Montag, 30. November 2015

Ein Nobelmenü gefällig?


Ämne: Das Menue ...
Datum: den 9 december 2003 18:03


Nobelbankett

Der Duft von Rahmspinat, der den Gästen in die Nase steigt, führt dazu, dass der eine oder andere Nobelpreisträger seine Aufmerksamkeit nicht dem Redner auf dem Podium schenkt, sondern dem duftenden Teller, der vor ihm steht. Man schreibt das Jahr 1954 und Ernest Hemingway wurde gerade der Nobelpreis in Literatur verliehen. Einen noch größeren Erinnerungswert als die Rede an diesem Abend hat die herrliche geräucherte Lachsforelle, die Artischocken mit Trüffel und als krönender Abschluss – die berühmte Eisbombe. Auch heute spricht man enthusiastisch vom Essen am Nobelbankett, dessen Menüfolge bis zum letzten Tag geheim gehalten wird.

Um sich ein richtiges Nobelmenü schmecken zu lassen, muss man jedoch weder in Physik noch in Literatur einen Nobelpreis gewinnen. Im Stadshuskällaren in Stockholm, der unter dem Blauen Saal (Blå Hallen) liegt, in dem das Nobelbankett stattfindet, werden auch Normalsterblichen das ganze Jahr über Nobelmenüs serviert. Für 1285 Kronen können Sie sich eines der Gerichte bestellen, die der königlichen Familie im Laufe der nunmehr hundert Jahre zurückgehenden Nobelpreisverleihung serviert wurden. Meist bestellt man sich das neuste Menü. Wenn man Geburtstag hat, isst man gern die Menüfolge, die in dem Jahr serviert wurde, an dem man zur Welt kam. Firmen bestellen häufig das Menü, das in ihrem Gründungsjahr serviert wurde. Viele ausländische Besucher wählen das Gericht, das ein Nobelpreisträger aus deren Land gegessen hat. Am beliebtesten ist das Menü aus dem Jahr 1994, in dem Kenzaburo Oe aus Japan der Nobelpreis in Literatur verliehen wurde. Das Menü, das unter anderem eine würzige Roulade aus Entenbrust, Mango und Mangold sowie Kalbsfilet mit Salbei und Pilzen enthält, wurde bereits mehr als 25000 Mal serviert. Und seine Beliebtheit hat dazu geführt, dass der Stadshuskällaren das Menü auf Japanisch drucken ließ. Außer drei Gängen gehören zum Nobelmenü Champagner, Rotwein, Dessertwein, Kaffee und Mineralwasser. Als I-Tüpfelchen werden die Gerichte auf dem schönen Nobelservice serviert. Leider kann das Lokal jedoch nicht alle Nobelmenüs anbieten. Trotz umfangreicher Forschungsarbeit konnte nicht ermittelt werden, was in den Jahren 1905, 1906, 1908, 1923 und 1924 serviert wurde.

Bei einigen Menüs schiebt auch das Gesetz einen Riegel vor. Die Schildkrötensuppe, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts einige Male als Vorspeise serviert wurde, ist heutzutage verboten, weshalb man stattdessen eine „falsche Schildkrötensuppe“ serviert. Das einzige, das im Stadshuskällaren beim Nobelmenü neben der königlichen Familie und den Preisträgern fehlt, ist die ungeheure Maschinerie, die hinter den jährlichen Festlichkeiten steht. Die Bedienungen, die beim Nobelbankett arbeiten, und zusammen eine Schlange von über hundert Metern bilden, brauchen ganze 5 Minuten und 40 Sekunden, um sämtlichen Gästen das Essen zu servieren. Hierzu kommen Zigtausend Teller und Schalen, ein halber Kilometer Tischdecken, 25000 Schnittblumen, die in üppigen Gestecken arrangiert sind, und 45 Personen, die nichts anderes tun als Weinflaschen zu öffnen. Allein der Abwasch nach dem Bankett dauert ca. 1 Woche. Trotz der unglaublichen Koordination und Planung, die das Fest erfordert, kam es bislang noch nie zu größeren Zwischenfällen. Ihnen steht heute der Sinn nach königlichen Leckereien? Pech gehabt, leider müssen Sie das Abendessen fünf Tage im Voraus buchen – auch hier ist also Planung angesagt!

Das erste Nobelmenü von 1901
Hors d´oeuvres Pochiertes Glattbuttfilet mit Trüffel und Weißweinsoße. Gebratenes Rinderfilet Imperial, gebratene Haselhuhnbrust in Madeirasoße. Nobeleisparfait, Fruchttortelette.

… und das jüngste
Hummer und Blumenkohlröschen auf Blumenkohlpüree, Krabbengelee und Meereskorallensalat. Nobelbrot. Gänselebergefüllte Wachtel mit Steinpilzragout, sonnengetrockneten Tomaten, frischem grünem Spargel, Madeirasoße und Kerbelpüree. Vanilleeis und Johannisbeerparfait auf dünnem Meringenboden mit Karamellflan. Dazu wurden folgende Getränke gereicht: Champagner Pommery, BRUT I´Hospitalet de Gazin 1998, POMEROL Bernkasteler Graben Riesling Eiswein 1999, MOSEL - SAAR - RUWER Mineralwasser, Kaffee.



Autor Josefin Ekman


Re:

Lieber ...,
 ...
Ach, wie herrlich, der Artikel von dem Nobelessen! Und wenn du hier wärest, würde ich dir auch zeigen, wie es auf den Tellern ausgesehen hat, denn ich habe fast jedes Jahr ein wenig von diesem grossen Bankett auf Video aufgenommen. Und dann könntest du sehen wie alles strahlt und glitzert und die schönen Abendkleider der Damen bewundern. Die Unterhaltung, die wie das Essen bis zuletzt ein wohl verborgenes Geheimnis bleibt, ist auch immer erstklassig. Und dann kommen die Reden der Preisträger. Manche sind sehr humoristisch. Und da ist vor allem die grosse Freude, die alle ausstrahlen an dem Fest. Sie steckt einen geradezu an. Ich würde es gern mit dir ansehen. Ich glaube du würdest darauf reagieren, wie auf NY.

