Freitag, 30. Juli 2021

Ein bilateraler Vertrag

 


(R)


Regel für ein Mausleben

...

Und für unsere Maus-Freundschaft habe ich schon 3 §§§ zu offerieren:

§1 ...dass unser Kontakt uns beide von innen erleuchtet, so dass wir für unsere Lieben der Familie und unsere Leute der Umgebung eine geheinmisvolle Serenität ausstrahlen können.

§2 Es darf nie etwas Negatives für unsere Nahstehenden bedeuten.


§3 En cas de guerre 
sonnez deux fois.


Ist doch fantastisch, ein echter bilateraler Vertrag! Wir können mit einem Glas Champagner darauf anstossen!

§3 kommt überigens aus einer Anekdote, die man sich vom provinziellen Bern, der Bundeshauptstadt der Schweiz vor dem ersten oder aber auch dem zweiten Krieg erzählt. Offenbar hatte man im Aussenministerium im kleinen Bern nur eine Hausglocke. Und weil die Zeiten schwierig und die internationalen Spannungen gross waren, so hatte man unter die Drucktaste der Glocke eben diese Anweisung hingeschrieben: En cas de guerre sonnez deux fois. Damit wussten sie im Aussenministerium, dass sie etwas rascher erwachen sollten. So ungefähr die Andekdote. Und so schlage ich als §3 vor: wenn zwischen uns ein Missverständnis, ein Problem, ein Streit entsteht, dann müssen wir uns das gegenseitig signalisieren. Dann müssen wir vielleicht für einen Moment und etwas deutlicher auf die Metaebene. Und zum Schluss dann die Friedenspfeife, wie du vorschlägst, können wir geradezu als §4 nehmen. Bist du damit einverstanden? Verstehtst du, was ich damit meine? Das ist alles Prophylaxe, wie man so schön sagt.

Donnerstag, 22. Juli 2021

Re: Malen oder schreiben

 (R)


Lieber ...,
Ich hatte eigentlich von diesem Tag nichts mehr gutes erhofft, als ich mich an den PC setzte und in meine mailbox schaute. So kam dein Mail als eine grosse freudige Überraschung. Ich brauchte eins.
Manchmal (so heute) zweifle ich nämlich an allen meinen gutenVorsätzen. Die Bekannten von mir, diejenigen, die schon ihre volle Freiheit geniessen und denen ich gesagt habe, dass ich jeden Tag etwas wichtiges tun möchte, sagen mir lachend ins Gesicht, dass ich das vergessen kann. Es wird ganz einfach nichts daraus. Sag, sind wir Menschen wirklich so sehr auf äusseren Zwang angewiesen?
---
Ja doch, ich kenne diesen Houellebecq oder wie er sich nun schreibt. Ich habe ihn hier in der Bibliothek introduziert. Wenn ich gewusst hätte, welche Themen er behandelt, hätte ich es wohl nicht getan. Aber ich wusste nur, dass man ihn sehr lobte und mit Sartre verglich und ich war neugierig geworden auf ihn.

Es freut mich, dass du schreiben möchtest.  Ich meine, wenn du so schreibst, wie du mir schreibst, dann kann es nicht besser sein. Natürlich machen sich viele einen Namen, indem sie etwas Schockierendes bringen, das bisher Tabu war. Aber das hast du nicht nötig.

Wenn ich einen Roman schreiben würde, dann würde er von einer älteren Frau handeln, die von ihrem Leben enttäuscht, in eine Cyberwelt flieht. Ein Roman mit demselben Thema, wie es Bichsel in seiner Kurzgeschichte "Ein Tisch ist ein Tisch" verwendet. Du kennst sie sicher. Der alte Mann findet sein Leben so öde und langweilig bis er eines Tages auf den Gedanken kommt alle Wörter mit anderen zu ersetzen. Er glaubt, dass sich sein Leben nun ändern wird und er hat viel Spass dabei. Doch er verlernt darüber seine eigene Sprache und kann sich am Ende mit niemandem mehr verständigen.
Es ist eine wunderbare aber auch sehr traurige kleine Geschichte, die ich die Jahre hindurch im Unterricht verwendet habe. Bichsel hat sie sogar selbst für den schwedischen Schulfunk vorgelesen. Aber das habe ich dir vor langer Zeit schon einmal erzählt.

