Subject: ROMA AETERNA
Date: Sat, 02 Sep 08:30:04 GMT
Cara Marlena
In Rom sprechen die Steine. Und sie sprechen Latein.
Auf der Piazza della Minerva gibt es einen Elefanten aus Stein, der auf seinem Rücken einen Obelisken trägt und dazu fröhlich seinen Rüssel schwenkt. Das Lehrstück dazu heisst: "ROBUSTAE MENTIS ESSE SOLIDAM SAPIENTIAM SUSTINERE", dh. es bedarf eines robusten Geistes, eine solide Weisheit auszuhalten. Es ist Alexander VII, eine Rovere, der hier im Jahre 1667 spricht.
An der Piazza del Popolo im Norden Roms, in deren Nähe wir damals im Hotel Locarno gewohnt hatten, gibt es an der Porta del Popolo einen Willkommensgruss "FELICI FAUSOQ(UE) INGRESSUI", dh. zum glücklichen und gesegneten Einzug. Ursprünglich galt der Segenswunsch von 1655 Christine, der Königin von Schweden. Eine Inschrift im Konservatorenpalast sagt, sie hätte INSTINCTU DIVINITATIS, dh. auf Eigebung der Göttlichkeit, den katholischen Glauben dem ererbten Königreich vorgezogen. Du hast mir mal von ihr erzählt, Marlena, von der katholischen Christine. Sie sei "über sich selbst triumphierend" auf das Kapitol hinaufgestiegen.
In einem versteckten Winkel links der Porta del Populo finden sich zwei Epigramme zu Hochwasser, die der Tiber verursacht hatte. Eines stammt von 1530, das andere von 1598. Das letztere und höhere, das das Jahrhunderthochwasser anzeigt, lässt seinem Unmut freien Lauf: "Als der verwegene Fluss die hierunter angebrachte Anzeige seiner selbst erreichte, sich selbst gleich, doch niedriger als der nahe Brunnen, sagte er: Wir gehen höher; mich übertrumpfen zu lassen, steht mir nicht an. Ruhm bei allen will ich mir erjagen; den Himmel will ich geniessen aus grösserer Nähe, und dem neuen Jahrhundert will ich mich überliefern so mächtig, wie die alte Zeit sich nicht zu erinnern vermag. Die Marken, Quirinus, drücke hier ein: Hier bin ich, der Tiber, gewesen!".
Auf der Piazza Colonna steht die Mark-Aurel-Säule. Sie ist oben mit einer Paulus Statue bekrönt. Die Basis hat Sixtus V 1589 restaurieren lassen. Die Säule berichtet von den Siegen Mark Aurels über allerlei Barbaren, berichtet von einer Weihung dieser triumphalen Säule an Antonius Pius und schliesslich auch an den Apostel Paulus. "Triumphal und heilig bin ich jetzt, da ich Christus' wahrhaft gläubigen (VERE PIUM) Schüler trage, der durch des Kreuzes Verkündigung über Römer UND Barbaren triumphiert hat".
An der Piazza della Rotonda, gegenüber dem Pantheon, stehen zwei Inschriften, eine ältere von 1822 und eine jüngere. In der ersten rühmt sich Pius VII, den Platz saniert zu haben. Er habe "das Areal vor dem Pantheon, das von unvornehmen Tavernen besetzt war, durch den umsichtigsten Abbruch von seiner verhassten Verunstaltung befreit". Und darunter, auf der jüngeren Tafel, wird die moderne Esskultur gelobt: "McDonald's".
In der Vorhalle des Pantheon ist ein geflügeltes Wort fixiert: "QUOD NON FECERUNT BARBARI, FECERUNT BARBERINI", dh. was die Barbaren nicht getan haben, das haben die Barbeerini getan. Papst Urban VIII, ein Barberini, hat die antike Bronzedecke des Pantheons demontieren lassen, und sie für die Altarsäulen in der Peterskriche und Geschützrohre der Engelsburg verwendet. Das ist ein sinnvolles Recycling. "Papst Urban VIII hat der bronzenen Kassettendecke alte Überreste zu den vatikanischen Säulen und zu kriegerischen Geschützen umgeschmozen, dass der unnütze und nahezu der (allwissenden) Fama selbst unbekannte Zierrat werde im vatikanischen Tempel zu Schmuckstücken des apostolischen Grabes, in der handrianischen Burg zu Werkzeugen der öffentlichen Sicherheit, im Jahre des Herrn 1632".
Und ebenso im Pantheon, an Raffaels Grab gibt es einen Sarkophag, der 1833 von Gregor XVI bei der Wiederauffindung und für die Wiederbestattung der Gebeine gestiftet worden ist. Dazu gibt es eine alte grossartige Grabinschrift, ein Epigramm von Pietro Bembo: ILLE HIC EST RAPHAEL, TIMUIT QUO SOSPITE VINCI / RERUM MAGNA PARENS ET MORIENTE MORI. Der hier: Raffaels ist's, der die Schöpfernatur, da er lebte, / fürchten liess seinen Sieg, und da er starb, ihren Tod. Ist ein bisschen kompliziert, weil wörtlich übersetzt. Es meint: man fürchtete seine Schöpfernatur, solange er lebte, und fürchtete ihren Untergang, als er schliesslich starb. Zweimal also früchtete man. Das ist sehr schön arrangiert.