*




10 Dezember 2011

Samstag, 28. November 2015

Re: Warum nicht Basel?


Besuch im Garten


Ämne: ..und die Nacht nicht mehr sehr entfernt..
Datum: den 9 december 2003 21:53

Lieber ...,

Wie schön, dass ich nicht zwischen "Mjau" und "Muuu" gelandet bin. Kann also wieder ausatmen. Und natürlich liegt die Betonung auf der letzten Silbe. Ist ja doch französisch. :-)

Ich hatte Konferenz am Nachmittag und kam erst spät ziemlich müde nach Hause. Vielleicht auch müde, weil ich gestern so böse war, dass ich nicht einschlafen konnte vor so 2 Uhr nachts.

Die Konferenz war teilweise ein bisschen hitzig aber im übrigen benahmen sich die Anwesenden wie sonst.. d.h. wie Schafe. Seitdem es gilt mit dem Direktor und seinen Ideen zu flirten um höheren Lohn zu bekommen, wagt niemand mehr eine eigene Ansicht über Dinge zu haben. Menschliche Erniedrigung würde ich es nennen. Na ja, ich habe es überlebt, sonst sässe ich nicht hier.

Ach, wie schön du Basel beschrieben hast. Einmal werde ich es besuchen. Das habe ich mir versprochen. Aber wann und wie.. das weiss ich noch nicht. Wir hatten früher ein herrliches Videoprogramm, in dem man den Rhein von seiner Quelle hoch oben in den Bergen bis ans Meer verfolgen konnte. Ich habe es leider damals nicht gekauft für die Schule, was ich heute sehr bereue. Hoch oben auf der Alp sah man bauern, die Rätoromanisch sprachen. Es hatte einen schönen eigenartigen Klang. Dann sah man, wie sich der Rhein, wie ein wilder Teenager austobte um später im Bodensee wieder Ruhe zu finden. Danach kam man auch nach Basel. Da erinnere ich mich noch an die Wasserkunst und die schönen Häuser. Ich würde es sehr gern wieder ansehen, jetzt wo Basel etwas ganz besonderes für mich bedeutet. Die Stadt, auf deren Strassen mein Mausgeliebter herumflaniert.
(---)

*
Diesen Ausdruck "wo sich Füchse und Hasen gute Nacht sagen" finde ich so lustig. Das tun sie nämlich gerade hier hinter unserem Haus. Die Hasen sieht man oft im Winter und im Frühjahr und die Füchse hört man in der Ferne. Du weisst, wir wohnen, obwohl sehr zentral, doch sehr ländlich. Diese Kombination hat uns immer schon gut gefallen.

(---)

Ach, ist das wirklich so? Du hast einen halben Roman im Kopf? und die andere Hälfte auf Papier oder PC? Das freut mich riesig. Erzählst du mir mehr davon? Oder braucht es seine Ruhe?

(---)

Ich muss noch ein wenig für morgen vorbereiten. Mittwochs stehe ich schon um 7.50 Uhr im Klassenzimmer. Und am Freitag wird überall Lucia gefeiert. So auch in unserer Schule.

Jetzt grüsse ich dich lieb und freue mich schon auf dein nächstes Mail. Ja, das wünsche ich mir am meisten von allem: Mails von dir. Ich bin süchtig geworden.
S+K
Malou

Freitag, 27. November 2015

Warum nicht Basel?






