Mittwoch, 30. September 2015

Thema: Beichtstühle





Lieber ...

Gerade habe ich ein Mail aus Rom erhalten mit unserem Gesprächsthema
heute: Beichtstühle. Wie sind wir eigentlich auf die Idee gekommen?

Vor ein paar Tagen habe ich meinen Römern erzählt, dass Anna die
Osterwoche in Göteborg verbringen wird.. und weil Göteborg eben
schöne Erinnerungen weckt bei mir hatte ich folgendes
geschrieben (glaube du hast das schon vor Jahren gehört).

Göteborg is a very beautiful and interesting city at the West Coast. I
lived there half  a year, while I was attending the school of education.
One of the Catholic priests let me rent his big and wonderful apartment
while he was travelling around the world giving talks (lectures).
He was a very learned person and when he visited Uppsala and was
preaching in the mass, the "important" people in cultural life came to
listen to him.. also the atheists.
Besides, it was  this priest who heard my first confession.. I think I
was about ten years old. I had searched my memory and conscience with
great seriousness  and I had a list of 65, (yes, I mean sixty five)
sins to report. ;-)))
Still, when I was grown up I always thought that he remembered this
when he smiled at me.
*
Und hier, ich glaube das wird dir gefallen, sind die Gedanken meines
Römers über Beichtstühle. Nimm es zugleich als eine kleine
Sprachübung.

Non sò se nelle vostre chiese il rito della confessione si svolge in
quei sarcofaghi neri e bui tipici delle chiese cattoliche che appaiono
più simili all'anticamera dell'inferno che alla porta del paradiso. Tu
sai che ho fatti per tanti anni il chierichetto proprio nel periodo in
cui la guerra ci mostrava segni molto più tragici della prospettiva di
andare agli inferi, punizione prevista per chi non si avvicinava al
confessionale; il fatto di non poter vedere in faccia il prete, vista
la grata che ci divideva, mi metteva in una condizione di disagio che
non era il linea con l'intento di questo sacramento  che, in fondo,
non ho mai ben sopportato.
Penso all'espressione che deve aver avuto quel sacerdote nel sentire i
"65 sins" detti da una bambina come te che, all'età di 10 anni gli
doveva apparire come un angioletto portato via da una pala d'altare;
quando vedo le tue foto da bambina, la vera bambina, non quella di
Saalbach :-), appari realmente tale.

*
Ja, du siehst.. nicht nur du machst dir besondere Vorstellungen von
Beichtstühlen.

Glück ist kein permanenter Zustand (wäre auch bald langweilig) sondern
kommt täglich in kleinen Momenten. Und zu dieser Jahreszeit gibt es so
viele kleine Glücksspender, besonders in der Natur.
---
Ich freue mich auch, weil du wieder etwas glücklicher erscheinst.
Danke für die schönen Bilder aus deiner Wohnung. Das neue Bild mit dem
blauen Sofa  finde ich wunderschön. Es sieht alles so heimelig und
einladend aus bei dir. Ich glaube ich wäre glücklich, dort zu wohnen.
Und dieser bastante und imposante Schreibtisch, an dem ich mir
vorstelle (und hoffe)  dass du bald schreiben wirst.

Es ist spät und ich bin müde, aber auch zufrieden mit diesem Tag, denn
ich habe alles ausgerichtet was ich mir vorgenommen hatte. Die Pflicht
ist angenehm, wenn sie getan ist.
--
 Mit lieben Grüssen mit sowohl Ks und Qs
Malou




Sonntag, 27. September 2015

Das ist Sehnsucht




Das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewoge
und keine Heimat haben in der Zeit.
Und das sind Wünsche: leise Dialoge
täglicher Stunden mit der Ewigkeit.

Und das ist Leben. Bis aus einem Gestern
die einsamste von allen Stunden steigt,
die, anders lächelnd als die andern Schwestern,
dem Ewigen entgegenschweigt.

 
Rilke
Aus: Frühe Gedichte

Freitag, 25. September 2015

Dein grösster Traum?


Ämne: O..
Datum: den 9 september  20:41

Lieber  ...,

Eine solche Frage? Ich habe gestutzt als ich sie sah. Und du stellst sie so ganz ohne Bedenken - schwarz auf weiss. Man kann sie beim besten Willen nicht übersehen. Weisst du, diese Frage kommt mir öfters in den Sinn und ich versuche sie so schnell wie möglich beiseite zu schieben. Und nun willst du plötzlich, dass ich sie beantworten soll.

Wenn du sie vor drei Jahren gestellt hättest, wäre es vielleicht noch etwas leichter gewesen. Aber irgendwie wird man alt und klug und sieht ein, dass man zwar noch träumen kann, aber dass es dabei bleibt. So überspringe ich hier, diese Sorte von Träumen und gehe über zu einigen, die ich vielleicht doch verwirklichen kann.

Wenn ich aufhöre zu arbeiten, will ich wieder einmal in die Welt hinaus reisen. Ich denke vielleicht doch einmal Wien. Ich habe dort gute Freunde, die ich gern wiedersehen würde und ich weiss schon wo man sich günstig für ein paar Wochen einmieten kann ohne ruiniert zu werden. Und dann möchte ich in aller Ruhe eine Zeitlang Wienerin sein. Ich möchte die Stadt so kennenlernen wie ich einst Paris kennegelernt habe. Mit dem Herzen und nicht nur mit den Augen. Ich möchte in den Wiener Cafés sitzen und einen Schlagobers bestellen. Ja, Wien ist einer Meiner Träume, die ich verwirklichen möchte.

Und dann später auch Rom. Diese Stadt ist so gross und schön und ich habe fast ein bisschen Angst vor ihr, weil sie mich mein Leben lang gelockt hat. Und wenn ich einmal dorthin fahre, werde ich mir deine "Römerbriefe" herausssuchen und sie als Guide mitnehmen.

