Freitag, 27. Juli 2012

Jockfall mit Lachstreppe




Nach Ansicht vieler Leute ist der prächtige Wasserfall Jockfall die Perle im gesamten Kalixälv-Flusssystem. Bei Hochwasser stürzen fast 2000 Kubikmeter Wasser in der Sekunde den Fall hinunter, in dessen Tiefe sich die flussaufwärts wandernden Lachse ihren Weg bahnen. Zu ihrer Hilfe ist eine vielbesuchte Lachstreppe gebaut worden, wo die hopsenden Lachse zu einem grossartigen Schauspiel einladen können.

Das Fliegenfischen nach Lachsen ist zur grossen Attraktion geworden. Schon einige Wochen vor Mittsommer kann der Sportfischer seine Fischerei nach aufwärts wandernden Lachsen beginnen. Der Höhepunkt der Angelsaison ist am Anfang Juli erreicht, aber das Angeln wird während des ganzen Sommers fortgesetzt.

Sonniges Luleå


Bild wiedergefunden

Ich habe fotofolder geleert und werde dir nun neue Bilder reinlegen. Du warst an der Achitektur von Luleå interessiert. Ich habe eigentlich nie die Häuser der Stadt besonders bemerkt. Es ist mehr das Licht, das Wasser und das Strassenleben in den hellen Sommermonaten, was mir gefällt.
Aber es gibt ein paar interessante ziemlich neue Wohnviertel. Die "Tutti-frutti-häuser". Sie sind in hellen pastellfarben und liegen direkt am Wasser. Ja, die sind berühmt. Wenn die Sonne scheint im Sommer wird man geradezu geblendet davon. Ich glaube ich habe irgendwo ein Bild, weiss aber im Moment nicht wo. Und dann haben wir dieses komische Haus, gleich neben dem Dom, das ich im Sommer fotografiert habe. Ich habe es fotografiert, weil wir immer von Henriks Wohnung daran vorbeigingen, wenn wir auf die Hauptstrasse hinunter wollten. Du wirst es auch lustig finden. Rechts ausserhalb des Bildes liegt der Stadtpark, einer der schönste von Schweden, der immer mit unserem hier um den Titel wettet. ...