Ämne: RE: Malou again


Liebe Malou
Ja, wenn ich es nicht schwarz auf weiss gesehen hätte, weil Du es zurückgeschickt hast, so würde ich es nicht glauben. Malou zu Maou: es kann sich dabei nur um eine momentane Schwäche des rechten Ringfingers handeln. ...
Nein, im Ernst, diesen hübschen und kompakten Namen will ich doch nicht ändern. Er hört sich an wie ein Französisch-schwedischer Mischkonzern ;-) Ich mag ihn ganz einfach, aber definitiv mit dem nötigen L.
*
Ist eine prima Idee nach Berlin zu fahren! Dort ist bestimmt einiges los. Aber es gibt natürlich noch viele andere hübsche Städte. Ich kann dir gar nicht aufzählen, welche es da noch gibt, sonst werde ich unruhig unter dem Hintern. Ich war noch nie in München. Bloss das olympische Gelände hatte ich besucht bei einer Durchfahrt. Und dabei haben wir einen Münchner, einen Bierbrauer, in unserem Club. Wir hatten schon mal darüber gesprochen, dass er für einige von uns eine Führung in seiner Heimatstadt machen könnte. Aber es ist dann doch nie dazu gekommen. Und mittlerweile ist er etwas älter geworden. Er ist klein, aber er liebt es, sich schick anzuziehen. Und dann geht er ohne seine Frau in den Strassen flanieren. Letzthin habe ich ihn an der Universität getroffen gleich nach dem K-Lunch. Ich glaube, er geht dorthin, um in irgend einer hochkarätigen Vorlesung ein kleines Nickerchen zwischen jungen Studentinnen in engen Blusen zu machen. So was würde ich ihm schwer zutrauen. Er hat von seiner biertrunkenen Stadt natürlich auch den gewissen Charme mitgebracht. Und er möchte ihn auf universitätsniveau austesten. Ist doch - letztlich - begreiflich, nicht wahr?
*
Weshalb macht Ihr Euren Ausflug nicht nach Basel? Seit Donalds Bildervortrag in Tschechien weiss ich, dass die Stadt ein absolutes Kultur-Konzentrat darstellt. Sie haben innerhalb von 27 Quadratkilimeter 30 Museen. Stell Dir das vor! Es gibt Museen wie Pfützen. Und es gibt eine feine Altstadt, die im Moment auch mit einem Weihnachtsmarkt überfüllt ist. Es gibt um die 5 oder 6 Buchläden. Na ja, das sind die, die ich kenne. Es gibt in der Umgebung mehr, zB. jenes nette kleine Buchlädelchen in Arlesheim, wo sie alles haben und wo du eine allerbeste Beratung bekommst, wenn du willst. Es gibt das hübsche Münster ob dem Rhein, mit dem Ausblick auf Kleinbasel und den Rhein. Dort oben spielt ein Teil meines Romans, den ich im Kopf habe. Na ja, halbwegs im Kopf. Es gibt das hübsche Café Schiesser, von dem man so gemütlich auf den alten Marktplatz hinunter sehen kann. Dort trinke ich eine Schokolade zur Lektüre der NZZ am Wochenende. Und es gibt das neue Theater, das der Stadt die Millionen weg frisst. Ach, man kann sich in Basel bestimmt wunderbar die Zeit vertreiben und in irgendwelchen romantischen Altstadtgässchen verloren gehen. Und wenn ihr im Radisson, in unserem Club-Hotel, wohnt, dann ist das bestimmt keine schlechte Absteige. Es gibt sogar ein Bad im Haus. Aber das Essen, wie Du Dich bestimmt erinnerst, ist nicht grossartig. Essen müsstet ihr in der Kunsthalle, Ss Lokal. Sie haben einen exzellenten bürgerlichen Service, lange schwere Tischtücher und einen riesigen Blumenstrauss in der Mitte auf dem Tisch. Man fühlt sich dort ein bisschen wie in jenen Restaurants, die man auf impressionistischen Bildern des 19. Jahrhunderts sieht. Und es liegt alles gleich neben dem berühmten Tingueli-Brunnen, diesem lebendigsten aller Brunnen, der gleich neben dem Theater dahinspritzt und -schleudert und -plätschert und immer viele Besucher anzieht. Wenn er im Winter eingefroren ist, gibt er bei Sonnenschein ein märchenhaftes Bild ab. Da müsstest Du Deine Kamera zücken. Natürlich könntet Ihr auch im Drei Könige übernachten, dem noblen Hotel am Rhein, in dem schon Napoleon und auch Goethe übernachtet haben sollen. Aber dort ist es noch eine Idee teurer und das Essen, was wir mal mit dem Club dort hatten, war nicht umwerfend. Zoe Jenny, die junge Basler Nachwuchsautorin, soll ab und zu dort eine Suite gemietet haben, um schreiben zu können. Sie ist ziemlich bekannt und ziemlich jung. Ich kann sie ein bisschen verstehen, dass sie sich mit aussergewöhnlichen Atmosphären aufzuputschen versucht. Vielleicht wiegt sich immer noch das Bücherschiff im Rhein, das gleich vor dem 3-Könige anzulegen pflegt. Auf diesem Schiff macht die Bibliothek, für die ich rezensiere, jährlich eine Ausstellung mit Kinder- und Jugendbüchern für Jugendliche, Kinder und Schulklassen. Es gibt dabei Reden, Vorträge, Wettbewerbe, kleine Theaterspiele und vieles mehr. Gar nicht zu sprechen von der hübschen Umgebung Basels … etwa den wunderschönen Rokoko-Dom in Arlesheim, mein Lieblingsstück, so süss, dass ich mir echte Caries geholt habe, die römischen Ausgrabungen in Augst, die netten Dörfer im Elsass, wo man schon französische Ambiance schnuppert und einen prima Gewürztraminer trinken kann.
Ach, ich bin sicher, Ihr würdet Euren Aufenthalt noch verlängern. Ich glaube nicht, dass ihr nach 3 oder 4 Tagen wieder in den kalten Norden heimkehren würdet. Ihr würdet bestimmt zusätzlichen Urlaub eingeben, um noch mehr von dieser Brise in der Nordwestecke der Schweiz zu bekommen. Aber dafür könnte ich natürlich keine Verantwortung übernehmen.
*
Ich muss los
und wünsche Dir alles, was Du willst.
G+K
Rud

PS: Schau mal, wie das kompakt aussieht: G+K und darunter Rud. Erinnert mich an die Signatur von Schiele, diesen kleinen Block am Fusse der Zeichnung.

Dienstag, 24. November 2015

Cardiac depressant


Ämne: Cardiac depressant
Datum: den 17 oktober 2002

Mein lieber Mausfreund,
Nie konnte ich mir vorstellen dass du Herztropfen brauchst nur weil ich dir geschrieben habe was du als intelligenter Mensch schon längst weisst. Was könnte eine so garantiert schreibfaule Person wie mich (man sagt oft ich sei da erblich belastet) dazu veranlassen mich täglich mit Schreiben zu befassen? Während der Rest meiner Bekannten so rund ein halbes Jahr auf meine Antwort warten, erhältst du meistens schon am folgenden Tag ein Mail von mir.

Nein doch, Polygam bin ich sicherlich nicht. Was ich liebe ist alles in dem selben Körper zu finden. :-) Wenn du wüsstest wie lange ich gezögert habe so deutlich zu werden. In jedem Mail, wie trocken und prosaisch es auch war kam mir immer die Lust mitten drin die drei Worte hinzuschreiben. Und nun da ich es schliesslich getan habe finde ich plötzlich garnichts mehr dabei. Es ist als hätte ich mich endlich von etwas schwerem befreit. Aber, wenn es nun so ist, dass ich dir gegenüber sehr viel "Herz" bin so bin ich andererseits auch sehr viel "Verstand". Und dieser letztere sagt mir warnend: "Du hast diesen Gegenstand deiner Liebe selbst geschaffen. Es ist nur eine Konstruktion deiner eigenen Träume und Wünsche. Ein RL würde sie nicht bestehen."
Ja, so sagt es wirklich, mein vernünftiges ICH , und zum erstenmal höre ich nicht darauf. Ich habe alle Sorten von (sogar vernünftigen) Gegenargumenten. Und wenn ich überhaupt jemals erfahren werde was das wirklich heisst, jemanden zu lieben, so bin ich sicher dass es dieses Gefühl was ich für dich habe, sein muss.

