Dienstag, 31. Oktober 2017

Noch ein Römerbild


Santi Luca e Martina


Ich glaube, ich schicke Dir wieder mal ein Römerbild. Hast
Du den Stadtplan dabei, damit Du dann auch genauestens
orientiert bist. Ich behaupte, in einer halben Stunde kann
man das Zentrum Roms auf einem Plan kennenlernen, dass
man sich dann schon ziemlich gut auskennt, sodass man
kaum mehr verloren gehen kann. Und ich muss gestehen,
dass ich mich nach einigen Tagen dort nach meinem Bild
Zürichs orientiert habe. Ich würde sagen, dass Zürichs
Zentrum ungefähr gleich gross sein muss.
Die Via del Corso ist die Bahnhofstrasse. Die Universität
liegtungefähr im Raum der Stazione Termini, wo dahinter
ja wirklich auch die Uni liegt. Der Vatikan wäre ungefähr
der Uetliberg. Und das Forum Romanum stellt als eine Art
Steinwüste den Zürichsee dar. Aber ich habe diese Vorlage
nicht bewusst genommen, sondern habe erst im
Nachhinein bemerkt, dass es in meinem Kopf so abläuft.
Schau mal dieses hübsche Foto. Ich glaube, es war eines
der ersten, die ich knipste. Es war gegen Abend und ich
kam von Termini herunter. Und da fand ich diese Gruppe
Jugendlicher vor der Kirche S Martina e Luca. So glaube
ich zumindest, dass sie heisst. Sie liegt gleich neben dem
Forum Romanum. Diese Kuppelkirchen, typische Barock-
gebilde, haben es mir einfach angetan. Ich habe sie von
allen Seiten fotographiert. Sie prägen ja auch die Sky-Line
Roms. Und sie sehen aus allen Seiten gleich aus ;--).

Ich habe übrigens die Erkenntnis gemacht, wie sich diese
Kirchen architektonisch entwickelt haben. Das wusste ich
vorher nicht, oder nicht so bewusst. Der Anfang war die alte
Basilika, also ein Langraum. Dann kamen die Seitenschiffe
hinzu. Ich glaube, der alte St. Peter war so eine alte
Basilika. Dann kam das Querschiff, das den Grundriss
eines lateinischen Kreuzes machte. Und damit ergab sich
die Vierung, jenes Quadrat, über dem sich Hauptschiff und
Querschiff kreuzten. Darüber entstand oft der Kirchturm.
Und im Barock dann eben die Kuppel, wie man in der
Kirche Il Gesù sehen kann. Und schlisslich hat man die
Schiffe beiseite gelassen und nur diesen Rundbau mit der
Kuppel gebaut. Ich finde, das ergibt einen wirklich schönen,
geradezu idealen Innenraum. Es gibt noch andere solche
Kuppelkirchen in der Nähe des Forums. Diese hier ist lange
nicht renoviert worden und sieht ein bisschen vergammelt
aus. Die eine Seite, nämlich jene, die Richtung Forum geht,
ist eine Präsentationsfassade mit Eingang. Ich glaube, ich
habe sie auf einem anderen Foto mindestens teilweise
erwischt.
Schön ist die Abendsonne auf dem Bild und der Kontrast
der doch überaus vergänglichen und volatilen Ballone vor
dem Hintergrund der Kirche, die ja schon fast sowas wie
die Ewigkeit repräsentiert.





Sonntag, 29. Oktober 2017

Besuch im Vatikan






Hier noch zwei Bilder. Sie kommen, wie Du sicherlich annehmen wirst, aus der Umgebung des Vatikans. Die Medaille für Kristina von Schweden befindet sich, wie Du bestimmt weisst, in S Pietro. Ziemlich nahe beim Eingang auf der rechten seite findet man die riesige Medaille. Sie hängt allerdings ziemlich hoch, so dass man die Inschrift kaum lesen kann. Nicht weit davon steht die Pietà von Michelangelo. Davon schicke ich Dir später ein Bild. Natürlich hätte ich diese katholische Christina niemals gesehen ohne unsere Mailerei.



