Sonntag, 29. Oktober 2023

ROMA AETERNA

 

Subject:  ROMA AETERNA
Date: Sat, 02 Sep 08:30:04 GMT


Cara Marlena
In Rom sprechen die Steine. Und sie sprechen Latein.


Auf der Piazza della Minerva gibt es einen Elefanten aus Stein, der auf seinem Rücken einen Obelisken trägt und dazu fröhlich seinen Rüssel schwenkt. Das Lehrstück dazu heisst: "ROBUSTAE MENTIS ESSE SOLIDAM SAPIENTIAM SUSTINERE", dh. es bedarf eines robusten Geistes, eine solide Weisheit auszuhalten. Es ist Alexander VII, eine Rovere, der hier im Jahre 1667 spricht.

An der Piazza del Popolo im Norden Roms, in deren Nähe wir damals im Hotel Locarno gewohnt hatten, gibt es an der Porta del Popolo einen Willkommensgruss "FELICI FAUSOQ(UE) INGRESSUI", dh. zum glücklichen und gesegneten Einzug. Ursprünglich galt der Segenswunsch von 1655 Christine, der Königin von Schweden. Eine Inschrift im Konservatorenpalast sagt, sie hätte INSTINCTU DIVINITATIS, dh. auf Eigebung der Göttlichkeit, den katholischen Glauben dem ererbten Königreich vorgezogen. Du hast mir mal von ihr erzählt, Marlena, von der katholischen Christine. Sie sei "über sich selbst triumphierend" auf das Kapitol hinaufgestiegen.

In einem versteckten Winkel links der Porta del Populo finden sich zwei Epigramme zu Hochwasser, die der Tiber verursacht hatte. Eines stammt von 1530, das andere von 1598. Das letztere und höhere, das das Jahrhunderthochwasser anzeigt, lässt seinem Unmut freien Lauf: "Als der verwegene Fluss die hierunter angebrachte Anzeige seiner selbst erreichte, sich selbst gleich, doch niedriger als der nahe Brunnen, sagte er: Wir gehen höher; mich übertrumpfen zu lassen, steht mir nicht an. Ruhm bei allen will ich mir erjagen; den Himmel will ich geniessen aus grösserer Nähe, und dem neuen Jahrhundert will ich mich überliefern so mächtig, wie die alte Zeit sich nicht zu erinnern vermag. Die Marken, Quirinus, drücke hier ein: Hier bin ich, der Tiber, gewesen!".
Auf der Piazza Colonna steht die Mark-Aurel-Säule. Sie ist oben mit einer Paulus Statue bekrönt. Die Basis hat Sixtus V 1589 restaurieren lassen. Die Säule berichtet von den Siegen Mark Aurels über allerlei Barbaren, berichtet von einer Weihung dieser triumphalen Säule an Antonius Pius und schliesslich auch an den Apostel Paulus. "Triumphal und heilig bin ich jetzt, da ich Christus' wahrhaft gläubigen (VERE PIUM) Schüler trage, der durch des Kreuzes Verkündigung über Römer UND Barbaren triumphiert hat".

An der Piazza della Rotonda, gegenüber dem Pantheon, stehen zwei Inschriften, eine ältere von 1822 und eine jüngere. In der ersten rühmt sich Pius VII, den Platz saniert zu haben. Er habe "das Areal vor dem Pantheon, das von unvornehmen Tavernen besetzt war, durch den umsichtigsten Abbruch von seiner verhassten Verunstaltung befreit". Und darunter, auf der jüngeren Tafel, wird die moderne Esskultur gelobt: "McDonald's".

In der Vorhalle des Pantheon ist ein geflügeltes Wort fixiert: "QUOD NON FECERUNT BARBARI, FECERUNT BARBERINI", dh. was die Barbaren nicht getan haben, das haben die Barbeerini getan. Papst Urban VIII, ein Barberini, hat die antike Bronzedecke des Pantheons demontieren lassen, und sie für die Altarsäulen in der Peterskriche und Geschützrohre der Engelsburg verwendet. Das ist ein sinnvolles Recycling. "Papst Urban VIII hat der bronzenen Kassettendecke alte Überreste zu den vatikanischen Säulen und zu kriegerischen Geschützen umgeschmozen, dass der unnütze und nahezu der (allwissenden) Fama selbst unbekannte Zierrat werde im vatikanischen Tempel zu Schmuckstücken des apostolischen Grabes, in der handrianischen Burg zu Werkzeugen der öffentlichen Sicherheit, im Jahre des Herrn 1632".