Jetzt muss ich aber lachen, denn das hier sieht eher aus wie eine Art trockene Abhandlung.. Lach doch auch ein wenig.. es ist nicht tragisch. Siehst du, immer noch schenkt mir der Kontakt mit dir diese Serenität von der du ursprünglich gesprochen hast. Manchmal frage ich mich wie mein Leben ohne dich gewesen wäre.
Ich glaube es hat auch mit dir zu tun dass man daran zweifelt dass ich wirklich von Schmerzen geplagt bin. Sicher fragt man sich wie ein leidender Mensch so glücklich aussehen kann.
*
Das Hotmail ist irgendwie nicht in Ordnung und ich musste so lange darauf warten eingelogt zu werden dass ich nebenbei die NZZ gelesen habe. Ich fühle mich ganz vortrefflich dabei denn ich merke dass es nicht die allerleichteste Sprache ist. Am Ende habe ich mir noch viele Rezensionen angesehen. Und so viele waren mit demselben Datum versehen. Ist das wirklich möglich? Ich meine, wie dick ist denn eigentlich diese Zeitung? Zwar habe ich sie mal in der Swissair (schon Geschichte!) in die Hand gekriegt aber die Kulturseite kann doch nicht so viel enthalten. Mysterium!
*
Hier bei uns gehen ein paar Minister und bald werden wir erfahren wer sie ersetzen wird. Die Grünen sind wirklich in die Reichspolitik eingebrochen. Ich denke vielleicht hat Peter Eriksson dieselben Pläne wie er es in Kalix gemacht hat. Eine Koalition geschaffen die nicht nur redet und viel verspricht sondern auch ganz pragmatisch Dinge ausrichtet an denen sich die Wähler erfreuen können. Nur die Stockholmer tun mir leid denn sie müssen nun extra bezahlen um mit dem Auto im Zentrum fahren zu dürfen und ausserdem wird man ihre Steuern erhöhen.
*
Ja, ja, die Herbstmenschen! Du bist nicht gerade bescheiden wenn du sie beschreibst. ;-) Ich habe übrigens aus Spass so ein Horoskop hier gelesen, u.a. nachgeschaut wie sich Krebs und Scorpion zu einander verhalten. Und was da steht war so lieb dass mir dabei ganz warm ums Herz wird.

Ett härligt kärleksfullt och rart par. Ni är så omtänksamma mot varandra och pysslar mycket för att den andre ska ha det bra. Ibland har ni så mycket att göra att ni inte hinner med varandra men det verkar inte spela någon roll om ni verkligen älskar varandra. Snarare gör det bara längtan större och kärleksglöden djupare.

Nein, ich übersetze es nicht. Und ich verspreche dir,  mich von nun an an alle ursprünglichen §§§§§ zu halten. ;-)
Kennst du sie noch?

Schreib mir bald wieder denn hier ist es so grau im Moment dass ein sonniges Mail wunder wirken würde.

Wünsche dir alles Gute und einen schönen Abend (mit Walter?) Und morgen feierst du Onkelchen? Give him a hug from me, please!

Liebe Grüsse
Marlena

Montag, 23. November 2015

"eine literarische Konstruktion"


