ausgewandert. Na ja, vielleicht wollte er besonders nett sein zu mir. Aber aus der Schweiz kamen sie mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht. Doch fuer einen Amerikaner ist das dort drueben ohnehin einerlei.

Ich merke, dass ich Abschied nehme. Heute ist mir im MET, auf dem Buffet im grossen Wintergarten, eine Platte mit einer Kreuzbeige von Toblerone-Verpackungen aufgefallen. Du kennst doch Toblerone. Das ist diese Schweizer Schokolade, die ausschaut wie die Schweizer Alpen in ihrer schoensten Auspraegung. Sie ist dreieckig und sie schmeckt ein bisschen nach Honig. In der 5. Ave bin ich in einen Lindt-Laden geraten, um zu sehen, wie teuflisch teuer diese Schokoladen in NY sind. Und schliesslich bin ich wieder in der Empfangshalle des Hyatt Hotels gestrandet, wo sie gerade Tennismaetche aus dem US open gezeigt haben. Ich habe mindestens 1.5 Stunden gewartet und gehofft, sie wuerden unseren Roger Federer mal zeigen. Sie haben ihn ein paarmal erwaehnt. Aber beim Spielen habe ich ihn nicht gesehen. Du siehst, ich bin schon auf dem Heimweg. Die Amis sind in sportlichen Dingen recht grosse Chauvinisten. Sie zeigen vor allem ihre eigenen Stars, und die anderen nur, soweit sie das muessen, weil sie beispielsweise im Final spielen. Aber auf den Fotos an den Waenden, riesengross, oder in den Vorspannst am Fernsehen sind es immer die amerikanischen Koepfe. Das faellt uns Schweizern natuerlich besonders auf, denn bei uns am Fernsehen sind es ja meist die Auslaender, die wir sehen. Wir haben nicht soviele Stars, die bis in die vordersten Raenge kommen.

Ja, ich muss langsam ans Packen denken. Das ist fuer mich ein Horror. Ich habe noch nicht mal meine Karten auf die Post gebracht. Ich muss meinen Gastgeber darum bitten. Aber ich habe morgen ja noch Zeit bis gut ueber den Mittag. Sie haben mir gesagt, dass sie um 10am losfahren, um den Brooklyn Carneval zu besuchen. So werde ich den Schluessel hier lassen und allein losziehen. Ich will noch rasch in einem Indischen Laden ein moeglichst scharfes Gewuerz suchen. S. mag heisse Gerichte.
Na ja, das Packen ist eigentlich nicht so kompliziert. Ich habe vor allem schmutzige Waesche, ein paar neue Buecher, eine kleine Souvenir-Freiheitsstatue, einen Hut, einige Tuben Hautcreme und ein dickes Buendel Postkarten. Ich habe zwar eigene Fotos gemacht mit einer kleinen Kamera. Aber die Postkarten sind oft signifikanter. Deshalb kaufe ich mir immer welche, die ich zuhause in einer grossen Schachtel aufbewahre, wahrscheinlich, um sie in Zukunft einmal meinen Enkelkindern mit den entsprechenden Geschichten geschmueckt wieder zeigen zu koennen. Ich habe heute einige Zeichnungen gemacht. Weisst Du, Marlena, ich habe mir fuer NY einen Block zusammen gestellt. Ich habe dabei abwechslungsweise ein duennes Papier und ein dickes Zeichenpapier genommen. Auf dem duennen habe ich meine Tagebuchgedanken niedergeschrieben. Und auf den dicken wollte ich zeichnen. Und jetzt habe ich festgestellt, dass die duennen praktisch vollgeschrieben sind, die dicken aber noch mehr als zur Haelfte leer. So muss ich mit der rechten Hirnhaelfte etwas aufholen!

Im Starbucks an der 5. Ave habe ich einen Kaffee getrunken. Es gibt ja dieses kleine Tischchen daneben, wo man Zucker und Milch dazumischen kann. Man muss dazu den Deckel des Bechers abnehmen. Und der haelt ziemlich gut. Wenn man ungeschickt ist, kann man dabei den ganzen Becher auskippen. Und meist fuellen sie ihn so sehr, dass man kaum noch Milch dazu giessen kann. Und wenn der Becher zu voll ist, bringt man den Deckel kaum noch drueber. Du siehst, diese amerikanische Trinkart hat ihre Tuecken. Es sieht zwar aus wie ein Baby-Drink, erfordert aber die Fingerfertigkeit eines Taschendiebes. Man kann allerdings aus diesem Kaffee auch bei idealsten Beimischungen bestenfalls eine Art warme Limonade erreichen. Mehr wird nicht daraus. Er war schrecklich, der Starbucks-kaffee aus der 5. Avenue. Und ich bin wirklich nicht sonderlich empfindlich in diesen Dingen. Aber ich habe dann zu diesem schrecklichen Kaffee einige Skizzen gemacht. Das war ganz unterhaltsam. Skizzieren ist gut, weil man sich dann die Dinge wirklich gut anschaut. Und zum Schluss konnte ich noch Schlange stehen, um auf die Toilette zu gehen. So laeuft das bei den Amis.

Es ist kuehl geworden jetzt. Man merkt, dass der Herbst kommt. Ich mag diese Zeit. Man zieht wieder was Richtiges an und geht in die Stadt spazieren. Eine Pfeife wuerde jetzt fantastisch gut schmecken.