Und ebenso im Pantheon, an Raffaels Grab gibt es einen Sarkophag, der 1833 von Gregor XVI bei der Wiederauffindung und für die Wiederbestattung der Gebeine gestiftet worden ist. Dazu gibt es eine alte grossartige Grabinschrift, ein Epigramm von Pietro Bembo: ILLE HIC EST RAPHAEL, TIMUIT QUO SOSPITE VINCI / RERUM MAGNA PARENS ET MORIENTE MORI. Der hier: Raffaels ist's, der die Schöpfernatur, da er lebte, / fürchten liess seinen Sieg, und da er starb, ihren Tod. Ist ein bisschen kompliziert, weil wörtlich übersetzt. Es meint: man fürchtete seine Schöpfernatur, solange er lebte, und fürchtete ihren Untergang, als er schliesslich starb. Zweimal also früchtete man. Das ist sehr schön arrangiert.



Piazza Navona ist wohl einer der schönsten Plätze in Rom. Dort habe ich mir immer gedacht, sollten wir uns zum ersten Mal treffen, Marlena. Es gibt dort den fantastischen Brunnen Berninis. Oder würdest Du die Fontana di Trevi vorziehen, in die man nach alter Sitte eine Münze wirft, um sich die Rückkehr in die Ewige Stadt zu sichern? Ich glaube, Anita Ekberg ist im Film dort durchgewatet, was ich von Dir natürlich nicht auch gleich erwarten würde.
Innozenz X hat die Fontana die Fiumi1651 durch Bernini errichten lassen. Der Brunnen trägt einen Obelisken und darüber die Friedenstaube mit dem Ölzweig. Seinen Zweck beschreibt eine Inschrift auf der Südseite, nämlich "den Spazierengehenden gesunde Lieblichkeit, den Dürstenden Trank, den Nachdenkenden Nahrung grossartig spende". Und auf der Ostseite: "Die schuldbefleckten Götzen der Ägypter drückt nieder die unschuldige Taube, die, des Friedens Ölzweig tragend und mit den Lilien der Tugenden bekränzt, indem sie den Obelisken als Siegeszeichen für sich aufrichtet, in Rom triumphiert".

Am Campo de' Fiori preist ein überschwängliches Epigramm aus dem "Jahre des Heils 1483" Sixtus als Sanierer des Marsfeldes: "Das du eben noch faulig warst und dreckig von stinkendem Unrat und voll, Marsland, von unschönem Schmutz, legst du (jetzt) unter dem Prinzeps Xystus diese hässliche Gestalt ab: Alles ist höchst ansehnlich in diesem strahlenden Quartier! Würdiger Lohn und Preis wird dem heilbringenden Xystus geschuldet: Oh, wie sehr ist Rom verschuldet seinem höchsten Führer!".
Zum Heiligen Jahr 1475 hatte dieser Sixtus den Ponte Sisto von Grund auf erneuert "zum Nutzen des römischen Volkes und der Pilgermenge, die zum Jubiläum kommen wird, diese Brücke, die man mit Recht "Ponte rotto" nannte, mit grossem Aufwand wiederhergestellt und nach seinem Namen PONTE SISTO genannt wissen wollen". Aber es gibt auch so etwas wie ein Brückenzoll, laut einer Inschrift linkerhand: MCCCC LXXV QVI TRANSIS XYSTI QVARTI BENEFICIO DEVM ROGA VT PONTIFICEM OPTIMVM MAXIMUM DIV NOBIS SALVET AC SOSPITET BENE VALE QVISQVIS ES VBI HAEC PRECATVS FVERIS: "Der du hinübergehst dank Xystus' IV. Stiftung, bitte Gott, dass er diesen Papst, den besten, uns noch lange heil erhalte und wohl bewahre! Lebe wohl, wer immer du bist - sobald du dies erbeten hast!". Lustig, das Lebe wohl ist konditional, nur wenn man gebeten hat, soll man wohlleben!

Es gibt eine kolossale Skulptur, einen Fuss, den der Schweizer Johann Füssli (Sic) in einer Rötelzeichnung verewigt hat. (Füssli ist auf Schweizerdeutsch die Verkleinerungsform von Fuss!!). Und auf der Basis dieses kolossalen Fusses steht ein lapidarer Apell: PEDEM VIDE ET ROMANAE REI MAGNITUDINEM METIRE!, dh. sieh den Fuss, und ermiss daran die Grösse der römischen Sache!.

Und ein schöner Fund ist der Grabspruch des spanischen Kardinals Auxias de Podio in San Sabina auf dem Aventin: UT MORIENS VIVERET, VIXIT UT MORITURUS. Zweimal der Begriff Leben und zweimal Sterben. Da treffen sich delphische Todesgewissheit und christliche Lebensverheissung: "Dass er, wenn er sterbe, lebe, lebte er wie einer, der sterben wird". Das will wohl sagen: damit er das ewige Leben erringe, lebte er wie ein Sterbender. Auch das, so schön gesagt.