Und das andere Bild stammt von der Piazza Santa. Es war ziemlich warm, und die drei Patres haben sich irgendwo ein Wässerchen organisiert. Ich glaube, sie kommen alle drei von sehr verschiedenen Ethnien. Na ja, zwei Asiaten und ein Westler. Der liebe Gott muss in der Tat mehrsprachig sein. Die Moslems denken, er spreche arabisch, die Katholiken vielleicht immer noch, lateinisch. Aber er kann bestimmt auch ein paar Brocken Schweizerdeutsch! Wenn man von der Piazza Santa durch die Kolonnaden in den Dom will, muss man einen gründlichen Check über sich ergehen lassen. Manchmal gibt es dort lange Warteschlangen. Sie durchleuchten alles: Taschen, Körbe, Mappen etc. Nur die Priester lassen sie ungeschoren durch, wie ich meine. Und dann geht es wieder mehr oder weniger in Kolonne hinauf zum Eingang. Man muss also, wenn man auf den Petersplatz kommt, auf der rechten Seite hinauf. Links lassen sie einen nicht eintreten.

Die Piazza Santa ist einfach eindrücklich. Einen solchen Platz gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Das hängt an seiner genialen Gestaltung, aber natürlich auch an den vielen Menschen, die ihn beleben. Man hat irgendwie den Eindruck, hier sei so etwas wie das Zentrum der Welt. Das würden natürlich viele bestreiten, aber eine solche Konzention habe ich sonst nirgendwo gesehen. Na ja, ich habe auch nicht alle Plätze gesehen. Ich würde behaupten, S Marco in Venedig mache einen ähnlich grossen Eindruck auf unsere Seelen. Aber daran sieht man vielleicht nur meinen Eurozentrismus. Der grosse Platz in Isfahan ist jedenfalls von völlig anderer Qualität. Und Times-Square ist kein Platz, sondern eine blosse Strassenkreuzung. Na ja, vielleicht wäre da noch der Wasserturmplatz in Liestal zu erwähnen. Er ist natürlich auch eindrücklich im Sinne der Redensweise: Steter Tropfen höhlt den Stein (meiner Seele).

Es ist merkwürdig, wie ich mich in katholischen Kirchen wohl fühle. Ich fühle dort immer einen Frieden und finde mich gut aufgehoben. Das hängt vielleicht schon damit zusammen, dass ich solche Kirchenbesuche mit Ferien assoziiere. In eine Kirche zu treten, bedeutet für mich sozusagen Ferien. Und natürlich sind solche Kirchen immer auch angenehm kühl und ein bisschen dunkel, in Kontrast zur Hitze und Helligkeit der Strasse. Ich kann die Römer verstehen, dass sie ihre schönen Kirchen wie Ruhe- und Meditationsräume nutzen. Und wenn man dann eintritt, zum Beispiel morgens um neun, dann denkt man, man sei allein in diesem grossen Raum. Es sind keine Menschen zu sehen. Man ist beeindruckt vom Raum, von den Säulen, vielleicht von den Malereien oder vom Altar. Man geht herum. Und plötzlich sieht man da und dort Menschen. Die einen sitzen still und scheinen zu beten, oder doch zumindest sich selbst zu suchen und zu finden. Andere gehen herum und schauen sich auch die Kirche an. Vielleicht ist noch irgendwo ein Sakristan unterwegs, der mit irgendwelchen Dingen hantiert. Einziger Nachteil der Kirchen: man kriegt leicht Nackenstarre!

Ich hatte in Il Gesû ein lustiges Erlebnis. Ich war so müde und hatte mich auf einen Bank mitten in der Kirche gesetzt. Es gibt dort ein schönes, barockes trompe d'oeuil Deckengemälde, so dass man denkt, man würde geradewegs in den Himmel hinauf sehen. Aber eben der Nacken. Ich sass also ziemlich erschöpft dort und bemerkte, dass ungefähr 4 m vor mier ein Bild aufgestellt war. Es war so schief an einen Stuhl gelehnt. Und wenn immer Menschen vorbeikamen und das Bild betrachteten, hellte sich ihr Gesicht auf. Sie waren ganz begeistert von diesem Bild, vielleicht 50x100cm gross. Und je mehr Leute ich passieren und leuhten sah desto neugieriger wurde ich, was es wohl auf diesem Bild zu sehen gäbe. Ich dachte an einen Grundriss, irgend eine Darstellung, die den Menschen eine Übersicht und eine Einsicht gaben. Ich konnte mir nichts anderes vorstellen als eine erläuternde Darstellung. Und als ich dann meine Kräfte wieder gesammelt hatte und bereit war, mich hin zu diesem Bild zu bewegen, da fand ich ... einen Spiegel. Er war schief gestellt, so dass man, ohne den Kopf in den Nacken zu werfen, die Decke betrachten konnte. Das war ein lustiger Moment.

Ich wünsche Dir einen schönen Tag.