Ich musste noch einmal nachschaun wie du die Frage formuliert hast. Und nun wo ich sie genau lese, sehe ich noch mehr als vorhin.
"..dein grösster Traum im Leben, auf dessen Erfüllung du noch wartest..." Du weisst also, dass mein grösster Traum noch unerfüllt geblieben ist. Ach, ..., du führst mich in Versuchung. Ich beantworte es vielleicht später einmal. Es ist ja auch  keine JA/NEIN - frage. Wie würdest du selbst darauf antworten? Kannst du es?
*
Ja, es war schön, immer am frühen Morgen ein schönes langes Mail von dir zu erhalten, von dem man wusste, dass du es in Ruhe und ohne Stress schreiben konntest. Und es waren Abend-mails. Die sind eine Sorte für sich. Das konnte man sogar spüren. ;-)
*
Es ist doch gut, wenn du das Nachher vergessen kannst. Wäre schlimm gewesen wenn du jeden Tag in NY an alle Arbeit gedacht hättest, die in deinem Büro liegen bleibt. Du bist ganz einfach ein Lebenskünstler. Ich hatte sogar manchmal den Verdacht, dass du es wie der bekannte Mathematikprofessor in Paris machen würdest. Er hat das akademische Leben verlassen und hat sich als Clochard unter die Brücken gelegt.
*
Du spielst also wirklich auch Golf? Ich dachte das war nur sowas womit Harro damals versuchte den Damen im Chat zu imponieren. *s* Schade, dass du es so weit hast zu Golfbahnen. Ich habe zehn Minuten mit dem Auto zu der einen und 20 Minuten zu zwei anderen. Das sind Golfbahnen mit 18 Löchern.  G. ist übrigens ein eifriger Golfspieler. Ich werde mal die Frage an ihn stellen, die du mir als Witz geschickt hast. A. (der andere Kollege) wird wohl dabei vom Stuhl fallen..
Ich kenne auch einen Golfwitz. Fragt ein Kind die Mutter: Du Mutti, wann ist Pappa gestorben? Sagt die Mutter: Er ist nicht tot.. er hat angefangen Golf zu spielen.
*
Ich fühle mich heute Abend frei und zufrieden. Zufrieden, weil ich das Gras gemäht habe und einen Pflaumenkuchen für die Konferenz morgen gebacken habe. Ich bin wieder einmal dran. Jede sechste Woche. Dazwischen lässt man sich von den anderen mit allerlei Leckerheiten verwöhnen. Es ist gut diese kleinen informellen Treffen zu haben, denn man kann alle eventuellen Probleme ohne grosse Umstände lösen und es sieht auch gut aus auf dem Papier, dass man sich in den Fächern trifft und diskutiert. Der Direktor kann auch kommen, wenn er will. Aber ich denke er traut sich wohl kaum.. :-)
*
Im Moment läuft ein Naturfilm im Fernsehen über Elefanten. Diese Tiere haben mich schon immer fasziniert und als Kind wünschte ich mir sehnlich einen eigenen Elefanten zu haben. Einen, der auf mich aufpassen würde und mich lieben würde. Und immer noch kann ich mich nicht satt sehen an diesen Tieren. In Stockholm auf Skansen (das Freilichtsmuseum) durfte ich mal auf einem Elefanten reiten. :-)
*
Hattest du dich verschrieben in deinem Mail, wo du sagtest Ronda ist etwas für das VL? Sicher hast du gemeint RL, oder? Wie könnte es für das VL sein?

Und so komme ich zu meiner Frage, am Ende des Mails:
Warst du schon einmal mit einer Geliebten in Ronda?

Ich grüsse dich lieb und sende dir ein wenig von unserer sommerlichen Wärme, die wir immer noch geniessen.
S+K
Marlena


Re: Mein Traum

Liebe Marlena
Du bist doch ein Mensch von praktischem Format. Du bist zufrieden, wenn Du Gras gemäht und Pflaumenkuchen bereit hast. Du stützest Dich auf handfeste Dinge, auf sichtbare Resultate. Du wärst glücklich und zufrieden, Dich im RL einzurichten. Ich glaube, Du lebst vor allem von der sinnlichen Welt: Natur, Menschen, Blumen. Nicht wahr? Na ja, das geht uns allen wohl mehr oder weniger ähnlich.

Aber ich habe gemeint, Ronda sei eher für das VL, weil man dort oben kaum 14 Tage - nachdem man die Frau entführt hat - wirklich froh und zufrieden leben könnte. Ronda ist ein abstrakter Traum, und Hemingway hat es auch ein bisschen so gemeint. Na ja, vielleicht war er selbst ein bisschen ein abstrakter Typ, der irgendwo auf dieser Welt sich in Handgemenge einlassen konnte. Abstrakt würde dabei heissen, dass es keine Rolle spielt, wo und wofür.

Nein, ich spiele kein Golf. Ich habe mich damals mit dem starken Gedanken getragen, anzufangen. Und es hätte nicht viel gefehlt, dass ich wirklich in einen Club eingetreten wäre. Das war die Zeit, als ich noch mit dem Bon von 10 Schnupperstunden herumgegangen bin. Aber heute bin ich ein abgeklärter After-Golfer. Ich habe überigens eine gute - psychoanalytische - Definition, was Golf sei, wenn es denn jemand unbedingt wissen wollte: Golf ist der sublimierte libidinöse Triebwunsch, den Ball ins Loch zu bringen. Na ja, vielleicht ist das wirklich nur für einen Psychoanalytiker lustig. Sofern ein solcher überhaupt zum Lachen zu bringen wäre.