Ach siehst Du Marlena, ich bin schon ein bisschen in Rom. Und dazu hat mir ein kleiner Artikel in der heutigen NZZ verführt. Ich lese es genauer, wenn ich es Dir erzählen kann. Das hilft mir selbst. Schau Dir doch mal die Piazza Navona im Internet an. Und es gibt insgesamt drei Brunnen: der Neptunbrunnen und der Mohrenbrunnen, die Gegenstücke sind. Und eben die Fontana die Fiumi.

Ich lass Dich jetzt, mit meinen römischen Schwärmereien. Und ich wünsche Euch ein erholsames Wochenende.
K

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Samstag, 28. Oktober 2023

FELICI FAUSTOQ(UE) INGRESSUI

 

Subject: FELICI FAUSTOQ(UE) INGRESSUI
Date: Sun, 03 Sep 09:00

Liebe Marlena
Alle Lehrbücher teilen die Geschichte Roms nach einem schlichten kulinarischen Prinzip ein:

Als Suppe wird die Zeit der Könige (753-510v.Chr.) gereicht.

Als Braten folgt die römische Republik (510-30v.Chr.) und füllt den Bauch mit endlosen gerechten Kriegen, die natürlich alle Verteidigungskriege waren, auch wenn Rom jedesmal einen fetten Brocken Land dazuerobert hatte. Das wird dekoriert mit süssen vaterländischen Sätzen wie DULCE ET DECORUM PRO PATRIA MORI. Da das Verschlingen ganzer Länder mit der Zeit bürgerkriegsartige Magenschmerzen bereitet, folgt darauf:

Das Dessert, die Epoche des Kaisertums (30v.Chr. – 476n.Chr), die je nach Geschmack als goldenes Friedenskompott aufgetischt wird, als nerosüsses Sündenpfuhlsoufflé oder als sadomsochistisches Christenverfolgiúngssorbet au Marc Aurèle.

Am 15. Januar ist Sant’Antonio Abate, das Fest des heiligen Anton. Es ist aber nicht der Heilige von Padua. Hier ist ein Einsiedler gemeint, der von 251 bis 356 n.Chr. gelebt haben soll, also 105 Jahre, und dabei vielen fleischlichen Versuchen widerstanden hat. Er ist der Schutzheilige der Haustiere, und sein Bild mit Bart und Kutte, Schwein und T-förmigem Antoniuskreuz darf in keinem Stall fehlen.
Schon am frühen Morgen werden die Tiere zur BENEDIZIONE, zur Segnung vor dem Portal von Santa Maria della Rosa getrieben. Bis vor Jahren war das wie ein Viehmarkt. Heute begnügen sich die frommen Bauern damit, ausgewählte Tiere zu delegieren, vor allem Pferde, meist mit einem Wagen voller Zicklein, Lämmer, Verkel, Kaninchen, Hühner, Enten, Truten Tauben und sogar Pfauen – alles sehr zur Freude der Kinder.
Früher gab es in der Festa del Sant’Antonio Abate Spiele wie Baumklettern, Pferderennen, Gänsehauet und auch das gioco della padella. Dabei wurden Münzen auf den Boden einer russverschmierten Pfanne geklebt, die Teilnehmer, denen die Hände auf denn Rücken gefesselt waren, mussten versuchen, möglichst viele davon mit Zähnen und Lippen abzureissen. Heute sieht man Miniröcke mit Spitzenvolants, Anzüge von Armani, Pelze wie man sie sonst an Opernprmieren erblickt.
Früher bestand der Höhepunkt des Antoniusfestes darin, dass die Grossfrundbesitzer ihren Hirten ein gewaltiges Essen offerierten. Heute reiten die BUTTERI, die Cowboys der Maremma, nach der kirchlichen Zeremonie auf ihren geschmückten Pferden durch die Gassen der Altstadt zum gemeinsamen Umtrunk. Am Nachmittag versammelt sich die ganze Stadt auf der Piazza Basile, wo in einer Eisenpfanne mit den Ausmassen eines kleinen Swimmingpools Hunderte Liter Öl sieden. Sechs schwitzende Köche bereiten Berge köstlicher FRITELLE: Stücke von Blumenkohl werden in Teig getaucht, schwimmend gebacken und dann mit Zucker bestreut. Mädchen verteilen das knusprige Gebäck.

