Samstag, 10. Juli 2010
Sinngedicht
Das ist für dich Marlena, meine Gute:
"Wer seines Lebens viele Widersinne
versöhnt und dankbar in ein Sinnbild fasst,
der drängt die Lärmenden aus dem Palast,
wird anders festlich, und du bist der Gast,
den er an sanften Abenden empfängt.
Du bist der Zweite seiner Einsamkeit,
die ruhige Mitte seinen Monologen;
und jeder Kreis, um dich gezogen,
spannt ihm den Zirkel aus der Zeit."
Rilke Berlin-Schmargendorf 1899
Das könnte man geradezu an die Pinwand heften, wenn man es nicht vor sich hersagen müsste, neben all die Lieben im Leben. Es ist für mich das Sinngedicht unserer Freundschaft.
Donnerstag, 8. Juli 2010
"Erklärt Pereira"

"Was der Italiener Antonio Tabucchi ... mit seinem Roman "Erklärt Pereira" an feinsinniger Gespanntheit erzeugt, übertrifft alle Erwartungen...
Eines der schönsten und lesenswertesten Bücher unserer Zeit."
Hans-Jürgen Schmitt in der "Frankturter Rundschau"
Jetzt habe ich endlich das "wunderschöne Büchlein" in der Hand, das du mir so sehr empfohlen hast... Ich nehme es mit als Sommerlektüre.
Mittwoch, 7. Juli 2010
Hjortron - Multbeeren

Lieber ... ,
So um den 20 Juli herum ist es so weit. Schon lange haben wir an diesen Tag gedacht. Mit Freude und mit Angst. Es ist Zeit für die Multbeeren. Wir haben bereits eine Tour in den nahen Wald gemacht und vom Auto nachgesehen ob sie reif sind. Hier und da leuchtet es ein wenig rot und an manchen Stellen sogar gelb, ein Zeichen dass man sie nun pflücken kann. Morgen geht es los. Wir hoffen auf einen frischen Tag mit Wind, damit die Mückenplage nicht zu gross wird und die Kriebelmücken: so ganz kleine Fliegen, die einen ganz schrecklich beissen und die sich mit Vorliebe in die Augen begeben wo man sich nicht mit Mückenöl einreiben kann.
Am Morgen müssen wir feststellen dass es zwar schön sonnig ist aber leider ganz windstill. Wir kleiden uns wie üblich für diese Aufgabe. Jeans, Gummistiefel, ein leichtes T-shirt und darüber etwas langärmeliges. Ich nehme immer ein altes Hemd aus Baumwolle das meinem Schwiegervater gehört hat. Um diese Zeit denke ich besonders viel an ihn. Als er noch lebte war das ganze mit einem Zeremoniell umgeben, das fast ein bisschen magisch wirkte. Bevor man endlich startete wurde mindestens eine Stunde lang diskutiert auf welchem Moor man am sichersten eine gute, ungerührte Stelle finden könnte. Namen wurden genannt die für mich einen exotischen Klang hatten. Manchmal wurde ich ungeduldig und versuchte sie zu beschleunigen. Nun denke ich mit Wehmut zurück an diese Zeit.
Genau wie damals trage ich auch heute einen gelben Stoffhut um mich gegen Bremsen zu schützen, vor denen ich mich am meisten fürchte. Man hört sie und weiss dass sie einen nicht verlassen bevor sie Blut getrunken haben und man weiss auch wie weh sie tun, die schmerzenden Beulen, die sie auf der Haut hinterlassen.
Nun, noch schnell diskret alle Eimer ins Auto und den Picknickkorb und dann geht's los. Eine Fahrt zu einer Multbeerenstelle ist immer ”secret mission”.
Seit einigen Jahren haben wir eine Lieblingsstelle wo wir diese Beeren pflücken. Ein richtiger Tresor! Zwar liegt es ein paar Meilen entfernt, aber was macht das schon. Die Natur ist so schön! Die Fahrt geht durch Wald und Felder, durch eine sehr dünn besiedelte Gegend. Immer wieder fragen wir uns was für Leute es aushalten so isoliert zu leben, besonders im Winter.
Nach ungefähr 40 Minuten sind wir am Ziel. Nun rasch aus dem Auto, die Eimer heraus und über den Graben in den Wald. Es muss alles sehr schnell gehen. Denn eine gute Multbeerenstelle ist wie eine Goldader die man gefunden hat. Man will nicht dass alle davon wissen.
Hier hat schon jemand gepflückt, können wir sofort feststellen. Ist aber nicht schlimm.. An dieser Stelle sind schon nach einem Tag so viele nachgereift dass man mehr als genug findet. Ausserdem gibt es immer Teile die noch ungerührt sind.
Es ist ein zeitweise strüppiges Gelände. Aber ich wage mich auch auf die offenen Stellen. Ich bin es gewöhnt. Ich weiss wohin man treten darf. Und doch passiert es mir plötzlich. Blitzschnell, bevor ich weiss was passiert, ist mein linkes Bein bis zum Knie im Moor versunken und als ich es rausziehe ist der ganze Stiefel voll Wasser.
Doch ich muss es leiden. Und was macht es schon. Ich freue mich über die Beeren die überall so schön leuchten. Wie Honig sind sie. ”Das Gold des Waldes” nennt man sie und sie lassen mich die Strapazen vergessen. Aber dann brennt wieder die Sonne. Es ist es ganz windstill. Auch nähert sich die Zeit wo die Blutsauger besonders aktiv werden. Es surrt und brummt um mich herum.