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Freitag, 20. Juli 2012

Hjortron - Multbeeren


Lieber ... ,
So um den 20 Juli herum ist es so weit. Schon lange haben wir an diesen Tag gedacht. Mit Freude und mit Angst. Es ist Zeit für die Multbeeren. Wir haben bereits eine Tour in den nahen Wald gemacht und vom Auto nachgesehen ob sie reif sind. Hier und da leuchtet es ein wenig rot und an manchen Stellen sogar gelb, ein Zeichen dass man sie nun pflücken kann. Morgen geht es los. Wir hoffen auf einen frischen Tag mit Wind, damit die Mückenplage nicht zu gross wird und die Kriebelmücken: so ganz kleine Fliegen, die einen ganz schrecklich beissen und die sich mit Vorliebe in die Augen begeben wo man sich nicht mit Mückenöl einreiben kann.
Am Morgen müssen wir feststellen dass es zwar schön sonnig ist aber leider ganz windstill. Wir kleiden uns wie üblich für diese Aufgabe. Jeans, Gummistiefel, ein leichtes T-shirt und darüber etwas langärmeliges. Ich nehme immer ein altes Hemd aus Baumwolle das meinem Schwiegervater gehört hat. Um diese Zeit denke ich besonders viel an ihn. Als er noch lebte war das ganze mit einem Zeremoniell umgeben, das fast ein bisschen magisch wirkte. Bevor man endlich startete wurde mindestens eine Stunde lang diskutiert auf welchem Moor man am sichersten eine gute, ungerührte Stelle finden könnte. Namen wurden genannt die für mich einen exotischen Klang hatten. Manchmal wurde ich ungeduldig und versuchte sie zu beschleunigen. Nun denke ich mit Wehmut zurück an diese Zeit.
Genau wie damals trage ich auch heute einen gelben Stoffhut um mich gegen Bremsen zu schützen, vor denen ich mich am meisten fürchte. Man hört sie und weiss dass sie einen nicht verlassen bevor sie Blut getrunken haben und man weiss auch wie weh sie tun, die schmerzenden Beulen, die sie auf der Haut hinterlassen.
Nun, noch schnell diskret alle Eimer ins Auto und den Picknickkorb und dann geht's los. Eine Fahrt zu einer Multbeerenstelle ist immer ”secret mission”.
Seit einigen Jahren haben wir eine Lieblingsstelle wo wir diese Beeren pflücken. Ein richtiger Tresor! Zwar liegt es ein paar Meilen entfernt, aber was macht das schon. Die Natur ist so schön! Die Fahrt geht durch Wald und Felder, durch eine sehr dünn besiedelte Gegend. Immer wieder fragen wir uns was für Leute es aushalten so isoliert zu leben, besonders im Winter.
Nach ungefähr 40 Minuten sind wir am Ziel. Nun rasch aus dem Auto, die Eimer heraus und über den Graben in den Wald. Es muss alles sehr schnell gehen. Denn eine gute Multbeerenstelle ist wie eine Goldader die man gefunden hat. Man will nicht dass alle davon wissen.
Hier hat schon jemand gepflückt, können wir sofort feststellen. Ist aber nicht schlimm.. An dieser Stelle sind schon nach einem Tag so viele nachgereift dass man mehr als genug findet. Ausserdem gibt es immer Teile die noch ungerührt sind.
Es ist ein zeitweise strüppiges Gelände. Aber ich wage mich auch auf die offenen Stellen. Ich bin es gewöhnt. Ich weiss wohin man treten darf. Und doch passiert es mir plötzlich. Blitzschnell, bevor ich weiss was passiert, ist mein linkes Bein bis zum Knie im Moor versunken und als ich es rausziehe ist der ganze Stiefel voll Wasser.
Doch ich muss es leiden. Und was macht es schon. Ich freue mich über die Beeren die überall so schön leuchten. Wie Honig sind sie. ”Das Gold des Waldes” nennt man sie und sie lassen mich die Strapazen vergessen. Aber dann brennt wieder die Sonne. Es ist es ganz windstill. Auch nähert sich die Zeit wo die Blutsauger besonders aktiv werden. Es surrt und brummt um mich herum.
Ich bewege mich gebeugt über das Moor. Wie warme Wellen steigt die Luft empor in mein schon vorher erhitztes Gesicht. Ich habe das Gefühl dass mein Körper zu kochen beginnt. ”Wenn es eine Hölle gibt” denke ich, ”dann muss es so sein”. Und es gibt keinen Ausweg. Du musst es ertragen. Nur der Gedanken, dass es zeitbegrenzt ist, schenkt mir ein wenig Trost. Bald werden wir an einer offenen Stelle wo der Wind weht, unseren mitgebrachten Kaffee trinken und dann werden wir im Auto sicher unterwegs sein zu unserem kühlen Fluss wo wir uns erfrischen können.
Zufrieden, wie wenn man Schwerarbeit geleistet hat, kommen wir zu Hause an. Mindestens 15 Liter haben wir in zwei Stunden gepflückt. Bis spät in die Nacht koche ich den köstlichen ”Hjortronsylt” (=eingemachte Multbeeren laut Lexikon :-)
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Das war ein typisches, ständig wiederkommendes Ereignis in unserem Sommeraufenthalt oben in Nordschweden. Wenn man dann Besuch bekommt ist immer eine Frage: Habt ihr schon Multbeeren gepflückt? Dieses Jahr hatten alle den Eindruck, dass es sehr viele Stellen gab, die noch ziemlich ungerührt waren.. Wir glauben dass viele Leute, die es gewöhnt sind diese Beeren zu pflücken, nun schon zu alt geworden sind für diese Strapazen und die junge neue Generation ist zu bequem für solche anstrengende Aktivitäten.
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Als ich meinen Nachbarn ein paar Liter als Dank überreichte sagte ich etwas von der Hölle auf dem Moor. Der Biologe lachte und meinte, ich sei nicht der erste der diesen Vergleich gemacht hätte und zeigte mir ein Buch mit dem Titel: Lapplandsreise im Jahr 1732 von Carl Linnaeus. Darin schreibt er von dem Moor: ” Hinc vocavi Styx. Aldrig kan prästen så beskriva helvete, som detta ej är värre” ( ..... Nie kann der Priester so die Hölle beschreiben, dass dies nicht schlimmer wäre).
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Keine Angst, es gibt Grenzen dafür was ich dir zutrauen würde. Du brauchst nicht mitzukommen aufs Moor ;-)

Montag, 2. Juli 2012

Re: Hilfe! (mein Tag)

den 9 juli 2003 08:05
Re: Hilfe!