Re: Cardiac depressant

Liebe Marlena
Ooch, das war aber ein Mail: Confessiones, in der Tat. Ich meine Deine
Bemerkungen, oder eben Geständnisse zum Thema Polygamie. Ich muss Dir
beipflichten. Es ist merkwürdig, wie das Virtuelle und das Reale
ineinanderspielen. Du hast früher nicht so darüber gesprochen. Ich meine die
Sichtweise, dass alles in Wirklichkeit eine Konstruktion ist. Es ist so, was
man ja auch vom Sex sagt, alles eine Sache der Vorgänge im eigenen Kopf. Und
das meinte ich damals auch, wenn ich die Worte brauchte, es gibt nichts
ausserhalb des Textes. Du Marlena bist für mich eine literarische
Konstruktion. Nicht, weil wir hier Literatur machen würden, sondern bloss
schon deshalb, weil Du aus den Zeilen entstehst, die Du mir schreibst. Du
bist wie Emma in Jane Austins Roman, den ich kürzlich spätabends im
Fernsehen zufälligerweise gesehen hatte. S mag solche Romane und solche
Filme. Und ich habe mich immer eher darüber lustig gemacht. Aber dann bin
ich doch ganz erstaunt hängengeblieben in diesem Film. Er zeigt das schöne
Leben im 19. Jahrhundert. Und diese Figuren sind alle so hübsch angezogen,
bewegen sich in absolut gepflegten Interieurs und sprechen so rundum höflich
und formvollendet miteinander, dass alles ein bisschen süssschön wirkt. Emma
ist eine junge blonde hübsche Frau, die sich sehr um ihre Umgebung bemüht
und für alle das beste will. Sie sucht, zu vermitteln, dass all ihre
Freundinnen, aber auch einfachere Leute, ihre Liebe im leben erreichen
können. Und sie tut es so selbstlos, dass sie zuletzt beinahe selbst ihren
geheimen Geliebten an eine Freundin verliert. Ach, es ist schwierig zu
erzählen. Ich war ja auch schon ziemlich müde am Fernsehen und habe all die
Bilder und Worte mehr diffus aufgenommen, und nicht mit scharfem Verstand.
Auf jeden Fall fühlte ich zum Schluss eine gewisse Liebe für diese Emma, für
diese Figur. Ich fand sie bezaubernd, hübsch einerseits, aber auch schön in
ihrem ganzen Wesen.
Bei Dir ist es nicht ganz gleich, aber ähnlich. Die Emma gibt es überhaupt
nicht im RL. Bei Dir weiss ich doch einiges, was man eher dem RL zurechnen
sollte. Dennoch bist Du ein Wesen für mich, das aus den Zeilen, mit anderen
Worten in meinem Kopf hochsteigt. Ich habe mir auch schon überlegt, wie es
wäre, wenn ich bloss einen Tag bei Dir zu Besuch wäre. Oder Du hier. Es wäre
wohl sehr ernüchternd und enttäuschend und frustrierend. All die schönen
Fantasien wären dahin. Ich nehme an, das war damals Deine Überlegung, als Du
mit deinem Kollegen bei der Zwischenlandung in Zürich für 7 oder 8 Stunden
ungeduldig wartend die Zürcher Bahnhofstrasse auf- und abgingst und die
geschäftigen (und notabene berühmten) Zürcher Gnome beobachtet hast, die so
hektisch agieren. Und vielleicht ist das auch wieder der Grund, weshalb Du
noch kein echtes Foto von Deinem Phantom-Lover besitzest. Er lebt in
Wirklichkeit zwischen den Zeilen und kann eigentlich gar nicht fotografiert
werden. Ist das denn nicht schon eine ausgewachsene Medientheorie, die wir
hier aufstellen?  ...
*
Ja, gestern hatten wir unser Weekly bei W, in seiner hübschen
Bibliothek. Er hat jetzt überigens einen jungen Hund, dieselbe Rasse wie
vorher, ein lebendiges und übermütiges kleines Haarkneuel, auch ein Briard,
so glaube ich, heisst die Rasse. Aber während unserer Diskussion bei
Mineralwasser und Bücherpräsenz ist die kleine Lilli nicht anwesend. Ich
habe mich überigens als Pate angeboten, und hatte mir dann erlaubt,
Vorbehalte wegen des Namens zu machen. Lilli sei kein Hundename, hatte ich
argumentiert. Ich habe Lulu oder Lolo vorgeschlagen. Aber sie wollten nicht
darauf eingehen. Na ja, vielleicht ist Lilli kein Hundename, aber vielleicht
ist das kleine Ding auch kein Hund?
Wir hatten ein merkwürdiges Gesprächsthema: unser Alter. Es hat alles
angefanen mit Aktienkursen und Managersalären, dann mit unserem
mittelständischen Leben, mit dem wir doch eigentlich zufrieden sein sollten.
Und dann kam das Alter. W ist ein wenig jünger als ich. Und er ist  ...
(...)

Meine Vorstellungen über das Alter hatten mehr Aspirationen als die seinen.
Ich finde, ich muss mich damit beschäftigen, wie ich in den kommenden Jahren
ein schönes Leben führen kann. Das heisst, ich muss Sorge tragen, nicht zu
unsorgfältig zu werden, nicht zu dick, ich muss den Sex substituieren, ich
muss zusehen, was ich im Leben noch erleben will. Stell Dir vor, ich habe
immer noch irgendwie die Idee im Kopf, nach Santiago de Compostella zu
pilgern. Irgendwie reizt mich der Gedanke, auch wenn ich nicht weiss, was
ich dort eigentlich tun sollte, wenn ich nach etwa 60 Tagen diese grosse
Strecke der täglichen Märsche überwunden hätte. Soll ich dort einen
Rosenkranz beten, oder bloss in einer Pinte ein Steak verdrücken? Es ist
dasselbe Problem wie überall im Leben: was tust du, wenn du dein Ziel
erreicht hast?
Auf jeden Fall möchte ich noch irgend etwas Verrücktes machen im Leben. Und
W ist eher zufrieden, wie es läuft. Er hat keine besonders exotischen
Wünsche. Er meint, er hätte viel mehr erreicht, als er sich jemals
vorgestellt hatte. Er hat ein Haus, hat eine Freundin, hat einen guten Job,
hat jetzt sogar einen Hund. Er ist - mit einem Wort - sesshaft geworden. Ich
meinerseits habe nicht das Gefühl, ich hätte im Leben mehr erreicht, als ich
erwartet hatte. Ich hatte mir als junger Mensch sehr viel vom Leben
versprochen, allerdings waren die Vorstellungen nicht sehr präzise. So frage
ich mich eher: war das schon alles? Gibt es auf dieser Welt nicht mehr zu
erleben, zu sehen, auszuprobieren?
Na ja, vielleicht bin ich ein Herbstmensch. Sie sind in der Tat ganz
exzellente Wesen, da sei Dir - unter uns - ins Ohr geflüstert.

Ich wünsche Dir einen schönen Tag und - wer weiss - ein feines Wochenende.
Mit einem lieben Gruss
...

Sonntag, 22. November 2015

Sorry!



Subject: Nicht so...

Lieber ...,
Es tut mir leid wenn ich dich "in perfider Weise wegen kleiner Details angegriffen" habe. Das war absolut nicht meine Absicht. Und übrigens, als ich das deutliche schöne Bild von einem Singschwan, das ich dir geschickt habe sah, dachte ich dass es genauso aussieht wie die Gänse, vor denen ich als Kind so grossen Respekt hatte.
Nein, ich kann mir dich nicht wie ein "zwischen den Kieseln kriechender Wurm vorstellen". Eher dann so wie auf dem Bild hier unten. Also sei mir nicht böse. Es war nur ein wenig Spass.
Sag mir, was hast du gegen das Wort schlampig? Heisst es denn nicht so?

Danke übrigens für die Adresse. Was sagst du zu Bichsels Gedanken über das Schreiben? Wenn er recht hat dann leben wir sehr ungesund und gefährlich. ;-) Aber vielleicht hat er das nur so im Rausch geäussert. Den Satz mit den Bienen in den Lindenblüten im Mondschein finde ich sehr schön. Weiss nicht was daran als "besoffen" bezeichnet werden kann.