Die Leute hier halten mich echt fuer einen NYer. Immer wieder fragen mich Menschen nach dem Weg. Die ersten paar Male habe ich mich entschuldigt, ich sein hier auch nur Tourist. Aber jetzt nehme ich meinen Stadtplan zur Hand und helfe weiter. Ich habe den Verdacht, dass mich sogar Amerikaner nach dem Weg fragen. Heute in der U-Bahn musste ich jemanden aufklaeren, dass es local und express Zuege gibt. Und sie war bestimmt eine Amerikanerin. Und im Starbucks half ich einem Kanadischen Paar weiter, das Empire State Building zu finden. Na ja, ich muss zugeben, mein Fuehrer ist wirklich sehr praktisch. Ich habe mir eigentlich gar nicht soviel gedacht, als ich ihn in Basel gekauft hatte. Ich dachte mehr, er sollte vielleicht nicht zu dick sein. Aber er ist wirklich super-praktisch. Die meisten Touristen gehen hier mit grossen Karten herum und sehen aus wie Pfadfinder auf einem Orienterungslauf. Ich habe mein kleines Buechlein und finde sofort alles. Es ist ganz logisch aufgebaut und bestimmt empfehlenswert.

Im MET habe ich nochmals eine Sammlung von 30 alten Fotos ueber NY gekauft. Ich mag sie sehr, und es gibt sie bestimmt zu Tausenden. Sie zeigen die Stadt im letzten Jahrhundert, meist wohl aus der Vorkriegszeit. Ich werde wohl einige davon rahmen und mir eine NY Ecke in der Bibliothek einrichten. Dazu kommt auch die kleine Freiheitsstatue. Sie ist natuerlich ein bisschen kitschig. Aber vieles ist hier kitschig. Ich wollte zuerst sogar dieses kleine Spielzeug kaufen, Du weisst sicherlich, was ich meine. Es ist eine Glasglocke. Darin ist eine farbenfrohe Szenerie aufgebaut, hier beispielsweise ein paar Wolkenkratzer. Und wenn man schuettelt, wirbelt Schnee in der Gegend herum. Das ist der totale Kitsch. Das ist aber so eindeutig kitschig, dass man es sich schon wieder leisten kann. Habe ich aber dann schliesslich doch nicht. Ich fand die Szenerien, die darin zu sehen waren, immer sehr duerftig. So habe ich mich schliesslich fuer die Statue entschieden. Sie ist immerhin aus Europa, ein Geschenk der Franzosen, das die junge Demokratie arg in Verlegenheit gebracht haben soll, weil man nicht wusste, wo dieses Moebel aufzustellen waere. Schliesslich hat man diese Insel vor Manhattan gewaehlt. Vielleicht haben die Franzosen die Statue als trojanisches Pferd gedacht? Immerhin haette man darin eine gute Hundertschaft an Soldaten unterbringen koennen. Und sicherlich haetten die Amerikaner diese Dame mit dem Soft-Ice, welches sie dem lieben Gott hinstreckt, damit er auch mal kosten kann - dann und wann am liebsten den manchmal etwas arroganten Franzosen wieder nach Paris zurueckgeschickt. Aber geschenkt ist geschenkt. Ein solches Geschenk wird man nicht so schnell wieder los.

Jetzt fange ich an zu froesteln. Ich glaube, ich muss schliessen und werde mich dran machen, das wichtigste zu packen. Dann wird es morgen etwas ruhiger zu und her gehen. ich habe heute noch Eier und Wasa/Brote gekauft. Ich kann die armen Leute hier ja nicht mit leeren Schraenken zuruecklassen. Ich habe wirklich noch nie in meinem Leben soviele Eier gegessen. Ich koennte, wenn man es von mir verlangte, die amerikanische Nationalhymne zweistimmig gackern. Dagegen hatte ich wenig Fleisch waehrend der zwei Wochen. Heute hatte Ch. zu meinem Abschied ein japanisches Fondue gemacht. Aber ich kam - wegen der Tennismaetche im Hyatt - ein bisschen spaet. So ist nur sehr wenig Fleisch uebrig geblieben. Doch das macht nichts. Ich hatte oben beim Central Park schon eine Pizza gegessen und das eigentlich als Nachtessen gedacht.

Nun wuensche ich Dir einen guten Wochenanfang. Und ich hoffe, bei mir geht es auch gut. Das naechste Mail kommt wieder aus der Schweiz. Ich danke Dir wirklich, liebe Marlena, fuer Deine nette Begleitung. Ich glaube, wenn ich erzaehlen kann, bleiben mir viele Dinge viel leichter. Man weiss das von der Schule. Man sollte den Schulstoff am gleichen Abend nochmal rasch durchgehen. Dann bleibt er im Langzeitgedaechtnis. Empfiehlst Du das Deinen Schulern auch?
Mit lieben Gruessen und amerikanischen Kuessen (wohin auch immer; Du hast recht, in den Schlaefen ist man sehr sensibel, da gehen sie direkt ins Blut: aber Hals ist auch nicht schlecht, oder ins Ohr...)

Saturday night stories.....



Ämne: Saturday night stories.....
Datum: den 31 augusti  04:05

Liebe Marlena
Du profitierst davon, dass ich mich ein bisschen ausruhen muss. Ich bin jetzt nur ein paar Schritte die Strasse hinauf und hinunter gegangen. Es sind hier vor allem junge Leute, die abends herumschwirren. Viele Asiaten. Ich wuerde sagen 70% sind Asiaten, viele Maedchen. Sie sind qar duenn und klein, aber sie scheinen eine starke Rasse. Es gibt hier viele Boutiquen, kleine Laeden mit allerlei Ramsch, auch Handwerksachen wie Geschirr, und dazwischen kleine Restaurants, oftmals auch asiatische. Manchmal gibt es nur vier oder 5 Tischchen.
Es sind die neuen 68er, die hier ihre alternativen Ideen leben wollen. Und das mitten in einer Weltstadt.
Ich habe fuer B irgend eine Hautcreme gesucht und am Broadway sogar gefunden. Das war beinahe 9pm und immer noch offen. Sowas waere in der Schweiz ein Verbrechen mittleren Grades. Und dann auf dem Rueckweg bin ich nochmals in einem Buchladen gelandet. Beim Eingang steht meist ein Waechter. Dort muss man Taschen ablegen. Und dann kann man erst rein. Allerdings hatte ich erst drinnen bemerkt, dass ich meine Brille gar nicht mit hatte. Es gab interessante Buecher, aber angesichts fehlender Brille, wollte ich mich nicht auf ein Pokerspiel hinauswagen. Eines von einem Irlaender haette mich interessiert. Hat einen guten Titel: Shakespeare may be difficult ... but life is difficult!, Es ist offenbar eine Einfuehrung in die Dramen Shakespeares.
Es gibt hier soviele Buecher aus dem Taschenverlag, wie man sie auch in Zuerich findet. Genau dieselben Buecher, nur in Englisch. Oft sind es Bildbaende, mit eher weniger Texten. Ich habe schon etliche zuhause. Es ist eine ausgezeichnete Reihe. Kennt ihr sie auch in Schweden? Er nennt sich Verlag Taschen.