Ach, Marlena, du siehst, ich habe ein wenig ein Durcheinander in meinem Zettelkasten. Das macht aber wohl nichts. In Rom ist das Durcheinander noch viel grösser. Ich versuche einfach, irgendwo anzufangen und mich langsam hineinzubewegen. Heute gehe ich noch rasch nach Basel. Ich möchte wieder einmal den wunderbaren Sarkophag ansehen, der die Sage Medeas zeigt. Du hast mal angedeutet, das diese Geschichte dich sehr beeindruckt hat. Aber du hast mir nie näher erzählt, weshalb. Der Sarkophag ist eine römische Meisterleistung aus dem 2. oder 3. Jahrhundert n.Chr., so glaube ich. Er ist einfach fantastisch gearbeitet, und jedesmal bin ich von Neuem fasziniert. Wenn du mal nach Basel kommst, werden wir ihn zusammen anschauen.
*
Es ist hier regnerisch, wie es zum Herbst gehört. Aber die Temperatur ist dennoch ziemlich mild. Ich fahr jetzt los.
Mit einem lieben Gruss und einem echten Kamel-Kuss

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Dienstag, 17. Oktober 2023

"ruggig", Ferlin, Fernsehen und "afternoon tea"

 

subject Vielleicht...

Lieber ...,
Vielleicht sollte ich garnicht an einem solchen Tag meine Gedanken in der Welt herumschicken, denn ich bin wirklich nicht richtig fit. D.h. schon den ganzen Tag fühle ich mich "ruggig". Das schwedische Wort sagt haargenau, was ich meine, doch mein Wörterbuch gibt mehrere komische deutsche Übersetzungen an, wie "struppig" "schäbig" "unbehaglich" um dann schliesslich das ganze mit dem Satz "es fröstelt mich" zu beenden. Das letzte ist aber nicht ganz falsch. Ich habe mich warm und kalt zugleich gefühlt und irgendwie schwach und lustlos. Und immerzu habe ich nach Anzeichen einer Erkältung gesucht.. und keine gefunden. Man sollte wohl garnicht darüber reden.. denn morgen, so hoffe ich, ist es wieder vorbei und die Welt sieht ganz anders aus.

Das Horoskop sollte eigentlich nicht dich beschreiben, sondern das Verhältnis zwischen dir und mir. Vielleicht habe ich ein oberflächliches Verhältnis mit einem tiefgründigen Mann..? ;-)) Und bist du ein unverbindlicher Flirt oder meine grosse und einzige Liebe? Was mich erstaunt ist, dass man unsere Zeichen als die ideale Kombination sieht, wogegen man die Kombination Krebs - Wassermann (K's Zeichen) als eine reine Katastrophe bezeichnet.

Ich habe versucht mich zu kurieren mit Essiggurken und Whisky. Ich glaube ich kann es dir empfehlen, denn ich fühle mich schon etwas besser.


Vor einer Weile, habe ich gesehen, dass man nun in Filipstad den dort gebürtigen Dichter Nils Ferlin mit irgendeinem Monument ehren will. Eigentlich haben die Leute der Stadt nie ein gutes Verhältnis zu diesem Mann gehabt. Er war ein misachteter Trinker. Doch er ist einer unserer grössten und beliebtesten Dichter. Viele seiner Gedichte sind vertönt worden. Ich liebe sie und kann viele davon auswendig. Ich glaube er ist auch ins Deutsche übersetzt worden. Doch du weisst, wie es mit Poesie ist. Sie verliert wenn sie übersetzt wird. Besonders wenn sie so musikalisch ist wie die seine. Doch vielleicht kannst du einmal nachsehen, ob du was von ihm findest in deiner Buchhandlung.

Ich glaube wirklich, dass das schwedische Fernsehen hohe Qualität hält. Du kannst immer in den freien Kanälen etwas interessantes finden. Kultur, Wissenschaft, Politik, Dokumentarfilme u.a.m. Ein Grund dazu glaube ich ist die Tatsache, dass wir immer alles in V.O. sehen, mit schwedischem Text darunter. So können wir das beste aus aller Welt importieren. Es ist keine Garantie, dass nicht auch schlechte Programme gezeigt werden. Aber, wenn ich manchmal in der Schule deutsches Fernsehen sah, (wir hatten dort Parabol) war ich überrascht wie oberflächlich alles erschien. Und dann die Filme, die alle "dubbed" (weiss nicht auf deutsch) waren. Welch ein Horror! Übrigens, in Frankreich ist man dabei, seine Fernseher hinauszuwerfen. Über 10% der Leute, vor allem in den gebildeten Familien, protestieren auf diese Weise gegen das schlechte Angebot von Programmen.

Nun ja. ich kann mir vielleicht doch vorstellen, was so in eurem Club besprochen wird. Ich habe immer Männer um mich gehabt im Beruf und glaube, dass ich mich ganz gut auskenne in dieser Gattung. *s* Besonders von Åke habe ich so einiges über Männer erfahren, auch Dinge die ich mir ehrlich gesagt nicht hätte vorstellen können. Er war ziemlich freisprachig, so dass der andere Kollege manchmal fast errötete.. Doch man konnte ihm niemals böse werden, denn er ist ein herzensguter Mensch und bei allen beliebt.