Gerade jetzt am bevorstehenden Wochenende versteckt sich die Sonne hinter einer grauen Wolkendecke. Anna kommt nicht nach Hause und so werde ich wohl meist in meinen Papieren herumwühlen. Wie ein Wurm. :-)  Es schadet nicht, dass ich mich in Ruhe etwas damit beschäftigen kann.

Drei Kolleginnen werden bald gefeiert. Eine geht in Pension, eine wird 50 und eine 60. Diesmal haben wir ein Restaurant gemietet. Es wird sicher ein lustiges Fest werden.

Sonst passiert herzlich wenig. K hat sich im Internet einen Apparat gekauft mit dem er alle seine alten Vinylplatten in CDs verwandeln kann. So werde ich wahrscheinlich das ganze Wochenende von Musik ertränkt werden.
Und du? Wirst du etwas besonders tun?
Ich wünsche dir schöne warme Tage,
Marlena



Bichsels Gedanken über das Schreiben:

Schreiben ist gefährlich
»Man kann sich nichts vom Leib schreiben. Man schreibt sich alles auf den Leib. Selbst wenn man einen politischen Artikel schreibt, wird das Elend und die Wut immer größer, nicht kleiner. Schreiben ist keine Therapie, Schreiben ist gefährlich. Auch nach dem Brief, den du deiner Freundin oder deinem Freund schreibst, um dein Elend endlich einmal jemandem herauszukotzen, geht es dir nachher nicht besser, sondern schlechter. Schreiben ist unhygienisch, gefährlich.« (Peter Bichsel, in: Weltwoche, 11/00 v. 16.3.99)

Samstag, 21. November 2015

Freitag, 20. November 2015

Seneca


Córdoba - Senecas Geburtsort

...

Ich habe in den letzten Tagen ein bisschen Seneca gelesen. Du kennst den Kerl, nicht wahr? Er war Lehrer Neros und hat darin, wie man zugeben muss, tüchtig versagt. Aber er war zu seiner Zeit ein trendy Philosoph und Schriftsteller, auch Politiker. Er hat doch so bekannte Aufsätze geschrieben wie die 'Ueber den Zorn', 'Über das glückliche Leben', Über die Kürze des Lebens' und so fort. Und es gibt darin gute Gedanken. Allerdings ist er nicht sonderlich systematisch. Die Abfolge seiner Gedanken sind für mich ziemlich ungeordnet. Doch vielleicht verstehe ich bloss seinen roten Faden nicht. Im Wesentlichen ist Seneca Stoiker. Sie alle nehmen sich Sokrates zu Vorbild und die Art, wie dieser ihr Meister gestorben ist. Von Seneca erzählt man sich einen ganz ähnlichen Tod wie derjenige Sokrates'. Aber vielleicht ist die Begebenheit bloss erzählerisch ein bisschen stilisiert worden. Jedenfalls soll sich Seneca, auf Geheiss Neros, selbst umgebracht haben. Jammerschade, wo er doch noch ein paar Jährchen gemütlich auf seinem Landgut ausserhalb Roms seinen Lebensabend hätte verbringen können.

Donnerstag, 19. November 2015

Elchstamm ausgestorben - aber heute ...





(den 24 maj 2000)


Lieber Mausfreund,

Zum Elch. Am Wochenende ist, wie du schon weisst, der dänische Elchstamm ausgestorben.;-) D.h. die Dänen haben gar keinen gehabt, aber dann ist eben ein schwedischer Elch rübergeschwommen und nun ist dieser arme Elch von einem Zug überfahren worden.
...


aber  heute: 

Nach 5000 Jahren  -  Elche zurück in Dänemark



Dienstag, 17. November 2015

Ronda - ein Sehnsuchtsort


Ronda  12 nov. 2015 
Aber es stand auf meiner Liste.
Marlena



Liebe Marlena
...
Es gibt Sehnsuchtsorte. Elias Canetti betrieb einen Kult mit den Städten, die er aufsuchen wollte. Je heiliger ihm eine Stadt war, desto länger schob er den Besuch hinaus.

Da kommt mir eine kleine Sache in den Sinn. Ich habe dir erzählt, dass wir vor ein paar Jahren in Andalusien waren. Es waren sehr schöne Ferien in diesem schon ziemlich afrikanischen Klima. Und eines Tages sind wir mit unseren spanischen Freunden nach Ronda gefahren. Nun ist Ronda ein ganz speziell romantischer Ort. Rilke war dort und hat im Hotel Reina Victoria logiert und ein bisschen über seinen Duineser Elegien geschwitzt. Und vor allem Hemingway war da, der grand old man, über den die Spanier reden als wie über den eigenen Grosspapa. Hemingway war ja bekanntlich ein begeisterter Stierkampfbesucher, ein afficionado oder so ähnlich, dh. ein Fan. Und er hat ein interessantes Buch über den spanischen Stierkampf geschrieben, das ich damals in den Ferien nochmals gelesen habe. Nun bin ich sicher, dass du Marlena, als Nordländerin und als sensible Frau, den Stierkampf ganz und gar nicht bejahen kannst. Schliesslich bringt es dich schon in Aufregung, ein paar Ameisen im Hause zu Leibe zu rücken. Doch es geht mir nicht um den Kampf. Nein, Hemingway hat Ronda, diese alte und malerische Stadt in den Bergen, an einer tiefen Schlucht gelegen, ebenso lebendig und poetisch beschrieben wie Rilke. Nein, eigentlich nicht ebenso, sondern eben a la Hemingway. Die zwei sind ja nicht gerade Brüder im Geiste. Der eine war ein Spring-ins-Feld, der andere ein hochsensibler Schöngeist. Nun denn, Hemingway sagte über Ronda, er empfehle es jenem Mann, der gedenke, mit einer Geliebten auszureissen und durchzubrennen. Das fand ich schön gesagt, echt Hemingway, der Macho, wie er ja wohl im Privatleben nicht nur war mit seinen Depressionen.