Im Village habe ich 2 Papayas gekauft. Sie sind schon ein bisschen weich. Letzthin hatte ich eine harte erwischt. Die schmecken nicht halb so gut. Diese hier sind wirklich weich wie Butter. Sie kommen aus Mexiko. Und ich hoffe, sie seien vollgepumpt mit Vitaminen. Und wenn man sie gegessen hat, und noch den Stein abnagt, dann bleiben einem die Fasern zwischen den Zaehnen stecken. Das ist etwas unangenehm.
Aber es geht mir jetzt schon bedeutend besser. Und mit der amerikanischen Tastatur komme ich immer leichter zurecht. Den z druecke ich mit dem kleinen Finger links unten, dort wo sonst das y ist.

Eigentlich wollte ich irgendwo noch einen Kaffee trinken. Aber die Starbucks in der Naehe sind ein bisschen ungemuetlich. Man hat den Eindruck, dort sitzen im Moment - das heisst am Samstag Abend um 9pm - nur die Langweiler herum. Am Kiosk in der Naehe haben sie die Frankfurter Allgemeine und die NZZ. Aber sie waren beide vom Freitag. Nichts ist aelter als eine Zeitung von gestern. Und im Internet habe ich die NZZ vom Wochenende schon ein bisschen beschnuppert. Habe aber nichts besonders Interessantes gefunden. Das waere auch schwierig. Hier auf dem Bildschirm ist die Schrift so klein, dass ich Muehe habe bei laengeren Texten.

Ich glaube, ich ziehe mich ins Bett zuerueck. Dann bin ich vielleicht morgen noch fuer etwas zu gebrauchen.
Ich wuensche Dier Marlena einen schoenen Sonntag. Der beginnt bei Euch ja gleich.
Mit lieben Grussen
...

Donnerstag, 2. Oktober 2014

Still sadurday


Ämne: Still sadurday
Datum: den 31 augusti  00:49


Liebe Marlena
Ach, so ein langer Witz! Er ist gut. Ich habe ihn auch verstanden, was nicht immer selbstverstaendlich ist. ;--))
Heute war ich nochmals an der 5. Avenue. Samstagsstimmung wie vor einer Woche. Aber diesmal war etwas bewoelkt. Bei Tiffany bin ich nicht mehr hineingegangen, sonst waere ich herausgekommen wie der hired farmer. Oben beim Central Parc ist die 5. sehr elegant. Je weiter man runter kommt, desto gewoenlicher wird sie. Ich bin von oben bis unten, bis ins East Village heimgewandert. Wahrscienlich hatte ich zuwenig Energie, eine U-Bahnstation zu suchen.

Meine Erkaeltung ist ein bisschen besser, aber noch nicht 100%. Aber es wird schon gehen. Ich habe soeben eine knappe Stunde geschlafen. Im Union Square gab es einen Markt, aehnlich wie auf dem grossen Platz in Basel. Sie verkaufen Gemuese und Fruechte, Blumen, auch selbstgemachtes Brot und Kuchen. Auch Kaese gab es, huebsche kleine Kaeslein. Ich habe mir ein paar Zwetschgen gekauft. Sie sehen wirklich robust und gross aus, dunkelblau, mit diesem hellen Schimmer oben drauf, den man abreibt, bevor man hineinbeisst. Fruechte sind ziemlich teuer hier. Wenigstens jene, die hier in der Naehe angebaut werden. Und die amerikanischen Masse, das waere ein eigenes Kapitel. Ein lb ist ein Pfund, und ein Pfund ist etwas mehr als 400 Gramm. Das ist wirklich noch altertuemlich, was die Amis hier aufbewahrt haben. Heute morgen habe ich mir schon hier im Village zwei Orangen gekauft, um zu etwas Vitamin C zu kommen. Man kauft sie als Einzelstuecke, so teuer sind sie. Na ja, es ist eigentlich jetzt nicht gerade Orangenzeit.

Am Morgen kam ich bei St. Marks vorbei. Da waren einige Schwarze vor der Kirche, alle in bester Kleidung. Ich setzte mich auf die Bank, einerseits, weil ich ein bisschen schwach war, andererseits wollte ich die Gelegenheit wahrnehmen, die Situation zu boebachten. Die Gesellschaft war quetschvergnuegt. Sie hatten auf der Strasse einen riesenlangen Wagen stehen, so eine Prominentenkutsche, ganz in weiss. Neben mir sass ein alter Ami, etwas aermlich gekleidet, mit seiner Frau - so nehme ich an - die im Rollstuhl eher vor sich hindaemmerte. Er sagte zu ihr, die wirklich nicht mehr ganz wach schien :"I thought it's a wedding .. but there is no groom .. so can't be a wedding". Und dann ist er mit seinem Rollstuhl abgezockelt.
Die schwarzen Frauen trugen die knalligsten Farben und die originellsten Schnitte. Ich glaube, sie naehen das selbst. Man sieht das an den Saeumen, wie Du sicherlich weisst. Und die Kleider passen ihnen nur ungefaehr. Aber die Knallfarben passen gut zu ihren austrucksstarken Gesichtern. Die Maenner waren dagegen eher ausdruckslos in schwarz. Einer hatte ein seidenes Revers und Hosen mit einem Seidenband an der Seite. Und einen aufgestellten weissen Kragen. Er hat sich wirklich in die Schale gestuerzt, sah aus wie ein alter Jazz Musiker. Dazu trug er einen schwarzen Schrim, obwohl die Sonne schien, mit dem er sich in Pose werfen konnte. Er sah gut aus, auch wenn die Hose etwas zu lang war. So standen sie eine Weile herum, liessen sich von Passanten begaffen, plauderten hier und dort und verzogen sich dann allmaehlich. Ich habe auch keine Braut und keinen Braeutigam gesehen. Vielleicht gibt es hier in Amerika Hochzeiten ohne Hochzeitspaar??