Liebe Marlena
Was mache ich in meiner freien Zeit? Gute Frage.
Gestern beispielsweise habe ich mir gleich, als ich um 17.30h nach Hause kam, ein kleines Abendessen zubereitet. S. war noch nicht da. Das war ein Salat mit Broccoli und mit Bohnen, mein Lieblingssalat. Natürlich an italienischer Sauce. Und dazu habe ich den Tennismatch von Gstaad, Federer gegen Gomez, geschaut. War ziemlich spannend. Das zweite Set habe ich dann aber verschlafen und bin rechtzeitig aufgewacht, als Federer bei seinen 2 oder 3 Matchbällen das Set noch verloren hat. Un d dann habe ich das 3. Set mehr oder weniger gesehen, denn ich habe nebenbei Zeitung gelesen. Um etwa 20h ist dann S eingetroffen und ich habe ihr beim Nachtessen Gesellschaft geleistet. Ich will ja nicht mehr essen nach 17.00h, deshalb habe ich mich zurückgehalten. Das ist nicht leicht, kann ich Dir sagen, jeandem beim Essen zuzuschauen. Ich nehme mir in solchen Momenten ein grosses Glas Wasser und halte mich daran schadlos.
Und so haben wir noch ein bisschen miteinander geplaudert. Um halb zehn ist noch B dazu gestossen. Sie wollte eine Fernsehsendung sehen und hat sich gleich den Apparat für sich gepachtet. Und so bin ich dann um 22.30 oder so in mein Bett gestiegen, wollte noch ein bisschen lesen, habe es aber nach drei Sätzen damit belassen. Das ist es, sehr unspektakulär. So gewöhnlich kann Leben sein.
Ach ja, habe ich noch vergessen. Gleich als ich nach Hause kam, habe ich die Blumen vor der Haustüre begossen. Ich hatte den Eindruck, sie liessen ihre Köpfe etwas hängen und wollte sie aufmuntern. Ich glaube, es hat gewirkt. Es sind zwei grosse Stöcke Oleander, die ich mal gekauft hatte, zwei Kisten Geranien und noch ein paar andere Gewächse, die ich nicht so genau benennen kann.
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Und jetzt sitze ich schon wieder im Büro und warte auf Dein Morgenmail. Es ist bedeckt heute, und wird wohl nicht so warm werden wie gestern. Ja, was Dir bei Pessoa aufgefallen ist, das kann ich gut verstehen. Das Wetter ist sozusagen die grösste athmosphärische Dimension. Und die eigenen Launen und Gefühle hängen letztlich ein bisschen davon ab, oder sie kontrastieren sich, sie beumen sich gegen das Wetter auf.. Das Wetter als Äusserstes und die eigene Befindlichkeit als Innerstes, das ist ein guter Spannungsbogen für ein Tagebuch. Vor allem, für einTagebuch ohne Ereignisse. Ich weiss von Bonnard, dem Maler, der auch über Jahre Tagebuch geführt hat. Er hat dazu eine kleine Agenda verwendet. Und er hat auch tagtäglich die Wetterverhältnisse registriert und niedergeschrieben. Aber bei ihm hatte ich diese Gewohnheit eigentlich interpretiert als das Interesse des Malers, der - wenn er Landschaften malt - auf die visuellen Effekte der Witterung ein besonderes Auge legen sollte. Bonnard könnte man durchaus, von seiner Statur her, als einen Verwandten Pessoas bezeichnen. Haben sie nicht zu gleicher Zeit gelebt? Ich glaube, sie könnten Brüder sein. Bonnard hatte mit seiner Frau ein äusserst kompliziertes Verhältnis, hat das aber mit wunderhübschen Interieurportärts beschönigt und verhüllt, eigentlich in ästhetische Kunst verwandelt. Ich glaube, Du kennst Ihn, unseren Bonnard? Er ist mir in den letzten Jahren lieb geworden, und ich kann nicht mal genau sagen, weshalb. Es ist eine ähnliche Art fder Poesie wie Pessoa vielleicht. Jetzt, wo ich darüber schreibe, fällt es mir auf. Die Poetisierung des normalen und banalen Alltages, das schaffen sie beide. Und beide haben natürlich in einer einzigartigen Gegend gelebt, die ihnen ihre Arbeit mit allerfreundlichstem Wetter erleichtert hat. Bonnard war an der Côte d'Azur zuhause.
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Ach ja, und dann habe ich abends noch 3 Kinderbücher rezensiert. Ich habe den Text zwar noch nicht durchformuliert, sondern mir bloss Stichworte gemacht. Ich habe gedacht, das würde genügen, um dann morgens im Büro alles gleich niederzuschreiben. Das will ich jetzt gleich tun. Braucht nicht viel Zeit.