Du hast also Städtewünsche? Und wenn die Reisebüros heute jede Menge Städtereisen auf den Markt werfen, liegen sie bei Dir richtig. Und den grössten Wunsch hast Du Dir immer noch nicht erfüllt. Ich kann mir schon denken, in welche Richtung er geht. Und ich wünsche Dir, dass er sich erfüllen möge. Du weisst doch, Marlena, dass Wünsche, wenn man sie sich wirklich und von tiefstem Herzen wünscht, auch erfüllt werden. Wenn das nicht geschieht, dann ist man vielleicht ambivalent. Man will und gleichzeitig will man auch nicht. Wir sind ja solche Wundergeschöpfe, die sowas können. Solches sind Operationen, die man in der Mathematik mit +/- bezeichnen würde. Aber das trifft auch nicht zu. Dort heisst es entweder oder, hier bei uns heisst es zugleich + und - . Sowas Kompliziertes kann wahrscheinlich nur unser Kopf. Wenn man wirklich das Herz fragen würde, wäre es immer entweder eindeutig ja oder eindeutig nein.
Ich glaube, ich habe auch Städtewünsche. Aber es sind für mich nicht so grosse Wünsche, dass sie sozusagen lebensentscheidend wären. Ich würde auch gerne Madrid sehen. Ich würde- wie ich schon gesagt habe - gerne 2 Jahre in Isfahan leben. Auch in Rom wollte ich eine längere Zeit sein. Und mit Wien könnte ich mich sofort auch einverstanden erklären. Ich glaube nicht, dass Rom so gross ist, dass man es sich für die Ewigkeit aufheben sollte. Das Zentrum Roms ist klein. Es gibt zwar eine Unmenge zu sehen. Aber es ist nicht wirklich gross. Und das finde ich schön. In 14 Tagen kennt man sich schon gut aus.
Ich würde am liebsten meine Existenz verwandeln. Du weisst, mein Traum ist irgendwie eine Kombination von Porträtist und psychologischem Berater. Leute kommen, weil sie irgendwie mit irgendwelchen Problemen oder Lebensfragen nicht zurande kommen. Und ich diagnostiziere sie sozusagen in einem Porträt. Und die Dauer des Porträtierens ist gleichzeitig die Beratung. Sie ist keine so gezielte Sache, sondern ein produktiver Prozess, der sich einfach aus dieser Situation ergibt. Ich will niemandem etwas aus- oder einreden. Ich will - so könnte man es vielleicht sagen - jemanden erkennen, wie er wirklich im tiefen Inneren ist. Und das wird ihm gleichzeitig helfen, seinen Weg im fraglichen Problem zu finden. Natürlich stelle ich mir vor der Staffelei nicht kleine Penner und Nichtsnutze vor, sondern durchaus respektable Leute mit respektablen Problemen. Na ja, entweder muss die Person, oder es muss das Problem respektabel sein. Es gibt ja Menschen, die glauben, sich mit Hilfe eines respektablen Problems zu einem respektablen Menschen hinaufarbeiten zu können. Sie wollen am Problem in die Höhe klettern. Aber sowas lasse ich auch gelten.

Du siehst, mein Traum geht in die Richtung von Magie. Wenn ich das könnte, würde ich vielleicht auch Hypnosen anbieten. Aber das kann ich nicht wirklich. Und vielleicht wäre es auch ein bisschen zu zauberisch.
Überigens würde ich auch gerne noch einmal Moskau sehen. Wir waren mal dort während eines Tages. Aber damals war man als Tourist nicht frei. Und alles schien mehr oder weniger kontrolliert und verschlossen. Ich würde auch gerne in die russische Provinz reisen, dh. in Dörfer, die noch so sind wie im 18. Jahrhundert. Dort könnte man in der Tat in die Vergangenheit reisen.
Aber ich glaube, Städte sind für mich kleine Träumereien, nicht wirklich Träume. Mein Traum: Ich würde gerne ein Buch schreiben oder einige Bilder machen, mit denen ich zufrieden wäre. Ich glaube , dass es wunderbar ist, wenn man später solche Dinge wieder hervornehmen und geniessen kann. Ich merke das bei den Bildern, die ich vor etwa 20 Jahren gemalt habe. Ich schaue sie anders an als damals. Damals hatte ich sie zu kritisch betrachtet, hatte überall Dinge und Stellen gesehen, die man hätte besser malen können. Aber heute nehme ich sie einfach so, wie sie sind. Und sie sind durchaus geniessbar. Und sie zeigen mir eine Welt, die mir damals wichtig gewesen ist. Im Vergleich zu jener Zeit vor 20 Jahren würde ich heute mehr das VL betonen. Ich meine, in diesen alten Bildern war mir wichtig gewesen, die Dinge so zu malen, wie sie sind. Ich habe zum Beispiel einige kleine Bilder, die Situationen im Wallis zeigen. Es sind Stimmungsbilder. Sie erinnern mich an den Sommer im Wallis. Heute würde ich vielleicht eher meine Fantasien, meine Ideen, meine Innenwelt darstellen, und mich dabei weniger nach der äusseren, sichtbaren Realität richten.