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In Stockholm hat man in diesen Tagen das erste Teehaus geöffnet. Ein Luxus! Nicht das Tee trinken an sich, aber die Zeit, die man sich dafür nimmt. Und so werden wohl die vornehmen Damen von nun an ihren "afternoontea" auf englische Weise dort trinken und über Gott (Götter?) und die Welt philosophieren.. oder auch nur über die neuesten Modetrends.

Manchmal sehne ich mich zurück nach Stockholm.

"The stairway to heaven runs through a teapot." (russisches Sprichwort)

Nun sage ich dir gute Nacht und wünsche dir einen schönen Tag morgen,
mit lieben Gs u.a.m.
Malou

Freitag, 13. Oktober 2023

Give me one reason


Subject: Torsdag = Donnerstag

Tor, ein altnordischer Gott (in Deutschland bekannt unter dem Namen Do'nar)

Lieber ...,
Ein herrlicher Herbsttag, so wie du sie am liebsten magst. Alles wäre so schön, wenn mich nicht plötzlich die mail-abstinenz plagen würde. Ich betrachte sie klinisch und wundere mich über ihre Kraft. So muss sich ein Alkoholiker fühlen, der keinen Alkohol findet, ein Raucher, der versucht von seiner Last frei zu werden. Doch dieser Letztere hat den Vorteil zu seiner Sucht zurückkehren zu können, wenn es ihm beliebt.

Von einer CD höre ich Tracy Chapman. Das ist wie ein Lutschbonbon gegen Grippe. Ich meine es schmeckt zwar gut, hilft aber kaum. Doch man kann seine Gedanken damit betäuben.
"Give me one reason".

Nächste Woche schon wirst du vielleicht deine Reise nach Rom antreten. Ich glaube, es wird ein wunderbares Erlebnis werden. Vielleicht sogar noch schöner als damals New York. Und ich weiss, dass du das Beste daraus machen wirst. Wenn es schon keinen guten interessanten Reiseführer gibt, samle doch Material für einen eigenen. Jetzt hast du eine gute Digitalkamera und das photographische Auge fehlt dir auch nicht. Ich wünsche dir wunderbares Spätsommerwetter.

Soll ich? Soll ich nicht? Ich denke falls du krank zu Hause liegst brauchst du etwas Ermunterung.. vielleicht drücke ich auf die Taste "send".

OK.

Mit einem lieben Gruss,
Malou

2 KOMMENTARE:

  1. Liebe Malou,

    seit langer Zeit bin ich wieder einmal hier auf dieser geheimnisvollen Seite gelandet. Weil ich traurig war, bin ich durch das Netz geirrt - und zum Glück für mich bald in diesem Blog gelandet. Die Mischung aus Alltag, Geheimnis und Spannung hat mich aufgeheitert. Als Antwort auf all das, was ich von diesen Dialogen hier mitbekommen habe, schicke ich dir einen Link auf ein Gedicht, dass ich Anfang des Jahres geschrieben habe.

    Wo ich bin, hat die Nacht begonnen. Du hingegen stehst bald auf.
    Ich wünsche dir einen wunderschönen Morgen und weiter viel Spaß beim Schreiben.

    Herzlich
    Jorge D.R., Kitchener-Waterloo, Ontario, Canada

    http://traumtuch.blogspot.ca/2016/02/hier-und-dort.html



  2. Lieber Jorge,

    Wie schön, dass dieser Blog einen so guten Einfluss auf dich hat. Das Gedicht von dir ist wunderschön.

    "Spass beim Schreiben" wünschst du mir. Aber es ist nur Veröffentlichen.

    Herzliche Grüsse
    Malou



Mittwoch, 4. Oktober 2023

Sehsucht nach ...