By the way: Ronda habe ich nicht in unsere Liste aufgenommen, vorsichtshalber. Aber in meinen Gedanken war schon Hamburg drin. Ich lass DICH mutmassen, weshalb!

Ich habe nun - weiss Gott - noch ein paar weitere Gedanken und Fantasien gehabt. Und ich kann dir sagen, sie waren nicht schlecht, wir müssten uns ihrer nicht schämen. Allein, sie lassen sich nicht alle mit unserem §5 vereinbaren.

Gottseidank also haben wir zusammen bloss eine feine Mausfreundschaft mit Fachgesprächen über Rilke, über die Spurbreite der Champs Elysées und über das gegenwärtige Potential an valablen Schwiegersöhnen. Was ist denn schon dabei! Zumindest werden wir dir deine Trauer vom Gesicht wegretouchieren. Ich helfe dir dabei, soweit ich kann. Keiner soll mir vorwerfen, ich könne nicht retouchieren!

Gibt es irgendwelche Worte, die man jetzt sagen könnte?? Ich glaube nicht.

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A propos Reisen: "Ich bin ein Seemann im Verkennen meiner selbst" schreibt Fernando Pessoa, "ich habe überall gesiegt, wo ich nie gewesen bin. Reisen? Existieren ist Reisen genug".

Freitag, 6. November 2015

Re: Novembergeist




Ämne : Novembersonne..

Lieber ...,
Wenn ein Mann in deinem ehrwürdigen Alter einen Sprung über die Schwelle macht dann ist das wie wenn ein jüngerer Mann sich in den nächsten Baum werfen und wie ein Tarzan sich durch die Luft schwingen würde. Ich kann durchaus zufrieden sein mit meiner Wirkung. ;-)

Ja, chéri, ich habe mich wirklich sehr gefreut dass ich dir eine kleine Freude machen konnte mit meinem Strauss. Und scheinbar steht mir das Glück bei nicht nur in beruflichen Dingen, denn ich wusste gar nicht an welchem Tag dein Geburtstag ist, nur dass es irgendwann in der ersten Hälfte von November sein müsste. Und du weißt vielleicht schon dass wir an deinem Geburtstag in ganz Schweden geflaggt haben. Es ist nämlich der Gustav Adolftag, den man zur Erinnerung an Gustav II. Adolf (Vater von Kristina) feiert. Nun ja, es sind die patriotischen Leute die es tun, indem sie ein Gustav Adolfgebäck essen. So werde ich mich in Zukunft leicht an den Tag erinnern können.

Wie lustig du über die Beobachtungen der älteren Herren erzählst. Auch ich sehe fast immer wenn ich einkaufen gehe Leute, die vor zehn Jahren noch jung und rüstig aussahen und die nun alt und grau dahintappen. Und das macht mich immer ein wenig melancholisch denn ich kann es nicht lassen zu denken dass ich wohl auch bald so aussehen werde. Aber eigentlich ist es ja nur wenn man ihr Äusseres sieht, dass man so reagiert. Denn wenn man mit ihnen spricht verschwindet meistens dieser Eindruck von Verfall. So z.B. gestern standen ein paar wirklich alte Frauen am Gemüsestand und betrachteten sehnsüchtig die schönen Paprikas die dort in vielen Farben prunkten. Ich machte die Bemerkung dass ich über den Preis überrascht sei da sie meistens um diese Jahreszeit mindestens das doppelte kosten würden. Und eine der Frauen fragte mich ob man sie auch eingefrieren könnte. Und ich habe gesagt ich bin nicht sicher, ich hätte es zwar mal getan aber leider nie aufgetaut und so haben wir herzlich gelacht denn die Situation war auch ihr vertraut. Dabei kam sie mir vor wie ein junges fröhliches Mädchen. So ist es. Wir tragen einen Körper herum, der immer etwas älter wird aber er birgt eine Seele die alle Alter zugleich trägt. Wenn wir glücklich sind, sind wir jung, wenn wir müde sind fühlen wir uns alt.. Und wenn man eine rassige langhaarige südliche Geliebte hat, ist man sicher immer jung. Auch wenn man einen Mausfreund hat dessen Worte einen berühren wie die heissen Küsse eines innig Geliebten vergisst man sein Alter.. So sollte ich dir wohl auch danken.
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Heute scheint wieder einmal die Sonne von einem klarblauen Himmel und immer noch trägt die Hängbirke vor dem Fenster hier ihr Laub das nun wie Gold leuchtet. Es sieht etwas lustig aus gegen den weissen mit Schnee bedecktem Rasen.
Ich habe nur noch eine Unterrichtsstunde dann werde ich mich ausruhen und kurieren denn auch ich huste wie ein Dobermann.. sehr guter Vergleich! :-)
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Habe gerade erfahren dass eine Direktorin an unserer Schule gekündigt hat. So werde ich Anfang nächsten Jahres zwei neue Chefs bekommen denn meine Schüler gehören alle zu ihren Revieren.
Das schöne Hotel wo wir neulich waren und das mir so flott vorkam war das alte Stadthotel bis vor kurzem wo es von Scandic aufgekauft wurde. Die Stadthotels sind die flottesten jeder Stadt.
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Ja, die Wienerschnitzel!! Ich kann sie leider kaum mehr geniessen seit ich in Estland war. (Ich war mit Kollegen dort auf einer Studienreise) Denn wo immer wir hinkamen gab es eigentlich nur Schnitzel in den Restaurants. Dabei musste ich ihre Kunst bewundern wie sie dieses Gericht variieren konnten mit verschiedenen Garnierungen.. aber darunter fand man eben immer wieder ein Schnitzel auch wenn die Vorspeise russischer Kaviar und Champagner sein konnte. Ich werde übrigens bald mal die Leute zu einem "Estlandabend" einladen, an dem wir alle unsere Fotos mitbringen werden und was glaubst du, was ich ihnen anbieten werde? Natürlich ein "herrliches Wienerschnitzel" damit sie sich richtig zurückversetzt fühlen.
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Nein, bei uns ist es nicht üblich Kastanien zu essen. Anna hat es neulich in ihrer Italienischsstunde gegessen. Sie haben einen Grill mitgebracht und geröstet und es hat spannend geschmeckt..