"Nachempfindung von Rubens' Höllensturz"


Habe ich Dir erzählt von meinem grossen Bild 'Höllensturz'? Na ja, es ist eine Nachempfindung - so würden die Leute heute sagen - eine Nachempfindung von Rubens' Höllensturz. Auf dem Bild stürzen Hunderte von nackten Menschen und unglücklichen, wohl irgendwie schuldigen Kreaturen durch graue Wolkengebilde und blaue Wolkenfenster hindurch in die Tiefe. Es ist eine bodenlose Situation. Man weiss wirklich nicht, wo sie schliesslich landen werden. Und dabei versuchen einige dieser Sünder, sich an sehr weltlichen Dingen festzuklammern, an einem Lampenschirm, an Tüchtern, an Papieren usw. Sie schaffen neben soviel Fleisch einige Farbtupfer im Bild. Und durch das ganze Bild weht ein steifer Wind. Man sieht das an den Körpern, deren Dynamik sich als grosse Bewegung durchs Gewölk zieht. Die menschlichen Leiber wirken wie abgefallene Blätter im Herbstwind.
Die Komposition hat mir damals sehr gefallen. Und ich habe tagelang an der Komposition der Wolken gearbeitet. Das war vielleicht das schwierigste. Es sieht auf dem Bild eher wie zufällig aus, aber es ist sehr viel Kalkulation dahinter.
Solche oder ähnliche Bilder würde ich gerne malen. Aber es fehlt mir ein bisschen die Zeit. Man muss da wochenlang dahinter sein, damit es vorwärts geht und damit man den Anschluss nicht verpasst. Denn wenn das Zeug mal trocken ist, ist es sehr schwer, wieder anzufangen. Die Farbpalette stimmt nicht mehr, und auch die Striche im Bild wirken plötzlich wie Fremdkörper. Es ist, wie wenn man eine alte Liebe wieder aufwärmen wollte.Das geht selten gut.
Das wäre ein Traum: selbstvergessen in irgend einem atelier-ähnlichen Raum tagelang zu werken, bei Musik, bei ab und zu einem Espresso. Früher hätte ich gesagt, bei einer Gauloise ab und an. Aber heute würde ich den Tabak mit einem kleinen Besuch einer Person eintauschen. Aber es wäre schön, wenn die Situation offen wäre, wenn also Leute zufällig oder gewollt vorbeikommen zu einem kleinen Schwatz oder zu einer längeren Unterhaltung. Das wäre schön.
Walter hat überigens ähnliche Fantasien. Er ist ja ein passionierter Bastler und kann alle möglichen elektrischen oder elektronischen Dinge flicken. Er spricht davon, eine offene Werkstatt zu führen, wohin Leute ihre kaputten Staubsauger, defekten Bügeleisen oder pfeiffenden Radios bringen können, damit er sie ihnen flicke. So wie ich ihn kenne, würde er es den Leuten überlassen, wieviel sie für die Reparatur bezahlten.
*
Elefanten mag ich auch. Ich liebe besonders Filme mit Menschenaffen. Ach, sowas mag ich sehr. Ich bin - da bin ich Dir ein Antipode - ein begeisterter Anhänger des Darwinismus. Und ich weiss, dass sich Euer Papst dazu überwunden hat, hinter mich in meine Reihe zu stehen. Na ja, er ist kein glühender Verehrer von Darwin. Aber er meint, respektive der Vatikan meint, es wäre eine ernst zu nehmende Hypothese. Ich finde, der Darwinismus ist eine gute Theorie, die mich immer wieder schwindeln lässt. Der Schwindel ist vielleicht ähnlich, wie in jenem rubens-ähnlichen Bild. Ach, Marlena, wie gerne würde ich Dir mal meine Dinge zeigen, an denen ich hänge: Bilder, Bücher, Ideen, Zeichnungen, Projekte, kleine und grössere Träumchen. Weshalb können wir das nie in jener sinnlichen und RL Form, in der es so schön und einsichtig wäre?
Wir bewegen uns - notgedrungen - immer auf dem abstrakten VL-Niveau von Ronda.

Ich wünsche Dir einen wundervollen Tag.
Mit lieben Grüssen

Dienstag, 22. September 2015

Ronda - ein Sehnsuchtsort




Liebe Marlena
...
Es gibt Sehnsuchtsorte. Elias Canetti betrieb einen Kult mit den Städten, die er aufsuchen wollte. Je heiliger ihm eine Stadt war, desto länger schob er den Besuch hinaus.

Da kommt mir eine kleine Sache in den Sinn. Ich habe dir erzählt, dass wir vor ein paar Jahren in Andalusien waren. Es waren sehr schöne Ferien in diesem schon ziemlich afrikanischen Klima. Und eines Tages sind wir mit unseren spanischen Freunden nach Ronda gefahren. Nun ist Ronda ein ganz speziell romantischer Ort. Rilke war dort und hat im Hotel Reina Victoria logiert und ein bisschen über seinen Duineser Elegien geschwitzt. Und vor allem Hemingway war da, der grand old man, über den die Spanier reden als wie über den eigenen Grosspapa. Hemingway war ja bekanntlich ein begeisterter Stierkampfbesucher, ein afficionado oder so ähnlich, dh. ein Fan. Und er hat ein interessantes Buch über den spanischen Stierkampf geschrieben, das ich damals in den Ferien nochmals gelesen habe. Nun bin ich sicher, dass du Marlena, als Nordländerin und als sensible Frau, den Stierkampf ganz und gar nicht bejahen kannst. Schliesslich bringt es dich schon in Aufregung, ein paar Ameisen im Hause zu Leibe zu rücken. Doch es geht mir nicht um den Kampf. Nein, Hemingway hat Ronda, diese alte und malerische Stadt in den Bergen, an einer tiefen Schlucht gelegen, ebenso lebendig und poetisch beschrieben wie Rilke. Nein, eigentlich nicht ebenso, sondern eben a la Hemingway. Die zwei sind ja nicht gerade Brüder im Geiste. Der eine war ein Spring-ins-Feld, der andere ein hochsensibler Schöngeist. Nun denn, Hemingway sagte über Ronda, er empfehle es jenem Mann, der gedenke, mit einer Geliebten auszureissen und durchzubrennen. Das fand ich schön gesagt, echt Hemingway, der Macho, wie er ja wohl im Privatleben nicht nur war mit seinen Depressionen.