... dem Wallis


Subject: Sonntagnachmittagsgeflüster ...
Date: Sun, 08 Oct 


Liebste Marlena
Noch immer sitze hinter meiner Zeitung. Es ist empfindlich frisch geworden bei uns, und es weht ein kühler Wind. Aber der Himmel ist blau, hellblau, mit etwas verblasenen Wolken. Doch im übrigen ist jetzt jeder sicher, dass der Sommer vorbei ist. In dieser Zeit sehne ich mich am meisten nach dem Wallis. Dort gibt es tagsüber noch viel Wärme, und es riecht nach Herbst und die Lärchen brillieren wie Gold in der Sonne. Ach, manchmal habe ich wirklich Heimweh nach diesen Bergen und vor allem natürlich nach den alten Orten. Aber es ist immer auch eine Sehnsucht nach der Jugend.
Ich war ja etwa 8 Jahre alt, als wir ins Wallis umzogen. Vorher lebten wir in Lenzburg. Ich weiss noch ziemlich genau, es war um Weihnachten. Ich musste irgend ein kleines Weihnachtsgeschenklein früher beenden, weil es sonst nicht mehr gereicht hätte. Und die Lehrerin händigte es mir allein aus. Und dann fuhren wir mit dem Zug durch die Winterlandschaft und dann in diese hohen Berge hinein. Dort gab es mehr Schnee. Und in Visp, da hatte es echt hohe Schneehaufen auf den Gehsteigen und von den Dächern hingen die eiseren Zapfen. Die Häuser waren mächtig, mit schweren Platten bedeckt. Das wirkte auf mich immer italienisch. Und dann brachte uns der Vater zum ersten mal in die neue Schule. Ich war total enttäuscht. All diese Kinder waren in ein kleines Zimmerchen gezwängt. Bank stand neben Bank. Unter den Fenstern glühten die Öfen. Und der Peter W  blödelte mit Manuela H  herum. Und alle trugen diese Finken, die wir sonst nur zuhause, aber doch nicht in der Schule getragen hatten. Aber hier, auf diesem Parkett, konnten sie richtig gleiten in den Hausschuhen. Und die alte Lehrerin, sie war wirklich dünn und steinalt, hatte eine grosse Brille auf der Nase. Und wenn sie Geschichten erzählte und fast mehr in Begeisterung fiel, als wir es als Kinder konnten, dann blieb an ihren Lippen die Spucke hängen und zog so Fäden. Und das störte mich sosehr, dass ich in den Geschichten gar nicht mehr richtig folgen konnte. Und in gewissen Stunden verschwanden die Buben unter den Bänken und gingen hinaus in den Gang, wo ein WC war, bloss um dort ein bisschen zu blödeln. Manchmal war praktisch die halbe Klasse, dh. Klassen 1 bis 4, weg. Und sie merkte es nicht. Sie war sosehr in ihren Unterricht vertieft, dass sie nicht merkte, wenn die Klasse auswanderte. Och, sie war keine schlechte Lehrerin. Aber sie war ein bisschen parteiisch. Und vor allem hatten wir einen Deutschen, der manchmal in Lederhosen kam, und so einen blonden Schnitt hatte, wie man die Haare einfach hier im Wallis nicht zu tragen hatte, und mit ihm war sie manchmal sehr hart und streng.

So hasste ich anfangs die Zeit im Wallis. Und ich schaute der Eisenbahn nach, die am gegenüberliegenden Berghang voranfuhr Richtung Bern und Zürich, also Lenzburg letztlich. Und ich hasste die Schule, weil es keine anständigen Schulzimmer hatte und alle so zusammengepfercht in einem normalen Raum untergebracht waren. Und die katholischen Kinder, die in der öffentlichen Schule waren, warfen Steine nach uns, wohl weil wir für sie Heiden waren. Und im Winter hatte es stehts viel Schnee und erblieb lang bis weit über Ostern hinaus. Und dann wurde es nass und pflotischig. Und im Sommer war es heiss und windig, aber es gab nicht einmal ein Bad. Man konnte einfach nichts Vernünftiges tun, als an den hohen Bergen entlang zum Himmel hinaufschauen. Oben, an den Berghängen, hockten die weissen Wolken, die Schönwetterwolken. Und im Himmel gab es manchmal Militärflugzeuge, die sehr tief über Visp einen Bogen flogen, so dass es richtig donnerte, um dann in Raron zu landen. Dort gab es nämlich einen Militärflugplatz, den mein Onkel noch mitgeholfen hatte zu bauen. Er war als Ingenieur im Krieg dort tätig gewesen. Und manchmal fuhr ich später mit meinem Velo auf der Hauptstrasse die 6 oder 7 km hinunter nach Raron. Dort hatte ich einen Schulkameraden, dessen Vater einen grossen Bauernhof hatte. Und dort konnte ich sehen, wie man Kartoffeln erntete, und wie der Stier auf die Kuh steigt und wie junge Ferkel aussehen, und wie drüben, etwa in 200m Entfernung, diese Venoms und Vampires landeten und starteten und einen höllischen Lärm machten, so dass die Hühner ganz unruhig auf dem Hof herumgingen.
Aber es brauchte ziemlich viel Zeit, bis ich mich dort in Visp heimisch fühlte. Eigentlich war es dann erst, als ich ins Gymnasium kam und mit den einheimischen Jungen Kontakt hatte. Da fühlte ich mich erst richtig zuhause, als ich anfing, Fendant und Bier zu trinken und mich nach den Mädchen umschaute, die dort alle sehr brav, aber auch nicht so hässlich waren. Ach, vielleicht ist es doch eher das Heimweh nach der Jugend, und weniger nach Visp.
Wenn ich heute nach Visp gehe, dann finde ich das alles so eng und klein, und zwischen die Berge eingeklemmt. Und ich spaziere herum und es ist irgendwie frustrierend, weil ich das Gefühl habe, ich wäre hier zuhause, und doch ist mir alles fremd. Die Strassen sehen anders aus, neue Häuser, Fussgängerzonen, Unterführungen, Überbauungen. Sie haben alles neu gemacht, ohne mich auch nur zu fragen, ob ich einverstanden sei! Ach es ist kaum mehr auszuhalten! Es ist Visp und es ist doch nicht Visp.
*
Wo bist Du aufgewachsen, Marlena. Das war in Upsala, oder? Aber doch auch nicht Deine ganze Jugend? Es ist doch merkwürdig. Wenn man jung ist, denkt man, die Erwachsenen sind weit weg, sie haben keine Ahnung von der Jugend. Sie sind letztlich fremde Wesen. Und wenn man dann erwachsen ist, merkt man, wie nah einem die Jugend immer ist, und wie all diese Erinnerungen noch frisch sind und in uns weiterleben. Aber vielleicht haben wir diese Beziehung zur eigenen Jugend mehr, als sie frühere Generationen hatten?
*
Ich wünsche Dir noch einen schönen Sonntag Abend. Ist es stiller geworden zwischen uns? Ich merke es nicht. Meine Gedanken kreisen immer noch um Dich, wie um einen "alten Turm" .. oder so ähnlich.
Ich küsse Dich, Marlena
Und ich wünsche Dir einen guten Wochenanfang