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Und einige kleine Zeichnungen habe ich gemacht gestern abend. Es sind so Einfälle, die ich habe, und die ich dann auf Karten in Postkartengrösse zeichne und bemale. Manchmal sind sie gelungen, manchmal ein bisschen verrückt. Es ist eine Art Bildertagebuch, das ich mache. Und ich denke, dass ich später, wenn ich mehr Zeit habe, davon einige Bilder malen möchte. Es sind Bildideen sozusagen. Einige wirken recht lustig, so dass ich dagegen kämpfen muss, dass S. sie nicht als Postkarten in alle Welt verschickt. Diese Zeichnungen helfen mir, mich etwas aufzuheitern und das Gefühl zu haben, ich hätte am Tag mindestens etwas, wenngleich etwas Kleines, wirklich beendet - um nicht zu sagen 'vollendet'. Wenn ich mal sterbe, werden die Tausenden von kleinen Zeichnungen als der Nachlass eines etwas verschrobenen Spinners gelten.
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So komisch kann Leben sein.
Mit lieben Krüssen (eine patente Momentanerfindung, feucht und knallig)...

Re: Hilfe!

den 8 juli 2003 17:10
Re: Hilfe!

Liebe Marlena
Ach was, seit wann trinken Eichhörchen Whisky? Noch gar doppelte?
Ich war in Basel heute Nachmittag und bin eben zurückgekehrt. Und jetzt werde ich heimfahren, um schleunigst mein Nachmittagsschläfchen zu nehmen.
Ich hatte heute Glück. Ein Kollege hat für mich gearbeitet und mir eine Instruktorin gesucht für eine Fortbildung, die wir im Herbst machen werden. Ich bin ihm dankbar, denn ich hätte wohl lange herumsuchen müssen. Und dazu kommt es so dem Staat viel billiger, weil es sich um eine seiner Mitarbeiterinnen handelt.
So will ich den heutigen Tag geniessen, als ob ich hier soviel wie in einer ganzen Woche gearbeitet hätte. Ich meine, ein anderer hätte das. Ich muss mich ein bisschen anstrengen, meine Effizienz zu schätzen und zu loben. Sonst tut das ja niemand, weil es kein Mensch wirklich bemerkt. Merkst du schon, wie es stinkt. Tut nichts, auch Gestank riecht manchmal recht interessant.
Ich nehme auch einen Whisky, nebenbei. Ich habe immer eine kleine Notreserve in meinem Schrank. Nun ja, es ist ziemlich unklar, was als Not zu bezeichnen wäre. Not ist eben, zu was man notfalls greift. Eben Whisky.
Ich danke Dir für Deine luftigleichten Mails und ich würde Dich umarmen, wenn ich könnte.
Mit einem lieben Gruss
...

Hilfe!

Ämne: Hilfe!
Datum: den 8 juli 2003 14:22

Lieber Mausfreund,

Was machst du mit deiner freien Zeit? Hoffentlich was anderes als ich.