By the way: Ronda habe ich nicht in unsere Liste aufgenommen, vorsichtshalber. Aber in meinen Gedanken war schon Hamburg drin. Ich lass DICH mutmassen, weshalb!

Ich habe nun - weiss Gott - noch ein paar weitere Gedanken und Fantasien gehabt. Und ich kann dir sagen, sie waren nicht schlecht, wir müssten uns ihrer nicht schämen. Allein, sie lassen sich nicht alle mit unserem §5 vereinbaren.

Gottseidank also haben wir zusammen bloss eine feine Mausfreundschaft mit Fachgesprächen über Rilke, über die Spurbreite der Champs Elysées und über das gegenwärtige Potential an valablen Schwiegersöhnen. Was ist denn schon dabei! Zumindest werden wir dir deine Trauer vom Gesicht wegretouchieren. Ich helfe dir dabei, soweit ich kann. Keiner soll mir vorwerfen, ich könne nicht retouchieren!

Gibt es irgendwelche Worte, die man jetzt sagen könnte?? Ich glaube nicht.

---

A propos Reisen: "Ich bin ein Seemann im Verkennen meiner selbst" schreibt Fernando Pessoa, "ich habe überall gesiegt, wo ich nie gewesen bin. Reisen? Existieren ist Reisen genug".

Sonntag, 20. September 2015

Mittwoch, 16. September 2015

mein Traum


"Nachempfindung von Rubens' Höllensturz"


Re: frühmorgens

Liebe Marlena
Du bist doch ein Mensch von praktischem Format. Du bist zufrieden, wenn Du Gras gemäht und Pflaumenkuchen bereit hast. Du stützest Dich auf handfeste Dinge, auf sichtbare Resultate. Du wärst glücklich und zufrieden, Dich im RL einzurichten. Ich glaube, Du lebst vor allem von der sinnlichen Welt: Natur, Menschen, Blumen. Nicht wahr? Na ja, das geht uns allen wohl mehr oder weniger ähnlich.

Aber ich habe gemeint, Ronda sei eher für das VL, weil man dort oben kaum 14 Tage - nachdem man die Frau entführt hat - wirklich froh und zufrieden leben könnte. Ronda ist ein abstrakter Traum, und Hemingway hat es auch ein bisschen so gemeint. Na ja, vielleicht war er selbst ein bisschen ein abstrakter Typ, der irgendwo auf dieser Welt sich in Handgemenge einlassen konnte. Abstrakt würde dabei heissen, dass es keine Rolle spielt, wo und wofür.

Nein, ich spiele kein Golf. Ich habe mich damals mit dem starken Gedanken getragen, anzufangen. Und es hätte nicht viel gefehlt, dass ich wirklich in einen Club eingetreten wäre. Das war die Zeit, als ich noch mit dem Bon von 10 Schnupperstunden herumgegangen bin. Aber heute bin ich ein abgeklärter After-Golfer. Ich habe überigens eine gute - psychoanalytische - Definition, was Golf sei, wenn es denn jemand unbedingt wissen wollte: Golf ist der sublimierte libidinöse Triebwunsch, den Ball ins Loch zu bringen. Na ja, vielleicht ist das wirklich nur für einen Psychoanalytiker lustig. Sofern ein solcher überhaupt zum Lachen zu bringen wäre.

Du hast also Städtewünsche? Und wenn die Reisebüros heute jede Menge Städtereisen auf den Markt werfen, liegen sie bei Dir richtig. Und den grössten Wunsch hast Du Dir immer noch nicht erfüllt. Ich kann mir schon denken, in welche Richtung er geht. Und ich wünsche Dir, dass er sich erfüllen möge. Du weisst doch, Marlena, dass Wünsche, wenn man sie sich wirklich und von tiefstem Herzen wünscht, auch erfüllt werden. Wenn das nicht geschieht, dann ist man vielleicht ambivalent. Man will und gleichzeitig will man auch nicht. Wir sind ja solche Wundergeschöpfe, die sowas können. Solches sind Operationen, die man in der Mathematik mit +/- bezeichnen würde. Aber das trifft auch nicht zu. Dort heisst es entweder oder, hier bei uns heisst es zugleich + und - . Sowas Kompliziertes kann wahrscheinlich nur unser Kopf. Wenn man wirklich das Herz fragen würde, wäre es immer entweder eindeutig ja oder eindeutig nein.
Ich glaube, ich habe auch Städtewünsche. Aber es sind für mich nicht so grosse Wünsche, dass sie sozusagen lebensentscheidend wären. Ich würde auch gerne Madrid sehen. Ich würde- wie ich schon gesagt habe - gerne 2 Jahre in Isfahan leben. Auch in Rom wollte ich eine längere Zeit sein. Und mit Wien könnte ich mich sofort auch einverstanden erklären. Ich glaube nicht, dass Rom so gross ist, dass man es sich für die Ewigkeit aufheben sollte. Das Zentrum Roms ist klein. Es gibt zwar eine Unmenge zu sehen. Aber es ist nicht wirklich gross. Und das finde ich schön. In 14 Tagen kennt man sich schon gut aus.
Ich würde am liebsten meine Existenz verwandeln. Du weisst, mein Traum ist irgendwie eine Kombination von Porträtist und psychologischem Berater. Leute kommen, weil sie irgendwie mit irgendwelchen Problemen oder Lebensfragen nicht zurande kommen. Und ich diagnostiziere sie sozusagen in einem Porträt. Und die Dauer des Porträtierens ist gleichzeitig die Beratung. Sie ist keine so gezielte Sache, sondern ein produktiver Prozess, der sich einfach aus dieser Situation ergibt. Ich will niemandem etwas aus- oder einreden. Ich will - so könnte man es vielleicht sagen - jemanden erkennen, wie er wirklich im tiefen Inneren ist. Und das wird ihm gleichzeitig helfen, seinen Weg im fraglichen Problem zu finden. Natürlich stelle ich mir vor der Staffelei nicht kleine Penner und Nichtsnutze vor, sondern durchaus respektable Leute mit respektablen Problemen. Na ja, entweder muss die Person, oder es muss das Problem respektabel sein. Es gibt ja Menschen, die glauben, sich mit Hilfe eines respektablen Problems zu einem respektablen Menschen hinaufarbeiten zu können. Sie wollen am Problem in die Höhe klettern. Aber sowas lasse ich auch gelten.