Ich muss nun noch etwas vorbereiten für meine letzte Stunde heute. Du hast sicher auch bald Feierabend und ich wünsche dir ein richtig schönes Wochenende mit vielen Schwellensprüngen.. ich sehe dich wirklich vor mir und bin riesig stolz dabei.. fast als wäre es mein Verdienst. :-)
Mit lieben sonnigen Novembergrüssen
Marlena

Mittwoch, 4. November 2015

Novembergeist


Ämne : Novembergeist

Liebe Marlena
Ich habe ihn überlebt!!! Meinen Geburtstag, meine ich. Ich bin froh, dass die Leute nicht allzu viel Aufhebens gemacht haben. Das mag ich nämlich gar nicht besonders. Nun ja, ich habe einige nette Telefonate gehabt. Und abends sind wir - dh unsere Familie - zusammen in der Nähe essen gegangen. Es war klein und bescheiden, wie es sich in meiner Altersklasse gehört.
Deine Glückwünsche haben mich sehr gefreut. Und - um es klar und deutlich zu sagen - sie waren die ersten, die ich am Morgen empfangen hatte. Alle anderen Küsse und Wünsche und Glücksbeteuerungen kamen viel später an. Die roten schwedischen Rosen waren wirklich knallrot, und haben etwas lasziv hin- und hergewackelt. Ich danke Dir, Marlena, und ich bewundere, wie Du daran denken konntest. Ich vergesse leider solche Geburtstage allzu gerne.

Als S mir vor einer Woche sagte, ich solle den Dienstag abend reservieren, wir hätten da etwas vor, da habe ich bei weitem nicht an meinen Geburtstag gedacht.
Und schliesslich habe ich am späteren Morgen im Städtchen noch einen ehemaligen Mitarbeiter angetroffen. Er ist schon über 60 und arbeitet zu 80% oder vielleicht 60%. Auf jeden Fall hat er Zeit, mitten an einem Werktag mit einer grossen Tasche durch die Strassen zu schlendern und seine Kommissionen zu tätigen. Auf seine Einladung sind wir in einem kleinen Café verschwunden (etwas, was ich sonst hier absolut nie tue, weil ich vermeiden muss, dass die Leute reden und behaupten, die Beamten arbeiteten nichts und sässen bloss tageweise in den Restaurants herum), und er hat mir geklagt, wie sehr er unglücklich sei mit seiner heutigen Arbeit und wie gerne er zu uns zurückkommen würde. Nun ja, was soll man dazu sagen? Doch man hat in seinem Gesicht schon von weitem gesehen, dass er nicht glücklich ist. Er schien leidend. Mein erster Gedanke galt seinem Rücken. Ich glaube, bei physischen Schmerzen altert man schnell. Und er hat mir um die 10 Kameraden und Altersgenossen aufgezählt, die an Parkinson, an Prostatakrebs, an schweren Depressionen und leichter Impotenz oder an anderen fürchterlichen Krankheiten leiden. Kurz und gut, ich verliess das Café mit einem übermütigen kleinen Sprung über die Schwelle im himmlischen Gefühl, absolut jung und frisch, spritzig und gesund zu sein. Man fühlt sich selten so gut wie im Altersheim. Und das ist die Moral der trüben Geschichte.

Na ja, nebenbei habe ich einen alten weisshaarigen Kameraden gleich aus diesem Café treten sehen, der vor einem oder zwei Monaten pensioniert worden ist. Und ich hatte den penetranten Eindruck, dass er gelangweilt schon zeitig an trüben Novembermorgen in den Restaurants herumhänge, vielleicht gar zum Alkoholismus neige. Er schien mir sehr gelangweilt und mit leerem Blick, als ob er der Arbeit wie einer rassigen und langhaarigen südlichen Geliebten nachweine.

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Und draussen vor dem Fenster hat der November Einzug gehalten. Die Stühle und Tische unten im Cafè sind zusammengestellt. Die Blätter der Bäume bedecken den Boden. Es nieselt und ist kühl. Nicht kalt, aber kühl. Und der Wind bringt eine gewisse Unruhe in die ganze Szenierie. Die Leute eilen vorbei und schauen kaum um. Die schönen, warmen, und wie man sie genannt hat "goldenen" Oktobertage sind endgültig vorbei. Man kann im Städtchen wieder heisse Marroni kaufen. Kennt ihr sowas in Schweden? Es sind diese, auf offener Kohle gegrillten Edelkastanien, die bei diesem Wetter heiss so gut schmecken. Sie sind in den letzten Jahren wieder in Mode gekommen, während es in meiner Jugend ein Arme-Leute-Geschäft war, sowas zu verkaufen.
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Ich habe etwas zuviel gegessen gestern. Auf der Karte fand ich viele Dinge,
die S zuhause auch kocht. Lammgigot, Lammfilets, Fische in allen
Formen. Und so bin ich auf ein absolutes Proletariermenue ausgewichen:
Schnipo, sagt man hier. Das meint Wienerschnitzel mit Pommes. Es war
kalorienreich, üppig und etwas fettig. Darüber konnte auch der kleine
Zitronenschnitz nicht hinwegtäuschen. Aber ich habe es genossen. Und
dazu ein Bier getrunken.

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Ich danke Dir für Deine Wünsche. Sie wackeln immer noch knallrot vor meinen Augen. Und ich bin sicher, sie werden mich im kommenden Winter wie ein Antidepressivum begleiten und zu grossen Taten wie die oben erwähnten Schwellensprünge antreiben.
Mit einem Novembergruss
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Montag, 2. November 2015