An der 5. Avenue gibt es auch ein Kirchlein. Es ist gebaut wie eine gotische Kapelle. Auch in der Naehe des Institutes gab es eine und unten in der Stadt ist nochmal eine, ich weiss nicht mehr, wie sie heisst. Diese gotischen Schmuckkaestlein wirken so zierlich und sakral zwischen den riesigen Gebaeuden, dass man sie irgendwie ins Herz schliesst. Vielleicht sind sie ja auch ein bisschen groesser, als sie scheinen, und wirken nur so neben ihren riesigen Nachbarn. Letzten Samstag, so erinnere ich mich, begannen abends die Kirchenglocken zu laeuten. Ich hatte zwar den Verdacht, das ganze sei ein Tonband. Es war so laut und deutlich zwischen den Wolkenkratzern. Aber es schuf eine heimatliche und irgendwie feierliche Stimmung.
Also, bei der Kirche an der 5. Avenue war auch eine Gesellschaft. Ich glaube, das waren Philippinen. Sie waren ziemlich gut angezogen und wirkten recht smart. Sie verschwanden dann in der Kirche. Bei einigen Frauen quoll das Fleisch unter den Armen aus den Kleidern. Sie waren alle wohl nur um 160 gross.
Und als ich dann auf diesem Markt in Union Square herumging und Vitamine suchte, da fing es an zu regnen. Das ist neu fuer mein NY. Die meisten schienen das nicht erwartet zu haben, und die Menge lichtete sich merkbar. Es war ein warmer Regen, und seine Naesse war schwer zu unterscheiden vom Schweiss auf dem Ruecken. Ich hatte sogar einen Schirm dabei, von der Schweiz heruebergebracht, und war froh darum.

Und dann bin ich die letzten Meter auch noch zu Fuss heim. Ich glaube, so habe ich den ganzen unteren Teil der 5. Avenue gemacht. Ach nein, der letzte Teil war Broadway. Die 5. Endet beim Washington Square Park, also bei der Universitaet NY. Aber ich bin doch ein gutes Stueck zu Fuss gegangen. Ich wollte S. ein kleines Geschenk kaufen von der mondaenen 5. Avenue und bin in verschiedene Geschaefte gegangen, wo ich mir natuerlich eher etwas verloren vorgekommen bin. Irgendwo hat mich eine Verkaeuferin angesprochen, eine Mulattin. Sie warf mir ein froehliches und gedehntes "hey' zu, als ob sie einen Flirt im Sinn haette. Dann fragte sie mich, wie es mir gehe, aber sie hielt sich irgendwie entfernt, so dass alles ziemlich spielerisch wirkte. Und spaeter fragte sie, ob sie mir helfen koenne. Sie schien sehr vergnuegt, so vergnuegt, dass sich bei einem Schweizer schon fast ein bisschen Misstrauen regt. Ich erklaerte, ich wolle nur so herumschauen. Ob ich etwas Spezielles suche. Ich sagte, nein, ich wisse nicht genau, was. Sie lachte wie ein Kind, welches das Osterei gefunden hat, uns meinte laut heraus "a present, right?" War eine suesse Situation, und alles spielte sich so zwischen Tablaren und Gestellen mit Blusen und Roecken und Struempfen ab, also eigentlich in einem Territorium, wo man sich als Mann eher in einem Auswaertsspiel empfindet.
Ich habe dann in einem anderen Geschaeft einen Hut fuer S. gefunden. Es ist war ein italienisches Modell, ganz einfach, ein Sommerhut aus Leinen in einem schoenen Rot. Na ja, das beste dran ist, dass er von der 5. Avenue stammt. Ich glaube, sowas gefaellt S. Eigentlich alle Dinge, die ich naeher anschaute, kamen aus Italien. Das ist mir aufgefallen. Das ist wohl am Geschaeft gelegen. Ich habe mir speziell noch eine Business/Card geben lassen, um S. zu zeigen, woher er stammt. Unter uns gesagt, Marlena, er war nicht so teuer. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, es war ein Ausverkauf. Aber das erzaehle ich S. nicht. S. hat ein bisschen die Einstellung, dass alles Gute auch teuer sei. Nach ja, nicht immer, aber im Zweifelsfall schon. Also bitte nicht weitererzaehlen!

Und jetzt sitze ich hier zuhause. Ich wollte nicht mit zur Party. Es ist noch etwas zu frueh, und ich bin sicher, sie kommen nicht vor 3 am heim. Das kann ein alter Mann wie ich nicht mehr durchstehen.
Ich schicke das, bevor es alles abstuerzt.
Mit lieben Gruessen
...

Etwas zum lachen


Ämne: Hier noch ein kleiner Witz
Datum: den 30 augusti  22:22

um dich etwas aufzumuntern. :-)

A successful rancher died and left everything to his devoted wife. She was a very good looking woman, and determined to keep the ranch, but knew very little about ranching, so she decided to place an ad in the newspaper for a ranch hand.