Du siehst, mein Traum geht in die Richtung von Magie. Wenn ich das könnte, würde ich vielleicht auch Hypnosen anbieten. Aber das kann ich nicht wirklich. Und vielleicht wäre es auch ein bisschen zu zauberisch.
Überigens würde ich auch gerne noch einmal Moskau sehen. Wir waren mal dort während eines Tages. Aber damals war man als Tourist nicht frei. Und alles schien mehr oder weniger kontrolliert und verschlossen. Ich würde auch gerne in die russische Provinz reisen, dh. in Dörfer, die noch so sind wie im 18. Jahrhundert. Dort könnte man in der Tat in die Vergangenheit reisen.
Aber ich glaube, Städte sind für mich kleine Träumereien, nicht wirklich Träume. Mein Traum: Ich würde gerne ein Buch schreiben oder einige Bilder machen, mit denen ich zufrieden wäre. Ich glaube , dass es wunderbar ist, wenn man später solche Dinge wieder hervornehmen und geniessen kann. Ich merke das bei den Bildern, die ich vor etwa 20 Jahren gemalt habe. Ich schaue sie anders an als damals. Damals hatte ich sie zu kritisch betrachtet, hatte überall Dinge und Stellen gesehen, die man hätte besser malen können. Aber heute nehme ich sie einfach so, wie sie sind. Und sie sind durchaus geniessbar. Und sie zeigen mir eine Welt, die mir damals wichtig gewesen ist. Im Vergleich zu jener Zeit vor 20 Jahren würde ich heute mehr das VL betonen. Ich meine, in diesen alten Bildern war mir wichtig gewesen, die Dinge so zu malen, wie sie sind. Ich habe zum Beispiel einige kleine Bilder, die Situationen im Wallis zeigen. Es sind Stimmungsbilder. Sie erinnern mich an den Sommer im Wallis. Heute würde ich vielleicht eher meine Fantasien, meine Ideen, meine Innenwelt darstellen, und mich dabei weniger nach der äusseren, sichtbaren Realität richten.

Habe ich Dir erzählt von meinem grossen Bild 'Höllensturz'? Na ja, es ist eine Nachempfindung - so würden die Leute heute sagen - eine Nachempfindung von Rubens' Höllensturz. Auf dem Bild stürzen Hunderte von nackten Menschen und unglücklichen, wohl irgendwie schuldigen Kreaturen durch graue Wolkengebilde und blaue Wolkenfenster hindurch in die Tiefe. Es ist eine bodenlose Situation. Man weiss wirklich nicht, wo sie schliesslich landen werden. Und dabei versuchen einige dieser Sünder, sich an sehr weltlichen Dingen festzuklammern, an einem Lampenschirm, an Tüchtern, an Papieren usw. Sie schaffen neben soviel Fleisch einige Farbtupfer im Bild. Und durch das ganze Bild weht ein steifer Wind. Man sieht das an den Körpern, deren Dynamik sich als grosse Bewegung durchs Gewölk zieht. Die menschlichen Leiber wirken wie abgefallene Blätter im Herbstwind.
Die Komposition hat mir damals sehr gefallen. Und ich habe tagelang an der Komposition der Wolken gearbeitet. Das war vielleicht das schwierigste. Es sieht auf dem Bild eher wie zufällig aus, aber es ist sehr viel Kalkulation dahinter.
Solche oder ähnliche Bilder würde ich gerne malen. Aber es fehlt mir ein bisschen die Zeit. Man muss da wochenlang dahinter sein, damit es vorwärts geht und damit man den Anschluss nicht verpasst. Denn wenn das Zeug mal trocken ist, ist es sehr schwer, wieder anzufangen. Die Farbpalette stimmt nicht mehr, und auch die Striche im Bild wirken plötzlich wie Fremdkörper. Es ist, wie wenn man eine alte Liebe wieder aufwärmen wollte.Das geht selten gut.
Das wäre ein Traum: selbstvergessen in irgend einem atelier-ähnlichen Raum tagelang zu werken, bei Musik, bei ab und zu einem Espresso. Früher hätte ich gesagt, bei einer Gauloise ab und an. Aber heute würde ich den Tabak mit einem kleinen Besuch einer Person eintauschen. Aber es wäre schön, wenn die Situation offen wäre, wenn also Leute zufällig oder gewollt vorbeikommen zu einem kleinen Schwatz oder zu einer längeren Unterhaltung. Das wäre schön.
Walter hat überigens ähnliche Fantasien. Er ist ja ein passionierter Bastler und kann alle möglichen elektrischen oder elektronischen Dinge flicken. Er spricht davon, eine offene Werkstatt zu führen, wohin Leute ihre kaputten Staubsauger, defekten Bügeleisen oder pfeiffenden Radios bringen können, damit er sie ihnen flicke. So wie ich ihn kenne, würde er es den Leuten überlassen, wieviel sie für die Reparatur bezahlten.
*
Elefanten mag ich auch. Ich liebe besonders Filme mit Menschenaffen. Ach, sowas mag ich sehr. Ich bin - da bin ich Dir ein Antipode - ein begeisterter Anhänger des Darwinismus. Und ich weiss, dass sich Euer Papst dazu überwunden hat, hinter mich in meine Reihe zu stehen. Na ja, er ist kein glühender Verehrer von Darwin. Aber er meint, respektive der Vatikan meint, es wäre eine ernst zu nehmende Hypothese. Ich finde, der Darwinismus ist eine gute Theorie, die mich immer wieder schwindeln lässt. Der Schwindel ist vielleicht ähnlich, wie in jenem rubens-ähnlichen Bild. Ach, Marlena, wie gerne würde ich Dir mal meine Dinge zeigen, an denen ich hänge: Bilder, Bücher, Ideen, Zeichnungen, Projekte, kleine und grössere Träumchen. Weshalb können wir das nie in jener sinnlichen und RL Form, in der es so schön und einsichtig wäre?
Wir bewegen uns - notgedrungen - immer auf dem abstrakten VL-Niveau von Ronda.