Ich sitze oben in Annas Zimmer und habe gerade die Papierberge in Angriff genommen. Mein mathematisches Können sagt mir, dass ich, wenn ich in demselben Tempo weitermache, eventuell bis zum Schulstart damit fertigwerde. Es ist, im Gegenteil zu der Arbeit mit den Büchern neulich, eine langweilige Arbeit. Grammatische Übungen, Zeitungstexte und eine Menge extra Material zu jedem Stück im Lehrbuch.. Oh Gott! Vielleicht sollte ich alles unangesehen in einen grossen Müllsack stecken und damit auch meine armen Schüler im kommenden Jahr davon befreien. Aber ich bin nun mal ein "Eichhörnchen", wie man bei uns sagt, dass sich gern Dinge aufhebt. Es könnte ja sein, dass...l
Und jetzt fühle ich, dass ich eigentlich ein wenig Stimulantia brauchen würde um weitermachen zu können. Ein Mail von dir würde es tun. Oder ein doppelter Whisky.. ;-)
A und K sind in den Wald hinaus gezogen. Es ist das erste mal seit ewig, dass sie zusammen einen Waldlauf machen. Und so nehme ich die Gelegenheit wahr, wenigstens ein Mail zu schreiben, wenn ich schon keines finde.

Der Himmel hat sich etwas aufgehellt. Weisst du, ich finde es immer noch wie ein Wunder, dass wir so zentral so ländlich wohnen können, dass man so in die weite Natur hinaussehen kann ohne einen Menschen gegenüber zu haben.

Mein Auto ist wieder OK und so fühle ich mich wieder frei - zu fahren wohin ich will und wann ich will. Fehlt eben nur der Willen. ;-)

Ich werde mir nun auch eine kleine Pause im Garten gönnen bevor ich ins Papierchaos zurückkehre. Ach, könntest du meinen Hilferuf hören. Aber du bist vielleicht irgendwo unterwegs und machst die Gegend unsicher. Ja, sowas traue ich dir zu.

Übrigens merke ich dass Pessoa sehr oft seine "Kapitel" mit einer kleinen Betrachtung über das Wetter beginnt. Ich glaube, wenn man nicht seine Gedanken auf etwas besonderes richten muss dann ist man mehr aufmerksam auf den Himmel.

Ich gäbe was drum, wenn ich dich nun sehen könnte bei deinem Vorhaben.
So grüsse ich dich nochmals lieb.
SK
Marlena

Sonntag, 1. Juli 2012

Frische

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Ämne: Frische..
Datum: den 8 juli 2003 10:15

Lieber ... ,
Ich wollte dir gestern abend schreiben aber ich war zum Umfallen müde. Sag, wie ist das möglich, wenn man so frei ist und tun kann was man wünscht? Natürlich sind wir noch nicht abgereist. Wie könnte ich fahren ohne vorher von dir gehörig Abschied zu nehmen.. ? ;-)

Heute bin ich früh aufgestanden. Früh jetzt im Sommer bedeutet vor sieben Uhr. Die anderen haben noch fest geschlafen während ich mein Auto zu der nahen Tankstelle gebracht habe um meinen Auspuff reparieren zu lassen. Gerade hat man angerufen, dass es nun fertig ist. Nicht schlecht so nahe zur Hilfe zu haben.
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Es ist bewölkt aber doch eine frische angenehme Luft die den Rosen, die jetzt so schön blühen, besonders gut bekommt. Ich werde mich nun auf den Weg machen und mein Auto holen.
Schreibe dir vielleicht später noch ein paar Zeilen. Jedenfalls ist es mein Wunsch, das tun zu können.
So grüsse ich dich lieb und danke dir nochmals für dein schönes Frühstücksmail.
Ich wünsche dir einen herrlichen sonnigen Tag,
Marlena