Two men applied for the job. One was gay and the other a drunk.


She thought long and hard about it, and when no one else applied, she decided to hire the gay guy, figuring it would be safer to have him around the house than the drunk.

He proved to be a hard worker who put in long hours every day and knew a lot about ranching.


For weeks, the two of them worked, and the ranch was doing very well.
Then one day, the rancher's widow said to the hired hand, "You have done a really good job and the ranch looks great. You should go into town and kick up your heels." The hired hand readily agreed and went into town one Saturday night.

However one o'clock came and he didn't return. Two o'clock and no hired hand. He returned around two-thirty and upon entering the room, he found the rancher's widow sitting by the fireplace with a glass of wine waiting for him.

She quietly called him over to her. "Unbutton my blouse and take it off," she said.

Trembling, he did as she directed.

"Now take off my boots." He did as she asked, ever so slowly. "Now take off my socks." He removed each gently and placed them neatly by her boots.
"Now take off my skirt." He slowly unbuttoned it, constantly watching her eyes in the fire light.

"Now take off my bra." Again with trembling hands he did as he was told and dropped it to the floor.
"Now," she said, "take off my panties." By the light of the fire, he slowly
pulled them down and off.

Then she looked at him and said,

"If you ever wear my clothes into town again, I'll fire you on the spot."

... zu früher Morgenstund..


Ämne: Samstag zu früher Morgenstund..
Datum: den 30 augusti 06:46

Lieber ...,
Schau dir das mal an. Die Uhrzeit meine ich. Schon um 6 Uhr früh bin ich aufgestanden um nach einem Mail von dir zu schauen. ...

Ach, wie schade, dass du eine Erkältung hast. In Gedanken eile ich zu deinem Bett mit einem warmen Tee mit Honig und auch etwas Cognac drin. Hoffentlich hast du auch selbst etwas vorbeugen können. Ist ja doch gut, dass es nicht am Anfang deiner NY-Zeit passiert ist. Du hast die Tage gut ausgenützt und mit viel Erlebnissen gefüllt. Ich glaube sogar, du hattest dir das ganze vorher nicht so fantastisch vorgestellt, wie es war. Und ich geniesse wieder in vollen Züge deine Schilderungen. Ein Fremdenführer, voll mit kleinen persönlichen Betrachtungen, die alles so lebendig machen, dass ich ganz dabei sein kann. Es ist ganz einfach herrlich!

---

Ämne: Re: samstags
Datum: den 30 augusti  17:03

Liebe Marlena
Im Moment kaempfe ich immer noch mit meiner Erkaeltung. Ich habe gestern 4 Tabletten Alka Seltzer plus Cold mit Wasser hinuntergespielt. Und immerhin 12 Stunden geschlafen. Im Moment schwitze ich wie ein Pferd. Aber es ist ein bisschen besser. Ich war am Abend zuhause geblieben, waehrend meine Freunde an den Brooklyn Carneval gegangen sind. Es scheint, dass dies ein Ereignis ist, auf das sie ein ganzes Jahr warten. Sie waren ganz elektrisiert. Und offenbar gibt es Millionen anderer Menschen, die dorthin gehen, um die karibische Musik zu hoeren und den Umzug zu sehen.

Am Abend konnte ich der Flurnachbarin im Fenster zuschauen, wie sie am Kuechenlavabo ihre Haare waescht. Sie lebt dort wirklich in einfachen Verhaeltnissen. Aber offenbar pflegt sie sich ein bisschen auf das Wochenende hin. Das ist doch ein gutes Zeichen. Ich glaube nicht, dass sie oft ihre Raeume verlaesst. Gestern, als ich heimkam, habe ich durch die offene Tuere gesehen, wie sie am Tisch sass, das Telefon zwischen Ohr und Schulter eingeeklemmt. Sie hat irgendwas genestelt und gleichzeitig telefoniert. Die Amis sind ueberhaupt Weltmeister darin, Dinge gleichzeitig zu tun. Multiasking wuerde das in der Computersprache heissen. Im Kurs ist mit immer wieder aufgefallen, wie die Leute gleichzeitig essen und zuhoeren, trinken mitten im Kurs. Auf der Strasse haben sie ihre Kartonbecher in der Hand und trinken ihren Kaffee, waehrend sie gehen. Ich weiss nicht, ich mag das nicht so besonders. Es wirkt so kindlich. Und morgens sieht man jede Menge Frauen, die ins Buero gehen - so nehme ich an - und schon einen Becher und irgendwas eingewickelt mit sich tragen. Offensichtlich nehmen sie das Fruehstueck mit ins Buero. Aber sie rennen nicht so wie wir Schweizer. Sie haben einen gemaechlich speditiven Gang. Auch der Verkehr ist ruhig und korrekt, und niemand scheint gereizt zu sein. Das wirkt ein bisschen englisch auf mich, so aehnlich wie das korrekte Schlangestehen im Lebensmittelladen.