Ich bewege mich gebeugt über das Moor. Wie warme Wellen steigt die Luft empor in mein schon vorher erhitztes Gesicht. Ich habe das Gefühl dass mein Körper zu kochen beginnt. ”Wenn es eine Hölle gibt” denke ich, ”dann muss es so sein”. Und es gibt keinen Ausweg. Du musst es ertragen. Nur der Gedanken, dass es zeitbegrenzt ist, schenkt mir ein wenig Trost. Bald werden wir an einer offenen Stelle wo der Wind weht, unseren mitgebrachten Kaffee trinken und dann werden wir im Auto sicher unterwegs sein zu unserem kühlen Fluss wo wir uns erfrischen können.
Zufrieden, wie wenn man Schwerarbeit geleistet hat, kommen wir zu Hause an. Mindestens 15 Liter haben wir in zwei Stunden gepflückt. Bis spät in die Nacht koche ich den köstlichen ”Hjortronsylt” (=eingemachte Multbeeren laut Lexikon :-)
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Das war ein typisches, ständig wiederkommendes Ereignis in unserem Sommeraufenthalt oben in Nordschweden. Wenn man dann Besuch bekommt ist immer eine Frage: Habt ihr schon Multbeeren gepflückt? Dieses Jahr hatten alle den Eindruck, dass es sehr viele Stellen gab, die noch ziemlich ungerührt waren.. Wir glauben dass viele Leute, die es gewöhnt sind diese Beeren zu pflücken, nun schon zu alt geworden sind für diese Strapazen und die junge neue Generation ist zu bequem für solche anstrengende Aktivitäten.
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Als ich meinen Nachbarn ein paar Liter als Dank überreichte sagte ich etwas von der Hölle auf dem Moor. Der Biologe lachte und meinte, ich sei nicht der erste der diesen Vergleich gemacht hätte und zeigte mir ein Buch mit dem Titel: Lapplandsreise im Jahr 1732 von Carl Linnaeus. Darin schreibt er von dem Moor: ” Hinc vocavi Styx. Aldrig kan prästen så beskriva helvete, som detta ej är värre” ( ..... Nie kann der Priester so die Hölle beschreiben, dass dies nicht schlimmer wäre).
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Keine Angst, es gibt Grenzen dafür was ich dir zutrauen würde. Du brauchst nicht mitzukommen aufs Moor ;-)
Dienstag, 6. Juli 2010
Fenyletynamil und Oxytocin
Datum: den 11 juni 2003 00:03
Lieber ...,
Irgendetwas ist nicht ”comme il faut” mit dem hotmail, aber ich kann dir auch schreiben ohne online zu sein und es morgen früh absenden. Ich habe mich sehr gefreut über dein extra mail. Es hat mir wirklich über meine schlechte Laune hinweg geholfen und mein Gleichgewicht wiederhersgestellt.
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Es war schön mit dir heute Nachmittag eine Weile in den kühlen Dom zu verschwinden. ;-) Und ich muss lachen über deine Wahrnehmungen. Ich habe nie mit Worten daran gedacht aber gewiss ist es so (auch Anna hält mit), dass man den Körper von Kristus oft sehr wohltrainiert darstellt. Wie ein Waschbrett. Erotisch, wie du es nennst. Dabei habe ich herzlich gelacht. Wenn du so die Hemmungen fahren lässt bist du ganz unwiderstehlich.
Übrigens scheint nun das Geheimnis der Liebe bald gelöst zu sein. Die neueste Forschung auf dem Gebiet sagt: eine Verliebtheit (Passion) hält 18 Monate bis zu 4 Jahren an. Wenn wir uns verlieben, bildet der Körper Fenyletylamin (nicht zu verwechseln mit Testosteron). Hier gilt es nämlich wirklicher Liebe. Fenyletylamin hat ähnliche Eigenschaften wie cannabis und amfetamin. Man wird „hoch“ davon.
Leider hat diese körpereigene Passionsdroge noch mehr Ähnlichkeiten mit Narkotika. U.a. bildet der Körper allmählich eine Toleranz dagegen. Der Effekt verschwindet und damit auch die Passion. Und höchstens vier Jahre lang hält die Verliebtheit an. Aber das Ende der Passion braucht nicht das Ende einer Beziehung zu bedeuten. Die Molekylärbiologie hat gefunden, dass Paarbeziehungen auch das morfinähnliche, beruhigende Oxytocin bilden, das nicht so stark ist wie die Passionsdrogen, aber das „habit-forming“ (weiss nicht auf deutsch) ist und auch nach der Verliebheit anhält. Für denjenigen, der nicht ohne Passion leben kann gibt es nur einen Ausweg: einen neuen Partner zu finden in den man sich verlieben kann. Mit einem neuen Objekt für die Verliebheit beginnt die Fenyletynamilproduktion und die Passion von neuem.
Ha.. nun wissen wir wie es sich damit verhält.. und ich frage mich gerade, wo auf dieser Stufe ich mich im Moment befinde. ;-) Vielleicht wird man auch bald ein Mittel dagegen erfinden. Eine Antiliebepille.. Was sagst du dazu?
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Es ist spät und ich werde nochmals versuchen ins Hotmail zu kommen.
Gute Nacht, .... Ich wünsche dir einen schönen Tag morgen.
G+K
Marlena