---



In der Zeitung habe ich gerade wieder von einer Person gelesen, die das Buch "Blonde" über alles preist, und ich frage mich warum ich nicht darin weiterkomme. Ich kämpfe wirklich damit. Am liebsten möchte ich es nur liegen lassen, aber dann bin ich wiederum neugierig, was Leute so gut daran finden. Aber da, wo ich mich befinde, ist M. Monroe immer noch ein Kind, obwohl ihr tragisches Leben eigentlich schon begonnen hat. Hast du das Buch gelesen?
---
Nun verabschiede ich mich für heute.
Mit lieben Grüssen,
Malou

Montag, 5. Juli 2021

Europa - "als Grundriss eines Hauses"

 

Liebe Mausfreundin
Soeben habe ich das Budget  unterschrieben. Meine Sekretärin ist soweit und hat alles gut gemacht. Ich bin froh dass sie sich immer grosse Mühe gibt. Ich mag diese Detailarbeiten nicht alle so genau kontrollieren.
Aber ich wollte dir kurz etwas Lustiges erzählen. Kürzlich habe ich in der Zeitung die Wetteraufnahme gesehen. Das ist ein Foto vom geostationären europäischen Satelliten über dem Golf von Guinea. Man sieht Europa in seiner ganzen schönen Länge und Breite. Vorne hängt Spanien beinahe über den Bildrand hinaus, ein bisschen vorwitzig, wie die Spanier eben gerne sind. Rechts davon unser schönes Mittelmeer mit dem italienischen Stiefel. Dann kommt der Zentrale Block mit Frankreich, Deutschland, Beneluxstaaten, Oesterreich, Schweiz bis zu den Osteuropäischen Staaten. Warschau ist noch eingezeichnet und die Grenzen der Staaten. Und dann ganz oben sieht man Skandinavien in dieser unendlichen Länge. Es verschwindet schon beinahe am Horizont. Und natürlich die Britischen Inseln sind auch nicht zu übersehen, trotz der Wolken, die davor hängen. Dabei sind stets die Hauptstädte eingezeichnet: Paris, London, Rom, Zürich, Frankfurt (letztere zwei sind eigentlich keine Hauptstädte, sondern Finanzplätze). Und ganz oben kann ich genau noch bis Stockholm sehen, und gegenüber auf der anderen Seite sehe ich Helsinki, noch ein bisschen weiter. Es ist doch gar nicht so weit. Es ist ein Katzensprung von Zürich via Frankfurt nach Stockholm. Müsste doch zu machen sein! Wenn man das ganze als Grundriss eines Hauses anschauen würde, nun ja, dann wären Spanien und Italien die Veranda. Da liegen die Europäer auf dem Balkon und sonnen sich bis sie goldbraun sind. Der zentrale Teil des Hauses ist dann Frankreich, Deutschland, Schweiz und ein bisschen Oesterreich. Das ist der Korridor, sagen wir Frankreich die Stube, Deutschland das Schlafzimmer, die Schweiz der Putzraum (oder der Tresor?). Britische Inseln die Gästezimmer, etwas abgetrennt, damit sie Ruhe haben und sich nicht so leicht gestört sind. Und im Norden Skandinavien, das ist natürlich das Atelier. Ein gutes Atelier braucht Nordlicht, das ist eine klassische Bedingung. Stockholm liegt mitten im Atelier Europas. Dort oben tut sich etwas im europäischen Haus. Und ihr könnt alle auf uns heruntersehen. Wir liegen Euch zu Füssen, wie man so schön sagt. Soweit meine Beobachtung.
Aber was ich dir eigentlich sagen wollte. Von diesem geostationären Satelliten kann ich wirklich bis zu dir hinauf sehen. Und wenn du nun von Stockholm geradewegs nach Süden gehst, Marlena, immer geradeaus, so wie der Typ, der sehen wollte, ob die Welt rund ist, wenn du also mit deiner Karawane nach Süden kommst, dann wirst du in einigen Wochen direkt in Rom landen. Und wenn du schon einmal unterwegs bist, machst du auf der Höhe  der Schweiz einen kleinen Schwenker nach rechts und nimmst mich auch mit, dann werden wir zusammen nach Rom weiter pilgern und uns die renovierte Sixtinische Kapelle anschauen und abends auf der wunderschönen Piazza Navona flanieren und an einem Espresso nippen, und den Latinos zuschauen, von denen ich mich unterscheide wie Fisch von einem Vogel. Und ich werde den Mund halten, weil du ja italienisch sprechen kannst und mit diesen charmanten Italienern verhandeln wirst.  Ich kenne ein schönes Hotel namens Locarno bei der Piazza del Popolo, im Nordwesen der Stadt, mit einem uralten klapperigen Lift und einer schönen Bar. Da ist es ruhig und schön und gemütlich und wir werden eine wunderschöne Zeit haben.
Das wollte ich dir noch rasch sagen, bevor es dunkel wird über Europa. Es ist nicht sooo weit, Marlena, Kopf hoch.
Mit einem lieben Gruss
... i.M.


Oben links ist Grönland, das ist dann aber echt weit, da könnte man schon verzweifeln. Aber Stockholm, von da kommt man immer noch trockenen Fusses nach Zürich, wenn man denn will.