C, die Aerztin, hat mir erzaehlt, dass sie auf dem Empire State Building gewesen sei. Man muesste offenbar ungefaehr eine Stunde dafuer reservieren. Sie war auch in der Freiheitsstatue. Sie war wirklich voll auf Trab, wie wir sagen, und abends ging sie in Musicals und Cabarets. Am lustigsten fand ich, dass sie die Inlineskates mitgenommen hatte und damit den Central Park auf Raedern angeschaut hat. Auch sie hat bestatetigt, dass ihr alle Leute davon abgeraten hatten, sie mitzunehmen. So war es ja auch bei mir gewesen. Na ja, sie ist auch ein paar Jaehrchen juenger als ich. Aber ich muss sagen, man koennte wirklich den ganzen Broadway herunterfahren auf diesen Rollschuhen. Es waere moeglich. Nur Times Square waere etwas umstaendlich, weil dort viel Verkehr zusammenkommt. Aber man sollte kein blutiger Anfaenger sein, fuer ein solch gewachtes Unternehmen. Und wenn man einen Unfall verursachte, ist man in Amerika bestimmt ein armer Mann. Sie gehen hier ja konsequent und hart nach dem Verursacherprinzip. Ich habe in der U-Bahnstation Union Square eine kleine Szene gesehen. Eine junge Frau war in Eile und rannte irgendwo in Richtung eines Gehsteiges. Und so trat sie in ihrem Tempo einer anderen, auch juengeren Frau hinten auf eine Sandale. Viele tragen hier diese Plastiksandalen, die wir bloss an die Beach mitnehmen, die einzig zwischen grosser und zweiter Zehe fixiert sind. Und so war offenbar diese Fixierung gerissen. Die Verursacherin, eine huebsche junge Frau, schaute ganz schuldbewusst in die Welt und nahm, nach einer kurzen Diskussion, ihren Geldbeutel hervor und hat der anderen offenbar fuer den Schaden bezahlt. Das fand ich doch bemerkenswert. In der Schweiz wuerde man mit einem solchen Schaden allein gelassen. Na ja, die Leute wuerden denken, dass du bessere Schuhe tragen solltest. Oder sie wuerden sagen, das sei eben Pech gewesen. Das ist doch eine bemerkenswerte Szene und ein Zeichen, dass die Leute ihre Verantwortung uebernehmen.
Und jetzt muss ich doch aufhoeren. Ich muss zusehen, ob ich irgendwie meinen Flug bestaetigen kann. Und dann werde ich = Erkaeltung hin oder her = mich noch ein bisschen auf die Socken machen.
Ich wuensche Dir ein schoenes Fest heute und ein gutes Wochenende
Mit lieben Gruessen
...

Mittwoch, 1. Oktober 2014

Kurs vorüber


Ämne: Guten Morgen
Datum: den 30 augusti  01:38


Liebe Marlena
Jetzt ist der Kurs vorueber und - Du wirst staunen - ich habe ihn bestanden. Es gibt ein schoenes Zertifikat des Institutes hier in New York. Allein das ist eine Reise wert. Und wie es nach einem Kurs so ist, alle sind ein bisschen aufgeweicht und versprechen sich ewige Liebe und Freundschaft. Na ja, es hatte ein paar nette Leute, und frueher oder spaeter werde ich mit einigen per Mail Kontakt aufnehmen. Aber ich kann meinen Adressenkreis nicht beliebig erweitern. Meine Kapazitaeten kommen langsam an ihre Grenzen.
Der letzte Tag war gefuellt mit Uebungen. Und es ist interessant, wie man in diese Art von Sprache hineingeraet, die automatisch in die Trance fuehrt. Natuerlich kann man bei diesen Leuten, die hier waren, im Moment mit den Fingern schnalzen, und alle sind weg. Na ja, sie sind nicht weg, sie sind in Trance. Sie sind es so gewohnt. Aber das aendert sich in den naechsten zwei oder drei Wochen.

Heute habe ich irgendwie eine kleine Erkaeltung. Ich weiss nicht, woher sie stammt. Gestern war es keineswegs kalt. Es gab ein MTW Konzert in Rockefeller Center. Und wir haben gesehen, wie die Saenger eingefahren ist. Du weisst sicherlich, wie das ist. Ich kann mich erinnern, dass ich sowas erstmals im den 70er Jahren in England am Fernsehen gesehen habe. Die Stars waren die Beatles und die Rolling Stones. Soviele junge Leute hatte man vorher in der Geschichte wohl niemals gesehen Und das Fernsehen zeigte sie in den Hauptnachrichten, die vielen jungen Maedchen, die kreischten, ausser sich waren, die Fassung verloren und manchmal ohnmaechtig hinsanken. Ich erinnere mich, wie sehr ich sprachlos war, und wie sehr ich auch das Gefuehl hatte, ich gehoere zu dieser Jugend. Es war schoen damals, jung zu sein. Und es gab eine Aufbruchstimmung ueber die Musik, die die alten ueberhaupt nicht verstanden. Es war sozusagen ein Angriff der Jugend von hinten. Aber weil es soviele Leute gab, konnte man nichts sehen. Auch die einzelnen, die ihre Digitalkamera in die Hoehe hielten, um im Display etwas zu sehen, auch das half nichts. So sind wir im Kaufhaus in den 4.Stock gefahren und haben heruntergeschaut. Da konnte man - von weitem - ein bisschen was sehen. Dann sind wir ueber Times Square zurueckgekehrt. Dort sind die Theater, wo die vielen Musicals laufen. Aber ich habe mich nicht entschliessen koennen, in ein Musical zu sitzten. Mit der W bin ich dann zurueckgekehrt und habe nich mein Pensum geschrieben.
Ich habe gestern auch erstmals ein Sandwich gegessen, Corned Beef Sandwich, wenn ich mich nicht irre. Das war eine ganze Platte mit viel Fleisch, oben und unten eine scheue, weisse Brotscheibe, und dazu French Potatoes. Hatten die Amis nicht beschlossen, die French Potatoes umzubenennen? Also wenn sie die Dinger umbenennen, schadet das absolut nichts. Das waren keine Frites, sondern Kartoffelstreifen von der Konsistenz verkochter Pasti. Weich und lahm waren sie. Man haette genauso Pellkartoffeln beigeben koennen, das waere besser gewesen. Aber ich habe mir gesagt, man muss alles probieren, und so habe ich fast den ganzen Teller gegessen. Eine lange Tranche saure Gurke war auch noch drauf. Sie war aber nicht sauer, sondern vor allem salzig. Na ja, es war alles gut gemeint, und ich bin sicher, jeder normale Theaterbesucher haette diesen Teller in hoechstem Masse genossen. Ich habe dem Barmann ein gutes Trinkgeld gegeben, so wie man ueberall in den Touristenfuehrern angewiesen wird. Und er hatte mich angeschaut, als waere er Europaer. Vielleicht Tscheche oder sowas? Es ist schoen, bei diesem milden Klima abends, wenn es dunkel ist, zu Fuss heimzuschlendern. Im Village ist ohnehin noch viel los. Und man sieht soviele Dinge. Aber wiederum habe ich meine Tuere verpasst und bis bis zur 1. Avenue gegangen.