Aus dem RL

den 8 juli 2003 08:22
Aus dem RL

Liebe Marlena
Vielleicht bist Du bereits am Packen? Möglicherweise stehen die Koffern schon im Korridor neben der Eingangstüre? Und im Parterre sind die Läden geschlossen? Der Schlüssel beim Nachbar? Na ja, vielleicht seid Ihr gar schon unterwegs in den hohen Norden. Ich habe kürzlich im Fernsehen wieder einige schwedische Landschaften gesehen. Sie sind überwältigend gross.
Wenn sich mit der Erderwärmung das Klima ändert, so wird es in Schweden wohl ungefähr werden, wie es heute bei uns ist. Und bei uns, so habe ich gehört, wird das Klima wie am Mittelmeer. Ich habe schon daran gedacht, im Garten Artichocken zu pflanzen, und vielleicht ein paar Olivenbäume? Aber ich werde mich zurückhalten, daraus einen Weinberg zu machen. Es ist weniger wegen des Weines, als vielmehr wegen der Arbeit. Ich weiss, wieviel Arbeit Rebstöcke machen. Mein Bruder hat früher mitten in den Rebbergen gewohnt. Und am meisten ist mir da jeweils aufgefallen, wie die Rebbauern schon im kalten Januar und Februar von morgens bis abends in den Reben arbeiten. Das ist kein Vergnügen, und wenn man eine gute Flasche öffnet, sollte man sehr wohl daran denken, wieviel Schweiss dafür vergossen worden ist. Natürlich gilt das mehr oder weniger für die Walliser Weine, die an steilen und beschwerlichen Hängen wachsen. Im Elsass braucht man öfters Maschinen für die Bearbeitung, und das geht dann natürlich viel leichter vor sich.
*
In den letzten Tagen habe ich einen biographischen Roman von Janosh gelesen. Er hat ausgezeichnete Kinderbücher gemacht und dafür auch grosse Preise gewonnen. Ich habe mal ein Kinderbuch rezensiert und für ungenügend befunden, weil ein Zirkusdirektor und sein Gehilfe sich bloss besoffen haben, als Leo ausgebrochen war. Dass dieser Leo kein wirklicher Löwe, sondern bloss ein Floh war, das hat mich nicht von meinem harten Urteil abgehalten. Ich fand es schwach, den Kindern den Suff als Problemlösung vorzuschlagen. Und jetzt, in der Biographie, sehe und höre ich, wie sehr wohl auch Janosh dem Alkohol zugetan ist. Er lebt offenbar heute auf Gomera, allein in einem Haus ohne Wasser und Elektrizität. Und er beklagt sich etwas, dass die Frauen ihn im Leben immer abgelehnt hatten. So etwas hätte ich aus seinen Geschichten niemals angenommen. Seine Geschichten strotzten von Leben und Fantasie, waren gut erfunden und gut erzählt. Ich muss sie wieder mal hervorsuchen und sehen, wie sie jetzt wirken, nachdem ich über das schwierige Leben des Autors gehört habe. Er war in Polen unter ärmsten Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater zuerst Mineur in der Grube, später Textilhändler und zu gewissem Reichtum gelangt. Er hat exzessiv gesoffen und dann jeweils seine Frau geschlagen. Und sie hat, sozusagen als Handpfand, den kleinen Janosh vor sich hergehalten, damit, wenn er zuschlage, er seinen Sohn schlage. Und der wollte seine Frau und nicht seinen Sohn schlagen. Seinen Janosh schlug er zu anderen Zeiten und aus anderen Gründen. Kurz und gut, es scheint eine schreckliche Jugend gewesen zu sein. In Polen war damals die deutsche Sprache noch präsent, und so kam Janosh nach Deutschland, machte eine Ausbildung an einer Kunstschule, und wohnte schliesslich am Ammersee in einem selbstgebauten Atelier. Er hätte 30 Jahre gebraucht um einzusehen, dass er nicht Maler werden könne, weil er nicht malen kann. Er ist aber ein guter Zeichner, und seine Illustrationen der Kinderbücher haben mir immer gut gefallen.
Ich war wirklich etwas erschüttert, zu bemerken, wie sehr ein Werk im Vordergrund so lebendig und voller Vitalität und Ideen sein kann, während der Autor im Hintergrund aber doch ziemlich schwächlich und unglücklich dahin vegetiert. Das zu sehen war überraschend für mich.Was mir bloss aufgefallen war, dass das kleine Foto, welches man oft in den Büchern findet, etwas undeutlich war und den Autoren mehr versteckte als wirklich zeigte. Er wirkte dort irgendwie jämmerlich, und ich hatte mich immer gefragt, weshalb man nicht ein besseres Foto genommen habe. Diese Tatsache scheint mir jetzt einigermassen aufgeklärt. Er ist ein Typ, der nicht in Erscheinung treten will. Und das erklärt wohl auch, warum er bei Frauen immer wieder sosehr abgeblitzt war. Mit einem Wort, ein armer Kerl.
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So bleibt mir die Hoffnung, dass Ihr noch nicht wirklich abgereist seid.
Ich wünsche Dir einen schönen, sonnigen Tag, wie er auch bei uns über der Landschaft schwebt.
Mit lieben Grüssen
...