Piazza Navona ist wohl einer der schönsten Plätze in Rom. Dort habe ich mir immer gedacht, sollten wir uns zum ersten Mal treffen, Marlena. Es gibt dort den fantastischen Brunnen Berninis. Oder würdest Du die Fontana di Trevi vorziehen, in die man nach alter Sitte eine Münze wirft, um sich die Rückkehr in die Ewige Stadt zu sichern? Ich glaube, Anita Ekberg ist im Film dort durchgewatet, was ich von Dir natürlich nicht auch gleich erwarten würde.
Innozenz X hat die Fontana die Fiumi1651 durch Bernini errichten lassen. Der Brunnen trägt einen Obelisken und darüber die Friedenstaube mit dem Ölzweig. Seinen Zweck beschreibt eine Inschrift auf der Südseite, nämlich "den Spazierengehenden gesunde Lieblichkeit, den Dürstenden Trank, den Nachdenkenden Nahrung grossartig spende". Und auf der Ostseite: "Die schuldbefleckten Götzen der Ägypter drückt nieder die unschuldige Taube, die, des Friedens Ölzweig tragend und mit den Lilien der Tugenden bekränzt, indem sie den Obelisken als Siegeszeichen für sich aufrichtet, in Rom triumphiert".
Am Campo de' Fiori preist ein überschwängliches Epigramm aus dem "Jahre des Heils 1483" Sixtus als Sanierer des Marsfeldes: "Das du eben noch faulig warst und dreckig von stinkendem Unrat und voll, Marsland, von unschönem Schmutz, legst du (jetzt) unter dem Prinzeps Xystus diese hässliche Gestalt ab: Alles ist höchst ansehnlich in diesem strahlenden Quartier! Würdiger Lohn und Preis wird dem heilbringenden Xystus geschuldet: Oh, wie sehr ist Rom verschuldet seinem höchsten Führer!".
Zum Heiligen Jahr 1475 hatte dieser Sixtus den Ponte Sisto von Grund auf erneuert "zum Nutzen des römischen Volkes und der Pilgermenge, die zum Jubiläum kommen wird, diese Brücke, die man mit Recht "Ponte rotto" nannte, mit grossem Aufwand wiederhergestellt und nach seinem Namen PONTE SISTO genannt wissen wollen". Aber es gibt auch so etwas wie ein Brückenzoll, laut einer Inschrift linkerhand: MCCCC LXXV QVI TRANSIS XYSTI QVARTI BENEFICIO DEVM ROGA VT PONTIFICEM OPTIMVM MAXIMUM DIV NOBIS SALVET AC SOSPITET BENE VALE QVISQVIS ES VBI HAEC PRECATVS FVERIS: "Der du hinübergehst dank Xystus' IV. Stiftung, bitte Gott, dass er diesen Papst, den besten, uns noch lange heil erhalte und wohl bewahre! Lebe wohl, wer immer du bist - sobald du dies erbeten hast!". Lustig, das Lebe wohl ist konditional, nur wenn man gebeten hat, soll man wohlleben!
Es gibt eine kolossale Skulptur, einen Fuss, den der Schweizer Johann Füssli (Sic) in einer Rötelzeichnung verewigt hat. (Füssli ist auf Schweizerdeutsch die Verkleinerungsform von Fuss!!). Und auf der Basis dieses kolossalen Fusses steht ein lapidarer Apell: PEDEM VIDE ET ROMANAE REI MAGNITUDINEM METIRE!, dh. sieh den Fuss, und ermiss daran die Grösse der römischen Sache!.
Und ein schöner Fund ist der Grabspruch des spanischen Kardinals Auxias de Podio in San Sabina auf dem Aventin: UT MORIENS VIVERET, VIXIT UT MORITURUS. Zweimal der Begriff Leben und zweimal Sterben. Da treffen sich delphische Todesgewissheit und christliche Lebensverheissung: "Dass er, wenn er sterbe, lebe, lebte er wie einer, der sterben wird". Das will wohl sagen: damit er das ewige Leben erringe, lebte er wie ein Sterbender. Auch das, so schön gesagt.
Ach siehst Du Marlena, ich bin schon ein bisschen in Rom. Und dazu hat mir ein kleiner Artikel in der heutigen NZZ verführt. Ich lese es genauer, wenn ich es Dir erzählen kann. Das hilft mir selbst. Schau Dir doch mal die Piazza Navona im Internet an. Und es gibt insgesamt drei Brunnen: der Neptunbrunnen und der Mohrenbrunnen, die Gegenstücke sind. Und eben die Fontana die Fiumi.
Ich lass Dich jetzt, mit meinen römischen Schwärmereien. Und ich wünsche Euch ein erholsames Wochenende.
K
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Liebe Malou,
seit langer Zeit bin ich wieder einmal hier auf dieser geheimnisvollen Seite gelandet. Weil ich traurig war, bin ich durch das Netz geirrt - und zum Glück für mich bald in diesem Blog gelandet. Die Mischung aus Alltag, Geheimnis und Spannung hat mich aufgeheitert. Als Antwort auf all das, was ich von diesen Dialogen hier mitbekommen habe, schicke ich dir einen Link auf ein Gedicht, dass ich Anfang des Jahres geschrieben habe.
Wo ich bin, hat die Nacht begonnen. Du hingegen stehst bald auf.
Ich wünsche dir einen wunderschönen Morgen und weiter viel Spaß beim Schreiben.
Herzlich
Jorge D.R., Kitchener-Waterloo, Ontario, Canada
http://traumtuch.blogspot.ca/2016/02/hier-und-dort.html
Lieber Jorge,
Wie schön, dass dieser Blog einen so guten Einfluss auf dich hat. Das Gedicht von dir ist wunderschön.
"Spass beim Schreiben" wünschst du mir. Aber es ist nur Veröffentlichen.
Herzliche Grüsse
Malou