Samstag, 28. Oktober 2017

Geheimnis der Liebe

Lieber ...,

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Übrigens scheint nun das Geheimnis der Liebe bald gelöst zu sein. Die neueste Forschung auf dem Gebiet sagt: eine Verliebtheit (Passion) hält 18 Monate bis zu 4 Jahren an. Wenn wir uns verlieben, bildet der Körper Fenyletylamin (nicht zu verwechseln mit Testosteron). Hier gilt es nämlich wirklicher Liebe. Fenyletylamin hat ähnliche Eigenschaften wie cannabis und amfetamin. Man wird „hoch“ davon.
Leider hat diese körpereigene Passionsdroge noch mehr Ähnlichkeiten mit Narkotika. U.a. bildet der Körper allmählich eine Toleranz dagegen. Der Effekt verschwindet und damit auch die Passion. Und höchstens vier Jahre lang hält die Verliebtheit an. Aber das Ende der Passion braucht nicht das Ende einer Beziehung zu bedeuten. Die Molekylärbiologie hat gefunden, dass Paarbeziehungen auch das morfinähnliche, beruhigende Oxytocin bilden, das nicht so stark ist wie die Passionsdrogen, aber das „habit-forming“ (weiss nicht auf deutsch) ist und auch nach der Verliebheit anhält. Für denjenigen, der nicht ohne Passion leben kann gibt es nur einen Ausweg: einen neuen Partner zu finden in den man sich verlieben kann. Mit einem neuen Objekt für die Verliebheit beginnt die Fenyletynamilproduktion und die Passion von neuem.

Freitag, 27. Oktober 2017

Wie Männer kochen


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Nebenbei gesagt weiss ich, liebe Marlena, wie Männer kochen. Ich mach das heute eigentlich kaum mehr. Aber früher habe ich auch ab und zu gekocht, so, wie Männer eben kochen. In der einen das Weinglas, in der anderen den Kochlöffel, das ist die klassische Pose. So was gehört sich. Ohne das wäre Kochen Galeerenarbeit und die Küche die wahre Hölle. Mit dem Wein aber schon ein bisschen anzufangen, das gibt der Küche jenen Glanz, die sie überhaupt erträglich, ja vielleicht gar wohnlich macht. Man muss aber auch wissen, dass das nicht freiwillig ist. Es herrschen hier ziemlich verbindliche Regeln und Gesetze: Es geht darum, dass man den Wein rechtzeitig zu öffnen hat. Es geht darum, dass man zu prüfen hat, ob denn der Zapfen nicht riecht. Es geht nicht zuletzt darum, dass man sich für ein Vorhaben solcher Grössenordnung – nämlich ein Essen auf den Tisch zu bringen – dass man sich für ein solches Wagnis etwas Mut antrinken muss. Denn wenn man daran denkt, was dabei alles schief gehen könnte! Also, meine Liebe, alle Männer der Welt kochen auf diese Art und Weise. Nicht alle kochen sie vielleicht eine Bouillabaisse, aber alle fuchteln sie mit Weinglas und Kochlöffel herum. Das ist – darwinistisch gesprochen - das Resultat stammesgeschichtlicher Evolution. Soweit die Summe soziobiologischer Erkenntnis! Und was auch erkannt ist: Männer kochen mit doppelt bis dreifachem Budget als ihre Frauen. Und sie waschen nicht ab post festum und überlassen die schmutzige Küche dem Personal. Wer auch immer dieses Personal sein mag. Gott möge sie segnen und behüten, diese Männer der Welt!!!

Ich selbst bin heute soweit, dass ich mir erlaube, mit dem Weinglas in der Luft herum zu fahren, ohne dabei gleich kochen zu müssen. Das mag jetzt etwas überheblich klingen, Marlena, ist es ja vielleicht auch. Aber es braucht doch viel Arbeit an sich selbst, zu trinken, ohne zu kochen. Das ist sozusagen eine Trapeznummer ohne Netz. ...

Sonntag, 1. Oktober 2017

Die Zeit der IRONIE


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Gerade lese ich einen Artikel, dass die Zeit der IRONIE vorbei sei. Soll ich ein bisschen ausholen? Das lenkt uns vielleicht ab.