Ich wünsche Dir einen wundervollen Tag.
Mit lieben Grüssen

Montag, 14. September 2015

um Hilfe bitten


...

Dass dein K niemanden um Hilfe bitten will, kann ich einigermassen
verstehen. Ist bei meinem Vater auch so, bei mir noch ein bisschen.
Doch S hat mir schon vieles ausgetrieben. Und auch im Kopf verstehe
ich das Problem durch und durch. Es gibt nichts Unsozialeres als ein
perfekt eingerichtetes und funktionierendes Sozialsystem. Hab ich dir
doch mal anhand der Italiener geschildert, nicht wahr? Wenn alles
funktioniert, brauchen die Leute sich gegenseitig nicht mehr. Keiner
braucht mehr nett sein mit dem andern, weil er ihm ja kein Brot
abschneidet und nie abschneiden wird. Nicht mal um die eigenen Kinder
muss man sich kümmern, denn im Alter hat man ausgesorgt. Ist alles
schon vorweg bezahlt. Man geht ins Alter wie in ein Riesenhotel. Es
tappen zwar überall einigermassen wackelige Gäste in den Hallen,
treppauf und treppab herum, bestellen sich Milchkaffee und Kuchen und
vielleicht ein Likörchen. Es ist sozusagen der Dessert des Lebens. Man
erlaubt sich noch ein bisschen mehr als früher. Nicht viel, aber ein
bisschen. Aber alles mässig und mit Vernunft.
Zu helfen und sich helfen zu lassen ist eine eigene Art von
Lebenspolitik. S versteht sie natürlich perfekt. In einem solchen
vormodernen Land sind Freundschaften die wichtigste Lebensressource.
Darum sind die Menschen so nett und freundlich miteinander. Das ist
eine Art Organisation für den Notfall. Und weil alle so nett und
hilfreich sind, kommt die Not sehr spät, vielleicht gar überhaupt nie.
Es gibt soviele arme Menschen dort. Aber irgendwie kommen doch die
meisten irgendwie über die Runden. Nicht ohne Leiden, das will ich
nicht sagen. Aber sie scheinen oft nicht unglücklich.
Darum glaube ich, dass es eine Lebenspflicht ist, andere um Hilfe zu
bitten. Man tut auch ihnen etwas Gutes. Es ist nicht nur für mich ein
Vorteil, sondern auch für sie. Wir fühlen uns doch in der Regel ganz
glücklich, wenn wir um Hilfe gebeten werden. Natürlich nur, wenn es
nicht gleich unseren ganzen Haushalt verschlingt. Ich hatte einen
Studienkollegen, einen Architekten. Er lebte in Bern. Doch schon bald
nach seinem Examen wurde er krank. Ich glaube, es war Schizophrenie.
Auf jeden Fall trank er viel und hatte immer irgendwelche Medikamente
zu schlucken. Ich hatte ihn mal an einem Sonntag in Bern besucht. Und
dann hatte er mich um Geld gefragt. Ich habe ihm 3 oder 500 Fr.
ausgeliehen. Und irgendwann hatte er sie mir auch wieder
zurückgegeben. Das war für mich damals schon eine beachtliche Summe.
Und als er dann wieder kam (er rief mich aus der Badewanne an, fand
ich enorm komisch) und wieder Geld wollte, da war ich nicht mehr
bereit. Ich riet ihm, er sollte zur Fürsorge gehen und dort darlegen,
dass er zuwenig Geld hätte zum Leben. Das war vielleicht etwas streng.
Aber ich war daran, eine Familie aufzubauen. Und er war komplett
allein und verflüssigte wohl das meiste Geld zu Bier. Aber im
allgemeinen glaube ich, dass es gut ist, zu helfen. Na ja, ein Ei
hätte ich ihm wohl schon gegeben.
Vielleicht ist das der Unterschied. Die Frauen fragen um Eier, Mehl
und Salz. Die Männer fragen um 2 oder 3'000 in Cash.  Bei den Männern
kippt eine solche Transaktion schon leicht ins Geschäftliche, müsste
man annehmen.
Ist doch modern, nach Männer-Frauen-Unterschieden zu suchen.

Ich wünsche dir ein schönes Wochenende.
MLG

Abwegige Themen



Liebe Malou

Gerade komme ich aus dem Spital zurück. Ich habe dort geschlafen. Es
war eine ruhige Nacht. Ihr Atem ging ruhig wie ein Motörchen. Und
einmal, als es unruhig zu klingen schien und ich aufwachte, da war die
Schwester im Zimmer und hat sie umgebettet. Und jetzt bleibt mein
Bruder dort.  Man weiss nicht, wie lange das Sterben daurert. Sie
bekommt keine Nahrung. Und so was hält ein Körper 30 Tage aus.