Dienstag, 3. Oktober 2023

Ein Büffel meldet sich

 (R)




Ämne: Ein Büffel meldet sich
Datum: den 9 oktober  10:40


Lieber ..,

Ich wollte eigentlich erst ein wenig Ordnung ins Haus bringen bevor ich mich zu dir setze aber nun habe ich deinen Brief nochmals durchgelesen und kann es nicht so lange aufschieben. Am schönsten wäre es wir könnten einander gegenübersitzen und uns unterhalten. Wir würden wohl bis spät in der Nacht beschäftigt sein.

Ach mein verrückter Liebling, als einen Saurier oder Büffel siehst du mich im Augenblick? Das ist ja schrecklich wo ich doch eine moderne junge Frau im 21. Jahrhundert bin. Nun "jung" ist vielleicht etwas übertrieben aber meine Kolleginnen meinen ich sehe mehr aus wie ein Teenager als eine Frau in meinem Alter.
Aber ich verstehe wie du meinst. Du glaubst manchmal dass ich in einer "spirituellen Welt" lebe eher als in der Realität. Dass ich nur deine Seele sehe und nicht dich. Aber was ist denn das "die Realität". Entfernst du alle Träume, Erinnerungen, Gedanken und Sehnsüchte von einem Menschen, was bleibt denn dann übrig?
Und chéri, ich würde wirklich nicht an dir vorbeilaufen auf der Bahnhofstrasse. Ich glaube eher du würdest mich wie ein starker Magnet anziehen wenn ich in deine Nähe käme und alle Naturgesetze aufheben. ;-)
Ich erinnere mich als ich am Flughafen in Zürich sass und auf den Flug nach Wien wartete. Neben mir sass ein Mann, vielleicht so in deinem Alter. Er war ganz in seinen Laptop versunken und ich betrachtete ihn im geheimen und dachte, dass er vielleicht auch eine Marlena irgendwo hatte. Einen kleinen Augenblick spielte ich mit dem Gedanken dass es du seist und ich versichere dir dass es nichts mittelalterliches in dieser Situation gab Übrigens wunderte es mich wie klein solche Laptops sind und du tatst mir ein bisschen Leid dass du deine Mails auf einem so kleinen Ding schreiben musst, ganz zu schweigen vom Chatten.
*
Anna schläft noch. Sie kommt immer so spät ins Bett und es ist gut dass sie einmal richtig ausschlafen kann. Ja, du hast recht. Ich glaube ich hätte das Wort "ödla" mit Echse übersetzen sollen. Es war nicht schön gemeint.
*
Du hast mir wieder einmal aus deiner Kindheit erzählt und immer wenn du das tust fühle ich mich sehr nahe bei dir. Ich sehe ihn vor mir den armen kleinen Jungen der sich so fremd fühlt und ich kann mir schon denken wie es war, die einheimischen hinter sich her zu haben. Für ein Kind in dem Alter kann das schrecklich sein und sicher vergisst man es nie.
Es freut mich auch sehr dass du die Möglichkeit hattest das Leben auf dem Lande zu geniessen. Ich wünsche jedes Kind könnte es einmal erleben. Als Anna die 7. Klasse begann (neue Schule) bekam sie  eine Freundin die auf dem Lande wohnte. Sie war öfters bei ihr am Wochenende und sie hatten ihren grossen Spass. Vor allem wenn sie den Stierkälbern das "Hochspringen" beibringen wollten.. Sie bauten eine Hinderbahn und dann ging's los.Die vorbeifahrenden Autos bremsten oft ein. Sicher trauten sie nicht ihren Augen :-)