Und heute morgen bin ich via Washington Square zum Kurs gegangen. Auch dort haben sie ein Gaertchen, fuer die Hunde. Und scho morgens frueh - natuerlich vor der Arbeit - sitzen sie dort mit ihren Vierbeinern und lassen sie austoben. Und weiter unten hatte es Tische mit einem eingearbeiteten Schachbrettmuster. Bereits drei Typen sassen da, als ob sie dort uebernachtet hatten, hatten schon die Steine aufgestellt und einer forderte mich in morgenlichem Uebermut auf, mit ihm eine Partie zu machen. Ich glaube, sie machen das gegen Bezahlung. Auch vor der Public Library gab es solche Spieler. Idealerweise melden sich zwei, die spielen wollen. Wenn nur einer kommt, muessen sie den Sparringpartner abgeben. Dort oben hatten sie auch Backgammon gespielt. Hier aber war kurz nach 8h, und kein vernuenftiger Mensch spielt morgens um 8 im Washington Square auf einem kalten und eher etwas schmutzigen Steintisch eine Partie Schach. Ausser vielleicht eines dieser Hoernchen. Die waren schon auf und hatten ihre grosse Zeit. Sie pfluegen sich wirklich zu Dutzenden durch das Gras. Und auf einer anderen Grasflaeche hatte ein Schwarm Tauben ihre Fruehmesse. Sie hatten sich getrennt voneinander, die Tiere, denn sie lieben die Ordnung. Und dann kommte ich wieder zu einem hohen Gitter, dreimal so hoch wie jenes, worin die Hunde spielen. Das ist fuer die kleinen Kinder. Dort drin wie in einem Raubtierkaefig stehen die Muetter und sehen zu, wie lange es dauert, bis die kleine Sally genug geschaukelt hat. Der Boden ist geteert, aber dort, wo die Kinder meist herumtollen, ist der Teer mit einer Gummimatte bedeckt. Es sieht einfach komisch aus, die kleinen Kinder hinter diesen grossen Gittern. Man denkt natuerlich - oder vielleicht denken wir Europaer so - das Gitter soll uns vor den Kindern schuetzen. In Wirklichkeit denken die Amerikaner wohl, das Gitter soll die Kinder vor den Homophilen schuetzen. Ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen. Hier die kleinen Kinder, dort drueben die Hunde. Einziger Unterschied: beim Hundezwinger gibt es noch eine Schleuse, dh einen kleinen Vorraum, wohl um dem Tier die Leine umzuhaengen oder zu loesen. Das ist aufwendig, aber praktisch gedacht. Wenn du also einen Wunsch hast, in NY, dann waehle Hund und besser nicht Kind zu sein.
Ich ueberquere jeden Tag den Broadway, um zum University Place zu kommen. Allein das ist ein gutes Gefuehl, obwohl der Broadway eigentlich hier eine ganz gewoehnliche Strasse ist. Sie ist sogar ein bisschen enger, hat aber einen gepflegteren Gehsteig.
*
Ich bin gerade unterbrochen worden. Ch. ist mit ihrer japanischen Freundin gekommen. Japaner, so habe ich festgestellt, sind sehr nett. Sie machen eine nette Konversation. Das einzige Problem liegt darin, dass man sie schlecht versteht. Sie haben eine Aussprache, die vom Englischen wirklich weit entfernt scheint. So muss ich meist vieles erraten. Aber so genau muss man die Dinge meist auch gar nicht verstehen. In einem small talk genueben ein paar Stichworte. Darin aehnelt der Small Talk der Trance.
*
Jetzt muss ich mir rasch ein Alkaseltzer + Cold holen. Ich fuehle, dass etwas im Anzug ist. Und vielleicht ist es besser vorzubeugen, bevor es richtig einschlaegt und ich im Flugzeug von einer Stewardess individuell gepflegt werden muss.

Ich geh mal schnell zum Deli, um ein Alkasetzer zu holen.
Bis spaeter
Gruss
...

Re: Bei dir ..


Ämne: Re: Bei dir..
Datum: den 29 augusti 03:58


Liebe Marlena

"... und dich besitzen, nur ein Lächeln lang,
um dich an alles zu verschenken, wie einen Dank". (Rilke)

Ja, dieses Zitat habe ich gerne gehoert. Es hat mich fast ein bisschen gekitzelt im Bauch. Ich mag das mehr als Rumi. Rumi muss ich noch entdecken. Aber ich glaube, Rilke kann man ebenso gut zitieren. Er hat nicht nur tiefsinnige Dinge gesagt, er hat sie auch besonders schoen gesagt. Das finde ich bei Rumi nicht. Rumi hat vielleicht den Reiz des Exotischen. Na ja, ich werde suchen, ob da was dahinter ist.
(---)
Heute hatten wir den zweiten Tag mit der Frau unseres Kursleiters. Sie ist lustig, das habe ich wahrscheinlich schon gesagt, und sie ist schnell. Manchmal habe ich Muehe mit dem Verstaendnis. Sie hat eine etwas hohe Stimme, das mag ich nicht besonders. Aber sonst ist sie eine sympatische Frau. Sie macht lustige Scherze, wie ich das eigentlich in der Schweiz von Frauen nicht so gewohnt bin. Aber auch sie zieht sich fuer unseren europaeischen Geschmack nicht so besonders gut an. Aber es ist akzeptabel. Am besten war im Kurs die Tuerkin angezogen. Ihre Wahl der Farben war perfekt. Sie hat eindeutig den ersten Preis verdient, wenn es denn fuer solches Preise gibt.