Ich mach jetzt einen Sprung. Aber die beiden Dinge sind, wie mir
während der Nacht durch den Kopf ging, nicht so weit voneinander. So
nicht, wenn man die Welt vom biologischen Gesichtspunkt betrachtet.
Biologisch, um nicht zu sagen evolutionistisch, was dir als orthodoxe
Katholikin wohl fremd vorkäme. Na ja, es war der Gedanke, wie das
Leben irgendwie durch die Individuen hindurchgeht. Das Leben ist ein
allgemeines Prinzip, ein Strom irgendwie. Und jede Person nimmt an
diesem Strom teil, für eine gewisse Zeit. Nun ja, das waren bloss so
Gedanken...
Eigentlich wollte ich doch sagen, dass ich die Idee des Boxensexes
schon wirklich gekonnt finde. Ich habe mal im Fernsehen aus Asien ein
Hotel gesehen, ein stödtisches, günstiges Hotel, wo die Gäste in
kleinen Boxen wie in Schliesfächern geschlafen haben, alle in die
gleiche Wand eingebaut. Vielleicht gibt es einige, die darin einen
Höhlenkoller bekommen. Aber viele scheinen das zu mögen. Man muss sich
bloss entscheiden, ob man kopf- oder fussvoran hinein will. Denn wenn
du mal drin bist, kannst du die Himmelsrichtung nicht mehr ändern.
Kurz und gut: so stelle ich mir diese Sexboxen vor. Man kann bloss
hoffen, dass Fussballfans nicht zuviel mit ihren Fussballbeinen
herumschlagen. Von den Dirnen ganz zu schweigen. Aber vielleicht
kriegen sie ja auch Arbeitszulage für blaue Flecken. Und den
Dolmetscher muss man dann wohl in die Nebenkabine versorgen, woher er
durch ein Netz wie beim Beichtstuhl spricht. Ich meine,
Arbeitszulagen, begrenzte Stellungsmöglichkeiten, womöglich enorme
Wärmeentwicklung etc., das wird doch bestimmt ausgiebige
Lohnverhandlungen geben im Voraus.
Ich weiss bloss, dass es viele Dirnen gab, als die Expo rund um den
Neuenburgersee im Gange war. Die Zimmerpreise in Bienne stiegen ins
Enorme. Und es waren vor allem Frauen aus dem Ostblock, die hier auf
Kur kamen: Polinnen, Tschechinnen, Russinnen, aus Ungarn, Rumänien,
Slowenien und Slowakien. Kurz und gut, sie hätten jede Menge
Übersetzer gebrauchen können. Aber bekanntlich wir ja doch beim Sex
nicht allzu viel geredet. Beim Sex in Schweigen Gold. Die sind ja alle
so geladen, dass da nicht viel Worte nötig sind. Die kommen daher wie
geladene Maschinengewehre.

Nanana, das ist ein Thema. Wie kommen wir auf solch abwegige Themen?
Auf jeden Fall nicht durch mich, wenn ich die Sache recht überblicke!

Dass dein K niemanden um Hilfe bitten will, ...




Freitag, 11. September 2015

Lingon - Preiselbeeren





Chéri, du schilderst die Dinge, wie sonst niemand das tun kann und
somit lässt du mich doppelt leben. Das habe ich heute wieder
gemerkt, als ich im Wald Preiselbeeren pflücken war. Ich liebe es
im Wald zu sein. Es riecht so herrlich und die Luft ist erfrischend.
Man spürt fast wie wohltuend sie ist. Und dort, umgeben von
Preiselbeerkraut mit herrlich rot leuchtenden Beeren (man
möchte fast glauben jemand hätte sie auf Hochglanz poliert) dachte
ich plötzlich wie komisch es ist so ganz in der Natur zu sein und sich
gleichzeitig in einer grossen Weltstadt zu befinden. Du machst mir
das möglich, mein Liebling, und ich bin dir unendlich dankbar dafür.
*
Date: Sun, 24 Aug 2003 22:33:22 +0200

... und heute.12 Jahre später. Dasselbe herrliche Erlebnis,
      doch eine andere Weltstadt.

Und natürlich auch das:   Lingon-rapp






Mittwoch, 9. September 2015

Schwedischer Sommer



Storulvån - Getryggen    juli 2015




Mittwoch, 2. September 2015

Es ist Zeit






Herbsttag

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los. 

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein. 

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. 


Rainer Maria Rilke

Stille Freundschaft


Lieber ...,

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Es ist schön manchmal mit dem Auto unterwegs zu sein. Es gibt so viel Zeit zum denken weil man am Steuer ja wirklich nichts anderes tun kann. Ich liebe es, so durch die Landschaft zu fahren. Dann fühle ich wie es ganz still in mir wird. Ich geniesse die schöne Natur und die Einsamkeit. Und oft denke ich auch, wie schön die Welt wäre ohne Menschen. Dazu bekomme ich öfters eine unbändige Lust nur immer weiter zu fahren und alles hinter mir zurückzulassen. Aber es ist nicht so schlimm wie es klingt. Es ist vielleicht mehr Abenteuerslust als Flucht.. und vielleicht werde ich es einmal tun...
*
Gestern Abend hatte ich keine solche Gedanken. Ich war ganz zufrieden mit meinem ruhigen Leben und während ich die Gardinen bügelte (ach, du wirst glauben dass ich nichts anderes tue in meinem Leben :-) dachte ich an dich und an dein liebes Mail. Ja, ich liebe sie auch, unsere "stille Mausfreundschaft" obwohl sie bei mir noch nicht so ganz still und vielleicht auch nicht nur Freundschaft ist. Aber es ist gut so wie es ist. Und es gibt uns die Möglichkeit unsere §§§ zu respektieren, wie wir es einander einmal versprochen hatten.

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(december 2000)