Auch ich hatte als Kind die Möglichkeit auf dem Lande zu sein und ich glaube ich trage diese schönen Erinnerungen und das Gefühl, ganz mit der Natur verbunden zu sein, noch heute in mir. Ich wusste nicht richtig was ich tun sollte um auch Anna das mal erleben zu lassen und dann kam eben diese Chance wie ein Geschenk vom Himmel.
*
Nein, ich bin nicht in Uppsala aufgewachsen, sondern in Stockholm. Das Zentrum von Stockholm war mein "Revir" und dort bin ich auch 7 Jahre lang zur Schule gegangen. Zuerst in die Realschule ganz in der Nähe vom Hauptbahnhof. Dieses Stadtviertel hat man dann abgerissen um dem Verkehr Raum zu geben. Man sieht es heute fast als eine kriminelle Handlung, denn damit hat Stockholm ein Stück seiner Seele verloren. Es war das "Klaravietel" wo die grossen Zeitungen ihre Redaktionen hatten, wo es enge Strassen gab mit gemütlichen kleinen Restaurants wo wir manchmal Sonntags essen gingen nachdem wir in der grossen Markthalle eingekauft hatten, wo ich dann später vom Schulhof aus die leichte Garde beobachten konnte die sich mit ihren Kunden oder Zuhältern ziemlich laut stritten (denn es war auch ein sündiges Viertel :-) und wo "Jocke" mit einem Kasten auf dem Bauch vor dem Schultor stand (wie ein Wurstverkäufer) und Süssigkeiten an uns Schüler verkaufte. Der liebe alte Jocke, wenn er wüsste wie er uns das Leben süss gemacht hat.
Dann mit 16 kam ich aufs Gymnasium. ...  Und später habe ich noch eine Zeit in einem staatlichen Amt gearbeitet. Es hat mir  gute Einblicke in die Beamtenwelt gegeben und ich möchte nicht ohne diese Erfahrung sein.
Erst als ich so 20 Jahre alt war zogen wir, die ganze Familie, nach Uppsala und ich begann meine akademischen Studien. Zuerst Germanistik und dann Romanistik (heisst es so?) Uppsala hat die beste Universität von Schweden obwohl Lund auch immer um diesen Titel kämpft. Aber dieser schönen Stadt werde ich ein eigenes Kapitel widmen.
*
Du sagst dass ich beim Schreiben Lücken lasse, chéri. Aber dann musst du eben Fragen stellen wenn etwas unklar ist oder wenn du mehr von irgendetwas wissen willst. Es ist auch immer leichter zu schreiben wenn man etwas zu beantworten hat.

*
Mach dir keine Sorgen, Schatz. Ich habe nichts anderes erwartet als das was du mir schicken willst. Als ob das nicht genug wäre. Zum erstenmal werde ich etwas in der Hand halten was du auch berührt hast :-) Und deine Gedanken sind doch in dem Stück drin. Was kann man sich denn mehr wünschen? Ich bin schon sehr neugierig.
*
Die schönste Zeit des Herbstes ist nun schon vorbei und die Bäume haben schon die meisten Blätter verloren. Aber auch diese Zeit ist schön. Etwas traurig vielleicht weil sie unsere Gedanken an Vergänglichkeit führt. Nun wird es auch schon ziemlich früh dunkel. Doch das macht mir nicht viel aus  denn es ist um so schöner in der wohligen Wärme im Haus zu sein.

Fast hatte ich an diesem Wochenende den Eindruck das Schicksal will uns trennen. Erst hast du an die falsche Adresse geschrieben und dann hat K den PC zerstört. Er wollte ein neues Program installieren "Frontpage" und hat dabei etwas falsch gemacht. Es war sehr dramatisch und wir dachten schon wir würden alles am PC verlieren. Das Internet konnten wir nicht mehr anschliessen. Aber dann haben die beiden klugen Köpfe doch zusammen herausgefunden wie sie es vielleicht noch retten könnten.. und es war ein wahrhaftiger Jubel als es dann am Sonntag plötzlich wieder in Gang ging. Aber etwas ist nicht richtig wie vorher und sie werden noch ein bisschen nach Fehlern suchen müssen bevor es wieder klappt wie früher.

Ich sende dir nun dies. Vielleicht kannst du es schon in der Mittagspause lesen. Etwas zum kauen zu deiner frugalen Suppe. ;-)
Lass bald von dir hören, mein lieber Mausfreund
Ich sehne mich immer nach deinen Mails
In Liebe
Marlena

PS Ich lege dir ein Bild bei. Es ist vom Rathaus aufgenommen hinüber zur Altstadt. In dem weissen Haus in der Mitte habe ich gearbeitet.





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