Wir haben heute eine sehr interessante Uebung gemacht. Es geht darum, jemanden als Modell, als Vorbild zu waehlen und in Trance mit ihm oder ihr in Verbindung zu treten, um so die vorbildlichen Eigenschaften als Geschenk uebernehmen zu koennen. Klingt alles ein bisschen wild, nicht wahr? Aber es ist eigentlich eine ganz logische und praktische psychologische Operationalisierung, wie man sich bei einer anderen, meist etwas bewunderten Person gewisse Dinge abguckt, um sie vielleicht auch zu uebernehmen. Das merkwuerdigste dabei ist vielleicht, dass das ohne Anstrengung geht. Normalerweise wuerden wir bei einer Person irgend einen Charakterzug oder eine Eigenschaft sehen, uns entscheiden, sie fur sich selbst auch anzustreben, um sich dann Muehe zu geben, sich anzustrengen, das zu erreichen. Mit Hilfe der Trance geht das ohne Anstrengung, unter Mitwirkung des Unbewussten. ich bin ueberzeugt, lernen mit dieser Methode geht sehr leicht. Aber es ist nicht Schullernen, nicht Schulstoff, sondern Lebenlernen, also Lebensstoff. Das ist wirklich faszinierend. Du wirst noch einmal Lachen. Ich habe Varlin als diese Person genommen. Dabei habe ich vor allem an ihn als Portraetisten und als Schreiber gedacht. Vielleicht lerne ich noch einiges von ihm. Er hat auch sehr witzig und gut geschrieben. Und seine Portraets mag ich, das weisst Du schon. Auch sie haben einen speziellen Witz.

Ach es ist lieb Marlena, was Du schreibst vom Vergnuegen, hier in NY dabei zu sein. Ich habe schon da und dort mal ein Mail geschrieben von hier. Und auch S. hat natuerlich ihre Mails bekommen. Aber niemandem habe ich soviel erzaehlt wie Dir. Und es war auch fuer mich ein Vergnuegen, aber auch eine schoene Moeglichkeit, die Tage ein bisschen zu verarbeiten. Man muss ja doch aufpassen, dass man nicht viele Kleinigkeiten zu schnell wieder vergisst. Es ist schoen, sie Dir zu erzaehlen. Und spaeter, vielleicht in zwei oder drei Jahren, werden wir uns gegenseitig ansprechen und auf eine Erinnerung hinweisen, mit den Worten: "damals, als wir zusammen in NY waren, weisst Du noch ...."

Ich gehe jeden Morgen ueber den Broadway zum Kurs. Letzthin waehle ich die Strasse mit den Antiquitaetengeschaeften. Sie hat etwas edles an sich und wirkt irgendwie sauberer. Der Verkehr hier in NY ist sehr diszipliniert. Letzthin bin ich bei rot ueber die Strasse gegangen. Die Autos halten an und niemand scheint sich darueber zu aergern. Es ist erstaunlich, in dieser grossen Stadt. Ich glaube, es haengt viel an den Taxifahrern.

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Ämne: Re: Bei dir..
Datum: den 29 augusti 04:20


Liebe Marlena
jetzt ist mir gerade das ganze Mail abgestuerzt. Oder hast Du es bekommen. Auf jeden Fall kam die Meldung, das Mail sei an Deine Adresse gegangen.
Ich repetiere rasch.
Dein Rilke Zitat hat mich beruehrt. Er gefaellt mir eigentlich besser als Rumi. Er sagt ebenso tiefsinnige Gedanken, und er sagt sie schoener. Na ja, vielleicht entdecke ich bei Rumi auch noch was.
Ich war heute ueber Mittag am Broadway im Strand Buchladen und habe mir ein Buch ueber Balthus angeschaut. Er hatte lange in Sierre gelebt, und mein Bruder hat als Architekt ein kleines Museum oberhalb Sieders gestaltet. Und darin gab es ein Bild von Rilke. Als ich es sah, bist Du mir in den Sinn gekommen. Stell Dir vor, mitten in dieser etwas unordentlichen und ueberall mit Buechern ueberstellten kleinen Halle warst Du ploetzlich da. Dein Zitat hat mich ein bisschen im Bauch gekitzelt, eine Art Wehmut kam hoch.

Es ist lieb, was Du schreibst und wie Du mit dabei bist in NY. Du hast von allen meinen Bekannten und Verwandten und Allerliebsten am meisten mitbekommen. Und es war schoen, es Dir zu schildern. Es war fuer mich sehr gut, die Tage mit Dir ein bisschen zu verarbeiten. Und spaeter vielleicht, in zwei oder drei Jahren, werden wir sagen: "weisst du noch damals, als wir zusammen in NY waren ....". Siehst Du, sowas hatte ich mir eigentlich mit Rom vorgestellt. Eine aussergewoehnliche Zeit, in der man gemeinsam eine Stadt erobert, und sich auch noch kennenlernt. Na ja, das sind tempi passati. Wir koennen das mal in Hamburg machen. Ist Hamburg eine aufregende Stadt?
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Liebe Marlena, ich schliesse hier mal ab, bevor die ganze Sache nochmals in die Tiefe stuerzt.
ich wuensche Dir einen schoenen Freitag und wenn, dann auch gleich ein schoenes Wochenende.
Mit lieben Gruessen und Kuessen
...

Ämne: Gute Nacht!
Datum: den 29 augusti  20:55


Liebster Mausfreund,
Danke für dein wunderschönes Mail von heute Nacht. Ich komme im Moment nicht an den PC aber ich wünsche dir eine schöne Zeit, diese letzten Tage in NY. Nütze sie gut aus und pass gut auf dich auf.. :-)
Mit lieben Grüssen,
Marlena