Ironie und Moderne gehören zusammen. Sie sind ein Zwillingspaar. Es gibt im 20. Jahrhundert kaum einen Schriftsteller von Rang, der sich als unironisch bezeichnen liesse. Das vergangene Jahrhundert hat bombastische, hybride und teilweise verheerende Weltveränderungen gebracht. Aber im Geistigen war es in einer diametral entgegengesetzten Tonart. Es war ein Zeitalter der Verstellung, der Untertreibung, der Verkleinerung, kurz: der Ironie. Den programmatischen Auftakt bildete 1903 die Novelle von Thomas Mann "Tonio Kröger". Für das Adjektiv unironisch finde der junge Autor ein ganzes Arsenal von Synonymen: pathetisch, sentimental, schwerfällig, täppisch-ernst, unbeherrscht, ungewürzt, langweilig, banal. Er nennt 9 Ausdrücke für das Unironische, und das Unironische selbst steht in der Mitte zwischen unbeherrscht und ungewürzt. Die Kette ist aufgebaut nach einer Art Antiklimax, vom Pathetischen herabstürzend zum Banalen.

Aber das Ironische war schon zu Manns Zeiten ein alter Hut, gut hundert Jahre alt. Und bei Tonio Körger fehlt der Begriff "unmodern". Denn Moderne und Ironie gehören zusammen. Ironie ist nach der Französischen Revolution in Mode gekommen. Sie war als methodisches Instrument und geistige Haltung natürlich viel älter. Wurzeln gehen zurück bis Sokrates, Cervantes, Diderot, Sterne und vielen anderen. Aber erst mit der Wende zum 19. Jahrhundert wurde Ironie zur privilegierten und beliebten Ausdrucksform der Elite. Es gab auch Skeptiker. Nietzsche meint, sie verderbe den Charakter, sie gleiche einem bissigen Hund, "der noch das Lachen gelernt hat, ausser dem Beissen". Und Kiergegaard nennt sie ein "Niezuendekommen in negativer Freieit" ein "Herumirren im Nichts". Kundera nennt den Roman als die ironische Kunst schlechthin. Und er Zitiert Sciascia: "Nichts, was schwieriger zu verstehen wäre, nichts, was weniger zu entziffern ist als Ironie". Doch jeder monderne roman zeichnet sich aus durch seine "ihm wesensgemässe Ironie". Das ist die offizielle Lesart der klassischen Moderne, von Mann über Kafka, Musil, Broch bis zu Green, Brodkey. Es ist eine Cheflinie, eine Geisteshaltung einer bildungsbürgerlichen Elite. Doch mittlerweile ist sie in die Defensive geraten. Das junge Feuilleton spricht geradezu veräntlich vom "Ironiekult", dem endlich eine Ende gemacht werden müsse.

Schön und gut, doch was ist das Gegenteil von Ironie? Man hat sich in der begrifflichen Not auf das "Pathetische" geeinigt. Sie steht bei Thomas Mann auf Platz eins. Das Pathetische, der sogenannte hohe Ton, scheint seit Schiller ziemlich ausgestorben. Das Pathetische und das Ironische unterscheiden sich vor allem in ihrem Verhältnis zum Schmerz.

Einer der wenigen Anti-Ironiker ist Peter Handke. Er hat sich in den 80er Jahren notiert: "Vermeide das Ironische; es zeigt deine Verletztheit (...) suche den Ernst". Denn Ironie ist ein Mittel, Abstand zu schaffen, sich zu verstecken, Schmerz und Verletztheit zu leugnen. Und nach handkes Dialektik zeigt man eine Wunde gerade dadurch, dass man sie geflissentlich zu verstecken sucht.

Zur Leidenschaft hat der moderne Mensch ein gebrochenes Verhältnis. Er stellt sich gönnerhaft neben sie, belächelt sie milde: das ist eine klassische Thomas Mann Attitüde. Dessen Antipode ist Kafka. Martin Walser erkennt bei ihm das Begriffspaar "Mitleid und Furcht". Bei Kafka vermischen sich pathetische und ironische Elemente auf brisante Weise. Sie provozieren Reaktionen von Lachen, Heulen bis Zähneknirschen.

"Eine unheimliche Begleiterscheinung des ironistischen Zeitalters des menschlichen Selbstverständnisses besteht darin, dass in ihm die Menschen verlernt haben, zu weinen", sagt Hermann Schmitz. Weinen befreit. Es ist in erster Linie ein physiologischer Affekt, weniger eine geistige Tat.

Lachen befreit auch. Und einer der Endzwecke der Ironie ist gerade das Lachen. Aber Ironie irritiert.

Wenn also Pathos, Ernst - im Sinne Handkes - die Nachfolge von Ironie antreten würde, wäre das nicht die schlimmstmögliche Wendung. Pathos und Ernst könnten auch Gegengifte sein gegen die Infantilisierung durch ubiquitäre Entertainment in der Gesellschaft.
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